In dieser Arbeit wird die Entwicklung des deutschen und des estnischen Gesundheitssystems in Bezug auf dessen digitaler Transformation untersucht. Des Weiteren wird ein Vergleich zwischen den Unterschieden der jeweiligen Gesundheitssystementwicklung hergestellt. Das Ziel ist es, Aufschluss darüber zu geben, wie die Qualität das deutsche Gesundheitssystem durch die digitale Transformation gesteigert werden kann. Dabei wird die elektronischen Patientenakte (ePA) besonders betrachtet, da diese digitale Gesundheitsanwendung einen Pfeiler in der modernen Gesundheitsversorgung darstellt. Die kritische Betrachtung wird vor dem Hintergrund durchgeführt, dass Deutschland momentan eines der erfolgreichsten Industrieländer der Welt ist.
Aus der genannten Problemstellung und dem wissenschaftlichen Dreisatz ergeben sich folgenden Forschungsfragen: Wie lässt sich Verbesserungspotenziale, anhand der digitalen Reife Estlands für die digitale Transformation des deutschen Gesundheitswesens ableiten und dadurch Handlungsempfehlungen erstellen, um zukünftig konkurrenzfähiger im internationalen Vergleich zu sein? Wie kann am Beispiel der elektronischen Patientenakte Estlands aufzeigt werden, welche politischen, infrastrukturellen und gesellschaftlichen Indikatoren berücksichtig werden müssen, um eine erfolgreiche Implementierung und einen langfristigen Nutzen der deutschen elektronischen Patientenakte zu ermöglichen?
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung in die Thematik und Problemdarstellung
2. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
3 Forschungsfragen
4. Methodik
5. Chancen der elektronischen Patientenakte
6. Deutschlands Gesundheitssystementwicklung
6.1 Digitale Transformation des Gesundheitswesens in Deutschland seit 2000
6.2 Demographische Entwicklung in Deutschland
6.3 Politische Vorgehensweisen Deutschlands
6.4 Die digitale Infrastruktur und Datenschutz Deutschlands
6.5 Die elektronische Patientenakte in Deutschland
7. Estlands Gesundheitssystementwicklung
7.1 Estlands Digitale Entwicklung
7.2 Demographische Entwicklung und Gesundheit in Estland
7.3 Politische Strategie und Entwicklung Estlands
7.4 Die digitale Infrastruktur und Datenschutz in Estland
7.5 Die elektronische Patientenakte in Estland
8. Datenschutz und Risiken der Datennutzung im Gesundheitswesen
9. Gegenüberstellung der Ergebnisse
10. Schlussfolgerung
11. Handlungsempfehlungen
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Altersspezifische Erkrankungsrate nach Geschlecht, Deutschland 2014 (Robert- Koch-Institut, 2021)
Abbildung 2 Alter der Bevölkerung (Behm, 2021)
Abbildung 3 Entwicklung der Gesundheitsausgaben (nominal) (Statistische Bundesamt, 2022) 17 Abbildung 4 Darstellung der einzelnen Komponenten der TI (Bratan et al., 2022)
Abbildung 5 Konsumausgaben der privaten Haushalte für Gesundheit je Einwohner in 2020 (Eurostat, 2021c)
Abbildung 6 Fruchtbarkeitsziffem Estlands (Eurostat, 2020)
Abbildung 7 Durchschnittsalter der estnischen Bevölkerung von 1950 bis 2050 (UN DESA, 2019)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Deutschlands Position in internationalen Benchmarking Studien der letzten 20 Jahre (Bratan etal., 2022)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung in die Thematik und Problemdarstellung
Die digitale Transformation ist eine der zukunftsorientiertesten Herausforderungen des deutschen Gesundheitswesens. Gleichzeitig bringt sie auch enormes Potenzial mit sich. Beispielsweise hätten 2018 bis zu 34 Milliarden Euro eingespart werden können, wenn das System bereits digitalisiert wäre (Biesdorf et al., 2018, S. 3). Diese Einsparmöglichkeiten setzen sich aus Effizienzsteigerung und daraus resultierender Nachfragereduktion medizinischer Leistungen zusammen.
Heutzutage sind Menschen es gewohnt, unmittelbar Antworten auf jegliche Probleme des Lebens zu erhalten. Lösungen sind oft nahezu mühelos gefunden. Im deutschen Gesundheitssystem ist das noch nicht der Fall. Patienten und Patientinnen sowie Versicherte finden sich oft mit Zusatzaufwand oder anderen Problemen bei der Leistungserbringung konfrontiert. Einige Beispiele dafür sind schlechte Arztterminverfügbarkeit oder veraltete rechtliche Reglungen. Bereichsübergreifende Lösungen sind meisten nicht vorhanden und lassen sich anscheinend nur schwer mit den bestehenden Prozessen verbinden (Behm, 2021, S. 1). Mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens kann einen vereinfachten Zugang zu relevanten medizinischen Informationen hergestellt werden, was die Diskrepanz zwischen medizinischem Fachpersonal und den Patienten und Patientinnen angleichen kann (Behm, 2021, S. 51). Des Weiteren können erhobenen Daten für Forschungszwecke freigegeben werden. Gesundheitsdaten ermöglichen medizinischen Fortschritt, bessere Präventionsmöglichkeiten und höhere Qualität in der Patientenversorgung (Bundesministerium für Gesundheit, 2022a). Eine vielversprechende digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) Anwendung istdie elektronische Patientenakte (ePA).
