Im 18. Jahrhundert entwickelten sich neue Formen der Rekrutierung, was mit der Transformation
der einstigen Söldnerheere zu stehenden Heereskörpern einherging. Diese
Wandlung im Militärwesen leistete eine solide Rekrutierungsgrundlage und ermöglichte
die Aufstellung von großen Heereskontingenten.
Die vorliegende Arbeit erörtert die Frage nach den wesentlichen Unterschieden und
Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Rekrutierungsformen in Preußen und Habsburg.
Die Übernahme des preußischen Rekrutierungssystems durch die habsburgische Monarchie
wurde nicht vollständig umgesetzt, da diese ein Vielvölkerstaat war, der seinen
unterschiedlichen Ethnien Konzessionen bereiten musste.
Aus Platzgründen ist es dem Autor nicht möglich, eine umfassende Gesamtdarstellung
aller Ungleichheiten und Übereinstimmungen der preußischen und habsburgischen Soldatenrekrutierungen
zu geben, sondern nur bestimmte Teilaspekte darzulegen. Aus diesem
Grunde können Themen wie die soziale Militarisierung oder die Rolle des Adels im
Offizierskorps nicht behandelt werden.
Zu Beginn wird die jeweilige Form der Rekrutierung vor der Einführung des Kantonsreglements
bzw. des Konskriptionssystems in einem kurzen Überblick dargestellt, um
die Modifikationen der Heeresreformen in Preußen und Habsburg zu verdeutlichen.
Der darauffolgende Abschnitt widmet sich dem konkreten Vergleich der beiden Heeresverfassungen
von 1733 bzw. 1770 unter den Gesichtspunkten des Beurlaubungssystems,
den Wesenszügen der neuen Rekrutierungssysteme bei deren Einführung, den Exemtionen,
den Heeresdienstpflichtigen und die Bedeutung für die allgemeine Wehrpflicht.
Beide Rekrutierungsmodifikationen gingen mit wesentlichen inneren Reformen einher.
Friedrich Wilhelm I. vergrößerte sein Heer um rund 50 % während seiner Regierungszeit,
was mit den Gegebenheiten der heimischen Wirtschaft in Einklang gebracht werden
musste. Dies erfolgte in einer relativ langen Phase des Friedens. Die habsburgische
Monarchie war indessen ständigen Konflikten ausgesetzt, die die Einführung einer neuen
Rekrutierungsform auf breiterer Basis als Notwendigkeit mit sich brachten. Die militärische
Auseinandersetzung mit Preußen in den Schlesischen Kriegen und die Türkenkriege
offenbarten die Mängel des Rekrutierungssystems, sodass eine Orientierung am
preußischen Pendant vorgenommen wurde, um eine möglichst große Zahl von Soldaten
zur Verfügung zu haben.
Einleitung
Im 18. Jahrhundert entwickelten sich neue Formen der Rekrutierung, was mit der Transformation der einstigen Söldnerheere zu stehenden Heereskörpern einherging. Diese Wandlung im Militärwesen leistete eine solide Rekrutierungsgrundlage und ermöglichte die Aufstellung von großen Heereskontingenten.
Die vorliegende Arbeit erörtert die Frage nach den wesentlichen Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Rekrutierungsformen in Preußen und Habsburg. Die Übernahme des preußischen Rekrutierungssystems durch die habsburgische Mo-narchie wurde nicht vollständig umgesetzt, da diese ein Vielvölkerstaat war, der seinen unterschiedlichen Ethnien Konzessionen bereiten musste.
Aus Platzgründen ist es dem Autor nicht möglich, eine umfassende Gesamtdarstellung aller Ungleichheiten und Übereinstimmungen der preußischen und habsburgischen Sol-datenrekrutierungen zu geben, sondern nur bestimmte Teilaspekte darzulegen. Aus die-sem Grunde können Themen wie die soziale Militarisierung oder die Rolle des Adels im Offizierskorps nicht behandelt werden.
Zu Beginn wird die jeweilige Form der Rekrutierung vor der Einführung des Kantons-reglements bzw. des Konskriptionssystems in einem kurzen Überblick dargestellt, um die Modifikationen der Heeresreformen in Preußen und Habsburg zu verdeutlichen.
