Der Frage, welcher Zusammenhang zwischen Empathie und Führungserfolg besteht und inwiefern Empathie in Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen sogar als Erfolgsindikator im Führungskontext angesehen werden kann, wird im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit nachgegangen. Hierzu werden zunächst die Grundbegriffe Empathie, Führung und Führungserfolg definiert und die derzeitigen Rahmenbedingungen sowie die hieraus resultierenden Herausforderungen im Führungskontext beschrieben. Danach werden ausgewählte Führungstheorien dargestellt und aus theoretischer Perspektive daraufhin analysiert, inwieweit diese Empathie als expliziten oder impliziten Bestandteil berücksichtigen. Anschließend wird Empathie als Gegen-stand der empirischen Führungsforschung im Zusammenhang mit der Entstehung von Führung, mit Führungsverhalten und mit Führungseffektivität analysiert und die Ergebnisse hieraus im darauffolgenden Kapitel diskutiert. Im Fazit wird eine Zusammenfassung vorgenommen und ein Ausblick für zukünftige Forschung gegeben.
Führungskräfte sehen sich heute mit einer Vielzahl an Veränderungsprozessen konfrontiert und agieren in einem Kontext, der sich durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität charakterisiert. Durch die Digitalisierung kommt es zu grundlegenden Veränderungen von Geschäftsmodellen, Arbeitsprozessen und der Arbeitsgestaltung. Die zunehmende Globalisierung hat eine weitere Intensivierung des Wettbewerbs und eine höhere kulturelle Vielfalt in Organisationen zur Folge. Der demographische Wandel führt zu einem Mangel an qualifizierten Fachkräften und einer Veränderung der Altersstrukturen der Gesellschaften und durch Individualisierung und Wertewandel nimmt die Pluralität der Werte und Einstellungen der verschiedenen Mitarbeitergenerationen zu.
Im Führungskontext resultieren hieraus vielfältige Herausforderungen. Diese liegen unter anderem darin, Innovation, Veränderungsbereitschaft und Flexibilität zu fördern, mit kultureller Vielfalt und Altersdiversität umzugehen, individuelle Bedürfnisse der Mitarbeiter im Führungsverhalten zu berücksichtigen und deren Motivation und Bindung an die Organisation zu erhöhen sowie Vertrauen in der virtuellen, interdisziplinären und interkulturellen Zusammenarbeit aufzubauen.
Vor diesem Hintergrund verändern sich auch die Anforderungen und Erwartungen an Führungskräfte, sodass in Theorie und Praxis neben Fach- und Methodenkompetenzen vor allem personale und soziale Fähigkeiten für den zukünftigen Führungserfolg als relevant angesehen werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen und Rahmenbedingungen der Führung
2.1 Empathie
2.1.1 Definition
2.1.2 Abgrenzung verwandter Konstrukte
2.1.3 Operationalisierung und Messung
2.2 Führung
2.2.1 Führungsbegriff
2.2.2 Führungserfolg
2.3 Rahmenbedingungen der Führung
2.3.1 Digitalisierung
2.3.2 Globalisierung
2.3.3 Gesellschaftliche Veränderungen
3. Analyse
3.1 Empathie in aktuellen Führungstheorien
3.1.1 Charismatische Führung
3.1.2 Transformationale Führung
3.1.3 Authentische Führung
3.1.4 Dienende Führung
3.1.5 Leader-Member-Exchange Ansatz
3.2 Empirische Befunde zu Empathie im Führungskontext
3.2.1 Entstehung und Wahrnehmung von Führung
3.2.2 Führungsverhalten
3.2.3 Führungseffektivität
4. Diskussion
5. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Selbstkonzept Theorie
Abbildung 2: Phasenmodell Charismatischer Führung
Abbildung 3: Transformationale & Transaktionale Führung
Abbildung 4: Modell Authentischer Führung
Abbildung 5: Modell Dienender Führung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Empathie im Zusammenhang mit der Entstehung von Führung
Tabelle 2: Empathie im Zusammenhang mit Führungsverhalten
Tabelle 3: Empathie im Zusammenhang mit Führungseffektivität
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Führungskräfte sehen sich heute mit einer Vielzahl an Veränderungsprozessen konfrontiert und agieren in einem Kontext, der sich durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität charakterisiert (Dörr, Albo, & Monastiridis, 2018, S. 39; Petry, 2016, S. 38). Durch die Digitalisierung kommt es zu grundlegenden Veränderungen von Geschäftsmodellen, Arbeitsprozessen und der Arbeitsgestaltung. Die zunehmende Globalisierung hat eine weitere Intensivierung des Wettbewerbs und eine höhere kulturelle Vielfalt in Organisationen zur Folge. Der demographische Wandel führt zu einem Mangel an qualifizierten Fachkräften und einer Veränderung der Altersstrukturen der Gesellschaften und durch Individualisierung und Wertewandel nimmt die Pluralität der Werte und Einstellungen der verschiedenen Mitarbeitergenerationen zu (Felfe, Ducki, & Franke, 2014, S. 139-143.; Franken, 2016, S. 9-22; Sackmann, 2019, S. 412).
Im Führungskontext resultieren hieraus vielfältige Herausforderungen. Diese liegen unter anderem darin, Innovation, Veränderungsbereitschaft und Flexibilität zu fördern, mit kultureller Vielfalt und Altersdiversität umzugehen, individuelle Bedürfnisse der Mitarbeiter im Führungsverhalten zu berücksichtigen und deren Motivation und Bindung an die Organisation zu erhöhen sowie Vertrauen in der virtuellen, interdisziplinären und interkulturellen Zusammenarbeit aufzubauen (Dörr et al., 2018, S. 40 f.; Felfe et al., 2014, S. 141-144; Franken, 2016, S. 243-247; Lord et al., 2017, 445-447).
Vor diesem Hintergrund verändern sich auch die Anforderungen und Erwartungen an Führungskräfte, sodass in Theorie und Praxis neben Fach- und Methodenkompetenzen vor allem personale und soziale Fähigkeiten für den zukünftigen Führungserfolg als relevant angesehen werden (Felfe et al., 2014, S. 140; Franken, 2016, S. 246; Lord & Hall, 2005, S. 606-608; Riggio & Reichard, 2008, S. 181).
In der empirischen Führungsforschung gewinnt hierbei insbesondere Empathie zunehmend an Bedeutung (Gooty et al., 2010, S. 994 f.; Humphrey, 2002, S. 494 f.; Rajah, Song & Arvey, 2011, S. 1111). So wird konstatiert, dass „Leader empathy [...] has been indicated as an increasingly important skill for being able to attend to the widespread needs and demographics of today’s workforce” (Haynie et al., 2019, S. 10) und dass „Leadership scholars are beginning to maintain that empathy facilitates leadership success” (Humphrey et al., 2019, S. 162).
Daher die Frage, welcher Zusammenhang zwischen Empathie und Führungserfolg besteht und inwiefern Empathie in Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen sogar als Erfolgsindikator im Führungskontext angesehen werden kann, von besonderer Relevanz.
Dieser Frage wird im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit nachgegangen. Hierzu werden zunächst die Grundbegriffe Empathie, Führung und Führungserfolg definiert und die derzeitigen Rahmenbedingungen sowie die hieraus resultierenden Herausforderungen im Führungskontext beschrieben. Danach werden ausgewählte Führungstheorien dargestellt und aus theoretischer Perspektive daraufhin analysiert, inwieweit diese Empathie als expliziten oder impliziten Bestandteil berücksichtigen. Anschließend wird Empathie als Gegenstand der empirischen Führungsforschung im Zusammenhang mit der Entstehung von Führung, mit Führungsverhalten und mit Führungseffektivität analysiert und die Ergebnisse hieraus im darauffolgenden Kapitel diskutiert. Im Fazit wird eine Zusammenfassung vorgenommen und ein Ausblick für zukünftige Forschung gegeben.
