Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema der zirkulären Geschäftsmodellierung und Businessplanerstellung innerhalb der Bekleidungsindustrie. Behandelt wird die Frage, wie kreislaufwirtschaftliche Prinzipien auf die Bekleidungsindustrie angewendet und in den Kontext eines tragfähigen Businessplans gestellt werden können.
Dazu werden zunächst die später angewandten unternehmenskonzeptionellen Modelle vorgestellt und anschließend Bezug auf die Kreislaufwirtschaft genommen. Darauf aufbauend, werden mögliche Lösungsansätze entlang des textilen Wertschöpfungskreislaufs beschrieben. Anschließend wird der Use-Case eines Bekleidungsunternehmens der Circular Economy, unter Anwendung des Circular-Business-Model-Canvas, im Rahmen eines Businessplans ausgearbeitet.
Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist neben der Identifizierung kreislaufwirtschaftlicher Geschäftsmodellansätze insbesondere die Betrachtung der Prinzipien im Kontext der Bekleidungsindustrie sowie die praktische Anwendung innerhalb einer Unternehmensmodellierung. Dementsprechend werden einerseits übergeordnete Zusammenhänge dargestellt sowie andererseits potenzielle Lösungsmodelle abgebildet, welche bestimmte Problematiken und Ziele der EU-Politik adressieren.
Inhalt
Abkurzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage
1.3 Methodisches Vorgehen
2 Unternehmenskonzeption einer textilen Kreislaufwirtschaft
2.2 Einordnung der unternehmenskonzeptionellen Modelle
2.2.1 Theoretische Anforderungen an einen Businessplan
2.2.2 Definitionen und Konzeption von Geschaftsmodellen
2.2.3 Das Business Model Canvas nach Osterwalder und Pigneur (2010)
2.3 Geschaftsmodelle der Kreislaufwirtschaft
2.3.1 Definition und Konzeption der Kreislaufwirtschaft
2.3.2 Das Circular Business Model Canvas
2.4 Der textile Wertschopfungskreislauf
2.4.1 Ressourceneffizienz
2.4.2 Designstrategien 3
2.4.3 Verlangerung der Produktlebensdauer
2.4.4 End-of-Life Losungen
3 Businessplan
3.2 Qualitative Unternehmensplanung
3.2.1 Geschaftsidee
3.2.2 Vertrieb und Wettbewerb
3.2.3 Team und Partner
3.2.4 Unternehmen
3.3 Quantitative Unternehmensplanung (Finanzplanungsrechnung)
3.3.1 Umsatz
3.3.2 Kosten
3.3.3 Kapitalplanung
3.3.4 Liquiditat
3.3.5 Rentabilitat
4 Fazit und Ausblick
2 Literaturverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Prozessphasen der Unternehmensgrundung
Abbildung 2: Einordnung der Methoden in die Prozessphasen des Grundungsvorgangs
Abbildung 3: Unternehmensstrategie und Geschaftsmodell
Abbildung 4: Preisgestaltungsmechanismen
Abbildung 5: Das Business Model Canvas
Abbildung 6: Das Schmetterlingsdiagramm der Kreislaufwirtschaft
Abbildung 7: Circular fashion system
Abbildung 8: Das Circular Business Model Canvas des Use Case 3
Abbildung 9: Umsatzentwicklung Damenbekleidung
Abbildung 10: Marktanteil "Nachhaltige Mode“, letzte Aktualisierung August 2021
Abbildung 11: Wettbewerbsanalyse
Abbildung 12: Preistransparenz
Abbildung 13: Umsatzplanung
Abbildung 14: Kosten
Abbildung 15: Kapitalbedarf und Finanzierung
Abbildung 16: Liquiditatsplanung
Abbildung 17: Rentabilitatsrechnung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Marktanalyse "nachhaltige Mode"
Tabelle 2: Preiskalkulation
Tabelle 3: Softwarekosten
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit beschaftigt sich mit dem Thema der zirkularen Geschaftsmodellierung und Businessplanerstellung innerhalb der Bekleidungsindustrie. Behandelt wird die Frage, wie kreislaufwirtschaftliche Prinzipien auf die Bekleidungsindustrie angewendet und in den Kontext eines tragfahigen Businessplans gestellt werden konnen. Dazu werden zunachst die spater angewandten unternehmenskonzeptionellen Modelle vorgestellt und anschlieBend Bezug auf die Kreislaufwirtschaft genommen. Darauf aufbauend, werden mogliche Losungsansatze entlang des textilen Wertschopfungskreislaufs beschrieben. AnschlieBend wird der Use-Case eines Bekleidungsunternehmens der Circular Economy, unter Anwendung des Circular-Business-Model-Canvas, im Rahmen eines Businessplans ausgearbeitet. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass eine Implikation auf allen Ebenen notwendig ist, um die Kreislaufwirtschaft in ihrer Gesamtheit umzusetzen. In der Theorie existieren ganzheitliche Losungsansatze, wofur es jedoch ein hohes MaB an Innovationsfahigkeit, Netzwerkmanagement und Kundenorientierung sowie staatlicher Unterstutzung bedarf. Da der Informationszugang zu wirtschaftlichen Kennzahlen limitiert war, konnte die Rentabilitat eines kreislaufwirtschaftlichen Bekleidungsunternehmens nicht endgultig geklart werden.
Summary
This thesis addresses the topic of circular business modeling and business plan development within the fashion industry. It discusses the question of how circular economy principles can be applied to the fashion industry and how it can be placed in the context of a viable business plan. To this end, the business conceptual models applied later are first presented and then placed in the context of the circular economy. Based on this, possible solutions along the textile value chain are described. Subsequently, the use case of a circular economy apparel company, using the circular business model canvas, is elaborated in the context of a business plan. The results showed that an implication at all levels is necessary to implement the circular economy in its entirety. In theory, holistic solutions exist but they require a high degree of innovation network management and customer centricity as well as government support. Because access to information on economic indicators was limited, the profitability of a circular economy apparel company could not be definitively determined.
1 Einleitung
,, Creating something does not have to mean destroying the environment and people in the process and that creation does not have to be only based on profitability." - Reet Aus (2011)
Mit dieser Thematik beschaftigt sich die folgende wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Modeproduktion mit Textilabfallen als Geschaftsmodell - Erstellung eines Businessplans unter Anwendung des Circular Business Model Canvas“.
Um ein grobes Verstandnis fur die inhaltliche Thematik der vorliegenden Arbeit zu bekommen, erlautert das einfuhrende Kapitel die derzeitige Situation und Probleme in der Textil- und Bekleidungsindustrie. AnschlieBend werden die abgeleitete Zielsetzung und Forschungsfrage dargestellt, sowie zum Schluss die Methodik und der Aufbau beschrieben.
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
Textilien und Bekleidung sind durch ihren taglichen Bedarf eines der grundlegendsten Konsumguter unserer Gesellschaft. Mit einem Wert von rund 1,3 Billionen US-Dollar und einem Beschaftigungsvolumen von mehr als 300 Millionen Menschen entlang der Wertschopfungskette ist die Bekleidungsindustrie eine der bedeutendsten und groBten Wirtschaftszweige weltweit (Ellen MacArthur Foundation 2017). Die deutsche Textil- und Modeindustrie im Vergleich besteht aus ungefahr 1.400 Unternehmen und ist uberwiegend von kleinen und mittelstandischen Unternehmen gepragt. Mit einem Gesamtbeschaftigungsvolumen von rund 135.000 Menschen und einem Jahresumsatz von circa 35 Milliarden Euro ist diese nach der Nahrungsmittelindustrie die zweitgroBte Konsumguterindustrie Deutschlands. Ungefahr ein Drittel dieser Umsatze sind auf die Mode- und Bekleidungsbranche zuruckzufuhren (Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V. 2017).
