Kaum ein Gebiet entwickelt sich so stark wie die Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere das Internet. Diese Tatsache führt zwangsläufig zu Veränderungen von Unternehmensstrukturen wie beispielsweise zu Neukombinationen von Produktionsfaktoren oder zu veränderten Unternehmensgrenzen, ebenso zu Branchen-, Markt- und Beschäftigungsveränderungen, welche sich letztlich in einem Strukturwandel bemerkbar machen können.
Werden diese Entwicklungen durch technologische Strukturveränderungen hervorgerufen und als Aufeinanderfolge von langfristigen Zeiträumen unterschiedlichen Wachstums aufgefasst, so verläuft der volkswirtschaftliche Strukturwandel - wie der russische Wirtschaftswissenschaftler Nikolaj Kondratieff nachwies - in langen Wellen oder Zyklen, die sich jeweils auf einen Zeitraum von ungefähr 50 Jahren erstrecken. Stets sind es folgeträchtige, innovative Erfindungen, die zu neuartigen Technologien führen und die lang andauernden Aufschwungphasen einleiten (vgl. Little 1997, S. 30). Folgende Zyklen werden beschrieben (vgl. Wirtz 2001, S. 14):
- Die erste lange Welle war die industrielle Revolution. Sie umfasste in etwa den Zeit-raum von 1782 bis 1845. In ihr kamen der mechanische Webstuhl und die Dampfmaschine zum Einsatz.
- Die zweite Welle wurde vom Eisenbahnbau und der Stahlindustrie getragen und dauerte von etwa 1845 bis 1892.
- In der dritten langen Welle, ca. 1892 bis 1948, bilden die Elektrizität und neue Entwicklungen in der Chemie, vor allem von Düngemitteln, die Aufschwungfaktoren. Hinzu kam die erste wirtschaftliche Nutzung des Verbrennungsmotors.
- Die tragenden Faktoren der vierten langen Welle waren die allgemeine Motorisierung und die Verkehrstechnik, die Molekularbiologie, die Kunststoffindustrien sowie Funk und Fernsehen. Diese Welle begann um 1948 und endete um 1995.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation
1.2 Problemstellung
1.3 Zielsetzung
1.4 Struktur und methodisches Vorgehen
2 Joseph A. Schumpeters Entwicklungstheorie
2.1 Der Entwicklungsprozess
2.2 Die Schumpeter-Renaissance – Wirtschaftsökonomische Aspekte
2.3 Schumpeters Theorieelemente der schöpferischen Pionierunternehmung
2.3.1 Der Prozess der schöpferischen Zerstörung
2.3.2 Der Innovationsbegriff bei Schumpeter
2.3.3 Die Träger der Innovationen
2.3.3.1 Der dynamische Unternehmer
2.3.3.2 Die Unternehmen
2.3.4 Zusammenhang von Innovationen, Nachfrage und Investitionen
2.3.5 Wettbewerb und Imitation: Das klassische Innovator-Imitator-Modell
2.3.6 Zusammenhang von Innovationen und wirtschaftlichem Auf- und Abschwung
3 Marktdynamik und Wettbewerb – Die entscheidende Rolle der Information
3.1 Unternehmen und Märkte
3.2 Analyse des Marktgeschehens
3.2.1 Die neoklassische Gleichgewichtstheorie
3.2.2 Marktprozess und Unternehmertum
3.2.2.1 Kirzners Theorie des Marktprozesses
3.2.2.2 Vergleich der Theorien: Schumpeter - Kirzner
3.2.3 Neue Institutionenökonomik
3.2.3.1 Die Property-Rights-Theorie
3.2.3.2 Die Transaktionskostentheorie
3.2.3.3 Die Principal-Agent-Theorie
3.2.4 Informationsökonomischer Ansatz
3.3 Entstehung der Internetökonomie
3.3.1 Informations- und Kommunikationstechnolologien
3.3.2 Leistungsexplosion der Informations- und Kommunikationstechnologien
3.3.3 Die Internetrevolution
3.3.4 Konvergenz der Medien- und Kommunikationssektoren
4 Die Internetökonomie
4.1 Charakteristika
4.1.1 Digitalität
4.1.1.1 Neue Produkte
4.1.1.2 Verhältnis von Produktions-, Reproduktions- und Distributionskosten
4.1.1.3 Produktivitätssteigerung
4.1.1.4 Neue Märkte
4.1.1.5 Neue Formen der vernetzten Zusammenarbeit, Spezialisierung, Arbeitskooperation und –teilung
4.1.1.6 Information als Produktionsfaktor
4.1.2 Vernetzung
4.1.2.1 Netzwerkeffekte
4.1.2.2 Economies of Scale
4.1.3 Globalität
4.1.3.1 Globalisierung im Zeitalter des Internets
4.1.3.2 Business Webs als typische Organisationsform
4.2 Neue Strategien
4.2.1 Produktstrategien - Versioning
4.2.2 Preisstrategien – Follow the Free
4.2.3 Kommunikationsstrategien – Eins-zu-Eins Marketing
4.2.4 Erlösformen
4.2.5 Finanzierungsformen
4.3 Electronic Business
4.3.1 Marktbereiche Business-to-Consumer, Business-to-Business
4.3.2 Grundlagen und Elemente von Geschäfts- und Erlösmodellen
4.3.2.1 Marktmodell
4.3.2.2 Beschaffungsmodell
4.3.2.3 Leistungserstellungsmodell
4.3.2.4 Leistungsangebotsmodell
4.3.2.5 Distributionsmodell
4.3.2.6 Kapitalmodell
4.3.3 Geschäftsmodelle im E-Business
4.3.3.1 Geschäftsmodell Context
4.3.3.2 Geschäftsmodell Connection
4.3.3.3 Geschäftsmodell Content
4.3.3.4 Geschäftsmodell Commerce
5 Amazon
5.1 Entwicklung des Unternehmens
5.2 Unternehmensphilosophie und Ziele
5.3 Das Geschäftsmodell
5.3.1 Das Marktmodell
5.3.2 Das Beschaffungsmodell
5.3.3 Das Leistungserstellungsmodell
5.3.4 Das Leistungsangebotsmodell
5.3.5 Das Distributionsmodell
5.3.6 Das Kapitalmodell
5.4 Amazon – eine Schumpetersche Pionierunternehmung?
6 BOL
6.1 Entwicklung des Unternehmens
6.2 Unternehmensphilosophie und Ziele
6.3 Das Geschäftsmodell
6.3.1 Das Marktmodell
6.3.2 Das Beschaffungsmodell
6.3.3 Das Leistungserstellungsmodell
6.3.4 Das Leistungsangebotsmodell
6.3.5 Das Distributionsmodell
6.3.6 Das Kapitalmodell
6.4 Vergleich: BOL – Amazon
6.5 BOL – eine Schumpetersche Pionierunternehmung?
7 Zusammenfassung
8 Literatur
1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation
Kaum ein Gebiet entwickelt sich so stark wie die Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere das Internet. Diese Tatsache führt zwangsläufig zu Veränderungen von Unternehmensstrukturen wie beispielsweise zu Neukombinationen von Produktionsfaktoren oder zu veränderten Unternehmensgrenzen, ebenso zu Branchen-, Markt- und Beschäftigungsveränderungen, welche sich letztlich in einem Strukturwandel bemerkbar machen können.