2. Theoretische Grundlagen und Rahmenbedingungen der Führung
Nachfolgend wird zunächst eine Konzeptualisierung von Empathie vorgenommen. Daneben erfolgt eine begriffliche Abgrenzung gegenüber verwandten Konstrukten. Zudem werden die Methoden der Messung und Operationalisierung von Empathie beschrieben. Im darauffolgenden Kapitel werden die Begriffe Führung und Führungserfolg definiert. Zuletzt werden die aktuellen Rahmenbedingungen der Führung dargestellt, indem auf die Digitalisierung, Globalisierung und gesellschaftliche Veränderungen sowie die hieraus resultierenden Herausforderungen im Führungskontext eingegangen wird.
2.1 Empathie
2.1.1 Definition
Empathie leitet sich ursprünglich aus dem griechischen Wort „empatheia“ (Leidenschaft) ab, welches sich wiederum aus „en“ (in) und „pathos“ (Gefühl) zusammensetzt, und lässt sich als „Einfühlung“ oder „Einfühlungsvermögen“ übersetzen (Duan & Hill 1996, S. 261 f.; Singer & Lamm, 2009, S. 82).
Vereinfacht lässt sich Empathie daher als die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und deren Emotionen und Gefühle nachzuempfinden, beschreiben (Mahsud, Yukl & Prussia, 2010, S. 564). Folglich erscheint das Begriffsverständnis eindeutig zu sein. In der Vergangenheit ist Empathie jedoch Untersuchungsgegenstand verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen gewesen. Aufgrund der verschiedenen Anwendungsfelder und Perspektiven existiert heute für den Begriff eine große Definitions- und Interpretationsvielfalt (Baron- Cohen & Wheelwright, 2004, S. 163; Cuff et al., 2016, S. 144; De Vignemont & Singer, 2006, S. 435; Duan & Hill, 1996, S. 261 f.). Anstatt die Vielzahl der verschiedenen Ansätze miteinander zu vergleichen, wird im Rahmen dieses Kapitels eine Konzeptualisierung anhand einer Beschreibung der zentralen Dimensionen von Empathie vorgenommen.
Die Frage danach, ob es sich bei Empathie primär um ein kognitives oder ein affektives, emotionales Konstrukt handelt, ist wissenschaftlich vielfach kontrovers diskutiert worden. Inzwischen wird Empathie allerdings weitgehend als ein komplexes multidimensionales Konstrukt mit einer kognitiven und einer affektiven Dimension angesehen (Baron-Cohen & Wheelwright, 2004, S. 164; Clark, Robertson & Young, 2019, S. 167; Cuff et al., 2016, S. 147).
Die Dimension der kognitiven Empathie bezeichnet das Verstehen und gedankliche Nachvollziehen der Emotionen einer anderen Person (Baron-Cohen & Wheelright, 2004, S. 164; Clark et al., 2019, S. 168). Dabei wird kognitive Empathie oftmals mit dem Konzept der Perspektivenübernahme gleichgesetzt (z.B. Davis, 1983), die von Decety et al. (2012) als „the cognitive ability to explicitly put oneself into someone else’s shoes to represent his or her knowledge or emotional experience as compared to one’s knowledge or affective experience” beschrieben wird (S. 44). Teilweise wird die Perspektivenübernahme jedoch auch von kognitiver Empathie abgegrenzt. Dabei wird zwischen dem kognitiven Prozess der Perspektivenübernahme und dem Ergebnis kognitiver Empathie, d.h. dem tatsächlichen Verständnis des inneren affektiven Zustands der anderen Person differenziert. Demnach könne Perspektivenübernahme zwar zu kognitiver Empathie führen, sei aber nicht gleichbedeutend mit dieser und wird daher von einigen Autoren eher als eine Voraussetzung für Empathie angesehen (Batson, Fultz & Schoenrade, 1987, S. 20; Clark et al., 2019, S. 168; Cuff et al., 2016, S. 147 f.).
Die Dimension der affektiven oder auch emotionalen Empathie beschreibt dagegen eine emotionale Reaktion auf den Gefühlszustand einer anderen Person. Im Vordergrund steht hierbei das Mitfühlen und Miterleben der durch die andere Person hervorgerufenen Emotionen (Baron-Cohen & Wheelright, 2004, S. 164; Singer & Lamm, 2009, S. 82). Hierbei spielt der Prozess der Gefühlsansteckung („emotional contagion“) eine Rolle. Dabei übertragen sich die bei der anderen Person wahrgenommenen Gefühlszustände automatisch auf die wahrnehmende Person, was sich äußerlich beispielsweise an der unbewussten Annahme desselben Gesichtsausdrucks, der Stimme oder der Körperhaltung erkennen lässt (Hatfield, Cacioppo & Rapson, 1992, zit. n. Clark et al., 2019, S. 170). In verschiedenen neurowissenschaftlichen Studien (Corradini & Anto- nietti, 2013; Iacoboni & Mazziotta 2007; Rizzolatti & Craighero 2004) konnte hierfür eine Aktivität der Spiegelneuronen im Gehirn nachgewiesen werden, weshalb dieser Prozess auch als „mirroring“ bezeichnet wird (Gerdes, Lietz & Segal, 2011, S. 84).
Affektive Empathie charakterisiert sich zudem durch eine Selbstwahrnehmung und eine Selbst-Andere-Differenzierung, d.h. durch das Bewusstsein dafür, dass es sich bei den miterlebten Emotionen nicht um die eigenen, sondern um die Emotionen einer anderen Person handelt, die stellvertretend empfunden werden (Cuff et al., 2016, S. 149; De Vignemont & Singer, 2006, S. 435 f.; Gerdes, Segal & Lietz, 2010, S. 2331 f.; Singer & Lamm, 2009, S. 83). Zudem ist hierbei die Regulation der eigenen Emotionen relevant, um nicht durch die miterlebten Emotionen anderer überwältigt zu werden (Decety & Jackson, 2006, S. 56 f. ; Decety & Lamm, 2006, S. 1155 f.; Gerdes et al., 2010, S. 2329 f.).
Umstritten ist, inwieweit affektive Empathie nur kongruente oder auch ähnliche miterlebte Gefühle und Emotionen umfasst (Clark et al., 2019, S. 167 f.; Cuff et al., 2016, S. 147 f.). Obwohl aus neurowissenschaftlicher Perspektive bisher keine eindeutigen Erkenntnisse zur Beantwortung dieser Frage vorliegen (De Vignemont & Singer, 2006, S. 436), erscheint eine exakte Kongruenz emotionaler Zustände nur schwer zu erreichen. Im Vergleich zu breiteren Definitionsansätzen zu Empathie, welche alle Arten von affektiven Reaktionen auf den emotionalen Zustand einer anderen Person miteinbeziehen (z.B. Davis, 1983) ermöglicht eine engere Begriffsdefinition im Sinne dieser Emotionskongruenz eine präzisere Abgrenzung gegenüber verwandten Konstrukten, die im nachfolgenden Kapitel vorgenommen wird (Clark et al., 2019, S. 167 f.; Cuff et al., 2016, S. 148).
Die Unterscheidung zwischen kognitiver und affektiver Empathie bestätigen auch neurowissenschaftlichen Studien (z.B. Shamay-Tsoory, Aharon-Peretz, & Perry, 2009; Zaki et al., 2009), in denen gezeigt werden konnte, dass es sich jeweils um verschiedene neurologische Prozesse handelt, die unterschiedliche Areale des Gehirns aktivieren (Clark et al., 2019, S. 168; Cox et al., 2012, S. 727). Auch wenn es sich um unterschiedliche neurologische Phänomene zu handeln scheint, wird davon ausgegangen, dass kognitive und affektive Empathie gemeinsam auftreten und sich gegenseitig beeinflussen, weshalb beide als notwendige Bestandteile von Empathie angesehen werden (Baron-Cohen & Wheelwright, 2004, S. 163 f.; Duan & Hill, 1996, S. 263).
