Bei der Beschäftigung mit dem Forschungsgegenstand der Knochenschnitzerei ergeben sich vor allem zwei grundsätzliche Probleme: Zum einen ist die Forschung im Vergleich zu anderen Themenkomplexen - zumindest in unseren Breitengraden - noch relativ jung. Erst ab den 1970ern begann man, sich intensiver mit der Knochenschnitzerei zu beschäftigen. Zum anderen ist die Kenntnis bezüglich der Werkstätten sehr gering. Sämtliche Aussagen müssen also anhand von Abfällen, Halbfabrikaten und deren Bearbeitungsspuren gemacht werden, wie im folgenden deutlich werden wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Forschungsstand
2. Materialbasis
3. Vorbereitung des Knochens zur Verarbeitung
4. Wesentliche Gegenstände aus Knochen
4.1 Kämme
4.1.1 Langzinkenkämme
4.1.2 Dreilagenkämme
4.1.3 einteilige Kämme
4.2 Warfel
4.2.1 Herstellungsverfahren von Warfeln
4.2.2 Entwicklung des Warflerhandwerks
4.3 Paternosterperlen
4.3.1 Herstellungstechnik der Paternosterperlen
4.3.2 Entwicklung des Paternosterhandwerks
4.4 Beschlagplättchen
4.4.1 Beschläge aus Rinderrippe
4.4.2 Beschläge aus Schulterblättern des Rindes
5. Schlussbetrachtung
6. Literaturverzeichnis
Abbildungsnachweis
Abbildungen
1. Forschungsstand
Bei der Beschäftigung mit dem Forschungsgegenstand der Knochenschnitzerei ergeben sich vor allem zwei grundsätzliche Probleme:
Zum einen ist die Forschung im Vergleich zu anderen Themenkomplexen - zumindest in unseren Breitengraden - noch relativ jung. Erst ab den 1970ern begann man, sich intensiver mit der Knochenschnitzerei zu beschäftigen.1
Zum anderen ist die Kenntnis beziiglich der Werkstätten sehr gering.2
Sämtliche Aussagen miissen also anhand von Abfällen, Halbfabrikaten und deren Bearbeitungsspuren gemacht werden.
2. Materialbasis
Far Knochenschnitzereien wurden deutlich überwiegend Rindermetapodien, also Mittelhand- und MittelfuBknochen (Metacarpen und Metatarsen) verwendet (Abb. 1). Diese Knochen sind nicht fleischtragend und fielen deshalb als Schlachtabfall an.3 Fleischtragende Partien wurden vom Metzger portioniert. Die dort liegenden Knochen wurden dabei zerteilt und konnten deshalb i.d.R. nicht als Bearbeitungsmaterial verwendet werden.4 Wegen der hohen Anzahl an Schlachttieren waren Rindermetapodien auBerdem immer verf#gbar und ein dementsprechend billiger Rohstoff.5
Weitere Vorteile dieses Materials waren die gerade Form und die Dicke der Kompakta (Abb. 1).6
3. Vorbereitung des Knochens zur Verarbeitung
Zuerst musste der Knochen durch Abschaben von Fleisch- und Sehnenresten befreit werden. Es folgte eine griindlichere Reinigung und Entfettung, bei der das Knochenmaterial ca. 1,5 bis 2 Stunden gekocht wurde. Dieser Arbeitsschritt diente ebenfalls der leichteren Bearbeitung. Allerdings ist unklar, ob diese VorbereitungsmaBnahmen vom Knochenschnitzer oder vom Metzger getroffen wurden.7
4. Wesentliche Gegenstände aus Knochen
4.1 Kämme
Aufgrund der Tatsache, dass auch andere Materialien wie Holz, Horn oder Geweih gern f#r Kämme verwendet wurden, ist es zusätzlich zur geringen Werkstattkenntnis umso schwerer, Aussagen fiber die Kammproduktion zu treffen.8 Anhand einiger Gläcksfunde, wie z.B. in Schleswig und Lubeck, kann diese jedoch nachvollzogen werden. Im Allgemeinen lassen sich die verschiedenen Kammarten in drei Grundformen unterteilen:
Langzinkenkämme, Dreilagenkämme und einteilige Kämme.