Werden diese Entwicklungen durch technologische Strukturveränderungen hervorgerufen und als Aufeinanderfolge von langfristigen Zeiträumen unterschiedlichen Wachstums aufgefasst, so verläuft der volkswirtschaftliche Strukturwandel - wie der russische Wirtschaftswissenschaftler Nikolaj Kondratieff nachwies - in langen Wellen oder Zyklen, die sich jeweils auf einen Zeitraum von ungefähr 50 Jahren erstrecken. Stets sind es folgeträchtige, innovative Erfindungen, die zu neuartigen Technologien führen und die lang andauernden Aufschwungphasen einleiten (vgl. Little 1997, S. 30). Folgende Zyklen werden beschrieben (vgl. Wirtz 2001, S. 14):
- Die erste lange Welle war die industrielle Revolution. Sie umfasste in etwa den Zeitraum von 1782 bis 1845. In ihr kamen der mechanische Webstuhl und die Dampfmaschine zum Einsatz.
- Die zweite Welle wurde vom Eisenbahnbau und der Stahlindustrie getragen und dauerte von etwa 1845 bis 1892.
- In der dritten langen Welle, ca. 1892 bis 1948, bilden die Elektrizität und neue Entwicklungen in der Chemie, vor allem von Düngemitteln, die Aufschwungfaktoren. Hinzu kam die erste wirtschaftliche Nutzung des Verbrennungsmotors.
- Die tragenden Faktoren der vierten langen Welle waren die allgemeine Motorisierung und die Verkehrstechnik, die Molekularbiologie, die Kunststoffindustrien sowie Funk und Fernsehen. Diese Welle begann um 1948 und endete um 1995.
Wirtz ordnet diese, im wesentlichen durch technologische Revolutionen bestimmten Wellen der Industriegesellschaft zu, während die Innovationen in der Informationstechnologie, insbesondere das Zusammenwachsen von bisher getrennten Wirtschaftsbereichen wie Telekommunikation, Informations- und Kommunikationstechnik zu einem Wandel von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft führten und damit den aktuellen fünften Kondratieff-Zyklus angestoßen haben. Die Informations- und Kommunikationstechnologie stellt die fundamentale Technologie dar welche sich zunehmend zu einem eigenständigen Sektor der Volkswirtschaft herausbildet (vgl. Wirtz 2001, S. 14–15).
1.2 Problemstellung
Die Gleichgewichtstheorien der neoklassischen Ökonomen betrachten Waren, Produktionsanlagen der Betriebe und Märkte ebenso als gegeben wie die Bedarfsstrukturen der Menschen und schließen damit qualitative Änderungen von Gütern aus. Es wird von einem Wirtschaftskreislauf ausgegangen in dem die Gossenschen Gesetze ebenso wie das Ertragsgesetz gelten, in dem Gleichgewichtspreise herrschen und es vornehmlich um Tauschaspekte geht. Qualitative Änderungen werden durch das Ertragsgesetz, das Auftreten neuer Bedürfnisse durch die Gossenschen Gesetze ausgeschlossen. Lediglich Preise, Kosten und Mengen können variieren (vgl. Arndt 1992, S. 24–25).
Charakteristisch an Marktwirtschaften ist jedoch nicht der Wirtschaftskreislauf, sondern die Entwicklung neuer Märkte aufgrund der Veränderungen von Waren, Produktionsverfahren sowie von Bedarfsstrukturen unter unvollkommener Konkurrenz. Die Marktgleichgewichtstheorie vernachlässigt die Bedeutung von Markt und Wettbewerb als Institutionen zur Verbreitung von Informationen und Wissen. Somit sind die Theorien der neoklassischen Kreislaufwirtschaft nicht geeignet, den durch ständige Situationsveränderungen gekennzeichneten Prozessablauf der wirtschaftlichen Entwicklung zu erklären. Die Erfassung dieses Handlungsablaufs im Wettbewerbs- und Marktprozess und seiner wirtschaftlichen Konsequenzen außerhalb von Gleichgewichtslagen beschreiben die dynamischen Wettbewerbstheorien, auch Marktprozesstheorien oder Entwicklungstheorien genannt. Diese ergänzen die neoklassische Markttheorie um die ökonomische Verwertung neuer Ideen durch kreative Unternehmer und Unternehmungen sowie um die Macht der Verbraucher, durch ihre Kaufentscheidungen Preise und Qualitäten zu beeinflussen. Neue Ideen entstehen durch die von den Institutionen Markt und Wettbewerb verbreiteten Informationen. Das Erkennen, die Ausnutzung und die Bedeutung von Informationslücken und unvollständiger Information sind Ausgangspunkte der Analyse von Marktprozesstheorien (vgl. Picot et al. 2001, S. 32).
Der Informations- und Kommunikationssektor gewinnt damit im Zuge des gesellschaftlichen und technologischen Wandels zunehmend an Bedeutung, nicht nur was das Erkennen von Innovationspotentialen betrifft, sondern auch, was die wirtschaftliche Entwicklungsdynamik, also die Veränderungen und Entwicklungen von Volkswirtschaften betrifft.
Die erste evolutorische Theorie des Entwicklungsprozesses von Volkswirtschaften wurde von Joseph A. Schumpeter veröffentlicht (vgl. Behrens 1987, S. 25). Schumpeters Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ von 1912 leistet einen fundamentalen Beitrag zur Entwicklung der ökonomischen Wissenschaft und erfährt hinsichtlich heutiger Entwicklungen im Bereich moderner Informations- und Kommunikationstechnologien eine Renaissance.
Die treibenden Kräfte hinter dem langwelligen Auf-und-Ab der volkswirtschaftlichen Konjunktur, so hatte Schumpeter erkannt, sind Unternehmer, Neuerer, die durch Innovationen vorhandene Güter ersetzen, zum Beispiel die Substitution von Schreibmaschinen durch Computer, oder neue Produkte und Dienstleistungen überhaupt erst ermöglichen, zum Beispiel Computersoftware (vgl. u. a. Little 1997, S. 30; Picot et al. 2001, S. 37).
Innovationen verändern nach Schumpeter das volkswirtschaftliche Gleichgewicht, indem sie vorhandene Strukturen erweitern und ersetzen und somit die technologische Entwicklung vorantreiben. In seiner „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ zeigt Schumpeter auf, wie einzelne Innovationsaktivitäten, entstanden durch Informations- und Wissensvorsprünge, andere nach sich ziehen und sich gegenseitig verstärken. So erklärt er die Synergiewirkung von Aufschwungphasen, denn wenn Neuerer mit Erfolg vorangegangen sind, folgen oftmals Imitatoren. Drauf aufbauend begründet Schumpeter Konjunkturzyklen als Summenwirkung es einzelunternehmerischen Handelns. Die Erfahrung zeigt, dass die zyklische Natur der Wirtschaftsprozesse makroökonomisch durch Innovationen vorangetrieben wird. Sie zeigt aber auch, dass einige Unternehmen aus mikroökonomischer Sicht in den Wellen der Konjunktur erfolgreich wachsen, während andere vom Markt verschwinden (vgl. Little 1997, S. 38-39).
1.3 Zielsetzung
Das Ziel dieser Diplomarbeit ist es, Schumpeters Theorie des dynamischen Pionierunternehmers darzustellen und das aktuelle Wissen sowohl über die Wichtigkeit der Information auf Märkten und für die Unternehmen als auch über die ökonomischen Aspekte des Internets zu erarbeiten. Gemäß dem Titel der Studie wird überprüft, ob Schumpeters Theorie auch für junge Unternehmen aus der Informations- und Kommunikationstechnologiebranche zutrifft.