Wahrend die Modeindustrie mit ihrem Marktvolumen ein Wirtschaftstreiber in einkommensschwachen Landern ist, zahlt sie gleichzeitig zu einer der schadlichsten Industrien weltweit. Neben den negativen Auswirkungen auf Klima und Umwelt ist der Sektor zusatzlich von exploratorischen und unwurdigen Arbeitsbedingungen in Billiglohnlandern gepragt (Global Fashion Agenda & The Boston Consulting Group 2017; Ellen MacArthur Foundation 2017). Die global stetig wachsende Mittelschicht lieB die Nachfrage nach Bekleidung in den letzten knapp 30 Jahren so rasant steigen, dass sich der Pro-Kopf-Konsum durchschnittlich um 2
40 Prozent steigerte. Ausgehend davon wurde die Produktion in Entwicklungs- und Schwellenlandern intensiviert und eine kostengunstige Herstellung mit qualitativ geringwertigerem Ressourceneinsatz und stark umweltschadlichen, chemischen Fasergemischen angestoBen (Europaisches Parlament 2020; Ellen MacArthur Foundation 2017). Dieses Phanomen, bekannt unter dem Begriff ,,Fast Fashion“, wird durch die globalen Bekleidungskonzerne angetrieben, die durch ihre immense Prasenz am Markt die Preissensibilitat der Kunden pragen. Viele Verbraucher sind nicht mehr bereit, den tatsachlichen Preis eines Kleidungsstuckes zu zahlen (Ellen MacArthur Foundation 2017). Die Produktqualitat und das Kaufverhalten fuBen auf dem „take-make-dispose“- Prinzip, welches durch das Abfallaufkommen von knapp 6 Millionen Tonnen jahrlich, wesentliche negative Umweltauswirkungen nach sich zieht (Europaische Kommission 2022b).
Mit dem Green Deal der europaischen Union aus dem Jahr 2019 ruckten ressourcenintensive Wirtschaftssektoren mit signifikanten negativen Auswirkungen auf die Umwelt, zu welchen auch die Textilindustrie zahlt, in den Fokus. Ziel des Abkommens ist bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral zu werden. Als MaBnahme davon wurde unter anderem der Aktionsplan der EU fur die Kreislaufwirtschaft abgeleitet, in der fur die Textilindustrie als Schwerpunktsektor eine gesonderte EU-Textilstrategie erarbeitet wurde (Europaische Kommission 2022a). Die Strategie umfasst verschiedene Ziele, wie zum Beispiel den EU- Markt fur zirkulare und nachhaltige Textilien zu vergroBern. Sie beschaftigt sich auBerdem mit der Entwicklung neuer Geschaftsmodelle, die die Bereiche Wiederverwendung und Reparatur einschlieBen sollen. Daruber hinaus fordert die Strategie neue und verbesserte Designs fur Nachhaltigkeit, die durch bestimmte Designanforderungen festgelegt werden sollen (Europaisches Parlament 2021; Europaische Kommission 2022b; Kohler et al. 2021; Europaische Kommission 2022a).
Die in den letzten Jahren immer kontroverser diskutierten Problematiken der Textil- und Bekleidungsindustrie, sowie die daraus beschlossen MaBnahmen der EU, zwingen Unternehmen uber alternative und umweltvertragliche Wirtschaftsformen nachzudenken. Die Kreislaufwirtschaft, auf welche auch der Aktionsplan der EU abzielt, wird seit mehreren Jahren in der Literatur thematisiert und mittlerweile als Vision fur eine zukunftsfahige Textilwirtschaft angesehen (Ellen MacArthur Foundation 2020; Kohler et al. 2021). Das Model zielt auf geschlossenen Materialflusse ab, in welchen der Ressourceneinsatz von ursprunglich neuen Rohstoffen durch „end-of-life“ - Produkte bzw. Materialen ersetzt werden soll. Dadurch wird das Wirtschaftssystem von endlichen Ressourcen abgekoppelt und die Umweltbelastung auf ein Minimum reduziert. Seinen Ursprung hat dieses Model bei den Autoren Michael Braungart und William McDonough mit dem „cradle-to-cradle“ - Prinzip, das ein ideales Wirtschaftssystem ohne Abfall konzipiert (Braungart und McDonough 2014).
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage
Ziel dieser wissenschaftlichen Arbeit ist neben der Identifizierung kreislaufwirtschaftlicher Geschaftsmodellansatze, insbesondere die Betrachtung der Prinzipien im Kontext der Bekleidungsindustrie sowie die praktische Anwendung innerhalb einer Unternehmensmodellierung. Dementsprechend werden einerseits ubergeordnete Zusammenhange dargestellt sowie andererseits potenzielle Losungsmodelle abgebildet, welche die genannten Problematiken und Ziele der EU-Politik adressieren. Demnach gilt es folgende Forschungsfragen im Verlauf dieser Arbeit umfassend zu ergrunden und zu beantworten:
„Wie konnen kreislaujwirtschaftliche Prinzipien auf die Bekleidungsindustrie angewendet und in den Kontext eines tragfahigen Businessplans gestellt werden?“
Hierfur sollen unternehmenskonzeptionelle Modelle vorgestellt und anschlieBend mit Bezug auf die Kreislaufwirtschaft in ihrer Gesamtheit sowie spezieller im Rahmen der Bekleidungsindustrie betrachtet werden. Das genaue Vorgehen wird im Folgenenden Kapitel erlautert.
1.3 Methodisches Vorgehen
Um die Forschungsfrage beantworten zu konnen, gliedert sich die Arbeit inhaltlich in zwei Teile. Nachfolgend der im ersten Kapitel bereits thematisierten Ausgangslage und definierten Zielsetzung, widmet sich das zweite Kapitel eingangs der theoretischen Grundlagen wie auch den Definitionen unternehmenskonzeptioneller Modelle. AnschlieBend wird das Konzept der Kreislaufwirtschaft abgebildet und in den Kontext von Geschaftsmodellstrukturen gestellt. Komplementar befasst sich der letzte Abschnitt des zweiten Kapitels mit moglichen MaBnahmen entlang des textilen Wertschopfungskreislaufs.
Im Fokus des zweiten Teils der Arbeit steht die Anwendung der Ergebnisse aus der vorherigen Literaturrecherche auf die Businessplanerstellung. Damit wird die funktionale und wirtschaftliche Realisierbarkeit des Use Case „Modeproduktion mit Textilabfallen“ unter Implikation des Circular Business Model Canvas uberpruft. Im ersten Abschnitt wird die qualitative Unternehmensplanung durchgefuhrt, welche die inhaltlichen Bestandteile des Vorhabens beschreiben. Darauf aufbauend wird die Finanzplanung vorgenommen, welche neben den wichtigsten Kennzahlen, den Finanzierungsbedarf wie auch die Liquiditats- und Rentabilitatsplanungsrechnung darstellt, anhand welcher die Tragfahigkeit des Geschaftsmodells abgeleitet werden kann.
AbschlieBend erfolgt eine kritische Betrachtung der kreislaufwirtschaftlichen Prinzipien in der Bekleidungsindustrie. Zusatzlich wird ein Fazit in Bezug auf die Forschungsfrage gezogen, welches Schlussfolgerungen fur die zukunftige Entwicklung der Bekleidungsindustrie beinhaltet.
2 Unternehmenskonzeption einer textilen Kreislaufwirtschaft
Im vorangegangenen Kapitel wurden die derzeitigen Herausforderungen der Textil- und Bekleidungsindustrie sowie die thematische Ausrichtung der Arbeit auf die Entwicklung eines Businessplans unter Anwendung des CBMC beschrieben. Fur ein umfassendes und tieferes Verstandnis der Themen und Begrifflichkeiten wird im ersten Teil des Kapitels, jeweils zu Beginn, eine Ubersicht uber die Materie gegeben und im Anschluss detailliert auf die wissenschaftlichen Modelle und kontextualen Zusammenhange der kreislaufwirtschaftlichen Unternehmensentwicklung eingegangen. Im zweiten Teil des Kapitels werden die in dieser Arbeit relevante Bereiche der textilen Wertschopfungskette unter den Gesichtspunkten der Kreislaufwirtschaft betrachtet. Dabei sollen ausgewahlte Methoden identifiziert und anschlieBend im nachsten Kapitel fur den Use Case angewandt werden.
2.2 Einordnung der unternehmenskonzeptionellen Modelle
Um im weiteren Verlauf des zweiten Kapitels die gewahlten methodischen Ansatze einordnen und abgrenzen zu konnen, werden im Rahmen der theoretischen Unternehmensneugrundung nachstehend die verschiedenen Phasen dargestellt. Dabei wird Bezug auf die entsprechenden Modelle, mit besonderem Fokus auf die Vorgrundungsphase, genommen.
Von der Geschaftsidee bis zur Grundung werden mehrere Entwicklungsstufen durchlaufen, fur welche es in der Literatur unterschiedlich detaillierte Phasenmodelle gibt (Becker und Priestaff 2018). Da es in dieser Arbeit um einen fruhen Unternehmensentwicklungsstand geht und Methoden verglichen werden, die diesen abdecken sollen, wurde ein entsprechendes Modell gewahlt. Nach Becker und Priestaff, (2018) in Anlehnung an Pott und Pott (2012), sowie Hansen (2009), lasst sich das Phasenmodell in vier
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Prozessphasen der Unternehmensgrundung nach Becker und Priestaff (2018) in Anlehnung an Kunze und Offermann (2016)
Wie in Abbildung 1 zu sehen, lassen sich die Phasen in Vorgrundungs-, Planungs-, Grundungs- und Nachgrundungsphase unterteilen. Die jeweilige Phase ist durch einen anderen Reifegrad der Geschaftsidee bzw. des Geschaftsmodells charakterisiert, weshalb jeweils unterschiedliche methodische Ansatze zur Entwicklung und Dokumentation Anwendung finden konnen.
