In diesem Essay über pädagogische Grundfragen und Konzepte wurden exemplarisch Leitfragen herausgesucht und beantwortet. Die drei Leitfragen sind:
1. Was versteht Herbart unter pädagogischem „Takt“ und wofür kann „Takt“ im schulischen Alltag nützlich sein?
2. Erläutern Sie, was Monitoring und Benchmarking im Bereich des Bildungswesens bedeuten und nennen Sie ein Beispiel für die Umsetzung dieser beiden Funktionen von Schulleistungsstudien.
3. Beschreiben Sie, was das Clearing-House-Unterricht ist und welche Ziele es verfolgt. Inwiefern könnte es Ihnen als angehende Lehrkräfte hilfreich sein?
Leitfragen
1. Was versteht Herbart unter pädagogischem „Takt“ und wofür kann „Takt“ im schulischen Alltag nützlich sein?
Der Schulalltag steht immer wieder vor vielen und unerwarteten Herausforderungen. Die Lehrkräfte müssen in solchen Situationen schnell und effizient reagieren. Die Meisten können sich zwar auf ihre Praxiserfahrung verlassen, doch um sein Tun zu reflektieren (bspw. was und warum haben meine Handlungen bewirkt?) und zu verallgemeinern, bedarf es der Theorie und Wissenschaft. J.F. Herbart sieht die Theorie als Voraussetzung für ein kritisches professionelles Tun in der pädagogischen Praxis. Denn Theorie ist von der Einsicht bedingt und wird als Wissen gewonnen. Erst dadurch wird das pädagogische Geschehen erkannt und strukturiert. Theorie und Praxis dürfen deshalb nicht voneinander getrennt werden. Herbart führt daher den Begriff des „ pädagogischen Takts “ ein. Der Takt beschreibt die Fähigkeit, die eigene Handlungsoptionen in einer konkreten pädagogischen Situation so auszuwählen, dass die Folgen des Handelns erfolgreich sind. Es stellt das Vermittlungsglied zwischen prinzipienorientierter Theorie und Wissenschaft sowie die subjektiven Erfahrungen des einzelnen Pädagogen dar (vgl. Winkler 2012, S. 310). Ebenso spielen die Fallerfordernissen und die Ausgangsituation des SuS eine Rolle. Der pädagogische Takt wird während der Praxis ausgebildet, aber ohne die kognitive Klarheit und die Kategorienanalyse der wissenschaftlichen Theorie würde der Takt sich aber nicht bilden lassen (vgl. Wiater 2004, S. 338). Es bedarf also sowohl Theorie als auch Praxis, da Handlungen und Entscheidungen in der Praxis immer einer distanzierten Reflexion, wie sie die Theorie bietet, benötigt. Andersherum werden theoretische Ergründung und Erfahrung im Hinblick auf die gegebenen Umstände so verbunden, dass Lehrkräfte situativ handeln können. Für den Lehrerberuf gibt der Takt die notwendigen Werkzeuge. Ferner macht er die Lehrkräfte auf die allgemeinen Erkenntnisse über die Persönlichkeitsentwicklung der SuS aufmerksam. Damit erwerben sie Regeln für Normen und Verhalten im schulischen Alltag. Denn sie müssen sich ihrer pädagogischen Verantwortung bewusst sein, um die Aufgaben des Lehrens- und der Menschenführung gerecht zu werden (vgl. Wiater 2004, S. 338). Demnach soll neben der Umsetzung des vorgegebenen Bildungsplans auch die Vermittlung von gemeinschaftlichen Werten und Normen im Fokus der Schulbildung stehen.1 Wie kann also der Takt für den schulischen Alltag nützlich sein? Es streiten sich bspw. zwei Schüler. Um die angespannte Lage wieder zu besänftigen, muss der Lehrer situativ handeln. Anstatt jemanden gleich Schuldzuweisungen zu schieben, lässt der Lehrer die Einzelnen ihre jeweiligen Standpunkte klarstellen. Situation wie diese führen dazu, dass der Lehrer versteht, was in einem Schüler vor sich geht. In dem er u.a. zuhört und sie ausreden lässt, erkennt er die Erfahrung des Schülers, spürt darin die pädagogische Bedeutung und reflektiert selbst seine Entscheidung für zukünftige Handlungen. Pädagogen entwickeln dadurch Sensibilität, Empathie und ein gewisses Feingefühl für konkrete Situationen. Am Ende dieses Streits kann ein Kompromiss ausgehandelt werden, die den Disput auf beiden Seiten beenden soll.