1.4 Struktur und methodisches Vorgehen
Um der Zielsetzung der Arbeit gerecht zu werden, ist sie wie folgt aufgebaut:
In Kapitel 2 wird Joseph A. Schumpeters Entwicklungstheorie dargestellt. Hierzu werden einleitend die Entwicklung und die ökonomisch-wirtschaftlichen Aspekte vorgestellt um das Wissen über die schöpferische Pionierunternehmung gemäß Schumpeter abzurunden. Die einzelnen Elemente der Theorie von Pionierunternehmen werden ausführlich vorgestellt und miteinander in Verbindung gebracht.
In Kapitel 3 wird erarbeitet, weshalb die Informationen das Handeln von Unternehmen und das Geschehen auf Märkten beeinflussen. Vor allem für die jungen Unternehmen in der Informations- und Kommunikationstechnologie ist dies zur erfolgreichen Etablierung auf dem Markt von entscheidender Bedeutung. Einleitend wird das grundlegende Wissen über die Unternehmen und Märkte vermittelt. Anhand ausgewählter Theorieansätze wird die Bedeutung von Informationen, Normen und Verträgen für die Wirtschaft und für die Unternehmen beschrieben. Ferner wird auf die Bedeutung der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen den Marktseiten eingegangen. Als Übergang zu Kapitel 4 wird die Entstehung der Internetökonomie mit der sprunghaften Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien in Zusammenhang gebracht.
Kapitel 4 widmet sich der Internetökonomie. Im einzelnen werden die Charakteristika und die sich aus diesen für die Unternehmen ergebenen Folgen und neuen Strategien vorgestellt. Die für die zu untersuchenden Unternehmen relevanten Marktbereiche und Geschäftsmodelle werden näher beschrieben, daher wird auf einen Vergleich von Wertschöpfungsketten verzichtet.
Kapitel 5 beschäftigt sich mit dem Internetunternehmen Amazon. Hierzu wird die Entwicklung des Unternehmens aufgezeigt, die Unternehmensphilosophie und Ziele beschrieben und das Geschäftsmodell untersucht. Dabei wird der Schwerpunkt auf den Bereich Commerce gelegt. Letztlich wird analysiert, ob Amazon eine Schumpetersche Pionierunternehmung ist.
Kapitel 6 widmet sich dem Internetunternehmen BOL. Ähnlich Kapitel 5 wird die Entwicklung des Unternehmens und die Unternehmensphilosophie und Ziele beschrieben. Das Geschäftsmodell wird ebenfalls im Bereich Commerce untersucht. In der Folge werden BOL und Amazon miteinander verglichen, da es sich bei beiden um Online-Buchhändler handelt, die aber zu unterschiedlichen Zeiten auf dem Markt erschienen. Letztlich wird analysiert, ob BOL ein Schumpetersches Pionierunternehmen ist.
2 Joseph A. Schumpeters Entwicklungstheorie
2.1 Der Entwicklungsprozess
Niemand hat im 20. Jahrhundert die wirtschaftliche Entwicklung so umfangreich zu erklären versucht, wie Joseph Alois Schumpeter (vgl. Recktenwald 1988, S.15). Aufbauend auf dem Stand der ökonomischen Wissenschaft Anfang des 20. Jahrhunderts, welche von einem statischen Wirtschaftskreislauf ausging, hiervon handelt sein erstes Buch „Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie“ von 1908, stellt er in seinem erstmals 1912 herausgegebenen zweiten großen Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ den Entwicklungsaspekt in den Vordergrund seiner Analyse. Seine Theorie des waagemutigen, des dynamischen Unternehmers ist der wohl wichtigste Beitrag zur theoretischen Ökonomie bei der Untersuchung wirtschaftlicher Entwicklung. Die traditionell vorherrschende statische Gleichgewichtstheorie der Neoklassiker, welche nicht in der Lage ist, die wirtschaftlichen Phänomene hinsichtlich der Entwicklung von Volkswirtschaften zu erklären, wird um den Aspekt des Entwicklungsgedankens bereichert, indem der innovative Unternehmer als Träger des Fortschritts fungiert. Die traditionelle Theorie geht davon aus, dass der Mechanismus von Angebot und Nachfrage auf dem Markt zu einem statischen Gleichgewicht führt. Während diesem Zustand des Gleichgewichts werden die gleichen Waren in gleichen Mengen und zum gleichen Wert verkauft. Es herrscht kein Wettbewerb mehr. Nach Schumpeter aber ist die Konkurrenz von Produktionsverfahren und die Qualität von Gütern für die Entwicklung viel bedeutsamer als die Preiskonkurrenz. Die Wirtschaft bringt so durch ihr eigenes Funktionieren Hochkonjunkturen oder Krisen hervor (vgl. Koesters 1983, S. 162-163). Er versteht die wirtschaftliche Entwicklung als eine Abfolge von Auf- und Abschwüngen, ausgehend von einem von ihm unterstellten Gleichgewichtszustand. Die Dynamik der kapitalistischen Wirtschaft resultiert aus der Existenz von Unternehmern, welche das Wirtschaftssystem ruckweise verändern, indem sie es von einem Gleichgewicht zu einem anderen treiben und somit die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben.
Schumpeters Gedanken kreisen in seinem Werk „Das Wesen und der Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie“ noch um den statischen Gleichgewichtszustand der zeitgenössischen Ökonomie, welcher sich aus dem konkurrenzwirtschaftlichen Marktmechanismus immer wieder neu einstellt. In seinem nachfolgenden Hauptwerk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ betont er dagegen die Verschiebung des Gleichgewichtszustands im Gegensatz zum Vorgang der Bewegung nach einem Gleichgewichtszustand. Damit ist unter Entwicklung die Veränderung der Bahn zu verstehen, in welcher sich der Kreislauf erfüllt (vgl. Schumpeter 1997, S. 93).
Entwicklungen im Sinne Schumpeters sind jedoch nur solche Veränderungen, welche die Wirtschaft aus sich selbst heraus (endogen) erzeugt, die also durch das Auftreten von dynamischen Unternehmern mittels Innovationen entstehen. Äußere (exogene) Anstöße werden nicht betrachtet, ebenso wenig kontinuierliche endogene Veränderungen (vgl. Heertje 1996, S. 264). Das Resultat ist ein wirtschaftliches Gleichgewicht, welches sich auf einer veränderten Ebene einstellt, vergleichbar mit einem veränderten Gravitationszentrum (vgl. Schumpeter 1997, S. 99). Damit beschreibt er ein logisch geschlossenes Modell der Wirtschaftentwicklung, ohne jedoch die neoklassische Annahme einer Bewegung zum Gleichgewicht innerhalb eines Gravitationszentrums zu leugnen. Mit anderen Worten: Die Entwicklung des Kapitalismus als Reproduktionsprozess schließt den Gleichgewichtszustand, wie ihn die Neoklassiker deuten, nicht aus (vgl. Müller 1990, S. 33). Schumpeter (1997, S. 99) beschreibt dieses wie folgt: „Unsere Entwicklungstheorie ist ... eine Theorie der so abgegrenzten Veränderungen der Bahn des Kreislaufs, eine Theorie des Übergangs der Volkswirtschaft von dem jeweils gegebenen Gravitationszentrums zu einem anderen („Dynamik“) im Gegensatz zur Theorie des Kreislaufs selbst, zur Theorie der steten Anpassung der Wirtschaft an wechselnde Gleichgewichtszentren und ipso facto auch der Wirkungen dieses Wechsels („Statik“)“. Für den Antrieb dieser Entwicklung sind innovative Unternehmer verantwortlich, auf welche später eingegangen wird. In seinem späteren Werk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ von 1950 nennt er diesen Entwicklungsprozess schöpferische Zerstörung, denn hier geht es detaillierter um den Entwicklungsprozess als solchen. Ausschlaggebend ist, dass laufend unternehmerische Aktivitäten, zum Beispiel Technologien, revolutioniert und verändert werden; also Revolution oder Absorption der Ergebnisse der Revolution im Gang sind, welche schließlich den Konjunkturzyklus begründen (vgl. Schumpeter 1993, S. 134–142). Der fundamentale Antrieb der wirtschaftlichen Entwicklung durch Unternehmer ist derselbige wie in „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“. Letztendlich resultiert aus diesem Antrieb ein Wandel der Industriestrukturen, indem sich zunehmend Großunternehmen herausbilden. Hinsichtlich der Entstehung von Großunternehmen kann damit das Bild einer vollständigen Konkurrenz, von der Schumpeter vorher noch ausging, nicht aufrechterhalten werden. Die durch Kosten- und Qualitätsvorteile entstehenden Oligo- und Monopole werden zum kräftigsten Motor des Fortschritts.