4.1.1 Langzinkenkämme (Abb. 3)
L angzinkenkämme erscheinen uberregional in weiten Teilen Europas und treten vermehrt vom 8./9. Jahrhundert bis ins 13. Jahrhundert auf, wobei fraglich ist, ob sie nun zur Haarpflege, Textilverarbeitung, etc. verwendet wurden.9
Die Bearbeitung dieser Kammform vollzog sich folgendermaBen (Abb. 6 B): Im ersten Schritt wurde ein Gelenkende des Knochens abgeschlagen, das zweite als Griff belassen.10 Bevorzugt wurden die plantaren (vorderen) Hälfen der Metatarsen (Abb. 1) verwendet.11 Nun wurden Kanten und äuBere Rundungen mit dem Ziehmesser begradigt.12 Teilweise wurde auch der Kopf des Kammes abgeflacht oder verkärzt.13
Nach einer Politur wurden die Zinken frei Hand eingesägt.14 Häufig erfolgte eine anschlieBende Durchbohrung des Kopfes zwecks Aufhängung.15
4.1.2 Dreilagenkämme (Abb. 4)
Die Bearbeitung begann mit dem Abtrennen beider Gelenkstäcke. Im Anschluss wurden die Teile des Mittelstäcks halbiert oder geviertelt, wobei die Hälften später als Griffplatten dienten, die Viertel als Zinkenplättchen.16
Die Rohstäcke wurden nun mit Hilfe einer Säge in die gewänschte Länge und Breite gebracht.17
Danach folgte die Glattung mit dem Ziehmesser. Im nachsten Arbeitsschritt wurden die Griffplatten vorubergehend zusammengestiftet um eine symmetrische Bearbeitung (m Ziehmesser, Raspel und Feile) gewahrleisten zu können. Nach einer erneuten sorgfaltigen Glattung wurde der Kamm schlieBlich verziert, wobei die absolute Symmetrie der Verzierungen auf beiden Seiten hier ganz eindeutig daf#r spricht, dass diese vor dem endgultigen Verzieren angebracht worden sein massen. Jetzt wurden dis Zinkenplattchen ausgewahlt und nach Planschleifen zwischen die beiden Kammbugel genietet, und zwar in der Art, dass am unteren Kammende eine gerade Flache entstand.18
Die fiber den Bugel herausstehenden Plattchen wurden abgesagt. Im Anschluss an die Montage der Plattchen wurden diese erneut aberschliffen. Die Unterkante der Kammflache wurde - ebenfalls durch Beschleifen - angespitzt. Dieser Vorgang erfolgt nachweislich keinesfalls nach dem Aussagen der Zinken, da die Bruchgefahr zu groB gewesen ware. Nun erst wurden die Zinken eingesagt, die Seiten nochmals vorsichtig angespitzt und eine abschlieBende Politur vorgenommen.19
Das beschriebene Herstellungsverfahren umfasst jedoch nur eine Art der Dreilagenkamme - die einseitigen (Abb. 6 D). Es existieren allerdings ebenfalls zweiseitige (Abb. 6 A), wobei das Herstellungsverfahren sich vom Prinzip her nicht unterscheidet, abgesehen davon, dass langere Zinkenplattchen ausgewahlt werden mussten.20
4.1.3 einteilige Kamme (Abb. 5)
Wegen der Breite dieser Kamme kam far die Herstellung nur der direkt auf die Epiphyse folgende Knochenteil der Metapodien in Frage (Abb. 1).21
Nach dem rechteckigen Zusagen dieser Knochenteile erfolgte das Abschragen derer, zuerst mit dem Ziehmesser, anschlieBend mit Schleifmitteln.22
Nun wurde das Halbfabrikat durch leichtes Einsagen in Zinkenbereich und Mittelzone aufgeteilt.23
Auf das Beschleifen der Oberflache und eine eventuelle Dekoration folgte - auch hier im letzten Arbeitsschritt - das Einsagen der Zinken frei Hand.24 Je nach Seite des einteiligen Kammes wurden entweder grobe oder feine Zinken gesägt.25
Es sei jedoch bemerkt, dass diese Form von Kämmen im Fundgut allgemein nur sehr selten vorkommt, da es schwierig war, ausreichend grobe Knochenpartien far die Herstellung zu bekommen.26 Es ist daher anzunehmen, dass far die einteiligen Kämme bevorzugt Holz oder Horn verwendet wurden.27
(zur Bearbeitung von einteiligen Kämmen vgl. Abb. 6 C)
4.2 Warfel
Auch die Herstellung von Warfeln und die Entwicklung dieses Handwerks soll im Folgenden an einem Beispiel festgemacht werden. Umfangreiche Abfallfunde in Konstanz erlauben eine lackenlose Rekonstruktion o.g. Bereiche vom Ende des 13. Jahrhunderts bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts.