Neben einer kognitiven und einer affektiven Dimension enthalten einige Definitionsansätze in der Literatur auch eine Dimension, die sich auf empathisches Verhalten bezieht (Clark et al., 2019, S. 167; Cuff et al., 2016, S. 149).
Diese „behavioral empathy“ wird von Burch et al. (2016, S. 175) als „an observable action deriving from the cognitive and affective components” und von Clark et al. (2019, S. 169) als „the tendency to engage in verbal and nonverbal behaviors [...] that demonstrate affective and/ or cognitive empathy” definiert. Unter diese Dimension fallen nach Clark et al. (2019) im Wesentlichen zwei Arten empathischen Verhaltens. Dies ist zum einen das „behavioral mirroring“, was auch als „motor empathy” bezeichnet wird und sich in der Spiegelung von Ge- Sichtsausdrücken, Haltungen, Bewegungen oder auch der Sprache anderer äußert (Chartrand & Lakin, 2013, S. 286). Zum anderen handelt es sich dabei um „empathic communication“, die sich auf verbales empathisches Verhalten bezieht und sich durch das Ausdrücken von Verständnis oder Fragen nach dem Gefühlszustand und den Gedanken des Gegenübers äußert (Clark et al., 2019, S. 168 f.).
In Hinblick auf diese verhaltensbezogene Dimension lässt sich daneben festhalten, dass Empathie unterschiedliche empathische Reaktionen hervorrufen kann. Oftmals wird Empathie mit dem Auftreten von prosozialem oder altruistischem Verhalten assoziiert, welches sich durch die fremdorientierte Motivation, das Wohlbefinden des Gegenübers zu erhöhen, auszeichnet (Cuff et al., 2016, S. 149; Singer & Lamm, 2009, S. 84; Smith, 2006, S. 3 f.). Allerdings kann Empathie in Reaktion auf den Gefühlszustand einer anderen Person auch zu antisozialem oder egoistischem Verhalten führen, um die durch negative Gefühle wie Unruhe, Anspannung oder Angst des Gegenübers ausgelöste eigene aversive, emotionale Erregung zu reduzieren oder zu vermeiden (Batson et al. 1987, S. 25 f.; Cuff et al., 2016, S. 149; Singer & Lamm, 2009, S. 90). Demzufolge stellt Empathie vielmehr eine Voraussetzung für prosoziales und altruistisches Verhalten dar (Cuff et al. 2016, S. 149; De Vignemont & Singer, 2006, S. 439 f.; Singer & Lamm, 2009, S. 84).
Neben der Frage nach der Dimensionalität von Empathie, ist in der Forschung bisher ungeklärt, ob Empathie als zeitlich stabile Persönlichkeitseigenschaft bzw. Disposition, als vorübergehender situationsspezifischer Zustand oder aber als mehrstufiger Wahrnehmungs- und Erfahrungsprozess konzeptualisiert werden sollte (Clark et al., 2019, S. 169; Duan & Hill, 1996, S. 263; Gerdes et al., 2010, S. 2326 f.).
Der Konzeptualisierung als zeitlich stabile Persönlichkeitseigenschaft liegt die Annahme zu Grunde, dass einige Individuen grundsätzlich empathischer sind als andere, was die Untersuchung interindividueller Unterschiede ermöglicht. Bei der Konzeptualisierung als situationsspezifischer Gefühlszustand wird hingegen davon ausgegangen, dass Empathie unabhängig von der individuellen Entwicklung situationsspezifisch variiert. Hierbei werden insbesondere situative Einflussvariablen im Zusammenhang mit intraindividuellen Unterschieden im empathischen Verhalten sowie Veränderungen von empathischem Verhalten durch Lernprozesse und Trainingsmaßnahmen untersucht (Cuff et al., 2016, S. 149; Duan & Hill, 1996, S. 262). Die Konzeptualisierungen von Empathie als mehrstufiger Wahrnehmungs- und Erfahrungsprozess sind zwar sehr verschieden, aber im Wesentlichen wird Empathie hierbei als ein interpersoneller, auf Erfahrung beruhender Prozess angesehen, bei welchem sich Empathie durch mehrere Phasen hinweg erst entwickelt (Duan & Hill, 1996, S. 262).
Auf der Grundlage bisheriger Forschungsergebnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen lassen sich individuelle Unterschiede in der Fähigkeit zur Empathie auf der einen Seite neurologisch und genetisch und auf der anderen Seite durch individuelle Lern- und Entwicklungsprozesse erklären. Zudem scheint Empathie auch von einer Reihe situativer Faktoren wie der Zuneigung und der wahrgenommenen Ähnlichkeit zum Gegenüber, der eigenen emotionalen Stabilität, den bisherigen Erfahrungen und den kontextualen Bedingungen beeinflusst zu werden (Clark et al., 2019, S. 169; Cuff et al., 2016, S. 149; Decety & Jackson, 2006, S. 54; De Vignemont & Singer, 2006, S. 437 f.). Daher lässt sich Empathie bisher sowohl als individuell unterschiedliche Persönlichkeitseigenschaft als auch als situationsspezifischer Zustand konzeptua- lisieren (Baron-Cohen & Wheelwright, 2004, S. 170; Clark et al., 2019, S.169), weshalb Cuff et al. (2016) schlussfolgern: „empathy is a result of the interaction between state and trait influences” (S. 149).
Hiervon ausgehend wird Empathie als Grundlage für diese Arbeit als ein multidimensionales Konstrukt mit einer kognitiven, einer affektiven und einer verhaltensbezogenen Dimension ist, welches Zusammenfassend lassen sich die drei verschiedenen Dimensionen von Empathie wie folgt beschreiben: „(a) understanding another person's internal state (cognitive empathy), (b) sharing another person's affective state (affective empathy), and/or (c) behaviorally demonstrating that one has understood another person's internal state and/or shared another person's affective state (behavioral empathy)” (Clark et al., S. 171).
2.1.2 Abgrenzung verwandter Konstrukte
In der Literatur wird Empathie auf der einen Seite als eine „overarching category" angesehen, sodass unter dem Begriff verschiedene Konstrukte subsumiert werden (Cuff et al., 2016, S. 145). Auf der anderen wird Empathie gegenüber einer Reihe von verwandten Konstrukten abgegrenzt. Demfolgend lässt sich Empathie von Mitgefühl („sympathy“), Mitleid („compassion“) und empathischer Anteilnahme („empathic concern“) unterschieden (Bernhardt & Singer, 2012, S. 3; Clark et al., 2019, S. 169 f.; De Vignemont & Singer, 2006, S. 435). Während Mitgefühl als „feelings for someone, generally coupled with the wish to see them better off or happier” beschrieben werden kann, lässt sich Mitleid als „emotional and motivational state characterized by feelings of loving-kindness and a genuine wish for the well-being of others” definieren (Bernhardt & Singer, 2012, S. 3). Empathische Anteilnahme wiederum lässt sich als „emotional and motivational state characterized by the desire to help and promote others’ welfare” beschreiben (Bernhardt & Singer, 2012, S. 3).