Warum Schumpeters Gedankengut von Ökonomen und Politikern gerade heute wieder aufgegriffen werden, ist in erster Linie jenem Umstand zu verdanken, dass Schumpeter Antworten zu Fragen unterbreitet hat, die für Lösungen der Probleme der heutigen Zeit mit Gewinn studiert werden können, beispielsweise das Problem der Langen Wellen, die Rolle des dynamischen Unternehmers oder das Innovationsproblem. Letzteres im Kontext mit der Frage nach der Rolle des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und den möglichen Triebkräften für die weitere ökonomische Entwicklung (vgl. Müller 1990, S 11). Er machte wichtige Aussagen über das Innovationsverhalten von Unternehmen, die auch in der heutigen Zeit prinzipiell noch gelten. So führen Innovationen meist zu größeren Umstellungen wie die Um- oder Neuorganisation von Unternehmen. Innovationen stehen sehr oft in einem engen Zusammenhang mit dem Entstehen und Vergehen von Firmen. Denn wird der Zweck und die Idee, aus denen heraus ein Unternehmen gegründet wurde unzeitgemäß, verliert es an Lebenskraft (vgl. Koesters 1983, S. 165).
Im folgenden werden Teilaspekte dieser Schumpeter-Renaissance vorgestellt. Teilaspekte deshalb, weil eine Untersuchung aller seiner Werke dass Maß dieser Arbeit überschreiten würde und Aufgabe vieler Teildisziplinen der ökonomischen Wissenschaft ist. Nachfolgend werden die für das Verständnis der Schumpeter-Renaissance wesentlichsten ökonomischen Hintergründe dargestellt.
2.2 Die Schumpeter-Renaissance – Wirtschaftsökonomische Aspekte
Die ausschlaggebendsten Gründe, weshalb sich sowohl Ökonomen als auch Politiker auf Schumpeters Theorien besinnen, sind die durch den technischen Fortschritt hervorgerufenen Veränderungen in der Kapitalverwertung und Reproduktion in den kapitalistischen Industrieländern. Neue Ideen und neue Kombinationen induzieren den technischen Fortschritt, sind unerschöpfbar und nicht vorhersehbar. Daher unterliegen technische Innovationen nicht dem Gesetz des abnehmenden Ertrages, wie es viele Ökonomen annehmen, Keynes eingeschlossen (vgl. Recktenwald 1988, S. 25). Diese Strukturveränderungen initiieren die Rückbesinnung auf die in Schumpeters Werk „Business Cycles“ dargestellte Theorie der Langen Wellen, ähnlich der schon in der Einleitung erwähnten Kondratieff-Zyklen und werfen ökonomische sowie wirtschaftspolitische Fragen auf (vgl. Müller 1990, S. 69).
Lösungen sucht man gerade deshalb in Schumpeters Theorien zu finden, weil er ein dynamisches Konzept entworfen hat, welches Strukturveränderungen analysiert, mittels derer die Entwicklung der Wirtschaft erklärt wird und weil die an der Keynesschen Wirtschaftstheorie ausgerichtete Wirtschaftspolitik keine hinreichenden, langfristigen Lösungen der Strukturprobleme bietet. Hierin besteht einer der Hauptgründe der Schumpeter-Renaissance (vgl. Müller, 1990 S. 69-72): Das Versagen der staatlichen nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik wurde vor allem durch die Krise der kapitalistischen Weltwirtschaft Mitte der siebziger Jahre sichtbar. Die Lösung im Sinne einer ökonomischen Anpassungsstrategie der Politik wäre nach Schumpeter eine Politik der Förderung von unternehmerischen Innovationen, insbesondere von Basisinnovationen, also die Regulierung der Angebotsseite der Produktion, vor allem der Investitionstätigkeit und des Arbeitskräftemarktes, um durch wissenschaftlich-technischen Fortschritt neben einer Produktivitätssteigerung eine Intensivierung des Reproduktionsprozesses zu fördern. Basisinnovationen ist gemein, dass es sich hierbei um die erstmalige Anwendung eines neu entwickelten Produktes oder Verfahrens handelt (vgl. Keßler 1992, S. 19). Insbesondere Schumpters „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ bietet effektive Ansatzpunkte für einen Ausweg aus die mit dem Strukturwandel einhergehenden Konjunkturkrisen. Nach Schumpeters Theorie stellen einzelwirtschaftliche Innovationen des schöpferischen Unternehmers die Triebkräfte für einen gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsprozess der Wirtschaft, also des Wirtschaftsaufschwungs dar. Auch Heertje (1996, S. 266) betont, dass die wirtschaftliche Erholung in den achtziger Jahren im speziellen der Förderung der Angebotsseite zu verdanken war. Somit hält er ein Wiederaufblühen der Schumpeterschen Theorie für möglich.
Schumpeters Theorien bilden die Grundlage für künftige Modelle der wirtschaftlichen Entwicklung, welche Schumpeters Ansatz erweitern und verbessern, beispielsweise für die Theorie von Kirzner (vgl. 3.2.2.1) und für die Institutionenökonomik (vgl. 3.2.3).
2.3 Schumpeters Theorieelemente der schöpferischen
Pionierunternemung
In Kapitel 2.1 wurde Schumpeters Konzept der wirtschaftlichen Entwicklung vorgestellt. Anschließend wurden die zum Verständnis dieses Kontextes wichtigsten Hintergründe der Schumpeter-Renaissance erläutert. Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass hier nur die Skizze der Schumpeterschen Erklärung seines Modells der wirtschaftlichen Entwicklung dargestellt wurde. Es kann hier nicht die komplette Theorie wiedergegeben werden, sondern lediglich der Rahmen, welcher das in unserem Zusammenhang noch zu analysierende Gebiet der Schumpeterschen Pionierunternehmung beinhaltet.
Komprimiert lässt sich der Inhalt der vorangegangenen Kapiteln am deutlichsten in Müllers Worten wiedergeben: Schumpeters Theorie ist darauf ausgerichtet zu erklären, wie sich die Wirtschaft durch das Auftreten des dynamischen Unternehmers und durch den Prozess der schöpferischen Zerstörung mittels Innovationen von einem Gleichgewicht zu einem neuen Gleichgewicht auf höherem wissenschaftlich-technischen und Produktivitätsniveau entwickelt (vgl. Müller 1990, S. 108).