In der Vorgrundungs-, bzw. Erkennungsphase wird das Marktpotenzial fur eine Geschaftsidee, die sogenannte unternehmerische Gelegenheit nach Schumpeter, erkannt. Darauffolgend wird in der Entwicklungs- und Planungsphase das Potenzial dieser Idee bewertet, das Geschaftsmodell entwickelt und anschlieBend die Grundungsplanung und Vorbereitung angestoBen. Nachdem diese Schritte durchlaufen wurden, folgt der Markteintritt in der Grundungsphase, gefolgt von erwartetem Wachstum und der Stabilisierung des Produktes bzw. der Dienstleistung am Markt. Die abschlieBende Phase der Ausstiegs- und Erntestrategie ist im Unternehmertum keine Notwenigkeit und wird je nach Grunder(-team) individuell in Betracht gezogen (Becker und Priestaff 2018).
Durch die unterschiedlichen Merkmale der jeweiligen Phasen eignen sich je nach Prozessschritt verschiedene methodische Ansatze zur Weiterentwicklung des Geschaftsvorhabens. Nach Kunze und Offermann (2016) werden die Entwicklungs- und Erkennungsphase in der Vorgrundungsphase zusammengefasst und vier geeignete Ansatze identifiziert, von welchen im weiteren Verlauf der Arbeit der Businessplan und in abgewandelter Form das Business Model Canvas als methodische Ansatze herangezogen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Einordnung der Methoden in die Prozessphasen des Grundungsvorgangs nach Kunze und Offermann (2016).
Die hier gewahlten Methoden unterscheiden sich in der Herangehensweise in ihrem kreativen und analytischen Vorgehen. Wahrend das Instrument der Effectuation, der Konzept-Kreative- Grundung und des Business Model Canvas, den kreativen Prozess der Geschaftsmodellentwicklung hervorheben, dient der Businessplan als unternehmerisches Instrument der Planung Steuerung und Kontrolle (Becker und Priestaff 2018). Durch die detaillierte Ausarbeitung des unternehmerischen Vorhabens ist es mit diesem Ansatz moglich, die wirtschaftliche Tragfahigkeit des Grundungsvorhabens zu ermitteln und diesen zur Finanzierungssuche moglichen Kapitalgebern vorzulegen (Ragotzky et al. 2020).
Jedoch setzt die Anwendung ein bereits entwickeltes Geschaftsmodell voraus, fur welches einer der drei alternativen Methoden der Vorgrundungsphase gewahlt wird.
Das Business Model Canvas nach Osterwalder und Pigneur (2010) besteht aus 9 Elementen, welche inhaltlich aus dem Businessplan abgeleitet wurden, sich damit aber ausschlieBlich auf die signifikanten Aspekte eines Geschaftsmodells beziehen und auf einer einzigen Seite abgebildet werden konnen. Damit konnen Kausalzusammenhange vereinfacht visualisiert und der kreative Entwicklungsprozess gefordert werden (Becker und Priestaff 2018).
Im Gegensatz zu diesem Ansatz, welcher eine praxisnahe Orientierung aufweist, konzentrieren sich die Modelle „Konzept-kreative-Grundung“ und „Effectuation“ vorwiegend auf den kreativen Arbeitsprozess. Einerseits werden keine betriebswirtschaftlichen Kenntnisse vorausgesetzt und andererseits von einer Gegensatzlichkeit zum Ansatz des Businessplans gesprochen, weswegen hier eine aufeinander aufbauende Anwendung ausgeschlossen wird. Das Business Model Canvas kann im Gegensatz dazu als Grundlage zur Entwicklung des Businessplans genutzt werden, da es durch seine inhaltliche Homogenitat eine „Brucke zwischen dem formellen Businessplan Ansatz als Ergebnisdokumentation und den kreativen entrepreneuriellen Ansatzen (Becker und Priestaff 2018)“ schafft. Die gewahlten methodischen Ansatze werden im Folgenden separat dargestellt und erlautert.
2.2.1 Theoretische Anforderungen an einen Businessplan
Auf dem Gebiet der Unternehmensgrundung ist der Businessplan ein beliebtes Instrument zur detaillierten Dokumentation der Zielerreichung eines bereits entwickelten Geschaftsmodells. Als schriftliches Dokument, dient er der Zusammenfassung aller grundungsrelevanter Aktivitaten. Explizit bedeutet das, eine ausgereifte Geschaftsidee, im Rahmen der okonomischen Tragfahigkeit und mit begrenzten Ressourcen, strukturiert und zielgerichtet darzustellen. Wie im vorherigen Kapitel bereits angedeutet dient der Businessplan in erster Linie der Planung Steuerung und Kontrolle, weswegen sich die Inhalte auf Annahmen der Zukunft beziehen, welche in der Regel Bezug auf die folgenden drei bis funf Jahre nehmen (Kunze und Offermanns 2016). Im Hinblick auf das Phasenmodell nach Kunze und Offermann (2016) sind die drei identifizierten Instrumenten, je nach Entwicklungsstand, von unterschiedlicher Bedeutung. Auch wenn der Businessplan hier in Abbildung 2 hauptsachlich der Grundungsphase zugeordnet wird, ist das Planungsformat vor allem in der Vorgrundungsphase und das Kontrollformat in der Nachgrundungsphase von Bedeutung. Damit variiert die Ausrichtung der Inhalte je nach Entwicklungsphase sowie interner- bzw. externer Adressierung (Kailer und WeiB 2012; Kunze und Offermanns 2016):
- Fuhrungsinstrument:
Die Ziele und Inhalte des Geschaftsmodells werden strukturiert und dokumentiert, womit Chancen und Risiken sowie Lucken in der Kausalitat fruhzeitig identifiziert werden. Damit dient der Businessplan der Orientierungs- und Entscheidungshilfe.
- Informations- und Steuerungsinstrument:
Die dokumentierte Ziel- und Strategiedefinition ermoglicht das Erkennen von Problemen und Abweichungen im Tagesgeschaft. Diese konnen damit rechtzeitig angepasst werden.
- Verhandlungsinstrument:
Bei Investitionsentscheidungen bietet das Dokument einen Gesamtuberblick uber das Geschaftsvorhaben. Es ermoglicht eine Verhandlungsgrundlage mit externen Kapitalgebern wie Kreditinstituten, Risikokapitalgebern oder offentlichen Forderinstitutionen.
Durch die eben beschriebenen, diversifizierten Verwendungsmoglichkeiten sowie aufgrund der unterschiedlichen Meinungen von Autoren und Lehrbuchern, gibt es kein genaues Format fur die Erstellung eines Businessplans. Dennoch kann durch die ahnliche Struktur der empfohlenen Inhalte von einem in diesem Bereich vorherrschenden Standard gesprochen werden (Lahn 2015). Im Folgenden sind die grundlegenden Bestandteile aufgelistet, die auf der Grunderplattform des Bundesministeriums fur Wirtschaft und Klimaschutz und der KFW-Bank definiert sind und welche zur logischen Nachvollziehbarkeit in Kapitel 3 als Referenz herangezogen werden (BMWK und KFW 2022):
1. Executive Summary
2. Geschaftsidee
3. Vertrieb und Wettbewerb
4. Team und Partner
5. Unternehmen
6. Finanzplanung
7. Anhang
Das Executive Summary, auch Management Summary genannt, stellt die Zusammenfassung des beschriebenen Geschaftsvorhabens aus dem Businessplan dar und wird in diesem inhaltlich vorangestellt. Insgesamt sollte diese Zusammenfassung die Lange von zwei Seiten nicht uberschreiten und erst nach weitestgehender Fertigstellung des Businessplan verfasst werden, damit eine inhaltliche Stimmigkeit gewahrleistet wird. Sie dient als kurze und pragnante Darstellung der wichtigsten Kernaussagen des Business Case, der darauf aufbauenden Marketingstrategie sowie einer Ubersicht der Wirtschaftlichkeitsrechnung und des Kapitalbedarfs. Damit soll dem Adressaten eine Groborientierung vermittelt und sein Interesse geweckt werden. In der Literatur wird das Executive Summary auch als Visitenkarte des Unternehmens bzw. Grundungsvorhabens bezeichnet (Nagl 2014; Schinnerl 2021; Ragotzky et al. 2020). In dieser wissenschaftlichen Arbeit wird die Zusammenfassung des Businessplans zu Beginn der Arbeit in Form des Abstracts abgebildet.