Mehrere Benchmark-Studien wie zum Beispiel der Digital-Health-Index 2018 der Bertelsmann Stiftung zeigten klare Diskrepanzen beim Fortschritt der Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems. Bei dem Digital-Health-Index handelt es sich um eine internationale Studie, die die digitale Gesundheitssystementwicklung von 17 Nationen vergleicht und einstuft (Kostera & Thranberend, 2018, S. 3). Die Bertelsmann-Stiftung definiert drei Kategorien, die die Platzierung bestimmen. Die politische Ebene, die Bereitschaft zur Veränderung und die Kategorie der tatsächlichen Nutzung von Daten (Kostera & Thranberend, 2018, S. 2). Aus den Studienergebnissen der Bertelsmann Stiftung geht eines deutlich hervor. Die digitale Transformation eines Staats benötigt eine effektive und durchdachte Strategie (Kostera & Thranberend, 2018, S. 5). Deutschland erreicht in dem Ranking den 16. Platz. Hier stellt sich die Frage, aus welchen Gründen Deutschland in diesem Vergleich so niedrig abschneidet. Vor allem weil Deutschland 2020 die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union war (IMF, 2022). Mehrere Gründe spielen für diese Platzierung eine Rolle. Beispiele dafür sind schlechte Interoperabilität einzelner Bereiche des Gesundheitswesens, aufwendiger Datenschutz oder aber überholungsbedürftige Vergütungsanreize (Behm, 2021, S. 2). Auch Interessenskonflikte der verschiedenen Akteure des Gesundheitswesens spielen dabei eine Rolle (Bratan et al., 2022, S. 9)
Estland konnte in der Studie den ersten Platz besetzen. Weltweit ist Estland ein Musterbeispiel der Digitalisierung. Aufgrund dessen wird in diesem Vergleich Estlands Vorgehensweisen und Systementwicklung herangezogen. Die Platzierung resultiert unterandrem aus der digitale Infrastruktur Estlands die für alle Akteure des estnischen Gesundheitssystems einen sicheren Datenaustausch ermöglicht, eine klar formulierten Strategieplan zur digitalen Transformation sowie rechtlich verankerte Investitionsprogramme für Digital-Health-Projekte (Thiel et al., 2018, S. 100).
Deutschland platziert sich nicht nur im Digital-Health-Index unterdurchschnittlich. Seit mehreren Jahren erreicht Deutschland in internationalen Gesundheitssystemvergleichsstudien schlechte Ergebnisse (Bratan et al, 2022, S. 13).
Die deutsche Regierung hat denn Handlungsbedarf erkannt und 2016 ein Zeichen gesetzt. Es wurden Schritte initiieret, um die digitale Transformation Deutschlands voranzubringen. Diese Schritte äußerten sich unter anderem mit der Verabschiedung des E-Health-Gesetzes von 2019 (Behm, 2021, S. 54). Inhalte von diesem Gesetz sind der digitale Medikationsplan, die Vergütung telemedizinischer Ärztekonsilien und die Förderung der Videosprechstunde. 2019 wurde das digitale Versorgungsgesetz (DVG) von dem ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn auf den Weg gebracht (Behm, 2021, S. 55). Das DVG beinhaltet die digitale Rezeptausstellung, die Videosprechstunde und Regelungen, um die Nutzung der digitalen Infrastruktur für alle Leistungserbringenden zu verbessern (Behm, 2021, S. 55).
Die Entwicklung dieser Gesetzte lässt erkennen, dass die Bereitschaft der Regierung für die digitale Transformation die Qualität des Gesundheitssystems zu verbessern da ist. Die verabschiedeten Gesetzte stellen jedoch nur den Anfang der digitalen Transformation des Gesundheitswesens dar.
Die tiefen Verflechtungen, starren Strukturen und unzureichende Interoperabilität des Gesundheitssystem halten viele Hürden für den Erfolg der digitalen Transformation bereit, zusätzlich sind Indikatoren, die die digitale Transformation begünstigen würden, bisher nur halbherzig verfolgt worden (Behm, 2021, S. 52).
Mit der Covid-19-Pandemie wurden die Gesundheitssysteme weltweit unter Extrembelastungen gestellt. Die dürftig entwickelten Strukturen legten signifikanten Schwachstellen in der digitalen Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens offen. Zusätzlich forderte die Grenzsituation exponentiell höhere finanzielle, zeitliche, physische und psychische Ressourcen (Bratan et al., 2022, S. 1). Die Covid-19-Pandemie hat viele negative Begleiterscheinungen mit sich gebracht, für die digitale Transformation hatte sie jedoch auch positive (Behm, 2021, S. 2). Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und die Versorgung der Patienten und Patientinnen sicherzustellen, mussten sich die Regierung und die Leistungserbringenden des Gesundheitswesens mittels bestehender Technologien an die herausfordernde Situation anpassen (Behm, 2021, S. 4).