Da Schumpeter das gesamtwirtschaftliche Wachstum von dem einzelwirtschaftlichen Wachstum ableitet, bedingt durch unternehmerische Innovationen, ist es Aufgabe der weiteren Ausarbeitung, die theoretischen Grundlagen für die Fragestellung herauszuarbeiten, inwieweit Schumpeters Theorie der schöpferischen Unternehmung auf heutige Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie, speziell der Internettechnologie zutrifft.
Für Schumpeter ist der Prozess der schöpferischen Zerstörung wesentliches Merkmal des Kapitalismus. Im folgenden wird dieser Prozess als Theorierahmen benutzt in welchem die Ursache dieses Prozesses beschrieben wird.
2.3.1 Der Prozess der schöpferischen Zerstörung
Schumpeter beschreibt in seiner Darstellung des Prozesses der schöpferischen Zerstörung, wie der Kapitalismus die Wirtschaft verändert indem er „... unaufhörlich die alte Struktur zerstört und unaufhörlich eine neue schafft“ (Schumpeter 1993, S. 137-138). Zerstört werden jene Strukturen, die von Unternehmern und Unternehmungen nicht aufrechterhalten werden können, weil sie nicht anpassungsfähig sind (vgl. u. a. Kessler 1992, S. 10; Schumpeter 1993, S. 148). Dem Prozess der schöpferischen Zerstörung fallen also jene Unternehmer zum Opfer, die sich nicht rechtzeitig dem technischen Fortschritt des Marktes angepasst haben und unrentabel arbeiten. Im Wettbewerb werden die alten Herstellungsmethoden und Waren durch neuere und qualitativ hochwertige ersetzt. Unternehmerische Innovationen sind es, welche diesen ständigen Prozess auslösen. Sie sorgen aber auch dafür, dass immer höhere Stufen materiellen Wohlstandes entwickelt und verwirklicht werden. So sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts nahezu alle Güter qualitativ hochwertiger, billiger und für die Massen erreichbarer geworden (vgl. Koesters 1983, S. 160-161). Die wirtschaftliche Entwicklung vollzieht sich, wenn der statische Kreislauf durch das Auftreten besserer Kombinationen sprunghaft in der Art geändert wird, dass die Wirtschaft am Ende der Veränderung ein neues und höheres Gleichgewicht erreicht (vgl. Scherer 1988, S. 79). Da diese Innovationen die herausragende Rolle im Prozess der schöpferischen Zerstörung oder allgemeiner ausgedrückt, für die wirtschaftliche Entwicklung einnehmen, wird im folgenden der Begriff der Innovation sowie deren Träger näher präzisiert.
2.3.2 Der Innovationsbegriff bei Schumpeter
In „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ definiert Schumpeter Innovationen als die Durchsetzung neuer Kombinationen, welche sich nicht „... durch kleine Schritte, kontinuierlich anpassend ...", sondern spontan und diskontinuierlich auftreten (Schumpeter 1997, S. 100). Fünf Fälle der Durchsetzung neuer Kombinationen werden unterschieden (vgl. Schumpeter 1997, S. 100-101):
1. Herstellung eines neuen Produktes oder Verbesserung der Qualität eines Produktes,
2. Verbesserung einer vorhandenen oder Einführung einer neuen Produktionsmethode, die nicht notwendigerweise auf einer wissenschaftlich neuen Entdeckung zu beruhen braucht,
3. Erschließung eines neuen Absatzmarktes, auf dem der betreffende Industriezweig noch nicht eingeführt war, mag dieser Markt schon existiert haben oder nicht,
4. Erschließung einer neuen Bezugsquelle, mag diese bereits existiert haben, wurde jedoch nicht genutzt oder sie wurde neu geschaffen,
5. Neue Organisationsformen in einem oder zwischen Unternehmen.
Unter Innovationen werden also nicht nur Neuerungen im Sinne von völlig neuen Erfindungen verstanden. Auch kann nicht jede neue Idee oder Erfindung, in der Folge Invention genannt, als Innovation bezeichnet werden. Es handelt sich nur dann um eine Innovation, wenn eine Erfindung oder neue Idee auch wirklich auf dem Markt durchgesetzt wird. Nach Koesters (1983, S. 165) sind bei den Produkten nur ungefähr vier Prozent aller Erfindungen Innovationen. Inventionen müssen also nicht unbedingt zu Innovationen führen, können somit ohne ökonomische Konsequenzen bleiben (vgl. Heertje 1996, S. 264).
Des weiteren betont Schumpeter, dass neue Kombinationen von den selben Leuten durchgesetzt werden können, die alte, eingelebte Kombinationen desselben Betriebszweiges beherrschen, dies aber nicht zum Wesen der Sache gehört. Vielmehr treten die neuen Kombinationen einschließlich neu gegründeter Unternehmungen zunächst neben die alten, um diese durch Konkurrenzwirtschaft und Arbeitskräfteentzug, begründet durch Andersverwendung des volkswirtschaftlichen Produktionsmittelvorrates, allmählich zu verdrängen. Hinsichtlich der Definition von Innovationen spielt es keine Rolle, wer diese Neuerungen erzeugt hat. Entscheidend ist „... die erste kommerzielle Nutzung einer Neuerung in einer Volkswirtschaft überhaupt“ (Keßler 1992, S. 17).
Innovationen treten in zeitlich ungleichmäßigen Abständen und in unterschiedlich großen Mengen auf. Sie werden weniger durch Bedürfnisveränderungen der Verbraucher hervorgerufen, vielmehr durch die Kreativität und Motivation der dynamischen Unternehmer (vgl. Koesters 1983, S. 166).
2.3.3 Die Träger der Innovationen
Während in „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ noch die Unternehmer die Träger der Innovationen sind und dabei Innovation und Invention unabhängig voneinander betrachtet werden, dass heißt die Invention als exogene Variable durch den unternehmensgründenden Unternehmer endogenisiert und damit zur Innovation wurde, werden die Innovationen und die Inventionen in „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ von vornherein als endogene Faktoren des Wirtschaftsprozesses aufgefasst. Der Grund dieser veränderten Auffassung liegt darin, dass Schumpeter in seinem neueren Werk nicht mehr unbedingt von neu gegründeten Unternehmungen ausgeht. Er betont jedoch, dass es weitaus typischer für den Unternehmer wäre, ein völlig neues Unternehmen aufzubauen, um seine Projekte zu verwirklichen (vgl. Scherer 1988, S. 81). In „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ sind vor allem die mono- und oligopolistischen Großunternehmen mehrheitlich Träger sowohl der Inventionsentwicklung, vordergründig als Produkt der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten, als auch Träger der Innovationsentwicklung. Damit wird die Unabhängigkeit von Invention und Innovation aufgegeben. Beide werden zu einem kontinuierlichen Vorgang mit systematischer Inventions- und Innovationsplanung. Dieser Prozess verlangt in zunehmenden Maße geschulte Spezialisten, welche fähig sind, das von ihnen Verlangte zu liefern um damit zur Förderung des technischen Fortschritts beizutragen (vgl. Keßler 1992, S. 21-22).
Nachfolgend wird dargestellt, weshalb Schumpeter sein Unternehmermodell dergestalt änderte, dass er später die Unternehmen als Träger der Innovationen favorisierte. Dazu wird zuerst sein Unternehmermodell aus „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ beschrieben (vgl. 2.3.3.1), anschließend wird das Modell aus „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ vorgestellt (vgl. 2.3.3.2).