Der Hauptteil des Businessplans wird in die qualitative und quantitative Unternehmensplanung untergliedert. Der qualitative Teil setzt sich aus den Gliederungspunkten zwei bis funf zusammen und dient der Beschreibung aller geplanten Aktivitaten und Zusammenhange. Berucksichtigt werden sollte, dass auch hier quantitative Daten erhoben werden, der GroBteil der Informationen jedoch auf Annahmen beruht. Zentraler Gegenstand ist immer die Darstellung der Idee mit ihrem Innovationsgehalt und dem daraus resultierenden Nutzen, der mit allen maBgeblichen Teilfaktoren sehr detailliert und fur Fachfremde verstandlicher ausgefuhrt werden muss (Nagl 2014). Die quantitative Unternehmensplanung basiert auf den Daten der qualitativen Module, welche durch die Finanzplanung gestutzt werden sollen. Enthalten sind Angaben zu den voraussichtlichen Ertragen, der Rentabilitat, der Liquiditat und der erforderlichen Finanzierung sowie Informationen uber die erforderlichen Investitionen und den voraussichtlichen Kapitalbedarf. Grundsatzlich soll die quantitative Unternehmensplanung die finanzielle und wirtschaftliche Tragfahigkeit des geplanten Grundungsvorhabens nachweisen (Nagl 2014; Kunze und Offermanns 2016).
Der abschlieBende Teil des Businessplans umfasst als Anhang alle Datenerhebungen, die die Plausibilitat der getroffenen Annahmen und Ergebnisse stutzen. Hier konnen verschiedenste Dokumente, wie Lebenslaufe, Zertifikate, Angebote fur benotigte Investitionsguter, oder ausfuhrliche Rechnungen sowie auch Nebenrechnungen beigefugt werden (Kunze und Offermanns 2016; Zelewski et al. 2015).
2.2.2 Definitionen und Konzeption von Geschaftsmodellen
Wie bereits in Kapitel 2.1.1 angedeutet sollte der Business Plan i.d.R. auf einem bereits existierenden Geschaftsmodell basieren, teilweise wird jedoch auch eine Geschaftsidee als Grundlage genutzt. In jedem Fall sollten die Begriffe voneinander abgegrenzt werden, da sie sich im Verlauf der Prozessphasen einer Unternehmensentwicklung in verschiedenen Stadien wiederfinden und sich bezuglich ihres Detaillierungsgrads unterscheiden (siehe Kapitel 2.1).
Geschaftsidee
Im Rahmen dieser Arbeit bezieht sich die Betrachtung der Geschaftsidee auf die konzeptionelle Grundlage einer eigenstandigen Unternehmensneugrundung und verzichtet damit auf die Betrachtung weiterer Existenzgrundungen. Wie in Kapitel 2.1 bereits ausgefuhrt benennen die 10
Autoren Kunze und Offermann (2016) die Vorgrundungsphase als ersten Schritt, in dem durch eine Geschaftsidee, die unternehmerische Gelegenheit erkannt wird. Der Begriff beschreibt einen Einfall oder Gedanken der sich durch seine Neuartigkeit charakterisiert (Kollmann et al. 2005). Die potenzielle Grunderperson verfugt uber einen Informationsvorsprung, wodurch die unternehmerische Gelegenheit erschaffen oder entdeckt wird. Ein Beispiel ware eine, durch Forschungsaktivitaten, verfugbare technologischen Innovation, oder die Erkenntnis uber bisher nicht erfullte Kundenbedurfnisse am Markt. Die Prufung und Ausgestaltung des Einfalls bzw. Gedankens wird erst im weiteren Entwicklungsverlauf in der Planungsphase relevant (vgl. ebd). (Schinnerl 2021) bezieht sich mit seiner Definition neben der Neuartigkeit des Gedankens, auf die Bedeutung der Idee im unternehmerischen Kontext. Demnach dient die Geschaftsidee als Ausgangspunt eines Grundungsvorhabens, welche den Unternehmensweck und die Ertragserzielung definiert sowie die Wettbewerbs- und Zukunftsfahigkeit des Unternehmens sichert (Schinnerl 2021; Zelewski et al. 2015). Nach der Evaluierung einer Geschaftsidee folgt in der Planungsphase die Entwicklung des Geschaftsmodells. Dieses wird im nachstehenden Abschnitt definiert und inhaltlich ausgefuhrt.
Geschaftsmodell
Um die Geschaftsidee und die Kausalitaten der Unternehmenstatigkeiten zu spezifizieren, wird das Geschaftsmodell ausgearbeitet. Damit bildet es die Brucke zwischen Idee und Wertschopfung. In der Literatur existiert kein einheitliches Verstandnis zur Bedeutung sowie zu konstituierenden Elementen eines Geschaftsmodells, demnach gibt es auch keine allgemeingultige Definition.
Tokarski et al. (2017) bezieht sich auf die Bedeutungslehre und definiert den Begriff als ,,eine Art und Weise (ein Muster) der Fuhrung eines Wirtschaftsunternehmens, die darauf abzielt, Gewinn zu erzielen oder, im Einklang mit dem Value Management, im weiteren Sinne, eine zufriedenstellende Rendite fur die Eigentumer zu erwirtschaften“. Andere Autoren beschreiben das Geschaftsmodell als modellhafte Konstruktion der gesamten Unternehmenstatigkeiten, welche durch einen moglichst effizienten Methoden- und Ressourceneinsatz, basierend auf einer Unternehmensphilosophie, einen messbaren Kundennutzen schaffen. Die Komponente des Kundenutzen wird als vorausgesetzte Grundlage zur Zielerreichung der Unternehmensaktivitaten erachtet, da nur infolgedessen der Unternehmensertrag gesichert werden kann (Lahn 2015; Becker und Priestaff 2018).
Nach Lahn (2015) sowie Kunze und Offermann (2016) werden zur Ausdifferenzierung des Geschaftsmodells die Schlusselkomponenten Value Proposition, Wertschopfungskette und Ertragsmodell aufeinander abgestimmt. Dabei bildet die Value Proposition, also das Werteversprechen, die zentrale Schlusselkomponente ab und definiert die Befriedigung eines Kundenbedurfnisses. Darauf aufbauend werden die Wertschopfungskette und das Ertragsmodell konzipiert. Wahrend sich Erstere auf die Ressourcen, Ablaufe und Kompetenzen der Unternehmung konzentrieren, dient Zweiteres zur Ausfuhrung der Finanzebene (Lahn 2015; Becker und Priestaff 2018).
Die Definitionen und Komponenten der Autoren sind in relativ oberflachlicher und vereinfachter Form ausgefuhrt. Um dem Anspruch des Detaillierungsgrads sowie der Darstellung kausaler Zusammenhange des Geschaftsmodells in dieser Arbeit gerecht zu werden, bedarf es einer ausdifferenzierten Beschreibung und Betrachtung aller unternehmerischen Komponenten. Dazu lieferte Osterwalder in seiner Dissertation aus dem Jahr 2004 erstmals eine Definition, die das Geschaftsmodell als „(...) the strategy's implementation into a conceptual blueprint of the company's money earning logic (Osterwalder 2004)” beschreibt und erklart, dass “(...) the business model and strategy talk about similar issues but on a different business layer (Osterwalder 2004) ” beschreibt. Damit stellt er die Unternehmensstrategie und das Geschaftsmodell in abgegrenzter Beziehung zueinander (siehe Abbildung 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Unternehmensstrategie und Geschaftsmodell nach Osterwalder (2004)
Im Jahr darauf spezifizierte er die begriffliche Abgrenzung in Zusammenarbeit mit Pigneur und Tucci. Zwolf Jahre vor Tokarski et al. (2017) beziehen sich die Autoren ebenfalls auf die Semantik des Begriffs und beschreiben das Geschaftsmodell demnach als ein “conceptual tool containing a set of objects, concepts, and their relationships with the objective to express the business logic of a specific firm (Osterwalder et al. 2005)”. Adaptiert betrachten sie die Begriffichkeit in dieser Veroffentlichung als "the blueprint of how a company does business. It is the translation of strategic issues, such as strategic positioning and strategic goals into a conceptual model that explicitly states how the business functions. The business model serves as a building plan that allows designing and realizing the business structure and systems that constitute the company’s operational andphysicalform (Osterwalder et al. 2005)
Mit dem Buch ,,Business Model Generation - A Handbook for Visionaries, Game Changers, and Challengers“, welches die Autoren Osterwalder und Pigneur im Jahr 2010 veroffentlichten, liefern sie eine abschlieBende Begriffsbestimmung. Diese konkretisiert, dass “a business model describes the rationale of how an organization creates, delivers, and captures value (Osterwalder und Pigneur 2010) Gleichzeitig setzen sie die Definition in Beziehung zu identifizierten Komponenten, welche Ihrer Ansicht nach Grundbestandteil eines jeden Geschaftsmodells sein sollten. Dafur unterscheiden sie die vier Hauptkategorien Kunden, Angebot, Infrastruktur und finanzielle Lebensfahigkeit, welche mit den neun Schlusselkomponenten Nutzenversprechen, Kanale, Kundensegmente, Kundenbeziehungen, Erlos- und Kostenstruktur, Schlusselaktivitaten, -ressourcen und -partner konkretisiert und ausgefuhrt werden (Osterwalder und Pigneur 2010). Die Elemente werden im folgenden Kapitel ausfuhrlicher betrachtet und auf den Use Case der „Modeproduktion mit Textilabfallen“ angewendet.
