Diese Arbeit beschäftigt sich mit Hegels Werk "Phänomenologie des Geistes". Anhand der Einleitung soll die Strategie erläutert werden, die Hegel verfolgt.
Phänomenologie des Geistes
Die Phänomenologie des Geistes war Georg Wilhelm Friedrich Hegels erstes bekanntes Werk und wurde 1807 veröffentlicht. Die Phänomenologie des Geistes kann auch, wie Hegel selbst schon sagte, als die „Wissenschaft der Erfahrung des Bewusstseins“1 bezeichnet werden. Man könnte, wenn man an Hegels Biographie und seinen hohen Alkoholkonsum denkt, die Phänomenologie als eine Art Rausch der Vernunft bezeichnen. Hegel selbst bezeichnet die Vernunft als etwas dynamisches und vernünftiges Denken ist laut Hegel bekanntlich bewegtes Denken. In der Strategie, die Hegel in der Phänomenologie des Geistes verfolgt, ist ebenfalls jede Menge Bewegung enthalten und um diese Strategie soll es in diesem Essay gehen. Wir stellen uns die Frage welche Strategie man anhand der Einleitung Hegels zur Phänomenologie des Geistes erkennen kann, genauer gesagt, welche Strategie Hegel in der Phänomenologie des Geistes verfolgt. Um diese Frage beantworten zu können, werden wir uns die einzelnen Schritte zu Hegels Strategie in seiner Einleitung genauer anschauen und diese anhand von Beispielen erläutern und versuchen einen Zusammenhang zwischen den Einzelheiten zu erschließen.
Ein zentraler Gegenstand der Phänomenologie des Geistes ist der Gegensatz zwischen dem Bewusstsein und dem Gegenstand. Anders als Kant, sieht Hegel die Erkenntnis nicht als Werkzeug mit dem man zu Wahrheit vordringen kann. Denn wenn man ein Werkzeug verwendet um die Wahrheit eines Gegenstandes zu erkennen, wird sich dieser in seiner Form und Funktion verändern. Somit ist es nicht möglich mit der Verwendung eines Werkzeuges an die ursprüngliche Wahrheit vorzudringen. Die einzige Wahrheit die sich uns zeigen würde ist diejenige, die nach der Bearbeitung mit dem Werkzeug erscheint. Es wäre also nicht die reine, ursprüngliche, vollkommene Wahrheit, sondern eine von uns manipulierte Wahrheit. Man kann sich dieses Phänomen vor Augen führen, indem man sich einen einfachen Stein vorstellt. Nun möchte man Wissen was genau sich hinter diesem Stein verbirgt. Bearbeite ich nun genau diesen Stein mit Hammer und Meißel und verändere somit seine ursprüngliche Erscheinung, finde ich zwar eventuell heraus, ob sich im Innern des Steins etwas wertvolles verbirgt, jedoch habe ich seine ursprüngliche Form zerstört und kann nicht mehr die Wahrheit hinter diesem Stein in seiner Gesamtheit herausfinden. Ein weiteres Beispiel hierfür wäre die Übersetzung eines Gedichtes aus einer anderen Sprache, beispielsweise aus dem Französischen in das Deutsche. Man stelle sich also vor, dass ein Gedicht zur Vereinfachung einer Interpretation aus dem Französischen in das Deutsche übersetzt wird. Nun ist es zwar für die Deutschen einfacher zu lesen und zu interpretieren, jedoch geht bei der Übersetzung die ursprüngliche Form und der genaue Inhalt des Gedichtes verloren und es kann nur das interpretiert werden, was nicht mehr dem Original entspricht. Dementsprechend kann die Interpretation nicht zur ursprünglichen Wahrheit, in diesem Fall der ursprünglichen Interpretation, des Originals führen.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel ist nun der Meinung, dass man sich von der Vorstellung, dass das Erkenntnisvermögen ein Werkzeug sei mit dem man zur Wahrheit vordringen kann, verabschieden muss. Das größte Problem bei der Frage nach der Wahrheit stellt dar, dass wie offenbar schon im Besitz von Wahrheit und Wissen sein müssen, um die Frage nach der Wahrheit beantworten zu können. Wir scheinen also schon wissen zu müssen was Wissen ist, um die Frage was Wissen ist beantworten zu können. Das klingt zwar sehr kompliziert, ist jedoch eine simple Feststellung. Es liegt das Problem vor, dass wir als Voraussetzung zur Beantwortung unserer Frage, bereits die Antwort auf diese kennen müssen. Es ist als würde man zur Forschung an etwas, bereits die Ergebnisse des Forschungsprozesses kennen müssen, um überhaupt mit der Forschung beginnen zu können. Das wäre dasselbe wie als ob man einem Säugling erklärt, dass er bereits wissen muss wie man läuft bevor er anfängt zu laufen. Das ist unmöglich, da dies ein Lernprozess ist, der sich in langsamen und kleinen Schritten entwickelt.