2.3.3.1 Der dynamische Unternehmer
Sowohl die Gabe, als auch das erfolgreiche Bestehen der Aufgabe, als erster neue Kombinationen durchzusetzen, zeichnet den dynamischen Unternehmer im Schumpeterschen Sinne aus. Die Eigenschaft dieses Unternehmers ist seine Energie, durch schöpferische Handlung Neues zu produzieren. Zwar ist der Unternehmer an Gewinnmaximierung interessiert, da es sich jedoch um völlig neue Kombinationen handelt, ist es schwierig, eine unbekannte Funktion zu bewerten und zu maximieren, weil der Markt für neue Güter erst noch geschaffen werden muss. Eine Innovation erweist sich also erst dann als gewinnbringend, wenn sie eine ausreichende Verbreitung gefunden hat. Dieses stellt eines der größten Anfangsprobleme dar. Eine Gewinnmaximierung kann so lediglich durch rationales und wirtschaftliches Handeln erzielt werden.
Die Motivationen unternehmerischer Kreativität kann unterschiedliche Ursachen haben, von der Freude am Schaffen bis zum Wunsch, eine Familiendynastie zu gründen (vgl Recktenwald 1988, S. 45–47). Nach Koesters (1983, S. 167) sieht Schumpeter die Hauptmotive des innovativen Unternehmers im Aufstieg innerhalb der Kapitalistenklasse und im Extra-Gewinn. Letzterer entsteht, wenn der Fabrikant seine Waren aufgrund von Innovationen, zum Beispiel günstigerer Einkauf, billiger herstellen kann als die Konkurrenz, sie aber zu deren Preis verkauft. Der Pionierunternehmer unterscheidet sich von Nachahmern dadurch, dass diese lediglich Bekanntes fortführen. Nach Heertje (1996, S. 264) agiert Schumpeters Unternehmer in einer ungewissen Umwelt, weil Entwicklung prinzipiell nicht vorhersehbar ist. Er hat den Mut, Wagnisse einzugehen und ist stark genug, dem Strom der Gesellschaft entgegen zu schwimmen. Neue Kombinationen werden über Bankkredite finanziert, so dass der Unternehmer niemals Risikoträger ist. Die Risikoübernahme für die zukünftige Unternehmung ist nicht Bestandteil der Unternehmerfunktion (vgl. Schumpeter 1993, S. 217). Schumpeter erkannte dass diese, auf den individuell agierenden Unternehmertypus beschränkte Sicht nicht unbedingt der Realität entsprach und änderte sein Modell des Innovationsträgers dergestalt um, dass in seinem Werk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“ die Unternehmungen an die Stelle der Unternehmer traten.
2.3.3.2 Die Unternehmen
Im Unterschied zu seinem ersten Innovationsträgermodell schwächt Schumpeter in seinen weiteren Werken die Rolle der Unternehmerpersönlichkeit als Innovationsträger ab, ebenso die Neugründung von Unternehmen und die Erfindung als exogene Variable. Er benutzt den Begriff des innovativen Unternehmers als eine Art Auszeichnung, die nun auf verschiedene innovative Personen zutreffen kann, so auf den Eigentümer, den erfinderischen Techniker, den Manager in hoher Position oder auf Gruppen innerhalb einer Unternehmung. Der Unternehmertyp verschmilzt somit auf Dauer mit der Unternehmerfunktion. Inventionen und Innovationen werden im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprozesses als plan- und erzeugbar angesehen, dass heißt, Inventionen können auch intern stattfinden. Deshalb ist eine Neugründung nicht mehr zwingend erforderlich (vgl. Keßler 1992, S. 26-27). Damit ist dieses Model realitätsnaher als das vorherige, auf welches modifiziert aufgebaut wurde.
2.3.4 Zusammenhang von Innovationen, Nachfrage und Investitionen
Wie oben aufgezeigt, sind die Unternehmungen Träger der entwicklungs- und wachstumsfördernden Innovationen. Nun wird der unternehmensinterne Innovationsgenerierungsprozess nach Schumpeter erläutert. Da Schumpeter vor allem die technischen Innovationen für besonders wichtig hält, stehen diese im Vordergrund dieses Kapitels.
Schumpeter geht davon aus, dass größere Unternehmen eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen besitzen, in denen systematisch Inventionen, speziell Prozess- und Produktinventionen erzeugt werden können. Ferner besteht die Möglichkeit des externen Hinzukaufs von Inventionen, die innovativ investiert werden können. Zum Zeitpunkt der Durchsetzung werden temporäre Monopolgewinne realisiert, welche zu weiteren Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen und daher eventuell zu innovativen Investitionen und letztlich zu einer Änderung der Nachfrage und Nachfragestruktur führen. Folglich schafft sich nach Schumpeter die Innovation ihre eigene Nachfrage.
Gemäß Schumpeter sind Forschungs- und Entwicklungsbemühungen, speziell Prozess- und Produktinnovationsbemühungen, zwar bedeutsam für die Möglichkeit innovativ zu investieren, als Bedingung jedoch nicht notwendig (vgl. 2.3.2). Er geht davon aus, dass bis auf die Ersatzinvestitionen, alle Investitionen eine Innovation darstellen, ob nun unternehmensintern erzeugt oder von externen Märkten bezogen. Da außer den Ersatzinvestitionen alle Investitionen auf eine Innovation zurückzuführen sind oder eine solche verkörpern, können Investitionen ein geeignetes Maß sein, um innovative Unternehmen zu beschreiben. Damit wird deutlich, dass die Investition eine notwendige Bedingung für die Durchsetzung von Prozess- und Produktinnovationen ist.
2.3.5 Wettbewerb und Imitation: Das klassische Innovator-Imitator-Modell
Im vorangegangenen Kapitel wurde die Erzeugung von Innovationen durch die Unternehmen als Innovationsträger dargestellt. Nun wird aufgezeigt, wie die Unternehmen nach Schumpeter im Wettbewerb systematisch Innovationen erzeugen und damit gleichzeitig das gesamtwirtschaftliche Wachstum vorantreiben. Dieser Prozess wird Innovationswettbewerb genannt. Damit schließt sich der Kreislauf der schöpferischen Zerstörung.
Unter Innovationswettbewerb ist der immerwährende Prozess der Innovationsdurchsetzung und der Imitation zu verstehen. Hat sich eine Innovation auf dem Markt erst einmal durchgesetzt, so ist es für andere Unternehmen leichter, mit Imitationen oder ähnlichen Neuerungen erfolgreich zu sein. Jene Produzenten, die Innovationen im Markt gewinnbringend etabliert haben, können außerdem andere Unternehmen zur Anpassung zwingen. Daher kommt es häufig zu Anschlussinnovationen, die aber nicht zwangsläufig von Konkurrenten verbreitet werden. So kann die erfolgreiche Innovation in einem wirtschaftlich schwachen Gebiet Auswirkungen auf die gesamte Infrastruktur haben. Kommt es zum Beispiel durch ein neu entstandenes Unternehmen zum Zuzug von Arbeitskräften, so steigern diese die Umsätze anderer Branchen, zum Beispiel der Lebensmittelhändler oder der Handwerker (vgl. Koesters 1983, S. 166).
Eine Innovation fördert also, nach erfolgreicher Durchsetzung wiederum andere Innovationen, so dass die Unternehmer diskontinuierlich und explosionsartig in Gruppen oder Schwärmen auftreten. Dies ist die Ursache eines Aufschwungs im Wirtschaftszyklus (vgl. Heertje 1996, S. 264).