4.2.1 Herstellungsverfahren von Warfeln (Abb. 7)
Der erste Arbeitsschritt beim Schnitzen von Warfeln umfasste ausschlieBlich das Abschlagen des distalen Knochengelenks (Abb. 1).28 Es folgte die Halbierung des Metapodiums entlang der Koaleszenznaht (Abb. 1) mit Hilfe eines meiBelartigen Geräts, dem Stechbeitel (Abb. 17).29
Nun wurden die beiden Knochenhälften je nach Breite entweder erneut mit dem Beitel halbiert oder gedrittelt. Auf diese Weise erhielt man aufgrund der natarlichen Form des Markkanals Knochenscheite mit einer eingeschwungenen Seite, die mit einem kleinen Beil oder schweren Messer in grobe Warfelstabform gebracht wurden.30
Die anschlieBende genauere Bearbeitung konnte auf zwei verschiedene Weisen durchgefahrt werden:
Im Zuge der ersten Möglichkeit wurde das aberschassige Knochenmaterial Span um Span mit dem Stechbeitel oder einem groBen Messer entfernt. Da der Warfelstabrohling dabei senkrecht auf einen Hackklotz gestellt werden musste und mit einer Hand an der Oberseite festgehalten wurde, bearbeitete man ihn erst ab der Mitte und drehte ihn anschlieBend, um den Vorgang auf der anderen Hälfte zu wiederholen. Deshalb war der fertige Warfelstab im Zentrum häufig dicker als an den Enden. Das fahrte dazu, dass die einzelnen Würfel, die alle aus dem gleichen Stab gefertigt wurden, trotzdem stark in ihrer GröBe variierten.31
Was die zweite Möglichkeit betrifft, wurden die Stäbe nach grober Zurichtung mit einem Ziehmesser geglättet. Um das zu ermöglichen, musste der Stab im Liegen fixiert werden, da diese Art der Bearbeitung einen hohen Kraftaufwand erforderte. Die Vorrichtung zum Fixieren ist allerdings nicht bekannt. Man könnte sich aber evtl. eine Art primitiven Schraubstock vorstellen.32
Mit jener zweiten Methode lassen sich folglich annähernd gleich groBe Würfel herstellen, z.T. bildeten sich jedoch Rillen auf dem Würfelstab, die durch das Stocken des Ziehmessers entstanden.33
Nachdem der Würfelstab glattgefeilt wurde, erfolgte das Absägen der Würfelrohlinge vom Stab nach AugenmaB. Dabei fielen die beiden zugespitzten Enden, die durch die natürliche Verjüngung der Kompakta zu den Gelenkenden hin entstehen (Abb. 1) und ein sicherer archäologischer Nachweis für Würfelproduktion sind, als Abfall an.34
Einen weiteren wichtigen Faktor der Bearbeitung des Würfels stellt die Augenbohrung dar. Auch hier gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten:
Zum einen konnte die Bohrung mit Hilfe eines zirkelartigen Fräsgerätes erfolgen. Diese Technik erforderte allerdings viel Kraft. Zum anderen konnte ein Drillbohrer eingesetzt werden, was wesentlich kräfteschonender vonstatten ging. Je nach Augenform war die Spitze des Bohrers anders gestaltet (Abb. 8).35
Um die Spuren des Absägens der Würfelrohlinge und die der Augenbohrung zu beseitigen, wurde wahrscheinlich eine Politur vorgenommen, sie ist jedoch nicht mehr nachweisbar.36
Mit Sicherheit wurden die fertigen Würfel teilweise durch Bemalungen verziert, allerdings sind nur sehr selten Spuren davon erhalten.37
Eine weitere Art der Verschönerung von Würfeln war das Färben, u.a. durch Rösten im Feuer (Abb. 9).38
[...]
1 Erath, Marianne: Studien zum mittelalterlichen Knochenschnitzerhandwerk. Die Entwicklung eines spezialisierten Handwerks in Konstanz, Band 1. Freiburg 1996, S. 10.
2 Mährenberg, Doris: Archäologische Belege für das Handwerk in Lubeck. In: Von Schmieden, Wärflern und Schreinern. Städtisches Handwerk im Mittelalter. Stuttgart 1999, S. 48
3 Erath 1996, S. 24 f.
4 Ulbricht, Ingrid: Ausgrabungen in Schleswig. Berichte und Studien 3. Die Verarbeitung von Knochen, Geweih und Horn im mittelalterlichen Schleswig. Neumänster 1984, S. 18.
5 Erath 1996, S. 24.
6 Ebd., S. 26.
7 Ebd., S. 45 f.
8 Röber, Ralph: Zur Verarbeitung von Knochen im mittelalterlichen Sudwestdeutschland. In: Fundberichte Baden-Wurttemberg 20. Stuttgart 1995 , S. 929.
9 Ebd., S. 889.
10 Mührenberg 1999, S. 48.
11 Ulbricht 1984, S. 34.
12 Mührenberg 1999, S. 48 f.
13 Ulbricht 1984, S. 34.
14 Ebd.
15 Röber 1995, S. 890 f.
16 Mührenberg 1999, S. 49.
17 Ulbricht 1984, S. 35.
18 Ebd., S. 36.
19 Ebd.
20 Ebd.
21 Ebd., S. 34.
22 Ebd.
23 Ebd.
24 Ebd., S. 35.
25 Ulbricht 1984, S. 35.
26 R6ber 1995, S. 908.
27 Ebd.
28 Erath 1996, S. 72.
29 Ebd., S. 74.
30 Ebd.
31 Erath 1996, S. 75.
32 Ebd., S. 75.
33 Ebd.
34 Ebd., S. 79 f.
35 Ebd., S. 86.
36 Ebd., S. 88.
37 Ebd., S. 88 f.
38 Ebd., S. 81.
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