Die Pandemie hat gezeigt, dass die Erschwernisse, die mit der digitalen Transformation einhergehen, lösbar sind. Dinge wurden möglich, die zuvor als unlösbar oder undenkbar galten. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz des Homeoffice. 2017 lag die Nutzung nur bei 16 Prozent im ersten Lockdown stieg die Nutzungsrate auf 27 Prozent in Westdeutschland an (Bonin et al., 2020, S. 36). Im gleichen Jahr führte die Stiftung Gesundheit eine Befragung von bundesweit tätigen Ärzten und Ärztinnen durch. Die Befragung thematisierte unter anderem die Videosprechstunde. 2017 sprachen sich 57,7 Prozent der Befragten gegen diesen Kommunikationsweg aus (Brendt et al., 2020, S. 18).
Durch die Covid-19-Pandemie stieg die Nutzungsrate der Videosprechstunde deutlich. Die gleiche Befragung wurde 2020 erneut von der Stiftung durchgeführt. Aus dieser ging hervor, dass mittlerweile 52,3 % der befragten Ärzte und Ärztinnen die Videosprechstunde anbieten. 10,1 % haben es kurzfristig vor und 37,6 % lehnen es ab (Brendt et al., 2020, S. 18). Ein weiteres Beispiel für den Nutzen der Pandemie und der Bereitschaft für die digitale Transformation Deutschlands war die Corona-Wam-App. Die Bundesregierung hat diese zusammen mit Unternehmen wie SAP und der deutschen Telekom entwickelt sowie markttauglich gemacht. Nachdem die App etwa drei Monate lang bereitgestellt wurde, lag die Anzahl der Downloads bei 19,3 Millionen (Robert-Koch-Institut, 2020). Bundesweit hat Deutschland 60,7 Millionen Smartphone-Nutzende (VuMA, 2021a). Das ergibt eine Downloadrate von fast 32 Prozent aller Smartphone-Nutzenden-Personen nach 90 Tagen. Diese Beispiele zeigen klar, auf das die digitale Transformation des deutschen Gesundheitswesens erfolgreich durchgeführt werden kann.
Betrachtet man die Potenziale der digitalen Transformation, ist das weitere Voranschreiten dieser ein lohnendes Unterfangen.
2. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
In dieser Arbeit wird die Entwicklung des deutschen und des estnischen Gesundheitssystems in Bezug auf dessen digitaler Transformation untersucht. Des Weiteren wird ein Vergleich zwischen den Unterschieden der jeweiligen Gesundheitssystementwicklung hergestellt. Das Ziel ist es, Aufschluss darüber zu geben, wie die Qualität das deutsche Gesundheitssystem durch die digitale Transformation gesteigert werden kann. Dabei wird die elektronischen Patientenakte (ePA) besonders betrachtet, da diese digitale Gesundheitsanwendung einen Pfeiler in der modernen Gesundheitsversorgung darstellt. Die kritische Betrachtung wird vor dem Hintergrund durchgeführt, dass Deutschland momentan eines der erfolgreichsten Industrieländer der Welt ist (IMF, 2022b).
Die Arbeit teilt sich in 11 Kapitel auf. Zu Beginn wird ein Überblick über die derzeitige digitale Entwicklung des deutschen Gesundheitssystems und der Problemstellung, mit der sich Arbeit beschäftigt gegeben, um so ein grundsätzliches Verständnis für die Thematik herzustellen. Dabei werden die Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation des deutschen Gesundheitswesens, mit Betrachtung auf die ePA thematisiert. Durch die kritische Gegenüberstellung der Vorgehensweisen und Entwicklungen des estnischen Gesundheitssystems sollen Handlungsempfehlungen gegeben werden, mit denen die medizinische Versorgungsqualität des deutschen Gesundheitssystems gesteigert werden kann. Im dritten Kapitel werden die Forschungsfragen, die sich aus der Problemstellung ergeben und mit der sich die Arbeit befasst, vorgestellt. Dadurch werden die an die Arbeit gestellten Ziele formuliert. Um die gestellten Ziele zu erreichen, wird die Methodik zur Ergebnisfmdung im vierten Kapitel vorgestellt.