2. Erläutern Sie, was Monitoring und Benchmarking im Bereich des Bildungswesens bedeuten und nennen Sie ein Beispiel für die Umsetzung dieser beiden Funktionen von Schulleistungsstudien.
Qualitätsverbesserung durch Vergleich? Eine wichtige Frage, wenn es darum geht Bildungssysteme nach ihrer Qualität und Effizienz zu beurteilen. Ein Mittel wäre die Teilnahme an internationale Schulleistungsstudien. Für Deutschland ist die Teilnahme an solchen nationalen und internationalen Large-Scale Assessments zur Normalität geworden, denn sie liefern wichtige Aufschlüsse über die Stärken und Schwächen des eigenen Bildungssystems. In den letzten 20 Jahre hat sich daher ein breites Netzwerk von Vergleichsstudien entwickelt, die einen essenziellen Beitrag zum Bildungsmonitoring leisten. Über Trendanalysen in Form von regelmäßigen Studiendesigns werden Informationen über Veränderungen und Fortschritte der Bildungssysteme weitergeleitet. Zwei wesentliche Funktionen für internationale Schulleistungsstudien sind: Monitoring, d.h. die empirische Gesamterfassung des aktuellen Zustands und dessen normorientierter Vergleich mit bestimmten Standards, sowie Benchmarking, der Vergleich mit anderen Bildungssystemen (vgl. Sälzer/Schiepe-Taska/Prenzel 2019, S. 665). Zweck von LSAs sind es Indikatoren für Monitoring- und Benchmarkingzwecken zu sammeln, um diese auf der Ebene des jeweiligen Bildungssystems anzusetzen.2 Dabei stellen LSAs die Frage, inwieweit die Kompetenzen der SuS in den teilnehmenden Bildungssystemen sich voneinander unterscheiden. Einer der wohl bekanntesten LSAs sind die PISA-Studien. Die OECD etablierte seit 2000 ein eigenes Monitoringsystem, welche alle drei Jahre eine Bestandsaufnahme von relativen Stärken und Schwächen, von den inzwischen 79 teilnehmende Bildungssystemen, erfasst (vgl. PISA 2018). Dabei werden in der Sekundarstufe I fünfzehnjährige SuS gegen Ende ihrer Pflichtschulzeit in den Domänen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften geprüft. Die OECD arbeitet hierbei mit Literacy-Framework. Im Konsens wird ein Grundbildungsbegriff z.B. Lesekompetenz definiert, welche am Ende der Pflichtschulzeit erworben werden soll. Im Kontext von PISA wird hierbei die Alltagstauglichkeit der gemessenen Kompetenzen untersucht (vgl. Sälzer/Schiepe-Taska/Prenzel 2019, S. 667). Die Ergebnisse von den teilnehmenden Ländern werden dann im internationalen Bildungsvergleich gegenübergestellt. Die PISA-Studie 2018 zeigt bspw., dass SuS in Deutschland u.a. im Bereich Mathematik besser abgeschnitten haben als der OECD-Durchschnitt, dennoch sind die Ergebnisse leicht rückläufig und weisen einen großen Abstand zu den anderen Spitzenreitern. In Deutschland sind außerdem die Leistungen in Mathematik gegenüber früheren PISA-Studien signifikant schlechter geworden (vgl. PISA 2018, S. 4.).3 Was also tun? Ein struktureller Eingriff in das Schulwesen blieb aufgrund des festetablierten und kontextbedingten Bildungssystems aus. Stattdessen müssen einerseits die Probleme im Bereich Integration, Personalmangel und Chancenungleichheit angepackt werden. Andererseits sollen Maßnahmen gefördert werden, welche einzelne Schulen direkt unterstützten und sie dazu ermutigen, ihre Qualität anhand der Studien zu kontrollieren. LSAs werden deshalb dazu aufgefordert die Schulen mit anschlussfähigen Diagnosen zu bestatten, damit sie aus den Ergebnissen eigene Rückschlüsse ziehen können (vgl. Sälzer/Schiepe-Tiska/Prenzel 2019, S. 672).
3. Beschreiben Sie, was das Clearing House Unterricht ist und welche Ziele es verfolgt. Inwiefern könnte es Ihnen als angehende Lehrkräfte hilfreich sein?