Der darauffolgende Abschnitt widmet sich dem konkreten Vergleich der beiden Heeres-verfassungen von 1733 bzw. 1770 unter den Gesichtspunkten des Beurlaubungssystems, den Wesenszügen der neuen Rekrutierungssysteme bei deren Einführung, den Exemtio-nen, den Heeresdienstpflichtigen und die Bedeutung für die allgemeine Wehrpflicht.
Beide Rekrutierungsmodifikationen gingen mit wesentlichen inneren Reformen einher. Friedrich Wilhelm I. vergrößerte sein Heer um rund 50 % während seiner Regierungs-zeit, was mit den Gegebenheiten der heimischen Wirtschaft in Einklang gebracht wer-den musste. Dies erfolgte in einer relativ langen Phase des Friedens. Die habsburgische Monarchie war indessen ständigen Konflikten ausgesetzt, die die Einführung einer neu-en Rekrutierungsform auf breiterer Basis als Notwendigkeit mit sich brachten. Die mili-tärische Auseinandersetzung mit Preußen in den Schlesischen Kriegen und die Türken-kriege offenbarten die Mängel des Rekrutierungssystems, sodass eine Orientierung am preußischen Pendant vorgenommen wurde, um eine möglichst große Zahl von Soldaten zur Verfügung zu haben.
1. Kurzer Überblick fiber den Heereszustand vor der Einf fi hrung des Kantonsys-tems bzw. des Konskriptionssystems
1.1 Das Heer Preußens zu Beginn der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I.
Das vorrangige Ziel des Königs war die massive personelle Vergrößerung und qualitative Verbesserung des Heeres. Gleichzeitig verfolgte er eine autarke Militärfinanzie-rungspolitik, die die Abhängigkeit von ausländischen Subsidien durch eine strikte Spar-politik reduzieren sollte. Friedrich Wilhelm I. richtete sein Hauptaugenmerk vor allem auf eine intensive Soldatenbeschaffung. Jedoch liefen diesem Projekt die hohen Deser-tionszahlen zuwider. Die berüchtigte preußische Strenge im Dienst bewegte viele Rek-ruten zur Fahnenflucht. Um die Effektivität des Heeres zu optimieren, löste der König 1713 die Milizorganisationen auf1. Diese unter Friedrich I. (III.) geschaffenen Militär-einheiten dienten der Landesverteidigung Preußens im Falle der Abwesenheit der ste-henden Regimenter an ausländischen Kriegsschauplätzen. Den sogenannten „Soldaten-könig“ veranlasste wahrscheinlich seine Geringschätzung der militärischen Brauchbar-keit der Miliz und die Einschränkung des Rekrutenpotenzials für die stehenden Einhei-ten durch die Enrollierung für die Landmiliz zu diesem Schritt2. Die Kompaniechefs waren selbst verantwortlich für die Ausstattung ihrer Regimenter, sodass sie sich gegenseitig die bäuerlichen Rekruten abjagten, um ihre Einheit vollzäh-lig bzw. „überkomplett“ zu halten. Zunächst wurde auch die gewaltsame Werbung als Mittel zur Rekrutierung angewandt. Dadurch setzte eine „Depeuplierung des platten Landes“3 ein, da Bauern ihre Scholle und auch Arbeiter die städtischen Manufakturen verließen. Gleichzeitig ebbte die Immigration zunehmend ab, sodass komplette Wirt-schaftszweige zu erliegen drohten. Aus diesem Grunde wurde schon 1714 die inländi-sche Zwangswerbung verboten und nur noch eine gewaltlose Soldatenrekrutierung er-laubt4. Dennoch wandten preußische Werbeoffiziere weiterhin Gewalt bei der Trup-penwerbung an, weshalb in den 1720er Jahren Edikte erlassen wurden, die diesem Missstand Abhilfe schaffen sollten5. Jedoch endeten die Werbeexzesse de facto erst ab 1733 mit der Einführung des Kantonsreglements6.