2.2.3 Das Business Model Canvas nach Osterwalder und Pigneur (2010)
Wie bereits im vorangegangenen Kapitel angedeutet, identifizierten die Autoren Osterwalder und Pigneur (2010) vier Hauptkategorien mit neun Schlusselkomponenten, die als Grundbestandteile eines jeden Geschaftsmodells angesehen werden. Diese werden im Folgenden einzeln dargestellt und beschrieben.
Das Wertangebot, die sogenannte Value Proposition, ist die zweite Schlusselkomponente und bildet die Entscheidungsgrundlage eines Kunden, sich fur oder gegen ein Unternehmen zu entscheiden (Osterwalder und Pigneur 2010). Um mit einem Geschaftsmodell ein Bedurfnis zu befriedigen, oder ein Problem zu losen, ist es notig ein Produkt-, bzw. Dienstleistungsbundel anzubieten, welches fur eine oder mehrere Kundensegmente Wert schafft. Aus diesem ergibt sich das Alleinstellungsmerkmal, welches sich von konkurrierenden Angeboten abgrenzen lassen muss. Dazu kann sich der Wert beispielsweise uber den Innovationsgrad, also die Neuheit, oder die Leistungsfahigkeit bestimmen lassen. Des Weiteren kann durch Konzepte wie der Mass Customization, oder der Kunden Co-Creation, Wert geschaffen werden, der sich durch eine hoch spezialisierte Anpassung an die Kundenwunsche definieren lasst. Weitere Faktoren, die den Kundennutzen beeinflussen, sind unter anderem Design, Marke, Peis, Kosten- oder Risikoreduktion, Verfugbarkeit sowie Bequemlichkeit (Ahrend 2016).
Das Kundensegment (Customer Segment) stellt den Mittelpunkt eines Geschaftsmodells dar und entscheidet damit uber das Bestehen oder Nicht-Bestehen eines Unternehmens am Markt. Definiert werden hierfur verschieden Personengruppen oder Organisationen, fur die ein Unternehmen Wert schaffen will. Diese lassen sich in Segmente mit verschiedenen Eigenschaften, wie beispielsweise gemeinsamen Bedurfnissen und Verhaltensweisen unterteilen. Ein Unternehmen kann mehrere Kundensegmente parallel bedienen, sollte diese jedoch klar definieren und voneinander abgrenzen konnen, da sie ahnliche und dennoch unterschiedliche Bedurfnisse und Anspruche aufweisen. Auf Grundlage dessen, werden die entsprechenden Distributionskanale, Kundenbeziehung und Preisbildungsmechanismen des Geschaftsmodells ausgestaltet. Gesondert werden hierbei Markte, wie etwa der Massenmarkt, Nischenmarkt, segmentierte- und diversifizierte Markte sowie Multi-Sided-Markte betrachtet. Wahrend bei der Adressierung des Massenmarktes nicht zwischen prazisierten Kundengruppen unterschieden wird und weitgehend ahnliche Bedurfnisse und Probleme angesprochen werden, sind Nischenmarkte durch spezifizierte Wertversprechen, Vertriebskanale und Kundenbeziehungen eines Kundensegments gekennzeichnet. Segmentierte Markte unterscheiden Kundensegmente mit nur marginal unterschiedlichen Bedurfnissen und Problemen. Demgegenuber steht die Bearbeitung diversifizierter Markte, bei welchen Unternehmen voneinander unabhangige Kundensegmente mit besonders unterschiedlichen Bedurfnissen und Problemen gleichzeitig ansprechen. Unternehmen, die auf Multi-Sided-Markten agieren, bedienen zwei oder mehrere unterschiedliche Kundensegmente, die in reziproker Abhangigkeit zueinanderstehen. Hier funktioniert das Geschaftsmodell nur, wenn beide Zielgruppen vorhanden sind (Osterwalder und Pigneur 2010; Ahrend 2016).
Um mit dem Wertangebot das entsprechende Kundensegment zu erreichen, bedarf es einer Auswahl an Kanalen (Channels). Sie bilden den dritten Baustein der Geschaftsmodellkonzeption nach Osterwalder und Pigneur (2010) und gliedern sich in Kommunikations-, und Vertriebskanale. Hierbei ergeben sich wiederum Unterscheidungen zwischen direkten und indirekten Kanalen, sowie zwischen eigenen und Partnerkanalen. Eigene Kanale konnen in die Kategorie der direkten Kanale fallen, wenn es sich zum Beispiel um ein eigenes Verkaufsteam oder eine Website handelt. Wenn es sich um ein durch das Unternehmen selbst gefuhrtes Einzelhandelsgeschaft handelt, zahlt dieses zwar zu den eigenen Kanalen, ist jedoch indirekter Form. Partnerkanale wiederum fallen ausschlieBlich in die Kategorie der indirekten Kanale und konnen beispielsweise GroBhandelsvertriebe, Einzelhandler oder von
Partnern betriebene Websites sein. Folgenden Funktion mussen erfullt werden (Osterwalder und Pigneur 2010):
- Generierung von Aufmerksamkeit fur Produkte und Dienstleistungen
- Unterstutzung bei der Bewertung des Wertangebots
- Ermoglichung der Erwerbung oder Inanspruchnahme von Produkten und Dienstleistungen
- Ubermittlung eines Wertversprechens
- Bereitstellung von Kundensupport nach dem Kauf
Jedes Unternehmen muss sich fur eine Auswahl an Kanalen entscheiden. Es ist wichtig, hierbei die richtige Mischung der verschiedenen Arten von Kanalen zu finden und zu implementieren. Sie sind ausschlaggebend fur das Kundenerlebnis und somit maBgeblicher Faktor der Einnahmenmaximierung. Daruber hinaus mussen speziell im Hinblick auf die Distributionskanale, Entscheidungen uber Transportwege und Lagerhaltung getroffen werden (Ahrend 2016).
Das Element der Kundenbeziehungen (Customer Relationships) beschreibt das Verhaltnis des Unternehmens zu seinem jeweiligen Kundensegment. Auch hier wird das Kundenerlebnis durch die jeweilige Ausrichtung stark beeinflusst, da diese von personlichen bis hin zu automatisierten Beziehungen reichen (Osterwalder und Pigneur 2010). Unternehmen konnen beispielsweise durch Kundenakquisition, Kundenbindung oder Umsatzsteigerung motiviert sein, ihre Beziehungen entsprechend aufzubauen. Hierbei lassen sich mehrere Kategorien unterscheiden, die in einem Unternehmen nebeneinander bestehen konnen: kundenindividuelle personliche Unterstutzung, anlassbezogene personliche Unterstutzung, Selbstbedienung, automatisierte Dienstleistungen, Nutzer-Communities und Kundenpartizipation (Ahrend 2016).