Das fünfte Kapitel beschreibt das Potenzial der digitalen Transformation anhand der elektronischen Patientenakte (ePA). In diesem Teil der Arbeit werden mehrere relevante Begriffe wie zum Beispiel die Digitalisierung und digitale Transformation definiert. Die Möglichkeit, die medizinische Versorgungsqualität und die Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Gesundheitssystems mittels der ePA zu steigern, ist gegeben und auch teilweise empirische belegt (Schneider, 2015, S. 28). Die damit einhergehenden Chancen werden vorgestellt und genau erläutert. In den Kapiteln 6 und 7 werden die Unterschiede zwischen Deutschland und Estland aufgezeigt. Hier wird mit dem Gesundheitssystem Deutschlands begonnen. Ein Überblick über die Versorgungssituation des deutschen Gesundheitswesens wird hergestellt. Das darauffolgende Kapitel befasst sich mit der digitalen Entwicklung des Gesundheitssystems und zeigt die bisher gewählten Ansätze und den Entwicklungsstand der digitalen Transformation des deutschen Gesundheitssystems. Anschließend werden der demographische Wandel sowie die bisher verfolgte politische Strategie in Bezug auf die digitale Transformation im Gesundheitswesen dargestellt. Diese Punkte werden erörtert, um einen Einblick in die demographische und politische Entwicklung zu geben, da diese Thematiken wichtige Indikatoren für die Vergleichbarkeit Deutschlands sind und wesentliche Signifikanten für die digitale Transformation des deutschen Gesundheitswesens verkörpern. Anschließend wird die bisher entwickelte digitale Infrastruktur sowie Datenschutzregularien vorgestellt. Die Digitalisierung schreitet auf der ganzen Welt voran, allerdings variiert das von Land zu Land deutlich. Ein ausschalgebender Grund dafür ist die Entwicklung der digitalen Infrastruktur des jeweiligen Landes und der dort geltende Datenschutz. In Kapitel 6.5 wird die elektronische Patientenakte Deutschlands vorgestellt. Hierbei werden zum einen die Rahmenbedingungen der digitalen Gesundheitsanwendung dargelegt, zum anderen der Status quo der Implementierung und die Bereitschaft der verschiedenen Akteure des Gesundheitswesens präsentiert. Anschließend werden in Kapitel 7 bis Kapitel 7.5 die zuvor behandelten Themen aus der Perspektive Estlands präsentiert. Dadurch kann ein Vergleich zwischen Deutschland und Estland hergestellt werden, der aufzeigen soll, welche Diskrepanzen bei der digitalen Entwicklung des deutschen Gesundheitssystems entstanden sind und Grundlage zur Beantwortung der Forschungsfragen sein. In Kapitel 8 wird auf den Datenschutz eingegangen, hier werden das Ziel des Datenschutzes, seine Notwendigkeit sowie die Herausforderungen und Risiken die mit den Vorgaben entstehen erläutert. Im 9 Kapitel der Arbeit werden die Ergebnisse präsentiert, mittels der die Forschungsfragen beantwortet werden sollen. In Kapitel 10 werden die Ergebnisse interpretiert und abschließend werden in Kapitel 11 mehrere Handlungsempfehlungen gegeben.
3. Forschungsfragen
Aus der genannten Problemstellung und dem wissenschaftlichen Dreisatz ergeben sich folgenden Forschungsfragen
1. Wie lässt sich Verbesserungspotenziale, anhand der digitalen Reife Estlands für die digitale Transformation des deutschen Gesundheitswesens ableiten und dadurch Handlungsempfehlungen erstellen, um zukünftig konkurrenzfähiger im internationalen Vergleich zu sein?
2. Wie kann am Beispiel der elektronischen Patientenakte Estlands aufzeigt werden, welche politischen, infrastrukturellen und gesellschaftlichen Indikatoren berücksichtig werden müssen, um eine erfolgreiche Implementierung und einen langfristigen Nutzen der deutschen elektronischen Patientenakte zu ermöglichen?
4. Methodik
Grundlage für die Beantwortung der oben genannten Fragen bildet eine ausführliche Literaturrecherche. Zur Interpretation des Stands der digitalen Transformation Deutschlands wurden Vergleichsstudien auf internationaler Ebene herangezogen. Das ermöglicht es Schwierigkeiten, Herausforderungen, Problemstellungen, aber auch praktische Beispiele und Potenziale zu erkennen. Um themenrelevante Daten zu erhalten, werden die Datenbanken PubMed, Medline und ISI Web of Knowledge genutzt. Folgende Suchbegriffe werden verwendet, um die Datenbanken abzufragen:
Deutsch: Gesundheitssystem, Gesundheitswesen, Digitalisierung, Deutschland, Estland, Unterschied, Zugang, Zugangsbarrieren, elektronische Patientenakte, ePA, digital, Transformation, digitale Transformation, deutsch, estnisch, Nutzung, Akzeptanz, Hindernisse, Barrieren Englisch: health system, health service, digitalization, Germany, Estonia, difference, acess, acess barriers, electronic medical record, emd, digital, transformation, digital transformation, german, estonian, usage, acceptance, obstacles, barriers Auch das World Wide Web wurde mit den oben genannten Suchbegriffen überprüft. Hier werden hauptsächlich Daten von offiziellen Behörden wie dem Statistischen Bundesamt herangezogen. Der Bibliothekskatalog der Albert-Ludwig-Universität Freiburg wird ebenfalls mit den genannten Begriffen abgefragt.