Hierbei wird jeweils bei der beobachtenden Person eine emotionale Reaktion auf den wahrgenommenen oder vermuteten affektiven Zustand des Gegenübers hervorgerufen. Es lässt sich aber insofern eine Differenzierung von Empathie vornehmen, als dass bei Letzterer die empfundenen Gefühle mit denen der beobachteten Person kongruent seien, wohingegen Mitgefühl, Mitleid und empathische Anteilnahme nicht notwendigerweise ein affektives Teilen von Gefühlen implizieren (Clark et al., 2019, S. 169 f.; Singer & Lamm, 2009, S. 84). Dies wird daran verdeutlicht, dass „empathizing with a person feeling sad will result in a feeling of sadness in the self, whereas sympathizing with, being em- pathically concerned, or feeling compassion for a sad person will result in either pity or compassionate love for the person, but not sadness” (Singer & Lamm, 2009, S. 84).
Zudem können Mitgefühl, Mitleid und empathische Anteilnahme im Unterschied zu Empathie durch ein Gefühl der Sorge um das Wohlergehen der anderen Person charakterisiert werden. Dies geht oftmals mit der Motivation einher, das Wohlbefinden der Person durch prosoziales, altruistisches Verhalten zu erhöhen oder deren Leid zu verringern, wohingegen dies bei Empathie wie bereits dargestellt nicht notwendigerweise der Fall ist, da diese genauso auch zu antisozialem oder egoistischem Verhalten führen kann (Clark et al., 2019, S. 169 f.; Eisenberg & Miller, 1987, S. 91 f.; Singer & Lamm, 2009, S. 84, 90). Vielfach wird davon ausgegangen, dass Mitgefühl, Mitleid und empathische Anteilnahme als emotionale Reaktion aus Empathie resultieren (Bernhardt & Singer, 2012, S. 3; Clark et al., 2019, S. 170; van der Graaff et al., 2016, S. 746).
Der entscheidende Unterschied zwischen Mitgefühl, Mitleid und empathischer Anteilnahme auf der einen und Empathie auf der anderen Seite besteht nach Singer und Lamm (2009) darin, dass die empfundenen Emotionen bei ersteren inhärent fremdorientiert im Sinne eines „‘feeling for‘ the other person“ sind, wohingegen bei Empathie die Emotionen mit der beobachteten Person im Sinne eines „‘feeling with‘ the other person“ geteilt werden (S. 84).
Zuletzt kann Empathie von Emotionaler Intelligenz abgegrenzt werden. Ebenso wie bei Empathie handelt es sich bei Emotionaler Intelligenz um ein wissenschaftlich kontrovers diskutiertes Konstrukt, zu welchem verschiedene theoretische Modelle und Messinstrumente entwickelt worden sind (Gooty et al., 2010, S. 981; Locke, 2005, S. 426 f.; Walter, Cole, & Humphrey, 2011, S. 45 f.). In der Forschung wird hierbei überwiegend zwischen Fähigkeitsmodellen, die sich auf kognitive Fähigkeiten beziehen (Salovey & Mayer, 1990, 1997) und gemischten Modellen (z.B. Bar-On 1997; Goleman, 1995), die sich zudem auch auf grundlegende Persönlichkeitseigenschaften und soziale Fähigkeiten beziehen, unterschieden (Joseph & Newman, 2010, S. 55; van Rooy & Viswesvaran, 2004, S. 84).
Der Begriff der Emotionalen Intelligenz geht auf Salovey und Mayer (1990) zurück. Nach einer Überarbeitung wurde dieser wie folgt definiert: „Emotional intelligence involves the ability to perceive accurately, appraise, and express emotion; the ability to access and/ or generate feelings when they facilitate thought; the ability to understand emotion and emotional knowledge; and the ability to regulate emotions to promote emotional and intellectual growth” (Mayer & Salovey, 1997, S. 10).
Demnach lassen sich unter Emotionaler Intelligenz verschiedene Fähigkeiten subsumieren, die Mayer, Caruso und Salovey (2004, 2016) in ihrem „four- branch-model“, in vier zusammenhängende Bereiche einteilen: a) die Wahrnehmung von Emotionen bei sich und bei anderen b) die Nutzung von Emotionen zur Unterstützung des Denkens (d. h. Emotionen zu erzeugen und zu nutzen, um entsprechende Denkprozesse zu fördern) c) das Verstehen von Emotionen (d. h. die Entstehung, Veränderung und den Zusammenhang von Emotionen zu erkennen und zu analysieren) und d) den Umgang mit Emotionen (d. h. die eigenen Emotionen und die anderer zu beeinflussen, um bestimmte Ziele zu erreichen, offen für angenehme und unangenehme Emotionen und die durch sie übermittelten Informationen zu sein und diese Emotionen zu regulieren) (Mayer et al., 2004, S. 199; Mayer et al., 2016, S. 293 f.). Empathie wird dabei von Salovey und Mayer (1990) als „central characteristic of emotionally intelligent behavior” angesehen (S. 194).
Goleman (1995), durch dessen Veröffentlichungen das Konstrukt der Emotionalen Intelligenz große Aufmerksamkeit erlangte, definiert diese als „the capacity for recognizing our own feelings and those of others, for motivating ourselves, and for managing emotions well in ourselves and in our relationships” (S. 317). Hierzu entwickelte Goleman ebenfalls ein Modell, welches aber vergleichsweise weiter gefasst ist. Nach mehreren Veränderungen setzt sich dieses aus vier Bereichen, a ) Selbstwahrnehmung (die eigenen Emotionen verstehen), b) Selbstmanagement (mit den eigenen Emotionen entsprechend umgehen können), c) Soziales Bewusstsein (die Emotionen anderer erkennen) und d) Beziehungsmanagement (mit den Emotionen anderer umgehen können) zusammen. Jeder Bereich umfasst dabei verschiedene auf Emotionaler Intelligenz beruhende Fähigkeiten und Kompetenzen (Goleman, 2004, S. 61 f.).
Bei Betrachtung der verschiedenen Ansätze zeigt sich, dass Emotionale Intelligenz aus einer Vielzahl von zusammenhängenden Fähigkeiten und Kompetenzen besteht und sich insofern von Empathie unterscheidet, als dass es über Empathie hinausgeht, auch wenn diese in den verschiedenen Konzeptualisie- rungen einen wesentlichen Teilbereich Emotionaler Intelligenz darstellt.
2.1.3 Operationalisierung und Messung
Um Empathie als Forschungsgegenstand zu operationalisieren und zu messen, wurden in der Vergangenheit zahlreiche Instrumente entwickelt. So konstatieren Clark et al. (2019): „Empathy has been defined and measured in a multitude of ways, making it difficult for scholars to reach consensus about what empathy is and is not” (S. 186).
Grundsätzlich wird in der wissenschaftlichen Literatur zwischen drei verschiedenen Ansätzen zur Messung von Empathie differenziert. Demnach kann Empathie durch „self-report measures“, durch „behavioral/ observational measures“ oder durch „physiological measures“ bzw. „neuroscientific measures“ erfasst werden (Gerdes et al., 2010, S. 2334; Neumann et al., 2015, S. 258).
Dabei stellen „self-report measures“ eine der am häufigsten verwendeten Methoden dar, was sich auch darauf zurückführen lässt, dass diese mit einem vergleichsweise geringen Aufwand verbunden sind (Gerdes et al., 2010, S. 2334; Hall & Schwartz, 2019, S. 229). Die Messung von Empathie erfolgt hierbei über Fragebogeninstrumente (z.B. Baron-Cohen & Wheelwright 2004; Davis, 1983; Hogan 1975; Mehrabian & Epstein 1972), bei welchen anhand von Likert-Ska- len eine Selbsteinschätzung der eigenen Empathie vorgenommen wird (Gerdes et al., 2010, S. 2334).