Ein eminentes Ziel in der Bildungswissenschaft ist es herauszufinden, wie man die Schnittstelle von Lehr-Lernprozessen im schulischen und hochschulischen Bildungskontext erfolgreich einbinden kann. Denn auch in der Lehrerbildung herrschen seit Jahren strukturelle Defizite, welches ein grundlegendes Problem für die Lehrerbildner darstellt. Ein Ansatz, um den entgegenzutreten und effiziente pädagogische Hochschulbildung zu gewährleisten, wäre die evidenzbasierte Lehrerbildung. Doch wie kann die Orientierung an Empirischer-Evidenz in der Lehrerbildung umgesetzt werden? Als Förderungsprojekt der QLB startete 2017 die TUM das Clearing House Unterricht (CHU) (vgl. QLB o.J.). Als Knüpfungsstelle zwischen qualitativ hochwertiger Wissenschaft und Schule sowie Unterricht soll sie die Evidenz für die Lehrerbildung bündeln. Damit bindet sie Bildungsforschung mit -praxis, die sich an alle Lehrerbildner in allen Phasen der Lehrerausbildung richtet. Hierfür werden aktuelle wissenschaftliche Befunde zum Thema Schule, Bildung und Unterricht erfasst und nach ihrer Qualität überprüft. Dabei sollen quantitativ hochwertige, relevante und aktuelle Befunde anhand von wissenschaftlichen Kritisiert geprüft und priorisiert werden. Die aktuellen Metaanalysen werden fortlaufend von einer Forschungsdatenbank gepflegt und können durch eigene Forschungssynthesen erweitert werden. Die Kurzreviews (aktuell 27), die derzeit sich auf die MINT-Fächern konzentrieren, werden anschließend kostenlos und für jeden auf deren Website zur Verfügung gestellt (vgl. Clearing House Unterricht o.J.).4 Was bringt jetzt CHU für uns als (angehende) Lehrkräfte? Ziel dieser Plattform ist es, die Masse an wachsenden Forschungsbefunde für Lehrerbildner in allen Phasen zielgruppengerecht, kurz, prägnant und nach ihrer Richtigkeit zusammenzufassen. Das CHU versucht damit, die Bildungsforschung und das evidenzbasierte Handeln für alle Lehrkräfte weiter auszubauen (vgl. Clearing House Unterricht o.J.). Gerade die Lehrerausbildung ist eine Tätigkeit, die man quasi nie auslernt. Empfehlungen, Methoden, Befunde oder die Evidenz werden sich immer weiterentwickeln. Lehrkräfte müssen sich dementsprechend auch an anpassen. Mit CHU haben sie jederzeit die Möglichkeit bei der Flut an wissenschaftlichen Publikationen einen guten Überblick zu behalten, die sie situationsspezifisch, sei es zum Thema Klassenmanagement, Lernstrategien oder Unterrichtsplanung, selbst umsetzen können.5
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1 Eine Orientierung dafür geben die Leitperspektiven und der Leitfaden für Demokratiebildung. Siehe: BW-Bildungsplan (2016). Leitperspektiven und Leitfaden der Demokratiebildung, Retrieved from http://www.bildungsplaene-bw.de/,Lde/LS/BP2016BW/ALLG/LP
2 Hierbei werden die Daten von LSA in zweierlei Hinsicht geprüft: Zum einen wird die durchschnittlichen Kompetenzen (Leistungstests) der einzelnen Teilnehmerstaaten und zum andern die Kontextmerkmale (Fragebögen) gemessen (vgl. Sälzer/Schiepe-Taska/Prenzel 2019, S. 667).
3 Das zeigt sich besonders bei den Geschlechtern: Im Bereich Mathematik schnitten die Mädchen nämlich schlechter ab als bei den Jungs. Der geschlechtsspezifische Leitungsunterschied ist in Deutschland damit größer als im OECD-Durschnitt (vgl. PISA 2018, S. 7).
4 Die Kurzreviews können zusätzlich in Form von Foliensätze, Bilder, Videos, Podcasts etc. ergänzt werden.
5 Zu erwähnen sei bspw. ein Kurzreview, welches zum Thema Digitalisierung im Unterricht veröffentlicht wurde. Die Studie untersucht, ob digitale Geräte das kollaborative Lernen der SuS im Unterricht unterstützen würden. Siehe: Knogler, M., Wiesbeck, A. B. & CHU Research Group (2018). Kollaboratives Lernen und mobile digitale Geräte: Eine wirksame Kombination? Retrieved from https://www.clearinghouse.edu.tum.de/wp-content/uploads/2018/05/CHU_KR-15_Sung_2017_kollaboratives-Lernen_mobile-Geräte.pdf
- Arbeit zitieren
- Hoang Phan Viet (Autor:in), 2022, Herbarts "Takt", Monitoring und Benchmarking und Clearing-House-Unterricht. Pädagogische Grundfragen und Konzepte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1334631