5. Chancen der elektronischen Patientenakte
Zu Beginn dieses Kapitels werden die Begriffe Digitalisierung und elektronische Patientenakte erläutert. Der Begriff Digitalisierung bezeichnet ursprünglich die digitale Umwandelung von analogen Werten. Er kann auch die Automatisierung und Optimierung von Prozessen bedeuten. Im weiteren Sinne wird mit dem Begriff die digitale Umwandlung, Darstellung bzw. Durchführung von Information und Kommunikation respektive die digitale Modifikation von Instrumenten, Geräten und Fahrzeugen beschrieben (Jorzig & Sarangi, 2020, S. 4).
Die Digitalisierung ist ein Instrument, das seit vielen Jahren mit enormem Potenzial wahrgenommen wird. Durch die Digitalisierung kann die Qualität der Versorgung des deutschen Gesundheitssystems allgemein, aber auch in unterversorgten und strukturschwachen Gebieten sichergestellt sowie optimiert werden. Durch ihren Facettenreichtum trägt die Digitalisierung schon heute zur Autonomie der Patienten und Patientinnen bei. Beispielsweise können diese mittels der Digitalisierung medizinische Zusammenhänge besser verstehen, interpretieren und nachvollziehen. Eine einfache Recherche im Internet ermöglicht es fachfremden Personen, unbekannte Thematiken und Begriffe zuzuordnen. Durch ein besseres Verständnis und höhere digitale Bildung profitiert auch die zukünftige Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems (Bratan et al., 2022, S. 1).
Eine ePA ist nach Thiel et al. (2018, S. 387) eine umfassende medizinische und institutionsübergreifende Akte oder eine ähnliche Dokumentation des vergangenen und gegenwärtigen physischen und psychischen Gesundheitszustandes einer Person in elektronischer Form. Die medizinischen Informationen zeichnen sich durch eine sofortige Verfügbarkeit aus. Durch die ePA und ihren Einsatz wird eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der medizinischen Versorgung angestrebt (Schneider, 2015, S. 27). Anhand der Beispiele anderer Nationen lässt sich aufzeigen, dass diese Ziele erreicht werden können.
Im Folgenden werden verschieden Potenziale und Chancen, die die ePA mit sich bringt, genannt und erläutert.
- Die Verfügbarkeit relevanter Gesundheitsdaten während der medizinischen Behandlung zur Verbesserung der Entscheidungsgrundlage
Mit einer funktionierenden ePA können im Idealfall alle relevanten und bereits in der Vergangenheit erhobenen Gesundheitsdaten während medizinischer Behandlungen abgerufen werden. Die ePA ermöglicht also, dass für den behandelnden Arzt oder Ärztin mehr medizinisch relevante Daten zur Verfügung stehen, um so die bestmögliche Diagnostik und Therapie für die Patientin oder den Patienten herzustellen. Durch eine gefestigte und etablierte ePA kann die Informationsgrundlage für medizinische Behandlung verbessert werden. Dieser Vorteil bezieht sich einerseits auf die medizinische Versorgung im Krankheitsfall, aber auch auf die Informationsverfügbarkeit für die verschiedenen Einrichtungen und Leistungserbringenden des Gesundheitswesens (Schneider, 2015, S. 30). Ein weiterer positiver Aspekt ist die schnelle Abrufbarkeit der Informationen, denn selbst wenn eine Erkrankung oder Beschwerde erneut auftritt, dauert es in der Regel länger, die bekannten Diagnosen und Befunde in Papierform zu übermitteln (Schneider, 2015, S. 28; Pfannstiel et al., 2019, S. 15).
- Empowermentfür Patienten
Durch die ePA können sich Patienten und Patientinnen auf einen Blick ein ausführliches Bild über bisherig aufgetretenen Erkrankungen machen. Durch die vorliegenden Daten wird die Wissensgrundlage erhöht. Besonders in Notfallsituationen kann der Patient oder die Patientin beispielsweise Unverträglichkeiten von Arzneimitteln, verschriebene Medikamente oder die eigene Blutgruppe angeben. Gleichzeitig kann die Wissensasymmetrie zwischen dem medizinischen Fachpersonal und den Betroffenen durch die verfügbaren Informationen angeglichen werden (Behm, 2021, S. 51). Weil die Patienten und Patientinnen durch die ePA Eigentümer ihrer Daten sind und diese selbst steuern, kann das zu einer Vertrauenssteigerung der Bevölkerung gegenüber dem Staat und seinen Vorgehensweisen bei der digitalen Transformation des Gesundheitswesens führen.
