Was können wir wissen und wie können wir es wissen? Bereits seit der Antike beschäftigen sich Philosophen mit der Frage, welche die wahre Quelle der Wissensaneignung ist. In der Philosophie unterscheidet man zwischen dem Rationalismus und dem Empirismus. Beide Strömungen sind Bestandteile der Erkenntnistheorie, die sich allerdings erst offiziell im 19. Jahrhundert als philosophische Hauptdisziplin entwickelt hat. Im Folgenden werden die Grundgedanken sowohl des Empirismus als auch des Rationalismus erläutert, um einen Einblick auf mögliche Erkenntnisquellen zu geben.
Was können wir wissen und wie können wir es wissen? Bereits seit der Antike beschäftigen sich Philosophen mit der Frage, welche die wahre Quelle der Wissensaneignung ist. In der Philosophie unterscheidet man zwischen dem Rationalismus und dem Empirismus. Beide Strömungen sind Bestandteile der Erkenntnistheorie, die sich allerdings erst offiziell im 19. Jahrhundert als philosophische Hauptdisziplin entwickelt hat. Im Folgenden sollen die Grundgedanken sowohl des Empirismus als auch des Rationalismus erläutert werden, um einen Einblick auf mögliche Erkenntnisquellen zu geben.
Der Rationalismus geht davon aus, dass jegliche Erkenntnis auf der Vernunft und dem Verstand beruhe. Der Geist steht als oberstes Prinzip der Erkenntnis. Der Verstand und die Vernunft seien im Denken des Menschen verankert und somit angeborene Ideen. Es sei dem Verstand möglich, das vollständige Material der Erkenntnis hervorzubringen, somit kann aus reinen Prinzipien des Denkens der Aufbau der Wirklichkeit deutlich werden.
Um den Rationalismus genauer darzustellen, beziehe ich mich auf René Descartes, ein Vertreter des Rationalismus. Er vertrat außerdem den Dualismus von Geist und Materie. Nach Descartes Auffassung sei die Seele unsterblich und somit trennbar von der Materie, dem Körper. Die unsterbliche Seele, also die Vernunft, hat demnach Vorrang vor der Materie und vor der Erfahrung. Descartes Grundsatz „Cogito ergo sum“ impliziert, dass das denkende Ich die Erfahrung nicht nötig habe, jedoch habe die Erfahrung das denkende Ich nötig. Für Erfahrungen benötige man außerdem bereits bestehende, verankerte Ideen. Man bedarf beispielsweise die Idee einer Farbe. Man muss den Begriff „blau“ kennen, um die Farbe erfahren zu können. Derartige Ideen oder ihre Gesamtheit, die Vernunft, seien grundlegend für alle Erfahrungen1.
Um den Rationalismus weitgehend zu erläutern, möchte ich mich auf dessen drei Säulen beziehen. Zu den drei Säulen gehören „die These von Intuition und Deduktion, die These des angeborenen Wissens und die Unabdingbarkeit der Vernunft“2.
Die erste These besagt, dass es bestimmte Dinge gibt, die wir intuitiv wissen, ohne dass sie begründet werden müssen. Ebenfalls gibt es Dinge, die wir über Deduktion aus intuitivem Wissen herleiten können. Als Beispiel für durch Intuition erlangtes Wissen kann man das cogito ergo sum Argument nehmen. Denn es ist kein Beweis nötig, um mich davon zu überzeugen, dass ich existiere.
Bei der zweiten Säule geht es um angeborene Ideen. Viele rationalistische Philosophen, darunter Platon und Descartes, gehen davon aus, dass das Addieren oder Multiplizieren angeboren sein muss. Die Fähigkeit des Zählens haben wir von Geburt an, man lernt die Begriffe der Zahlen im Kindesalter zwar kennen, jedoch sei das Wissen, dass eins und eins gleich zwei sind, angeboren3.
Die dritte Säule sei womöglich der wichtigste Grundsatz, nämlich die Unverzichtbarkeit der Vernunft. Die Erfahrung und somit auch die Sinneswahrnehmungen kann unsere Intelligenz nämlich nicht begründen4.
Den Empirismus kann man als Gegenspieler des Rationalismus betrachten, denn dieser sagt aus, dass die menschliche Erkenntnis auf der Sinneserfahrung beruhe. Die Erfahrung sei das oberste Prinzip der Erkenntnis. Alle Erkenntnis beruhe auf sinnlicher Erfahrung.