Auch wenn „self-report measures of empathy currently provide the most comprehensive measures to date”, weisen diese auch einige Schwächen auf (Neumann et al., 2015, S. 283). So sind insbesondere die früheren Fragebogeninstrumente zur Messung von Empathie über Selbsteinschätzungen vielfach dahingehend kritisiert worden, dass diese sich entweder nur auf die kognitive Dimension (z.B. Hogan, 1969) oder nur auf die affektive Dimension (z.B. Mehrabian & Epstein, 1972) von Empathie fokussieren und zudem auf sehr unterschiedlichen Definitionen von Empathie basieren (Cuff et al., 2016, S. 150; Duan & Hill, 1996, S. 263 f.; Gerdes et al., 2011, S. 84). Daneben wird in Hinblick auf die Validität von „self-report measures“ darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um subjektive Einschätzungen handelt, die aufgrund dessen anfällig für einen „human perception error“ sind (Duan & Hill, 1996, S. 264), sodass letztlich nur „the individual’s beliefs about their own empathy“ gemessen werden (Baron-Cohen & Wheelwright, 2004, S. 170 f.). Zudem seien diese Fragebogeninstrumente auch anfällig für die Tendenz, sozial erwünschte Antworten zu geben, denn „being empathic is likely to be regarded as a socially desirable trait in society“ (Neumann et al., 2015, S. 283).
Eines der am weitesten verbreiteten Instrumente, um Empathie über Selbsteinschätzungen zu erfassen, stellt der von Davis (1980, 1983) entwickelte Interpersonal Reactivity Index (IRI) dar (Gerdes et al., 2010, S. 2334; Hall & Schwartz, 2019, S. 228). Hierbei wird Empathie als ein multidimensionales Konstrukt mit einer kognitiven und affektiven Dimension konzeptualisiert, welches aus vier zueinander in Beziehung stehenden Konstrukten besteht, die sich aber klar voneinander unterscheiden. Somit setzt sich der IRI aus den folgenden vier Subskalen mit jeweils sieben Items zusammen (Davis, 1983, S. 113 f.):
(1) „Perspektive-Taking“: Diese Skala bewertet die Tendenz einer Person, eine Situation spontan auch aus der psychologischen Sicht eines anderen und nicht nur aus der eigenen sehen zu können.
(2) „Fantasy“: Über diese Skala wird die Neigung einer Person, sich in die Situation und Gefühle fiktiver Figuren in Büchern, Filmen und Theaterstücken zu versetzen, erfasst.
(3) „Empathic Concern": Mithilfe der Items dieser Skala werden fremdorientierte Gefühle einer Person wie Mitleid und Sorge um Andere in unangenehmen Situationen gemessen.
(4) „Personal Distress“: Mit dieser Skala wird die Neigung einer Person, in angespannten sozialen Situationen selbstorientierte Gefühle wie Angst, Unruhe und Unwohlsein zu empfinden, gemessen.
Dabei beziehen sich die Subskalen „Perspective Taking“ und „Fantasy“ auf die kognitive Dimension von Empathie, während sich die Subskalen „Empathic Concern“ und „Personal Distress“ auf die affektive Dimension beziehen (Davis, 1983, S. 113 f.). Mit dem Saarbrücker Persönlichkeitsfragebogen (SPF) wurde auch eine deutsche Version des IRI entwickelt (Paulus, 2009).
Eine weitere Möglichkeit zur Messung von Empathie stellen „behavioral/ observational measures“ dar (Neumann et al., 2015, S. 259). Wenn Empathie durch Beobachtung anhand von Fremdeinschätzungen gemessen wird, kann es sich um qualitative Beschreibungen oder subjektive Einschätzungen des wahrgenommenen konkreten verbalen und nonverbalen Verhaltens eines Individuums handeln (Gerdes et al., 2010, S. 2335). Hierin liegt zugleich auch eine der Grenzen dieser Methode, da Empathie hierbei auf „the outward expression of inward empathic experiences“ reduziert wird (Duan & Hill, 1996, S. 264).
Zuletzt kann Empathie auch über „physiological measures“ bzw. „neuroscien- tific measures“ in Reaktion auf experimentelle Stimuli, welche Empathie hervorrufen sollen, gemessen werden (Gerdes et al., 2010, S. 2335; Hall & Schwartz, 2019, S. 228 f.; Neumann et al., 2015, S. 258). So werden in physiologischen Untersuchungen zur Erfassung von Empathie beispielsweise Veränderungen der Hautleitfähigkeit oder der Herzfrequenz (z.B. Levenson & Ruef, 1992) gemessen, während in neurowissenschaftlichen Studien (z.B. Cox et al., 2012; Shamay-Tsoory et al., 2009) beispielsweise die Aktivität von unterschiedlichen Gehirnarealen über bildgebende Verfahren (z.B. funktionelle Magnetresonanztomografie, fMRT) oder die Aktivität von Muskelfasern im Gesicht (z.B. Elektromyografie, EMG) betrachtet wird (Gerdes et al., 2010, S. 2335; Neumann et al., 2015, S. 259).
Abgesehen davon, dass solche „physiological measures“ und „neuroscientific measures“ aufgrund des hohen finanziellen Aufwands und der erforderlichen technischen Voraussetzungen bisher selten verwendet wurden (Hall & Schwartz, 2019, S. 228 f.; Gerdes et al., 2010, S. 2335), erscheinen diese gegenüber den anderen Methoden beispielsweise in Bezug auf Effekte der sozialen Erwünschtheit vorteilhaft. Allerdings können sich hierbei auch Interpretationsschwierigkeiten aufgrund des Einflusses verschiedener psychologischer Prozesse und Umweltreize auf die gemessenen physiologischen und neurologischen Reaktionen ergeben (Neumann et al., 2015, S. 284; Reid et al., 2012, S. 233 f.).
Die Vielfalt der Ansätze zur Messung von Empathie lässt nach Neumann et al. (2015) unterschiedliche Interpretationen zu: „So It could mean that researchers have yet to find an adequately reliable and valid means by which to measure empathy. It could also reflect the highly complex and multifaceted nature of empathy. It could indicate that what empathy is and how it should be measured is quite different from situation to situation or population to population” (S. 283).
Um ein umfassenderes Verständnis von Empathie zu erreichen, erscheint es angesichts der Vor- und Nachteile der verschiedenen Ansätze vielversprechend, diese miteinander zu kombinieren (Neumann et al., 2015, S. 283).
2.2 Führung
2.2.1 Führungsbegriff
Nachfolgend wird anhand ausgewählter Definitionsansätze eine begriffliche Konkretisierung des Führungsbegriffs vorgenommen, wobei die Begriffe Leadership und Führung synonym verwendet werden. Darauf aufbauend wird der Begriff Führungserfolg und dessen Erfolgskriterien erläutert.
Führung bzw. Leadership stellt ein vielschichtiges soziales Phänomen dar, welches in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen aus unterschiedlichen Perspektiven und Erkenntnisinteressen heraus betrachtet wird. Daher findet sich in der Literatur eine Vielzahl an Definitionen. Trotz der Vielfalt an Begriffsverständnissen besteht in der Führungsliteratur aber weitgehend Übereinstimmung darin, dass es sich bei Führung um einen Prozess der Einflussnahme handelt (Blessin & Wick, 2017, S. 28-30; Molt, Rüttinger & von Rosenstiel, 2005, S. 310; Wegge & von Rosenstiel, 2014, S. 317).
Dabei lässt sich im organisatorischen Kontext zwischen zwei Formen, der Unternehmensführung und der Personalführung, differenzieren. Während Unternehmensführung die zielorientierte Planung, Strukturierung und Kontrolle der ganzen Organisation beschreibt, wird unter Personalführung als Teilfunktion der Unternehmensführung der Prozess der zielgerichteten Beeinflussung des Verhaltens von Mitarbeitern durch hierarchisch Vorgesetze verstanden. Von dieser direkten personalen Führung lässt sich zudem die strukturelle Führung abgrenzen. Letztere beeinflusst das Verhalten der Mitarbeiter indirekt und unabhängig vom Vorgesetzen durch die Gestaltung organisationaler Rahmenbedingungen, wie z.B. Ziel- und Anreizsysteme, die Unternehmenskultur oder Aufgabenbeschreibungen (Molt et al., 2005, S. 311-314.; Wegge & von Rosenstiel, 2014, S. 317-321; Weibler, 2016, S. 84 f.).