Setzt ein Unternehmen eine Innovation durch, so verfügt es über einen temporären Leistungsvorsprung. Dieser wird nach erfolgter Imitation der Konkurrenten wieder abgebaut. Wie der Innovationsprozess schematisch funktioniert, zeigt das klassische Innovator-Imitator Modell von Kern (vgl. Keßler 1992, S. 42–46):
Unternehmen setzen Innovationen um, wenn gegenüber den Konkurrenten ein Leistungsvorsprung erzielbar ist. Durch den Leistungsvorsprung erzielt der Innovator höhere Gesamtgewinne als seine Mitbewerber und gegebenenfalls einen Umsatzzuwachs, beispielsweise aufgrund eines neu abgesetzten Produktes oder einer vom Kunden geschätzten Verbesserung der Produktqualität. Dieser Monopolgewinn wird gemäß Schumpeter als die wichtigste Quelle zur Vermögensbildung angesehen sowie als Einsatz für die weitere Innovationsfinanzierung. In diesem Modell wird der Monopolgewinn aus Erwartungsgründen des Innovators vorausgesetzt, ist allerdings durch eine Innovation nicht garantiert. Für Schumpeter ist dieser erwartete Gewinn eher ein Anreiz, eine Innovation überhaupt durchzuführen. Sobald diese Innovationen durch Imitatoren kopiert werden und diese am Markt absetzen, heben sie die Monopolstellungen der Innovatoren auf. Diese reagieren mit Preisreduzierungen, welche sowohl auf Seiten der Innovatoren als auch der Imitatoren zu einem Umsatzwachstum führen. Es wird davon ausgegangen, dass dieses Umsatzwachstum den Gesamtumsatz auf ein höheres Niveau steigen lässt als vorher. Nach Schumpeter beginnt damit die langfristige Ausdehnung der Gesamtproduktion in dem Maße, dass trotz Preisreduzierung höhere Gewinne erzielt werden als vor der Preisreduzierung. Diese können von beiden Seiten zur Finanzierung zusätzlicher Innovationen eingesetzt werden. Der Innovator hat jedoch den Vorteil, insgesamt über eine höhere Gewinnsumme als seine Konkurrenten zu verfügen, da er schon früher als sie Gewinne erzielt hat. Ferner ist es sehr wahrscheinlich, dass der Innovator über ein relativ höheres Umsatzwachstum verfügt als die Imitatoren.
Die Imitatoren sind so letztlich die eigentlichen Träger in der Aufschwungphase der Zyklen, während die Innovatoren die Auslöser darstellen. Eine Depression tritt erst ein, wenn schmalere Profite oder Nachfragesättigung die Gewinne der Innovatoren zunichte machen und am Ende dieses Verbreitungsprozesses ein neues Gleichgewicht erreicht ist. In der Abschwungphase kommt es zu Bereinigungseffekten von überholten Produktionsmethoden, so dass relativ überschüssiges Kapital, über die normale Kapitalverwertung hinausgehend, vernichtet wird. Diese Bereinigungseffekte sind als eine Art Selbstheilungskräfte des Kapitalismus anzusehen. (vgl. u.a. Müller 1990, S. 81-82; vgl. Heertje 1996, S. 264).
2.3.6 Zusammenhang von Innovationen und wirtschaftlichem Auf- und Abschwung
Nach Koesters (1983, S. 169-170) interpretiert Schumpeter die Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von Innovationen und den Auf- und Abschwüngen in der Wirtschaft folgendermaßen:
Die Unternehmen beschaffen sich zur Finanzierung ihrer Innovationen bei den Banken Kredite. Letztere besorgen sich das Geld für ihre Kreditvergabe zu einem bestimmten Anteil von der staatlichen Zentralbank. Die Zentralbank verleiht Geld, dass sie selbst herstellt. Sie erhöht damit die im Umlauf befindliche Geldmenge, wodurch zusätzliche Kaufkraft entsteht, welche von Unternehmen zum Erwerb von Maschinen genutzt wird, um ihre Innovationen in die Tat umzusetzen. Sind aber jene Firmen, die die Maschinen herstellen sollen voll ausgelastet, so entsteht eine erhöhte Nachfrage nach diesen Produktionsmitteln, in deren Folge die Preise steigen. Vom Preisanstieg sind aber nicht nur die innovativen, sondern auch die alten Unternehmen in Form höherer Kosten betroffen. Dagegen erhöhen sich die Einnahmen der Firmen, die für die alten und die neuen Unternehmen die Maschinen herstellen. Aus jenem Sektor heraus wirkt sich der Innovationsschub nunmehr auf die gesamte Wirtschaft aus. Die Folge sind eine wachsende Nachfrage nach Arbeitskräften, steigende Löhne und die zunehmende Nachfrage nach anderen Gütern. Das Gleichgewicht ist gestört und die Wirtschaft befindet sich im Aufschwung. Ab einem bestimmten Zeitpunkt allerdings ist eine reibungslose Absorption der neuen Waren auf dem Markt nicht mehr möglich. Aus der Übernachfrage ist ein Überangebot entstanden. Dieser Prozess geschieht jedoch auf einem Schlag. Aufgrund des Überangebots sinken die Preise, die Gewinne der Unternehmen verringern sich und der Anreiz für neue Innovationen geht verloren. In der Folge kann eine Rezession einsetzen, während derer jene Unternehmen dem Prozess der schöpferischen Zerstörung zum Opfer fallen, die sich dem technischen Fortschritt nicht rechtzeitig angepasst haben. Zudem zahlen die Innovatoren nunmehr ihre Kredite zurück, do dass sich das im Umlauf befindliche Geld reduziert. Wird dieses Geld nicht mehr in Form von Krediten in Umlauf gebracht, so sinkt die Kaufkraft und der Abschwung der Wirtschaft verstärkt sich.
Zu jedem Zeitpunkt der Konjunkturphase überlagern sich unterschiedlich stark ausgeprägte Innovationszyklen.
3 Marktdynamik und Wettbewerb –
Die entscheidende Rolle der Information
3.1 Unternehmen und Märkte
Grundlegende Ursache wirtschaftlichen Handelns ist die menschliche Bedürfnisbefriedigung. Da die subjektiven Bedürfnisse in der Regel die zur Befriedigung der Bedürfnisse begrenzten Güter übersteigen, entsteht Knappheit (vgl. u. a. Brösse 1994, S. 25 ff; Reiß 1992, S. 222 ff; Picot et al. 2001, S. 23 ff). Unternehmen und Märkte dienen dazu, dieses Knappheitsphänomen zu mindern indem sie Güter für Konsumzwecke bereitstellen. Unternehmungen sind jene Wirtschaftseinheiten, die Güter erzeugen und am Gütermarkt anbieten sowie die dafür benötigten Produktionsfaktoren nachfragen.
Auf Märkten treffen Angebot und Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zusammen, um durch Austausch Vorteile zu erreichen. Zerdick et al. (2001, S. 148) betonen zurecht, dass der Markt auch als ein ökonomischer Ort der Abfolge von Wissensänderungen anzusehen ist, dessen Geschehen vom Informationsaustausch der Akteure lebt.
Die Volkswirtschaftslehre unterstellt für alle ihre Analysen das ökonomische Prinzip. Danach werden die bei der Produktion eingesetzten ebenfalls knappen Produktionsfaktoren wirtschaftlich optimal verwendet. Wirtschaften bedeutet somit, rationale Entscheidungen über die Verwendung knapper Ressourcen zur Erfüllung gegebener Zwecke zu treffen. Ansatzpunkte zur Verminderung des Knappheitsproblems in Unternehmen sind Arbeitsteilung und Spezialisierung, Produktionsumwege sowie Innovationen.