- Leistungssteigerung des Gesundheitswesens
Die ePA ermöglicht es, die bisher geführten Papierakten zu ersetzen und zusammenzuführen. Das bringt den Vorteil mit sich, dass überflüssige Doppeluntersuchungen, die wegen Informationsinkonsistenzen entstanden wären, vermieden werden können. Somit würde das deutsche Gesundheitssystem leistungsorientierter arbeiten, bisher benötigten personellen und finanziellen Ressourcen könnten für versorgungsrelevante Belange genutzt werden. Gleichzeitig kann die Zahl der Arbeits-, Berufs- und Erwerbsfähigkeit reduziert werden, was ebenfalls zu einer finanziellen Entlastung des Systems führt (Schneider, 2015, S.39)
- Vermeidung von Medienbrüchen der Übertragungskette
Durch die ePA kann eine konstante Datenübertragung hergestellt werden. Medienbrüche entstehen oftmals bei Datenübertragung zwischen unterschiedlichen IT-Systemen oder zwischen Papier und IT. Diese Medienbrüche bergen ein Datenschutz- und Datensicherheitsrisiko. Durch die ePA könnten Daten, die bereits digital erfasst wurden, im gleichen Format weitergegeben werden. Dieser Ansatz würde gleichzeitig den Leistungserbringenden und den Leistungsempfangenden nützen. Die Empfänger könnten so Gesundheitsinformationen leichter erfassen und automatisiert in das eigene System einpflegen sowie auswerten. Dadurch kann der Verlust von Daten verringert oder komplett verhindert werden (Schneider, 2015, S. 28).
- Datenauswertung und Statistik
Bei Datenanalysen verschiedenster Informationen gestaltet sich die digitale Auswertung deutlich leichter als die in Papierform. Zwar können Informationen schneller und flexibler aufPapier festgehalten werden, geht esjedoch an die Auswertung der Daten, müssen diese üblicherweise in verschiedene Systeme eingepflegt werden, um die gewünschten Informationen zu gewinnen. Durch (teil-)automatisierte Systeme, Suchfunktionen und Analyseformeln können die Informationen sicher und genau herausgefiltert werden (Schneider, 2015, S. 28).
- Verbesserung der Qualität der Versorgung
Je reicher und strukturierter die zur Verfügung stehenden Informationen sind, umso mehr kann die Qualität der Versorgung verbessert werden. Dadurch können unter anderem potenzielle Behandlungsfehler vermieden werden. Neben der verbesserten Entscheidungsfindung kann die Geschwindigkeit, in der die Entscheidungen getroffen werden, besonders im medizinischen Kontext eine entscheidende Rolle spielen. Je schneller die relevanten Informationen bereitgestellt werden, desto früher können notwendige medizinische Schritte eingeleitet werden und so zur Linderung der Symptomatik führen. Mit dieser schnellen und umfangreichen Datenverfügbarkeit kann die Qualität der Versorgung verbessert werden (Schneider, 2015, S. 30).
6. Deutschlands Gesundheitssystementwicklung
Deutschland ist ein europäischer Staat mit einer Fläche von 357.582 qkm (Umweltbundesamt, 2021). Laut einer Erhebung des Statistischem Bundesamts lag der Bevölkerungsstand Ende 2019 bei 83,2 Millionen Menschen (Statistisches Bundesamt, 2021a, S. 11). Das deutsche Gesundheitssystem ist ein staatlich gesteuertes, auf Solidarität basierendes System, dass sich durch die gesetzliche und private Krankenversicherung finanziert (Bundesministerium für Gesundheit, 2020a, S. 9).
Das auf Solidarität basierende System hat seinen Ursprung aus einem fiktiven Solidarvertrag zwischen den verschiedenen Generationen (Ebersoll et al., 2022, S. 209). Der Grundgedanke des Solidarvertrags ist es, dass eine hohe Anzahl an jungen Leistungserbringern für die demgegenüber kleinere Gruppe an leistungsschwachen Personen einstehet (Ebersoll, et al., 2022, S. 209). Die Finanzierung des deutschen Gesundheitssystems basiert auf dem BismarckSystem. Das bedeutet, dass die sozialen Krankenversicherungen aus Sozialabgaben der Versicherten und ihrer Arbeitgeber finanziert werden. Aktuell liegt der gesetzlich festgeschriebene Beitragssatz bei 14,6 %. Dieser wird zwischen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen beziehungsweise Rentnern und Rentnerinnen sowie den Arbeitgebern mit je 7,3 % halbanteilig getragen (Bundesministerium für Gesundheit, 2022c) Das System wurde 1883 durch Otto von Bismarck mit dem Hintergrund eingeführt, sozialen Unruhen zu begegnen und den damals freiwilligen Versicherungen der Gewerkschaften die Entscheidungsmacht zu nehmen (Pfaff & Pförtner, 2016, S. 328). Dessen Gegenstück ist das Beveridge-System (Pfaff & Pförtner, 2016, S. 328). Dieses Modell geht auf Henry Beveridge zurück, der in der Mitte des letzten Jahrhunderts ein Modell für die soziale Sicherheit entwickelte. Dieses Modell zeichnet sich dadurch ab, dass es der gesamten Bevölkerung einen universellen Zugang zum Gesundheitssystem garantiert. Das Gesundheitssystem wird durch Steuereinnahmen finanziert und ist staatlich gesteuert (Pfaff & Pförtner, 2016, 328). Im internationalen Vergleich schneiden die Nationen, die auf dem Beveridge-System basieren, besser bei der Implementierung und der Umsetzung von Digitalisierungsprozessen ab. Dies gilt jedoch nur, wenn die Budgetzuweisungen staatlich gesteuert werden (Bratan et al., S. 22). 