In Hinblick auf die direkte Personalführung nimmt Weibler (2016) folgende Definition vor: „Führung heißt, andere durch eigenes, sozial akzeptiertes Verhalten so zu beeinflussen, dass dies bei den Beeinflussten mittelbar oder unmittelbar ein intendiertes Verhalten bewirkt“ (S. 22). Die Ziele der Einflussnahme leiten sich dabei in der Regel aus den übergeordneten Zielen der Organisation ab (Nerdinger, 2019, S. 96). Dementsprechend definiert Weinert (2015) personale Führung als den Versuch, „Einfluss zu nehmen, um Gruppenmitglieder zu einer Leistung und damit zum Erreichen von Gruppen- oder Organisationszielen zu motivieren. Einfluss kann definiert werden als Veränderung in den Einstellungen, Werten, Überzeugungen und Verhaltensweisen von Zielpersonen als Ergebnis von Einflussbemühungen der Führungsperson“ (S. 458).
Wegge und von Rosenstiel (2014) konzeptualisieren personale Führung als unmittelbaren, wechselseitigen und tendenziell asymmetrischen Interaktionsprozess zwischen einem oder mehreren Führenden und einem oder mehreren Geführten, wobei dieser Prozess von jedem Mitglied und jeder Gruppe einer Organisation initiiert werden kann (S. 317). Führung sei ein „Sammelbegriff für alle Interaktionsprozesse, denen eine absichtliche soziale Einflussnahme von Personen auf andere Personen zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben im Kontext einer strukturierten Arbeitssituation zu Grunde liegt“ (Wegge & von Rosenstiel, 2014, S. 317).
Abschließend lassen sich anhand der im Rahmen dieses Kapitels exemplarisch betrachteten Definitionen zentrale Charakteristika des Führungsbegriffs herausstellen. Demnach kann (personale) Führung als ein Prozess angesehen werden, der die Beeinflussung anderer beinhaltet, im Kontext einer Gruppe stattfindet und die Erreichung von Zielen, die von Führenden und Geführten geteilt werden, verfolgt (Blessin & Wick, 2017, S. 30; Walenta, 2012, S. 496). Dieses Verständnis von Führung wird auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu Grunde gelegt.
2.2.2 Führungserfolg
Führung stellt für Organisationen einen zentralen Erfolgsfaktor dar. Angesichts der hohen theoretischen und praktischen Relevanz wurde in der empirischen Führungsforschung daher eine große Vielfalt an Theorien und Ansätzen entwickelt, um den Erfolg von Führung zu erklären, zu prognostizieren und generalisierbare Erkenntnisse zu gewinnen (Felfe et al., 2014, S. 139; Weibler, 2016, S. 62). Unabhängig vom jeweiligen führungstheoretischen Ansatz stellt sich aber die Frage, was unter Führungserfolg zu verstehen ist und anhand welcher Kriterien sich Führungserfolg messen lässt.
Wie zuvor dargestellt gehen viele Führungsdefinitionen implizit oder explizit davon aus, dass Führung ein „zielgerichtetes Bewirken von Ergebnissen“ sei (Blessin & Wick, 2017, S. 234). Als Führungserfolg wird daher oftmals das bezeichnet, was aus der Interkation zwischen Führungskraft und Mitarbeitern in Hinblick auf die Intention der Einflussnahme resultiert (Weibler, 2016, S. 26).
Dabei lässt sich zunächst zwischen Führungseffektivität und Führungseffizienz differenzieren. Während die Effektivität die Wirksamkeit von Führung beschreibt und sich darauf bezieht, in welchem Umfang die Qualität und Quantität der angestrebten Ziele realisiert wurde, bezieht sich die Effizienz der Führungswirksamkeit auf die Relation von Aufwand und Ergebnis bei der Zielerreichung (Blessin & Wick, 2017, S. 237; Weibler, 2016, S. 65-68).
Die Vielzahl der Kriterien in der Führungsliteratur, die über den Erfolg von Führung Auskunft geben sollen, beziehen sich vorwiegend entweder auf die Person der Führungskraft, auf das Verhalten oder die Einstellungen der Mitarbeiter oder aber auf organisationale Ergebnisse (Molt et al., 2005, S. 365 f.). Aus der Unternehmensperspektive heraus lassen sich die verschiedenen Erfolgsgrößen zwei Gruppen von Kriterien zuordnen. Die Gruppe der objektiven ökonomischen Erfolgskriterien umfasst Kriterien, die sich auf Erfolgs- und Leistungsziele der Organisation beziehen, wie z.B. Gewinn, Umsatz, Rentabilität, Produktivität oder Marktanteil. Die Gruppe der subjektiven, sozialen Kriterien bezieht sich auf die Erfüllung individueller Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeiter, wie z.B. die Arbeitszufriedenheit, Commitment, die Motivation und das Engagement oder die Kohäsion der Gruppe (von Rosenstiel, Regnet, & Domsch, 2014, S. 5; Walenta, 2012, S. 21; Weibler, 2016, S. 65-68).
Der Führungserfolg kann dabei auf der Individual-, Gruppen- und Organisationsebene erfasst werden. Die Bestimmung des Führungserfolgs auf Organisationsebene gestaltet sich jedoch aufgrund der Vielzahl situativer Faktoren, die auf organisationale Erfolgsgrößen einwirken und nicht im unmittelbaren Gestaltungsbereich des Führenden liegen, diffizil. Dagegen erscheine es vielversprechender, Führungserfolg anhand von Erfolgskriterien auf der Individual- und Gruppenebene zu ermitteln, da es sich bei kognitiven, emotionalen oder motivationalen Einstellungen, Verhalten oder Leistung um direkte oder indirekte Einwirkungsbereiche des Führenden handelt. (Blessin & Wick, 2017, S. 243-252; Weibler, 2016, S. 62-65).
2.3 Rahmenbedingungen der Führung
Abschließend werden nachfolgend mit Digitalisierung, Globalisierung und gesellschaftlichen Veränderungen aktuelle Entwicklungen sowie die hieraus resultierenden Herausforderungen im Führungskontext beschrieben.
Aufgrund dieser Entwicklungen wird das aktuelle Umfeld, in dem Führungskräfte heute agieren mit dem Akronym VUKA, welches sich aus den Begriffen Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität zusammensetzt, beschrieben (Dörr et al., 2018, S. 39; Petry, 2016, S. 38). Während mit Volatilität die Häufigkeit, Schnelligkeit und Dynamik der vielfältigen Veränderungen angesprochen werden, bezieht sich Unsicherheit auf die Ungewissheit in Hinblick auf die gegenwärtige Situation, aber auch auf zukünftige Entwicklungen, da aufgrund der volatilen Bedingungen zuverlässige Prognosen und Vorhersagen als Grundlage für Entscheidungen nur schwer möglich sind. Komplexität wiederum zeigt sich in der steigenden Vielfalt, Diskontinuität und Dynamik der verschiedenen Einflussfaktoren, die in ihren Wechselbeziehungen zueinander oftmals schwierig zu verstehen und einzuordnen sind. Zuletzt bezieht sich Ambiguität auf die oftmals unklaren Ursache-Wirkungszusammenhänge der verschiedenen Faktoren und auf die mehrdeutige oder widersprüchliche Umwelt (Dörr et al., 2018, S. 39; Petry, 2016, S. 38; Weibler, 2016, S. 468-470).