Grundvoraussetzung ist die Beantwortung der Frage, wie viel ein entsprechendes Kundensegment bereit ist zu zahlen. Daraus ergeben sich ein oder mehrere Einkommensstrome (Revenue Streams), welche entweder uber ein Bundel aus Produkten und Dienstleistungen oder uber Nutzungs-, oder Mitgliedsgebuhren, Erlosen aus Verleih, Vermietung, Leasing, Lizenzen oder Werbung generiert werden. Fur Geschaftsmodelle werden zwei Arten von Einnahmestromen sowie zwei Haupttypen von Preisgestaltungsmechanismen unterschieden. Erstere differenzieren sich uber einmalige und wiederkehrende Einnahmen, wahrend sich Zweitere, wie in Abbildung 4 zu sehen, uber feste und dynamische Preismechanismen differenzieren. Die fixierte Preisgestaltung (Fixed Menu Pricing) orientiert sich dabei an statischen Variablen und wird durch Osterwalder und Pigneur (2010) entweder nach Listenpreisen, oder entsprechend der Abhangigkeit je nach Produktmerkmal, Kundensegment und Verkaufsvolumen kategorisiert. Der zweite Haupttyp der Preismechanismen wird in der untenstehenden Abbildung in der rechten Tabellenspalte als dynamische Preisgestaltung (Dynamic Pricing) dargestellt. Bei dieser Form werden die Preise kontinuierlich an die Marktbedingungen angepasst. Sie lassen sich in die vier Kategorien Verhandlungspreise, warenabhangige Preisdifferenzierung zur Steigerung der Rendite (Ertragsmanagement), marktabhangige Preise sowie Auktionspreise untergliedern. Je nach gewahltem Preismechanismus ergeben sich groBe Unterschied in der Erlosstruktur (Osterwalder und Pigneur 2010).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Preisgestaltungsmechanismen (Osterwalder und Pigneur 2010)
Um mit den zuvor beschriebenen Komponenten ein tragfahiges Geschaftsmodell zu realisieren, bedarf es Schlusselressourcen (Key Resources), die dem Unternehmen als Aktiva zur Verfugung stehen. Mit diesen werden Wertangebote erstellt und angeboten, Markte erreicht, Kundenbeziehungen gepflegt und Einnahmen generiert. Unterschieden werden vier Kategorien von Schlusselressourcen, welche zum einen physische Vermogenswerte, wie Produktionsanlagen und Gebaude sowie intellektuelle Ressourcen wie Marken, geschutztes Wissen, Patente und Urheberrechte umfassen. Zum anderen werden finanzielle Ressourcen wie z. B. Kreditlinien sowie Humanressourcen unter anderem fur wissensintensive und kreative Aufgaben kategorisiert. Genannte Kategorien konnen entweder Eigentum des Unternehmens sein, oder uber wichtige Partner erworben, oder geleast werden. Je nach Geschaftsmodell sind unterschiedliche Schlusselressourcen von Bedeutung (Ahrend 2016; Osterwalder und Pigneur 2010).
Wie der Name Schlusselaktivitaten (Key activities) bereits andeutet, handelt es sich bei dieser Komponente um die zentralen unternehmerischen Aktivitaten. Ihre Ausgestaltung richtet sich, ebenso wie die Schlusselressourcen, nach der Bereitstellung des Wertangebots, der Erreichung von Markten, der Pflege von Kundenbeziehungen und der Einnahmengenerierung. Hierbei steht die Gestaltung der Handlungsaktivitaten im Mittelpunkt, das heiBt die Art und Weise, wie das Wertangebot fur ein ausgewahlte Kundensegmente bereitgestellt und wie dadurch Wertschopfung erzielt werden kann. Unterschieden werden abhangig vom Geschaftsmodell die Hauptaktivitaten Produktion, Problemlosung und Plattform. Erstere beziehen sich auf die Erstellung eines Produktes, bzw. einer Dienstleistung, wahrend Zweitere beispielsweise uber Beratungsaktivitaten Losungen fur (individuelle) Kundenprobleme finden. Letztere dominiert bei netzwerkorientierten Unternehmen (Ahrend 2016; Osterwalder und Pigneur 2010).
Um Ressourcen zu erwerben, Risiken zu minimieren und Geschaftsmodell zu optimieren, sind Allianzen mit anderen Unternehmen erforderlich. Sie bilden das Netzwerk von Lieferanten und Partnern ab, welche das Geschaftsmodell am Laufen halten. Es werden vier Arten von Schlusselpartnerschaften (Key Partnerships) unterschieden (Osterwalder und Pigneur 2010):
1. Strategische Allianzen zwischen Nicht-Wettbewerbern
2. Kooperationswettbewerb: Strategische Partnerschaften zwischen Wettbewerbern
3. Partnerunternehmen zur Entwicklung neuer Geschaftsfelder
4. Beziehungen zwischen Anbieter und Kunden zur Sicherstellung einer zuverlassigen Versorgung
Den letzten Baustein des Business Model Canvas bildet die Kostenstruktur (Cost Structure), welche aus den vorangegangenen Elementen des Geschaftsmodell resultiert und auf prazisierter Grundlage der Schlusselressourcen, Schlusselaktivitaten und Partnerschaften definiert wird. Trotz der angestrebten Kostenoptimierung eines jeden Unternehmens zeigen sich groBe Unterschiede in deren Struktur, welche auf eine kostenorientierte oder wertorientierte Ausrichtung zuruckzufuhren sind. Erstere konzentrieren sich auf die Kostenminimierung durch eine moglichst schlanke Kostenstruktur, wahrend sich zweitere auf die Wertschaffung fokussieren, die in der Regel durch Premium-Werteversprechen und umfangreichen, personalisierten Services gekennzeichnet sind. Insgesamt genannte Strukturmerkmale sind Fixkosten, Variable Kosten, Skaleneffekte und Verbundvorteile (Osterwalder und Pigneur 2010).
Die folgende Abbildung zeigt das Business Model Canvas mit seinen neun Schlusselkomponenten, die in der Reihenfolge, entsprechend vorangegangener Beschreibung in diesem Kapitel, bearbeitet werden sollten. Das Canvas wird grafisch auf einer Seite dargestellt und in der Praxis meist in einem DIN-A0-Poster-Format angewandt (Becker und Priestaff 2018). Die linke Seite des BMC behandelt die an messbare Wirtschaftlichkeit geknupften Elemente (Schlusselressourcen,-Partner,-Aktivitaten und Kostenstruktur), wahrend sich die rechte Seite mit dem subjektiven Wert (Kundensegment,-Beziehung, Kanale, Einnahmequellen) des Geschaftsmodells beschaftigt. Die Value Proposition, also das Nutzenversprechen, steht dabei im Zentrum und ist Ausgangunkt beider Betrachtungen (Osterwalder und Pigneur 2010).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Das Business Model Canvas (Osterwalder und Pigneur 2010)
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Betrachtung und Anwendung der Prinzipien der Kreislaufwirtschaf. Hierzu bedarf es einer Konzeptualisierung, mit welcher ein zirkulares Geschaftsmodell abgebildet und im Anschluss in der Unternehmensplanung aufgegriffen werden kann. In diesem Zusammenhang wird im folgenden Kapitel zunachst auf die Kreislaufwirtschaft im Allgemeinen eingegangen und anschliebend ein ausgewahltes Modell, zur Implementierung kreislaufwirtschaftlicher Strukturen, vorgestellt.
2.3 Geschaftsmodelle der Kreislaufwirtschaft
Im Verlauf des Kapitels wird zunachst die Begrifflichkeit anhand mehrerer Definitionen aus der Literatur erlautert und im Anschluss auf die Konzeption eingegangen, die dem derzeitigen Forschungsstand entspricht. Darauf aufbauend wird das Modell fur die Entwicklung kreislaufwirtschaftlicher Geschaftsmodelle von Lewandowski (2016) vorgestellt, welches in Kapitel 3 als Grundlage zur Ausarbeitung des ,,Use Case“ dient.
2.3.1 Definition und Konzeption der Kreislaufwirtschaft
Der Begriff „Kreislaufwirtschaft“ richtet sich nach der international vorherrschenden Bezeichnung „Circular Economy“ (CE), welche auf einer fragmentierten Sammlung von Ideen basiert. Das Konzept und Verstandnis von CE lasst sich auf eine Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen und Uberlegungen, wie die Blue Economy, Cradle-to-Cradle und Performance Economy zuruckfuhren, welche erstmals in den spaten 1970er Jahren praktische Anwendung fanden (Ellen MacArthur Foundation 2013b). Im Jahr 2012 veroffentlichte die Ellen MacArthur Foundation (EMF) den Bericht „Towards the Circular Economy“, mit welchem sie zur Anerkennung einer Kreislaufwirtschaft in wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Diskussionen beitrug (Braungart und McDonough 2014; Ellen MacArthur Foundation 2017).