1.2 Die Armee Habsburgs unter Maria Theresia
Bis ungefähr zur Mitte des 18. Jahrhunderts rekrutierte das habsburgische Heer seinen Mannschaftsersatz durch die Werbung Freiwilliger (Söldner) und die Landrekrutenstel-lung. Bei letzterer waren die böhmisch-österreichischen Stände verpflichtet, unter-schiedlich hohe Rekrutenquoten aus dem Kreise ihrer eigenen Untertanen, die von den Landtagen bewilligt werden mussten, zu stellen7. Die Staatsreformen Maria Theresias von 1748-49 verfolgten die Modifizierung der Heeresergänzung;. unter ihrer Führung wurden die habsburgischen Regimenter dazu verpflichtet, sich ausschließlich durch freie Werbung komplett zu halten und diese sollte vor allem im Heiligen Römischen Reich erfolgen. Die Desertionszahlen stiegen jedoch stark an, weshalb 1753 die Ent-scheidung zur Heranziehung der eigenen Bevölkerung zum Militärdienst getroffen wur-de. Hierdurch entstand die sogenannte „perpetuierliche Komplettierungsmannschaft“, die sich aus rund 24.000 bäuerlichen Untertanen aus den böhmisch-österreichischen Ländern zusammensetzte. Jene Rekruten exerzierten in Friedenszeiten an Sonn- und Feiertagen, um im Kriegsfalle die Verluste auch qualitativ kompensieren zu können, wobei ab 1753 eine Volkzählung zu Ermittlung der Wehrtauglichen erfolgte. Die Reali-sierung der Komplettierungsmannschaft wurde allerdings schon vor dem Siebenjährigen Krieg verworfen, sodass auf das alte System der Landrekrutengestellung zurückgegrif-fen wurde. Dieses traditionelle Rekrutierungssystem konnte im Krieg gegen Preußen nicht ausreichend Mannschaftsersatz schaffen, wodurch Menschenjagd und -handel seitens der Obrigkeit brutale Züge annahmen8. Auch schon während des militärischen Konfliktes von 1756 bis 1763 wurde die Notwendigkeit einer veränderten Form der Heeresergänzung erkannt9, was in der Einführung des Konskriptionssystems seinen Kristallisationspunkt fand.
2. Die preußische Kantonsverfassung von 1733 im Vergleich zur habsburgischen Konskriptionsverfassung von 1770
2.1 Die preußische Enrollierung und die habsburgische Konskription
Die preußische und die habsburgische Form der Rekrutierung bauten beide auf einer festgelegten Zahl von sogenannten Feuerstellen10 für jeden einzelnen Kanton auf. Diese bildeten die Grundlage der Enrollierung (Erfassung) und Rekrutierung von Soldaten aus dem ländlichen Raum11. Jene Feuerstätten finden in der Kabinettsordre Friedrich Wil-helms I. vom 1. Mai 1733 an das Regiment Finckenstein und an das von Marwitz be-sondere Erwähnung:
[...] So habe ich resolvirt und zur Conservation der Armée gut befunden, eine richtige Disposition zu machen, was jedes Regiment zu seinen enrollirten für Oerther und Feuer-Stetten haben soll. Ich schicke Euch also die Disposition, was euer Regiment für Feuer-Stetten bekommet, an der Zahl 7790, so in 10 Thei-le getheilet auf jede Compagnie ohngefehr 700 und etliche 10 Feuer-Stellen ausmachet.12