2.3.1 Digitalisierung
Eine der größten Herausforderungen im organisatorischen Kontext stellt die Digitalisierung dar, welche zu tiefgreifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen führt. Der Begriff Digitalisierung, welcher oftmals mit digitaler Transformation gleichgesetzt wird, bezeichnet „den Wandel der privaten und der Arbeitswelt durch den vermehrten Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien“ (Franken, 2016, S. 4). Für Organisationen ergeben sich im Rahmen dieses Veränderungsprozesses aufgrund der Entwicklung und des Einsatzes einer Vielzahl an digitalen Technologien und deren intelligenter Vernetzung sowohl Herausforderungen als auch Chancen in Hinblick auf Wachstum und Wertschöpfung (Rump & Eilers, 2017, S. 7).
Zum einen verändern sich durch die Digitalisierung bestehende Geschäftsmodelle, Wertschöpfungsprozesse und Kundenbeziehungen grundlegend. Durch innovative Technologien lassen sich nicht nur Dienstleistungen und Produkte flexibler individualisieren und hierdurch die Kundenzufriedenheit und Kundenbindung erhöhen, sondern auch neue Märkte und Kundengruppen erschließen. Im industriellen Kontext ermöglichen intelligente und vernetzte Verfahren, Künstliche Intelligenz und Robotersysteme eine weitere Automatisierung und damit eine Steigerung der Effizienz und Effektivität von unternehmensinternen Produktionsprozessen und Abläufen (Franken, 2016, S. 9-13; Rump & Eilers, 2017, S. 5-9; Sackmann, 2019, S. 6 f.).
Zum anderen entstehen auch neue disruptive Geschäftsmodelle, innovative Produkte und Dienstleistungen. Hierdurch kommt es zu strukturellen Veränderungen in vielen Wirtschaftsbereichen, da sich etablierte Marktteilnehmer auch mit neuen branchenfremden Konkurrenten konfrontiert sehen (Franken, 2016, S. 9 f.; Groß, 2019, S. 5). Außerdem kommt es zu einem veränderten Konsum- und Nachfrageverhalten der Kunden, das durch den Wunsch nach individuell differenzierten Produkten, ein größeres Qualitätsbewusstsein und hohe Dienstleistungsansprüche charakterisiert ist. Dies führt auch zu kürzeren Produktlebenszyklen, da immer innovativere Produkte und Dienstleistungen in kurzer Zeit entwickelt und zur Marktreife gebracht werden müssen. Vor diesem Hintergrund sind die Überprüfung und Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells von besonderer Relevanz für den zukünftigen Unternehmenserfolg (Franken, 2016, S. 9 f.; Groß, 2019, S. 5).
Daneben verändern sich in der zunehmend digitalisierten, vernetzten und automatisierten Arbeitswelt auch die Arbeitsinhalte und -formen grundlegend, was wiederum mit neuen Aufgaben und Anforderungen an die Qualifikationen und Fähigkeiten der Beschäftigten einhergeht (Franken, 2016, S. 12 f.; Sackmann, 2019, S. 7). Für Organisationen entstehen infolge der Digitalisierung auch neue Möglichkeiten in Hinblick auf die Zusammenarbeit, Koordination und Kommunikation sowie eine Vielfalt an neuen Arbeitskonzepten und -methoden. So ermöglichen digitale Technologien eine flexible orts- und zeitunabhängige Gestaltung der Arbeit und erleichtern den Zugang zu global verteilten Informationen und Ressourcen (Franken, 2016, S. 12 f.; Rump & Eilers, 2017, S. 5).
Allerdings stellt die Nutzung digitaler Medien und sozialer Netzwerke Führungskräfte auch vor neue Herausforderungen in Hinblick auf die virtuelle Zusammenarbeit und das Führen auf Distanz (Franken, 2019, S. 16; Dörr et al., 2018, S. 41; Wald, 2014, S. 356). Aufgrund der räumlich verteilten Zusammenarbeit über Informations- und Kommunikationstechnologien sind virtuelle Zusammenarbeit und Führung auf Distanz durch Einschränkungen hinsichtlich der direkten persönlichen Interaktion charakterisiert, sodass vertrauensbildende soziale Aktivitäten erschwert sind. Zudem fehlen nonverbale Elemente in der schriftlichen Kommunikation. Daher besteht hierbei eine wesentliche Aufgabe darin, über digitale Medien trotz fehlendem unmittelbaren face-to-face Kontakt und Einschränkungen hinsichtlich des sozialen Kontexts, dennoch systematisch Vertrauen und eine persönliche Bindung zu den Mitarbeitern aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Hieraus resultieren besondere Anforderungen an das Beziehungsmanagement und die Kommunikations- und Wahrnehmungsfähigkeiten von Führungskräften (Müller, 2018, S. 2; Schirmer & Woydt, 2016, S. 20; Wald, 2014, S. 360 f.).
Auch die räumlich verteilte, virtuelle Projekt- und Teamarbeit nimmt durch die Digitalisierung weiter zu. Neben dem Aufbau von vertrauensvollen Beziehungen bestehen bei der Führung virtueller Teams weitere Herausforderungen für Führungskräfte darin, auch die Arbeitsmotivation, den Zusammenhalt und die Identifikation der einzelnen Mitglieder mit dem virtuellen Team zu stärken (Hertel & Lauer, 2012, S. 104; Müller, 2018, S. 2). In Verbindung mit der Globalisierung, auf welche nachfolgend eingegangen wird, gewinnt in der digitalen Arbeitswelt außerdem die interkulturelle Zusammenarbeit in Teams weiter an Bedeutung. Daher ist es bei der Führung auf Distanz und der Führung zunehmend divers zusammengesetzter virtueller Teams von besonderer Relevanz nicht nur räumliche und zeitliche, sondern darüber hinaus auch kulturelle Distanzen zu überbücken (Rumpf, 2018, S. 60 f.; Wald, 2014, S. 362).
2.3.2 Globalisierung
Neben der Digitalisierung stellt die weltweite Verflechtung in Wirtschaft, Politik, Kommunikation, Information, Kultur und Umwelt durch die fortschreitende Globalisierung eine weitere Herausforderung im organisatorischen Kontext dar. Durch den technologischen Fortschritt im Kommunikations-, Informations- und Transportwesen und die Liberalisierung des Welthandels nehmen nicht nur die realen Warenströme, sondern auch grenzüberschreitende Dienstleistungen sowie globale Kapitel- und Datenströme weiter zu (Franken, 2016, S. 17; McKinsey Global Institute, 2019, S. 5-8.).
Infolge dieser Entwicklungen werden auch die Unternehmensaktivitäten, Wertschöpfungsketten und Märkte immer globaler. Aufgrund der damit einhergehenden Intensivierung des globalen Wettbewerbs sehen sich Unternehmen mit einem hohen Kosten-, Effizienz- und Innovationsdruck konfrontiert (Franken, 2019, S. 16). Um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, ist es daher unerlässlich, bestehende Strukturen, Prozesse, Produkte und Dienstleistungen kontinuierlich zu verbessern, flexibel an die veränderlichen Anforderungen und Bedingungen anzupassen, und gleichzeitig auch zukünftig Innovationen hervorzubringen (Felfe et al., 2014, S. 142; Franken, 2016, S. 18; Nerdinger & Pundt, 2012, S. 28). Hieraus resultiert die Herausforderung, mit diesen Veränderungen umzugehen, durch schnelle Entscheidungen hierauf zu reagieren und Innovativität zu fördern. Insbesondere Führungskräfte sind hierbei gefordert, die Voraussetzungen für individuelle Kreativität und Veränderungsbereitschaft zu schaffen, indem Flexibilität, Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit sowie Lernbereitschaft auf Mitarbeiter- und Teamebene ermöglicht werden (Felfe et al., 2014, S. 142).