Locke geht als Vertreter des Empirismus davon aus, dass der Verstand bei der Geburt einer unbeschriebenen Tafel (tabula rasa) gleiche. Erst durch die Sinneserfahrung werde die Tafel beschrieben: „Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war“5. Man habe also keine angeborenen Ideen, sondern die Ideen kommen durch die Erfahrung hervor. Die gesamten Inhalte unseres Denkens werden uns durch das Beobachten geliefert. Man könne nicht nur äußerlich wahrnehmbare Objekte beobachten, sondern auch die inneren Operationen des Geistes. Die äußere Wahrnehmung bezeichnet er als „Sensation“, die innere als „Reflexion“.
Locke nennt ein Gegenargument, um Descartes Theorie von angeborenen Ideen zu widerlegen: Es gebe keine Ideen, die bei allen Menschen übereinstimmen. Zu erkennen sei dies bei primitiven Völkern, Kindern und geistig Zurückgebliebenen6.
Des Weiteren kritisiert Locke Descartes rationalistische Methode: Die schlussfolgernde Vernunft „könne nur Wahrheiten aus anderen Wahrheiten herleiten, aber nicht neue Wahrheiten stiften“7. Gemeint sind hier synthetische Wahrheiten, also Wahrheiten, die Erfahrung benötigen.
Die intuitiv-beweisende Vernunft erkenne Locke jedoch an. Sie könne allerdings wohl nur analytische Wahrheiten begründen, da in diesen Wahrheiten der Geist seine eigene Operationen beobachten könne. Wie zum Beispiel bei der Wahrheit, dass ein Kreis kein Viereck ist8.
Rationalisten behaupten, dass wir, um etwas klar und deutlich erkennen zu können, angeborenes Wissen bedürfen. Empiristen dagegen behaupten, dass wir Tatsachenwissen nur über die Erfahrung erwerben. Die Debatte des Empirismus und Rationalismus ist immer noch aktuell und beide Strömungen haben ihre Daseinsberechtigung. Eine endgültige Antwort auf die Frage, welche die wahrhafte Erkenntnisquelle sei, ist nicht vorhanden. Argumente von Philosophen der beiden Strömungen erweisen sich als plausibel und somit entstand bereits in der Antike ein Wortgefecht, das uns auch noch in Zukunft weiterhin beschäftigen wird. Meine persönliche Meinung zu diesem Thema: Ich bin der Auffassung, dass man sich nicht zwanghaft für eine der beiden Strömungen als Erkenntnisquelle entscheiden muss. Beide Theorien haben ihre Plausibilität und die Kombination aus Rationalismus und Empirismus scheint für mich die sinnvollste Methode zu sein, um Wissen zu erwerben. Sowohl der Verstand als auch die Sinneserfahrung sind essenziell für den Wissenserwerb. Eine Person, die von Geburt an blind ist, wird niemals die Farbe Blau kennen, auch wenn sie den Begriff kennt. Daher ist Erfahrung notwendig. Eine Person, die geistig eingeschränkt ist, kann womöglich nicht rechnen – auch hier wird deutlich, dass der Verstand für den Wissenserwerb enorm wichtig ist.
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1 Hecht, H., Desnizza, W. (2012). Rationalismus und Empirismus. In: Psychologie als empirische Wissenschaft. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg. Vgl. S. 42.
2 Hecht, H., Desnizza, W. Rationalismus und Empirismus. 42.
3 Hecht, H., Desnizza, W. Rationalismus und Empirismus. Vgl. S. 42f.
4 Hecht, H., Desnizza, W. Rationalismus und Empirismus. Vgl. S. 44.
5 Hecht, H., Desnizza, W. Rationalismus und Empirismus. S. 45.
6 Schurz, G. (2021). Rationalismus und Empirismus. In: Erkenntnistheorie. J.B. Metzler, Stuttgart. Vgl. S. 146.
7 Schurz, G. Rationalismus und Empirismus. S. 146.
8 Schurz, G. Rationalismus und Empirismus. Vgl. S. 146.
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- Dilara Temel (Autor), 2022, Eine Unterscheidung zwischen Empirismus und Rationalismus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1335899