Obwohl das Konzept in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, findet sich nach wie vor keine allgemeingultige Definition in der Fachliteratur. Insgesamt beziehen sich Autoren zur Definition der Kreislaufwirtschaft zum einen auf die Definition der EMF und zum anderen auf Forschungsergebnisse, oder nutzen Definitionen anderer Forscher (Korhonen et al. 2018). Die Ellen MacArthur Foundation ist eine, in GroBbritannien eingetragene Wohltatigkeitsorganisation, die sich fur die Weiter entwicklung der Kreislaufwirtschaft einsetzt und als Bindeglied fur die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, politischen Entscheidungstragern und der Wissenschaft fungiert (Geissdoerfer et al. 2017). Sie definieren das Konzept als ein „ [...y industrial system that is restorative or regenerative by intention and design. It replaces the end-of-life concept with restoration, shifts towards the use of renewable energy, eliminates the use of toxic chemicals, which impair reuse and return to the biosphere, and aims for the elimination of waste through the superior design of materials, products, systems and business models." (Ellen MacArthur Foundation 2014).
Andere Autoren halten ihre Definitionen allgemeiner, indem sie die CE beispielsweise als ein ^general term covering all activities that reduce, reuse, and recycle materials in production, distribution, and consumption processes" (Blomsma und Brennan 2017) definieren. Ma et al. (2014) nehmen noch weniger Bezug auf die Wirtschaftssysteme und industriellen Prozesse, die der Funktionsweise zugrunde liegen, indem sie folgende Definition wahlen: ,A circular economy is a mode of economic development that aims to protect the environment and prevent pollution, thereby facilitating sustainable economic development". Um die Komplexitat kreislaufwirtschaftlicher Systeme besser zu erfassen, beziehen sich Korhonen et. al. (2018) mit ihrer Definition auf die Produktions- und Verbrauchssysteme sowie die Wichtigkeit von Netzwerkpartnerschaften und dem ganzheitlichen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung: “CE is a sustainable development initiative with the objective of reducing the societal production-consumption systems' linear material and energy throughput flows by applying materials cycles, renewable and cascade-type energy flows to the linear system. CE promotes high value material cycles alongside more traditional recycling and develops systems approaches to the cooperation of producers, consumers and other societal actors in sustainable development work" (Korhonen et al. 2018).
Als Erganzung fur den expliziten Bezug auf die verschiedenen Kreislaufe innerhalb eines solchen Wirtschaftssystems, wird die Definition von (Geissdoerfer et al. 2017) herangezogen: “Circular Economy is a regenerative system in which resource input and waste, emission, and energy leakage are minimised by slowing, closing, and narrowing material and energy loops. This can be achieved through long-lasting design, maintenance, repair, reuse, remanufacturing, refurbishing, and recycling".
Die Definitionen von (Korhonen et al. 2018) und (Geissdoerfer et al. 2017) dienen als Grundlage dieser Arbeit und liefern den Ausgangspunkt zur weiteren Ausfuhrung des Konzeptes. Sie entsprechen dem aktuellen Forschungsstand und besagen, dass naturliche Systeme als Vorbild unseres Wirtschaftssystems gesehen werden mussen, die durch eine Systemintegration im Kontext ihrer Umwelt naturliche, bzw. endliche Ressourcen erhalt und schont (Ellen MacArthur Foundation 2013a).
Die konzeptionelle Ausrichtung der Kreislaufwirtschaft steht dem derzeitigen Wirtschaftssystem gegenuber. Mit dem Beginn der Industrialisierung wurde der Fokus auf die Produktions- und Gewinnmaximierung gelegt, die durch niedrige Rohstoffpreise im Verhaltnis zu den Arbeitskosten, die Ressourcenverschwendung hervorbrachte (Ellen MacArthur Foundation 2013a). Der Fokus lag und liegt nach wie vor auf der Minimierung der Arbeitskosten, was sich bislang durch einen unproportional erhohten Ressourcen- und Energieeinsatz erzielen lieB. Weitere Grunde sind zum einen die Tatsache, dass neue Ressourcen leicht zu beschaffen waren und zum anderen die Vorschriften der Steuer- und Rechnungslegung, die externe Effekte der Produktion, also beispielsweise Abfalle nicht berucksichtigten, weswegen wirtschaftliche Aktivitaten, wie die Wiederverwendung von Materialien nicht in den Fokus ruckte (Ellen MacArthur Foundation 2013a). In der Literatur ist diese Wirtschaftsweise auch unter dem “Take-Make-Dispose”- Modell bekannt. Dieses ist durch seine Einfachheit charakterisiert, dass Unternehmen Materialien beschaffen, fur welche sie zur Weiterverarbeitung Energie und Arbeitskraft einsetzen, um anschliebend ein Produkt an den Endkonsumenten zu verkaufen, der dieses entsorgt, sobald es nicht mehr seinen Zweck erfullt (Ellen MacArthur Foundation 2014).
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Volatilitat in der Weltwirtschaft stark angestiegen und die Erschopfung und Ubernutzung endlicher Ressourcen durch das Wirtschaftssystem immer publiker geworden. Fur beide Trends ist keine Verbesserung in Sicht, da die globale Bevolkerung kontinuierlich wachst, die Verstadterung immer weiter zunimmt und fur den Ressourcenabbau in immer schwerer zugangliche Gebiete vorgedrungen werden muss. Um sich gegen diese Entwicklungen resilient aufstellen zu konnen, bedarf es eines Industriemodells, das uber die lineare Effizienz hinausgeht, um den Ressourcen- und Energieeinsatz zu verringern. Anstatt die Endlichkeit der Ressourcenvorrate zu verzogern, mussen Umsatzerlose weitestgehend vom Materialeinsatz entkoppelt werden, weswegen das Konzept der Kreislaufwirtschaft in den letzten Jahren in den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Fokus geruckt ist (Ellen MacArthur Foundation 2013a).
Im Jahr 2012 veroffentlichte die Ellen MacArthur Foundation in ihrem Bericht ,,Towards the Circular Economy“ einen ganzheitlich systemischen Ansatz, der auf der Darstellung des „Cradle-to-Cradle“ Konzeptes von Braungart und McDonough (2002) basiert (Abbildung 6).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Das Schmetterlingsdiagramm der Kreislaufwirtschaft (Ellen MacArthur Foundation 2013a)
Das Konzept ist auch als Schmetterlingsdiagramm bekannt und bildet einen technischen (rechts) und biologischen (links) Kreislauf fur kontinuierliche Materialstrome ab. Die Illustration zeigt verschiedene Schritte und Ruckkopplungsschleifen, durch welche systematische Versickerungsverluste und negative externe Effekte minimiert werden sollen. Der biologische Kreislauf bezieht sich ausschlieBlich auf Materialien die am Ende ihrer Lebensdauer wieder als Nahrstoffe in den Boden zuruckgefuhrt werden konnen (Bastein et al. 2013; Ellen MacArthur Foundation 2013a). Hier steht die Regeneration im Mittelpunkt, die mit dem Aufbau zerstorter Boden und der biologischen Vielfalt, den Schaden der linearen Wirtschaft entgegenwirken soll. Weitere Zyklen umfassen die regenerative Landwirtschaft, Kompostierung und anaerobe Vergarung, Kaskadennutzung sowie die Gewinnung von biochemischen Rohstoffen (Bastein et al. 2013; Ellen MacArthur Foundation 2013a).
Demgegenuber steht der technologische Zyklus, der sich auf hergestellte Produkte und Materialien bezieht, die im Idealfall geleast, gemietet oder geteilt werden, wahrend die Eigentumsrechte bei dem Unternehmen bleiben. Die weiteren Zyklen ergeben sich durch die Beibehaltung und Verlangerung des Produktlebenszyklus, die Wiederverwendung und Umverteilung, die Sanierung und Wiederaufbereitung sowie durch das Recycling. Wie durch die Definition von (Geissdoerfer et al. 2017) bereits angedeutet, wird zwischen kleinen, inneren 22
und groBen, auBeren Kreislaufen unterschieden, welche sich durch sogenannte Designprinzipien in Bezug auf die Produktgestaltung und Organisation voneinander abgrenzen. Es ist anzustreben, die Zirkulation der Produkte und Materialien so lange wie moglich in den inneren Schleifen zu halten. Hier wird der meiste Wert erhalten und geschaffen da, fur die sich bereits im Umlauf befindlichen Guter, keine neuen Herstellungsinvestitionen getatigt werden mussen und an dieser Stelle keine neuen Produkte in den Kreislauf gebracht werden. Produkte, die beispielsweise fur eine gemeinsame Nutzung bestimmt sind, mussen so konzipiert werden, dass diese einer intensiveren Nutzung standhalten. Weitere Moglichkeiten der Produktgestaltung sind der modulare Aufbau, durch welchen einzelne Komponenten leicht ausgetauscht werden konnen, oder ein fur das Recycling geeigneter Materialeinsatz. Dieser jedoch sollte die letzte MaBnahme in der Kreislaufwirtschaft darstellen, da durch eine Reduktion auf die Ausgangsstoffe der Produktwert verloren geht (Ellen MacArthur Foundation 2013a).