Es reicht laut Hegel nicht aus, dass wir eine Sache aus unserer Perspektive für richtig halten da das nicht bedeutet, dass an die Stelle des Irrtums nun Wahrheit tritt. Bedeutet, dass nur weil wir etwas für richtig halten, es nicht gleich richtig ist und die Frage nach der Richtigkeit beantwortet. Hegel meint, dass wir uns die Wahrheit nicht als etwas vorstellen dürfen was uns fremd ist und zu dem wir erst vordringen müssen, sondern dass wir sie und als etwas uns Bekanntes vorstellen sollen. Das bedeutet zwar, dass uns die Wahrheit bekannt ist, wir sie aber trotzdem noch nicht erkannt, beziehungsweise herausgefunden haben. Denn obwohl uns die Wahrheit bekannt und nicht fremd ist, können wir sie noch für eine falsche oder richtige Wahrheit halten. Hegel führt damit auf das natürliche Bewusstsein hin, denn diesem ergeht es genauso.
Hegel versteht unter dem natürlichen Bewusstsein eine Mentalität die vom Gegensatz zwischen dem Bewusstsein und dem Gegenstand bestimmt ist. Durch diese Bestimmung hat das natürliche Bewusstsein eine eigene, bestimmte Auffassung von Wahrheit und Wissen. Das natürliche Bewusstsein verfügt somit über eine andere, eigene Art der Entscheidung, über die Wahrheit und das Wissen. Hegel schildert, dass wir keine außerhalb stehenden Maßstäbe benötigen, da das natürliche Bewusstsein seine eigenen Maßstäbe des Wissens in sich trägt und sich daran selbst messen muss. Das Bewusstsein bezieht sich auf die Gegenstände die außerhalb von ihm liegen.
Diese Gegenstände, auf die sich das natürliche Bewusstsein bezieht, denkt es sich als Ansich bestehend. Als Beispiel hierfür könnte man sagen, dass ich mir den Laptop der hier vor mir steht als etwas Richtiges denke und nicht nur als eine Vorstellung eines Laptop. Oder dass ich mir den Stuhl auf dem ich sitze als Stuhl denke und nicht nur als die Vorstellung eines Stuhles. Die Gegenstände sind also für das Bewusstsein präsent und das Ansich sein der Gegenstände, liefert den Maßstab für das Wissen. Das bedeutet der Gegenstand selbst entscheidet darüber, ob er das ist, für das ich ihn halte. Dieser Aspekt ist ein interner Aspekt des Bewusstseins. Für das Bewusstsein sind die Gegenstände auf der einen Seite Ansich bestehend aber auf der anderen Seite auch für das Bewusstsein als Es bestehend.
Nun wird Hegels Strategie, die er in der Phänomenologie des Geistes verfolgt, erkennbar. Wir müssen uns auf unser natürliches Bewusstsein verlassen und sehen, wie es diesem bei der Auffassung von Wissen und Wahrheit ergeht. Wir müssen uns dabei selbst zurückhalten und versuchen keine eigenen Richtlinien mitzubringen, da dass natürliche Bewusstsein seine eigenen Richtlinien hat. Hegel meint, dass wenn wir das natürliche Bewusstsein sich selbst überlassen, es feststellen wird, dass die Auffassungen die es von Wissen und Wahrheit hat nicht miteinander übereinstimmen. Das natürliche Bewusstsein wird erkennen, dass seine eigentliche Vorstellung vom Zusammenspiel von Wissen und Wahrheit widersprüchlich ist.
Aus diesem Widerspruch resultiert die dialektische Bewegung. „Wir sehen, daß das Bewusstsein jetzt zwei Gegenstände hat, den einen das erste Ansicht, den zweiten das Für-es-Sein dieses Ansich“.2 Das Bewusstsein stellt nun also fest, dass es die Beziehung zwischen sich selbst, als dem natürlichen Bewusstsein und der Welt an sich, nicht richtig verstanden hat. Es muss also zu einer neuen Erkenntnis gelangen, damit es mit sich selbst wieder im Einklang ist. Das Bewusstsein muss eine neu Gestalt annehmen. Diese Gestalt ist dann quasi die Negation der alten Gestalt, bei der die Widersprüchlichkeit der alten Gestalt aufgehoben wurde. Um dies zu verdeutlichen kann man sich eine Person vorstellen die einige Fehler begangen hat. Diese Person hat ihre Fehler erkannt und aus ihren Fehlern gelernt. Sie wächst durch die Einsicht ihrer Fehler und ihren daraus resultierenden neuen Erkenntnissen nun zu einer neuen und verbesserten Version von sich selbst heran. Sie ist nun also eine Art Duplikat ihres alten Ichs, nur in einer verbesserten Version. Diese positive Veränderung anhand neuer Erkenntnisse ist jedoch für das natürliche Bewusstsein, oder im vorherigen Beispiel für die Person, nicht erkennbar. Nur wir als Außenstehende können diese Entwicklung erkennen. Für das natürliche Bewusstsein ist der ständige Wandel der Gestalt ein normaler Mechanismus, welcher so oft ausgeführt wird, dass er für es selbst nicht mehr bemerkbar ist.
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1 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, S.80, 2014.
2 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, S.79, 2014.
- Arbeit zitieren
- Vanessa Janaczek (Autor:in), 2021, Hegels Strategie in "Phänomenologie des Geistes", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1336089
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