Demzufolge erhielt jedes Regiment einen fest abgegrenzten Kanton zur Rekrutierung, in welchem vor allem junge Bauern erfasst wurden. Diese Erfassung durch die Militärver-waltung, welche besonders die Jugendlichen eines Kantons registrierte, brachte den ent-scheidenden Vorteil mit sich, dass die Mannschaftsersatzstärke genau planbar und nicht mehr nur abschätzbar wurde. Die Enrollierten mussten als äußeres Zeichen ihrer Zuge-hörigkeit zum Militärnachwuchs permanent ein bestimmtes Montierungsstück tragen, entweder eine rote Halsbinde oder einen „Regimentspüschel” am Hut13. Das Prinzip der Enrollierung zur Rekrutenerfassung wurde jedoch schon vor 1733 praktiziert. Jedoch erst das Kantonsreglement legalisierte diese Praxis. Seit den 1720er Jahren waren die Standortkommandeure darauf bedacht möglichst frühzeitig ihren potentiellen Rekruten-nachschub in Konkurrenz zu anderen Kommandeuren zu sichern. Vornehmlich wurde Nachwuchs aus dem Umland enrolliert, um einen „überkompletten Zuwachs” sicherzus-tellen. Jährlich wurden die Taufregister und „Civilstandslisten”14 der Bürgermeister bzw. Dorfschulzen von den Offizieren überprüft. Allerdings waren die eingeschriebenen Minderjährigen bis sie eine notwendige Körpergröße und das Konfirmationsalter er-reicht hatten mit Hilfe eines Laufpasses vom Militärdienst befreit15. Im „Reglement Vor Die Königlich Preußische Infanterie” vom 1. März 1726 wird diese Regelung konkreti-siert:
Die Regimenter können die junge Leute nach ihrem Gefallen enroliren, aber der Capitaine soll keinen enrolirten jungen Burscher eher zur Fahne schweren las-sen, bevor er nicht zum Heiligen Abendmahl gewesen ist, damit der Eyd nicht profaniret werde.16
Somit wurde von oberster Stelle die bereits bestehende Enrollierungspraxis der Kompa-niechefs offiziell anerkannt17.
Die Einteilung in Werbebezirke fand in der Habsburger-Monarchie erst 1773 statt18, wobei anfangs die Regelung auf die böhmischen, nieder- und innerösterreichischen Er-blande beschränkt blieb19. Mit der Einführung des Konskriptionssystems ging die Durchführung einer allgemeinen Seelenbeschreibung und Nummerierung aller Häuser parallel einher. Von dieser administrativen Reform blieben anfangs z.B. die italieni-schen und belgischen Provinzen sowie Tirol, Vorderösterreich und Ungarn ausgeschlos-sen20. An dieser Stelle wird eine Affinität zum preußischen Pendant sichtbar. In den ostelbischen Provinzen Preußens wurde das Kantonsreglement 1733 offiziell eingeführt, jedoch blieben die Westterritorien bis 1735 befreit21. Hier wurden den unterschiedlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung getragen. Die Hauptprovin-zen Preußens (Kur- und Neumark, Pommern, Magdeburg, Halberstadt, Ostpreußen) besaßen einen hauptsächlich agrarisch geprägten Charakter. Der überwiegende Großteil der Untertanen ernährte sich durch den Ackerbau und gehörte der Landbevölkerung an. Die Westprovinzen hingegen unterschieden sich in mehreren Punkten (z.B. Sozialstruk-tur, Verwaltungsapparat und Rechtswesen) wesentlich von den Territorien östlich der Elbe22. Auch in den habsburgischen Territorien herrschten innerhalb unterschiedliche Rekrutierungspraktiken.
[...]
1 Craig,1960,S.26.
2 Winter, 2005, S. 59f.
3 Sinn, 1991, S. 384.
4 Ebd., S. 384ff.
5 Lange, 2003, S. 16.
6 Veno hr, 1990, S. 150.
7 ! Mat'a, 2006, S. 198.
8 Tantner, 2005, S. 4.
9 Ebd., S. 5.
10 Gemeint sind Bauern haus halte, die das Soldatenreservoir zur Rekrutierung bildeten.
11 Harnisc h, 1996, S. 141.
12 Von Frauen holz, 1940, S. 243.
13 Sinn, 1991, S. 388f.
14 Lange, 2003, S. 20.
15 Ebd., S. 20.
16 Faksimile des Preugischen Infanteriereglements von 1726, S. 550.
17 Lange, 2003, S. 20.
18 Dies wurde durc h das Patent vom 10. März 1770 rec htlic h fixiert.
19 Huber, 1968, S. 245.
20 Hochedelinger, 2000, S. 349.
21 Klooster huis, 1996, S. 178.
22 Busch, 1981, S. 4ff.
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