2.3.2 Das Circular Business Model Canvas
Die im vorherigen Kapitel dargestellte Kreislaufwirtschaft muss in die gesamte Unternehmenskonzeption des Geschaftsmodells implementiert werden. Dafur werden im Folgenden Erkenntnisse aus der Literatur dargestellt, welche auf dem Rahmenwerk des Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur (2010) aufbauen. Dieser Ansatz wurde durch Lewandowski (2016) um zwei Elemente erweitert. Die Ergebnisse aus seiner Studie „Designing the Business Modelsfor Circular Economy—Towards the Conceptual Framework" identifizieren die Schlusselkomponenten Rucknahmesysteme (Take-Back-Systems) und Anpassungsfaktoren (Adoption Factors), welche Unternehmen dabei helfen sollen, zirkulare Systeme zu schaffen. Da sich die Konzepte der genannten Autoren ahneln und die Komponenten bereits in ihren Grundzugen definiert wurden (Kapitel 2.4), werden in diesem Kapitel ausschlieBlich die kreislaufwirtschaftlichen Aspekte aufgegriffen.
Das Werteversprechen (Value Proposition) eines Geschaftsmodells der Circular Economy zeichnet sich uber die Bereitstellung eines kreislauffahigen, bzw. Lebenszyklus verlangerten Produktes, einer produktbezogenen Dienstleistung, einer reinen, durch Virtualisierung bzw. Digitalisierung gekennzeichneten Dienstleistung, oder einer Kollektivitat aus. Das eigentumsbasierte Produkt verfugt uber eine verlangerte Produktlebensdauer, bzw. wird eine Verlangerung dieser durch das Unternehmen unterstutzt. Merkmale davon sind die Wartung, Reparatur, Wiederaufbereitung, Weitervertrieb, Erneuerung und Wiederverkauf des Produktes. Das Produktdesign ist darauf ausgerichtet, diese Funktionsweise zu fordern, indem beispielsweise eine Materialauswahl getroffen wird, die durch Sortenreinheit und Qualitatsmerkmale gepragt ist. Auch die Gestaltung von Kreislaufen der Wiederverwendung, Wiederaufbereitung, des Wiederverkaufs, oder der sicheren Entsorgung kennzeichnen diese Verlangerung. Implizieren sollte die Produktgestaltung eine Reduktion des Rohstoff- oder Energieeinsatzes, oder des Emissionsausstob (Lewandowski 2016). Eine weitere Moglichkeit fur zirkulare Werteversprechen, sind Produkt-Service-Systeme (PSS), bei denen die Serviceebenen produkt-, nutzungs- und ergebnisorientierte Dienstleistungen unterschieden werden. Diese bieten eine Alternative zum konventionellen „Kaufen-und-Besitzen“, indem das Unternehmen die Eigentumsrechte an seinem Produkt behalt und der Kunde lediglich fur die Nutzung bezahlt. PSS, die eine hohe Ergebnisorientierung aufweisen, sind konklusiv uber den Entwicklungsstand der Produktorientierung hinaus, womit sie ein Bemessungsindikator fur die Zirkularitat eines Geschaftsmodells darstellen. Wahrend produktorientierte Dienstleistung naher an der Steigerung umgesetzter Produkte orientiert sind, richten sich Unternehmen mit einer ergebnisorientierten Dienstleistung auf die Produktivitatssteigerung der Einheit aus (Circular Economy Initiative Deutschland 2021). Reine Dienstleistungen, die als zirkulares Werteversprechen angeboten werden, konnen transformativ zur traditionellen Form als virtueller, bzw. digitalisierter Service bereitgestellt werden. Eine kollektive Nutzung bezieht sich dagegen auf die gemeinsame Inanspruchnahme, oder Zusammenlegung von Produkten. Ein Weiterer Teil des Werteversprechens stellen Rucknahmesysteme dar, die in direkter Verbindung zu den PSS stehen, oder aber auch als Anreize fur eigentumsbasierte Produkte verwendet werden konnen. Der Anreiz muss als Wertschopfungschance fur den Kunden gesetzt werden und gleichzeitig bei Rucklauf einen Wert (z.B. zur Wiederverwendung, Wiederverkauf etc.) fur das Unternehmen darstellen (Lewandowski 2016).
Bei zirkularen Geschaftsmodellen ist das Kundensegment (Customer Segment) unmittelbar mit dem Wertversprechen verbunden, welches auf spezifischere Kundensegmente zugeschnitten sein muss. (Pearce 2009) konkretisiert diese und unterscheidet dabei sechs Arten von Kunden:
1. Kunden, die produktgebunden sind.
2. Kunden, die eine Neuprufung oder Neuzulassung des Produktes vermeiden wollen.
3. Kunden, die neue Produkte kaum nutzen.
4. Kunden, die ein Produkt weiterverwenden mochten.
5. Kunden, die die Produktlebensdauer verlangern mochten.
6. Kunden, die umweltfreundliche Produkte bevorzugen.
Die dritte Komponente Kanale (Channels) charakterisiert sich in der derzeitigen Literatur fur zirkulare Geschaftsmodelle, uber die Virtualisierung eines Wertangebots. Das Bedeutet, dass die Verkaufs-, und Kommunikationskanale virtuell eingerichtet werden konnen. Folglich wird ein virtuelles Produkt virtuell bereitgestellt, oder ein materielles Produkt virtuell uber einen Online-Shop verkauft und die Kommunikation virtuell uber beispielsweise. soziale Medien betrieben (Lewandowski 2016).
Die Ausgestaltung der Kundenbeziehungen (Customer Relationships) eines Circular Business Model Canvas unterscheidet sich zum traditionellen Geschaftsmodell im Wesentlichen durch die Produktion auf Bestellung und den Einbezug des Kunden in den Gestaltungsprozess. Uber diesen Weg steht der Kunde bereits in Kontakt mit dem Unternehmen, was zusatzlich mit der Aufbereitung und Wiederverwendung von Haupt- und Nebenprodukten einen positiven Einfluss auf die Marketingstrategie nimmt und verschiedene Stakeholder-Beziehungen starkt (vgl. ebd.).
In kreislaufwirtschaftlichen Prozessen sind die Einkommensstrome (Revenue Streams) hauptsachlich von Produkt-Sercvice-Systemen abhangig. Diese unterscheiden sich in inputs-, verfugbarkeits-, nutzungs- und leistungsbasierten Preismodell. Fur Erstere zahlt der Kunde pro Produkt oder Dienstleistung, wahrend zweiteres auf das Abonnementmodell ausgelegt ist, welches die Nutzung eines Produktes oder einer Dienstleistung gegen eine regelmaBige Gebuhr ermoglicht. Der nutzungsbasierte Ansatz ist auf die Zahlung pro Nutzung ausgerichtet, wahrend sich der leistungsabhangige an der Leistungserbringung bemisst. Fur diesen wiederum kann zwischen losungs-, wirkungs- und nachfrageorientierter Leistungen unterschieden werden. Zusatzliche Einkommensstrome konnen durch zuruckgewonnene Produkte oder Materialien generiert werden, die einen okonomischen Wert fur das Unternehmen darstellen. Diese konnen durch Wiederaufwertung und Weiterverkauf, sowie zur Herstellung eines neuen Produktes genutzt und zuruck in den Materialkreislauf gebracht werden (vgl. ebd.).
Bei der Wahl der Schlusselressourcen (Key Activities) eines kreislauffahigen Geschaftsmodells, liegt der Schwerpunkt auf der Wahl des Ressourceneinsatzes und der Regeneration des Naturkapitals. Das cradle-to-cradle-Prinzip von (Braungart und McDonough 2014) liefert den Ursprung dieser Uberlegung, bei welcher nur Energien und Materialien verwendet werden sollten, die in den Kreislauf zuruckzufuhren sind. In vielen Branchen ist ein hundertprozentiger, geschlossener Kreislauf nicht moglich, weswegen sich das Konzept auf die Substitution durch weniger umweltschadliche Inputs ausweiten lasst.
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- Victoria Brañas Friedmann (Author), 2022, Modeproduktion mit Textilabfällen als Geschäftsmodell. Erstellung eines Businessplans unter Anwendung des Circular Business Model Canvas, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1336871
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