2020 befanden sich 1903 Krankenhäuser in Deutschland mit circa 487800 Betten für die stationäre Versorgung der Bevölkerung. Betrachtet man die letzten 20 Jahre, so lässt sich eine Reduktion der Krankenhäuser in Deutschland erkennen. Im Jahr 2000 sorgten sich noch 2242 Häuser um die stationäre Versorgung von Patienten und Patientinnen (Statistisches Bundesamt, 2022a). Mit der Anzahl der Krankenhäuser hat sich auch die Bettenanzahl verkleinert. 1991 waren es etwa ein Viertel mehr Krankenhausbetten als im Jahr 2020 (Statistisches Bundesamt, 2022a). Obwohl der Versorgungsaufwand seit den frühen 1990er-Jahren um etwa 25 % gestiegen ist, sinkt die Anzahl der Krankenhäuser konstant. Dieser Umstand resultierte aus ökonomischen Problemen vieler Krankenhäuser. Laut dem Krankenhausratingreport 2016 hat sich die wirtschaftliche Lage vieler Krankenhäuser in Deutschland stabilisiert, nur 7 % der damals rund 1950 Krankenhäuser waren im Bereich der erhöhten Insolvenzgefahr und 84,4 % arbeiteten wirtschaftlich stabil (Deutsches Ärzteblatt, 2018). Die Expertenmeinungen tendieren jedoch dazu, dass es noch zu viele kleine Krankenhäuser in Deutschland gibt, was besonders in Gebieten mit einer hohen Bevölkerungsdichte zu ineffizientem Einsatz von Investitionsmitteln führt. Durch große Krankenhäuser, die viele Fachbereiche abdecken, kann die Effizienz der Gesundheitsversorgung gesteigert und die damit einhergehenden Kosten reduziert werden (Deutsches Ärzteblatt, 2018; Deutsches Ärzteblatt, 2022).
Die deutschen Krankenhäuser befinden sich in verschiedener Trägerschaft. Die Trägerschaften teilen sich in drei Bereiche auf. Die öffentliche, die private und die freigemeinnützige Trägerschaft (Deutscher Bundestag, 2021, S. 1). Im Jahr 1991 wurde die bundeseinheitliche Krankenhausstatistik eingeführt, aus dieser kann nachvollzogen werden, wie sich die Trägerschaften der Krankenhäuser in Deutschland verteilen. Der Großteil der Krankenhäuser im Jahr 1991 waren mit 46 % in öffentlicher Trägerschaft. Der Anteil der Krankenhäuser in privater Trägerschaft lag im selben Jahr bei 14,8 % und der Anteil der Krankenhäuser in freigemeinnütziger Trägerschaft lag bei 39,2 % (Deutscher Bundestag, 2021, S. 1). Bis 2019 konnten man einen Positionswechsel der Trägerschaften erkennen. Die öffentlichen Trägerschaften entwickelten sich von 46 % zu lediglich 28, 5 % zurück und nahm so den letzten Platz unter den drei Kategorien ein. Die Hauptträgerschaft in Deutschland stellt 2019 die private mit 37, 8 %, dar. Auf dem zweiten Platz ist die freigemeinnützige Trägerschaft mit 33,7 % (Deutscher Bundestag, 2021, S. 1).
Die Leistungen der somatischen Krankenhäuser in Deutschland werden über das aus Australien stammende Diagnosis Related Groups (DRG)-System, das im Krankenhausfinanzierungsgesetz verankert ist, vergütet (Bundesministerium für Gesundheit, 2021a). Bis 2003 wurden Krankenhausleistungen über krankenhausindividuelle Pflegesätze vergütet, die pro Tag des Aufenthalts zu zahlen waren. Diese Sätze wurden unabhängig vom Versorgungsaufwand fällig. Somit hatten die Krankenversicherungen bei gleicher Behandlungsdauer identische Kosten, unabhängig davon, wie hoch der Behandlungsaufwand war. Die Krankenhausvergütung war bis dahin also tagesbezogen und nicht leistungsorientiert (Deutscher Bundestag, 2021a). Ein Indikator für die Funktionalität der leistungsorientierten Umstellung ist die Verweildauer der zu behandelnden Patienten und Patientinnen. Diese konnte von 13,3 Tagen für das Jahr 1992 auf aktuell 7,2 Tage gesenkt werden (Statistisches Bundesamt, 2022a). Ab 2003 wurde das DRG-System eingeführt. Im sogenannten Optionsjahr 2003 konnten die Krankenhäuser noch auf freiwilliger Grundlage entscheiden, ob sie über das DRG-System abrechnen. Ab 2004 wurde es verpflichtend. Von 2005 bis 2009 dauerte die Konvergenzphase an. In dieser Phase wurden die krankenhausindividuellen Preise an landesweit einheitliche Preise angepasst. Seit dem 01.01.2010 rechnen alle allgemeinen Krankenhäuser in Deutschland zu einem landeseinheitlichen Preisniveau ab (Bundesministerium für Gesundheit, 2021a).