Mit der Globalisierung geht auch eine höhere kulturelle Vielfalt der Mitarbeiter in Unternehmen einher. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Unternehmens- und Führungskultur. Im Führungskontext besteht hierbei die Herausforderung, mit Diversität umzugehen, indem kulturelle Unterschiede der Mitarbeiter im Führungsprozess und -verhalten berücksichtigt und reflektiert werden (Felfe et al., 2014, S. 139; Schirmer & Woydt, 2016, S. 19).
2.3.3 Gesellschaftliche Veränderungen
Zu den bedeutendsten gesellschaftlichen Entwicklungen, die die Arbeitswelt und die Führung der Zukunft beeinflussen, zählt der demografische Wandel (Felfe et al., 2014, S. 141).
Die aktuelle Vorausberechnung zur Bevölkerungsentwicklung des Statistischen Bundesamts zeigt, dass je nach angenommener Geburtenrate, Lebenserwartung und Zuwanderung die Bevölkerungsanzahl in Deutschland spätestens ab dem Jahr 2040 zurückgehen wird. Zudem zeigt sich, dass sich auch die Altersstruktur der Bevölkerung in Zukunft erheblich verändern wird. So wird die Anzahl der Menschen im Alter ab 67 Jahren bis 2039 um weitere fünf bis sechs Millionen auf mindestens 21 Millionen anwachsen. Außerdem wird es zu einem deutlichen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials kommen, sodass der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung bis zum Jahr 2035 um rund vier bis sechs Millionen auf 45,8 bis 47,4 Millionen zurückgehen wird. Zudem wird auch hier der Anteil älterer Bevölkerungsgruppen weiter zunehmen, welchem ein immer geringerer Anteil jüngerer gegenübersteht (Statistisches Bundesamt, 2019, S. 17-27).
Aus diesen demografischen Effekten resultieren ebenfalls vielfältige Herausforderungen für Unternehmen und Führungskräfte. Zum einen wird in den kommenden Jahren aufgrund dieser Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt ein Mangel an Fach- und Nachwuchskräften entstehen. Im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter ist daher eine Weiterentwicklung der Instrumente zur Akquisition, Bindung und Entwicklung von Talenten zukünftig eine Aufgabe von besonderer Relevanz. Führungskräften kommt hierbei eine zentrale Bedeutung zu, indem diese durch ihr Verhalten dazu beitragen, die Bindung von Mitarbeitern aller Altersgruppen an das Unternehmen zu erhöhen (Felfe et al., 2014, S. 141; Franken 2016, S. 19 f.). Für Unternehmen wird es nicht nur aufgrund des zunehmenden Alters der Belegschaften, sondern auch aufgrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels, zunehmend wichtiger, die Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter durch entsprechende Maßnahmen wie die Anpassung der Arbeitsprozesse und -inhalte sowie des Führungsverhaltens an deren Bedürfnisse und Fähigkeiten, zu erhalten (Felfe et al., 2014, S. 141; Jungmann, Bi- linska, & Wegge, 2015, S. 476).
Durch die veränderte Alterszusammensetzung der Erwerbsbevölkerung werden sich zukünftig auch immer häufiger jüngere Führungskräfte damit konfrontiert sehen, ältere Mitarbeiter und altersheterogene Teams zu führen (Felfe et al., 2014, S. 142; Jungmann et al., 2015, S. 475 f.).
Vor dem Hintergrund dieser Veränderungen der Altersstrukturen der Belegschaften entsteht für Führungskräfte die Herausforderung, ihr Führungsverhalten entsprechend altersgerecht zu gestalten. Hierzu ist es notwendig, auf die altersspezifischen Motive und Bedürfnisse der verschiedenen Generationen einzugehen, Altersunterschiede wertzuschätzen und deren Salienz zu verringern sowie sich mit den unterschiedlichen Leistungsmerkmalen älterer und jüngerer Mitarbeiter auseinanderzusetzen. Diese Aspekte gilt es im Führungsverhalten gegenüber den Mitarbeitern zu berücksichtigen und zu integrieren, um nicht nur deren Arbeitsfähigkeit zu erhalten, sondern auch die Zusammenarbeit und deren Leistungsfähigkeit zu fördern (Felfe et al., 2014, S. 141; Jungmann et al., 2015, S. 476; Jungmann & Wegge, 2016, S. 201-203).
Daneben kommt es auch aufgrund des demografischen Wandels generationenbedingt in entwickelten liberalen Gesellschaften zu einer Veränderung gesellschaftlicher Normen und Werte, was sich ebenfalls auf Arbeitswelt und Führung auswirkt (Franken, 2016, S. 18; Schirmer & Woydt, 2016, S. 19). Der Wertewandel bezieht sich auf die Veränderung von einer materialistischen hin zu einer postmaterialistischen Gesellschaft. Infolge dieses Wandels verlieren materielle Werte wie Vermögen, Besitz und Sicherheit an Bedeutung, wohingegen postmaterielle Werte wie Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, Individualität, Lebensqualität, Familie, Unabhängigkeit oder Selbstverwirklichung immer wichtiger werden (Sackmann, 2019, S. 9).
Diese Veränderung, die durch die Einstellungen insbesondere jüngerer Generationen geprägt ist, lässt sich an der zunehmenden Individualisierung und damit dem Streben nach Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung sowie an der Pluralisierung von Lebensstilen erkennen. Heute sehen sich Menschen einer großen Vielfalt an Wahlmöglichkeiten in allen Lebensbereichen gegenüber, wodurch sich Selbstverwirklichung und Selbstfindung auch einfacher realisieren lassen. Aufgrund dessen findet ein Übergang von in der Vergangenheit eher kollektiv geprägten und vorgezeichneten Erwerbs- und Lebensverläufen hin zu einer Pluralität an individuell gewählten Lebensstilen statt (Franken, 2016, S. 21; Rump & Eilers, 2017, S. 17 f.). Außerdem entsteht durch die Individualisierung eine größere Vielfalt an Normen und Werten in der Gesellschaft, da auch verschiedene Generationen aufgrund ihres Alters und ihrer jeweiligen Lebensphase unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen haben. Zudem nimmt die Vielfalt an Wertvorstellungen im Zusammenhang mit Globalisierung und Migrationsprozessen auch aus kulturellen Gründen zu (Franken, 2016, S. 2023.; Rump & Eilers, 2017, S. 19; Sackmann, 2019, S. 10 f.).
Die Individualisierung der Lebensentwürfe und die zunehmende Vielfalt an Wertvorstellungen hat auch veränderte Erwartungen an Unternehmenskultur, Arbeit und Führung zur Folge, sodass die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, flexible Arbeitszeitmodelle, Selbstbestimmung, Gestaltungsmöglichkeiten, Vertrauen und Partizipation an Entscheidungen insbesondere für jüngere Mitarbeitergenerationen im Vergleich zu materiellen Leistungsanreizen eine größere Rolle als in der Vergangenheit spielen (Franken, 2016, S. 21; Rump & Eilers, 2017, S. 19; Sackmann, 2019, S. 10). Aufgrund dieser durch demografischen Wandel und zunehmende Vielfalt an Werten und Einstellungen ausgelösten gesellschaftlichen Veränderungen stehen Unternehmen und Führungskräfte vor der Herausforderung, die Vielfalt an individuellen Wünschen und Bedürfnissen verschiedener Generationen und Mitarbeiter zu erkennen und bei der Ausgestaltung der Arbeitsorganisation und im Führungsverhalten zu berücksichtigen, um die Potenziale dieser Vielfalt zu nutzen (Franken, 2016, S. 20 f.; Sackmann, 2019, S. 10).
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- Anonym,, 2020, Empathie als Erfolgsindikator im Führungskontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1335443
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