In einem aktuellen Bericht des deutschen Ärzteblatts äußert sich der aktuelle Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu der anstehenden Gesundheitsreform und geht dabei auf die Krankenhauslandschaft und das DRG-System ein. Dabei wird deutlich gemacht, dass die Regierung die bedarfsnotwendigen Krankenhäuser finanzielle absichern muss und das aktuell genutzte DRG-System eine grundlegende Reform benötigt. Aktuell ist es für Krankenhäuser finanziell attraktiver, Leistungen und Behandlungen auszuweiten. Eine sichere Grund- und Regelversorgung ist aus finanzieller perspektive weniger attraktiv (Deutsches Ärzteblatt, 2022). In der Reform soll auch die Digitalisierung thematisiert werden. Der Dachverband der Betriebskrankenkassen (BKK) (2021, S. 4) äußert sich in einem Positionspapier darüber und sagt, der Ausbau der Digitalisierung ist für eine zukunftsfähige klinische Versorgung notwendig. Dadurch lassen sich bei dem erhöhten Versorgungsaufwand die Versorgungssicherheit, die Versorgungsabläufe, die Wirtschaftlichkeit und die Patientenorientierung verbessern. So könnten weitere Hindernisse für die digitale Transformation beseitigt werden.
Weitere Gründe für die bisher schleppende Umsetzung der digitalen Transformation können systemische Faktoren sein (Thiel et al., 2018, S. 41). Sie nennen die Staat- und Regierungsform, die beteiligten Akteure, die Kosten von Digital Health und die Größe des Landes als Hindernisse für die digitale Transformation. In Bezug auf die Größe des Landes gilt laut Thiel et al. (2018, S. 41) je größer ein Land und dessen Bevölkerungszahl ist, desto komplizierter gestaltet sich die Umsetzung von Digitalisierungsprozessen.
6.1 Digitale Transformation des Gesundheitswesens in Deutschland seit 2000
Bisher konnte das Potenzial der Digitalisierung nicht voll ausgeschöpft werden, obwohl das deutsche Gesundheitssystem hinsichtlich seiner Ausgaben der Spitzenreiter im europäischen Vergleich ist. Deutschlands kosten beliefen sich im Jahr 2019 auf 11,7 % des Bruttoinlandsprodukts (Eurostat, 2021a). Dabei kommt die Frage auf, warum die bisherige Realisierung der digitalen Transformation des deutschen Gesundheitswesens demgegenüber unterdurchschnittlich fortgeschritten ist. Betrachtet man die Entwicklung der digitalen Transformation, so wird deutlich, dass Deutschland zu Beginn der Jahrtausendwende einen vergleichsweisen guten Einstieg nachweisen konnte. Eine Vergleichsstudie des International journal of medical informatics aus dem Jahr 2010 zeigte, dass Deutschland 2007 eine gute Position mit Potenzial in Europa einnahm. Es gehörte zwar nicht der fortschrittlichsten Gruppe der Vergleichsländer an, jedoch konnte es sich in die zweitplatzierte Kategorie Follower countries eingruppieren (Ortega et al., S. 547). Wie in Tabelle 1 zu sehen ist, platzierte sich Deutschland in den darauffolgenden Jahren konstant im europäischen Mittelfeld, aber errichte nie eine überdurchschnittliche Platzierung. Zu den Kritikpunkten zählten unter anderem, dass es wenig Möglichkeiten für den Datentransfer zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens gab sowie mangelnder Einfallsreichtum und funktionstüchtige Ansätze, um eine taugliche Basis für Interoperabilität zwischen den verschiedenen Akteuren zu schaffen (Bratan et al., 2022, S. 2). Aus aktuellen Studien wird ersichtlich, dass sich die Situation weiter verschlechtert hat. Je nach herangezogener Studie schließt Deutschland seit mehreren Jahren als wenig fortgeschrittenes Land oder als eines der Schlusslichter ab (Bratan et al., 2022, S. 2). Zu den Ursachen für diese Entwicklungen zählen die tiefen Verflechtungen der verschiedenen Gesundheitssystemakteure, die damit verbundene Bürokratie, der Datenschutz, hohe Investitionskosten, regulatorische Unsicherheiten sowie fehlende Konsistenz bei technischen Innovationen (Bratan et al., 2022, S. 23). 2018 bekam die digitale Transformation durch den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Aufschwung. Unter ihm wurden viele Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht und teilweise realisiert. Das Bundesministerium für Gesundheit verabschiedete in der 19. Legislaturperiode sechs Gesetze, die die Digitalisierung im Gesundheitswesen adressierten. Dadurch konnten ein Rahmen für die Nutzung von digitalen Anwendungen wie der Telemedizin, der ePA, dem elektronischen Rezept (E-Rezept) und dem Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) geschaffen werden (Bratan et al., 2022, S. 2). Dies behandelt bisherige Probleme, die im Zusammenhang mit der digitalen Transformation aufgetreten sind.
[...]
- Quote paper
- Lukas Höhn (Author), 2022, Digitalisierung im Gesundheitswesen durch die elektronische Patientenakte. Was kann Deutschland von Estland lernen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1336405
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