Arbeitsteilung und Spezialisierung: Zeitliche und kognitive Beschränkungen von Menschen führen dazu, dass umfangreiche Arbeiten in immer kleinere Teilaufgaben zerlegt werden, um sie zu bewältigen. Die dafür eigens geschaffenen Institutionen, die Unternehmen, ermöglichen die Konzentration auf bestimmte Aufgabenbereiche und darüber hinaus, durch Spezialisierung auf bestimmte Aufgaben besondere Kenntnisse, Fähigkeiten und Verfahren zu entwickeln, mit denen diese Aufgaben in effizienter Weise gelöst werden. Da auch andere, nicht selbst erstellte Güter für die Produktion nötig sind, müssen externe Produktionsfaktoren beschafft werden. Damit ist der Tausch eine Konsequenz von Arbeitsteilung. Zudem müssen die Teilaufgaben auch koordiniert werden, was eine Abstimmung innerhalb einer Unternehmung erfordert. Arbeitsteilung ermöglicht erst die technologischen Innovationen und neue Märkte machen die Teilung in der Arbeit erst sinnvoll (vgl. Recktenwald 1988, S. 27).
Arbeitsteilung ermöglicht erhöhten Ausstoß, wodurch das Gewinnniveau steigt, aus dem wiederum der Anstieg von fixem und variablen Kapital finanziert wird. Das führt schließlich zu einer Zunahme des Lohnfonds und zu höheren Arbeitslöhnen, und zwar so lange, bis der Zuwachs der Nachfrage nach Arbeit den Anstieg des Angebots erreicht (vgl. Recktenwald 1988, S. 27-28).
Produktionsumwege: Produktionsumwege sind ein weiteres Kennzeichen für arbeitsteilige Volkswirtschaften. Damit ist die Rückversetzung eines Konsumgutes in die ihm untergeordneten konsumferneren Produktionsordnungen gemeint. Mit anderen Worten sind hiermit alle arbeitsteiligen Zusammenhänge gemeint, die beispielsweise von der Beschaffung der zur Produktion eingesetzten Faktoren über die Ausbildung der Menschen, Tätigkeiten der Behörden bis zum Produktionsendergebnis, dem neuen Kapitalgut reichen. Diese Umwegproduktionen verschleiern leicht den Blick dafür, dass alles Wirtschaften letztlich der Bedürfnisbefriedigung dient.
Innovationen: Ein weiterer Aspekt der Knappheitsreduzierung liegt in den Innovationen. Innovationen ermöglichen eine effizientere oder effektivere Gestaltung von Konsum oder Produktion, wenn vorhandene Ressourcen ertragsbringender eingesetzt werden können. Sie sind eine spezielle Form des Produktionsumweges, weil die Arbeitskraft, die Produkt- oder Prozessinnovationen erzeugt, nur indirekt an der Erstellung eines Kapitalgutes beteiligt ist.
Die ökonomischen Effekte von Arbeitsteilung, Produktionsumwegen und Innovationen zeigen sich in Steigerungen der Produktivität, welche von der Größe des Marktes, auf dem die Güter abgesetzt werden, abhängt. Unter Produktivität, auch Wirtschaftlichkeit genannt, versteht man das Verhältnis von Ergebnis zu Aufwand oder von Output zu Input. Je größer die Zahl der erreichbaren Kunden, desto höher ist die Produktivität, desto spezialisierter kann das unternehmerische Leistungsangebot sein, weil der Kapitalaufwand erst bei einer großen Zahl von gleichartigen Aufträgen rentabel ausgelastet wird (vgl. Picot et al. 2001, S. 25).
Um aber einen Wettbewerbsvorsprung im Markt zu erhalten, ist Information als zweckorientiertes Wissen für alle genannten Formen der Knappheitsreduzierung von herausragender Bedeutung. Produktionsumwege erfordern Informationen zur Aneignung von Fachkompetenz sowie Prognoseinformationen über den zukünftigen Bedarf. Innovationen basieren auf einer aus Vorwissen entstandenen Idee, also auf Informationen. Arbeitsteilung und Spezialisierung sowie Tausch und Abstimmung erfordern Information hinsichtlich der Zerlegung der Gesamtaufgabe, der Zuordnung von Teilaufgaben zu Aufgabenträgern bei der Kontrolle der Aufgabenerfüllung, bei der Zusammenführung der Teilaufgaben sowie beim Tausch von Leistungen. Herrscht im Bereich der Arbeitsteilung und Spezialisierung sowie im Bereich Tausch und Abstimmung ein Informationsmangel, so entsteht ein Organisationsproblem. Dieses Organisationsproblem kann Koordinationsprobleme und Motivationsprobleme beinhalten. Koordinationsprobleme entstehen, wenn aufgrund fehlender Information der Akteure eine Situation des Nichtwissens entsteht. Motivationsprobleme sind dagegen Probleme des Nichtwollens und resultieren aus Interessenkonflikten zwischen den Akteuren. Da Motivations- und Koordinationsprobleme mögliche Produktivitätsverluste verursachen, müssen diese Mängel im Prozess des Wirtschaftens beseitigt werden. Da diese Mängelbeseitigung Ressourcen verbraucht, sogenannte Transaktionskosten, stellt das zuvor beschriebene Organisationsproblem eine Optimierungsaufgabe dar. Es wird diejenige Organisationsform gesucht, die den Produktivitätsanstieg durch Arbeitsteilung und Spezialisierung dergestalt ausnutzt, dass unter Berücksichtigung des Ressourcenverbrauchs bei Tausch und Abstimmung möglichst viele Bedürfnisse befriedigt werden. Organisationsformen, verstanden als die institutionellen Ordnungsmuster arbeitsteiligen Geschehens dienen der Rationalisierung der Arbeitsteilung. Unternehmungen und Märkte sind Endpunkte einer Menge möglicher Organisationsformen um Koordinations- und Motivationsprobleme möglichst effizient zu lösen. Da die zur Lösung dieser Probleme notwendige Information mittels Informations- und Kommunikationstechnologien bereitgestellt wird, hat die technologische Entwicklung dieser Technologien starke Auswirkungen auf die Organisation von Unternehmen und Märkten.
Die Kapitel 3.2.2 und 3.2.3 beschreiben anhand ausgewählter ökonomischer Theorieansätze die Bedeutsamkeit von Informationen für die Wirtschaft. Zuvor wird in Kapitel 3.2.1 die Gleichgewichtstheorie der Neoklassiker, als Basistheorie der nachfolgenden Theorien dargestellt. Im Anschluss daran werden die technologischen Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien beschrieben.
3.2 Analyse des Marktgeschehens
3.2.1 Die neoklassische Gleichgewichtstheorie
Im Mittelpunkt der neoklassischen Gleichgewichtstheorie, auch Marktgleichgewichtstheorie genannt, steht die Interaktion von Akteuren auf Märkten um das Funktionieren von Märkten zu ergründen, indem Ziele und Entscheidungen der dort agierenden Individuen betrachtet werden. Man spricht in diesem Zusammenhang von methodologischem Individualismus. Die Koordination von Interaktionen erfolgt dabei über den Preismechanismus. Sowohl Haushalte als auch Unternehmen wählen je nach relativen Preisen ihre Nachfrage- und Angebotsmengen aller verfügbaren Güter gewinnmaximierend aus. Entspricht bei einem bestimmten Preis die Angebotsmenge der Nachfragemenge, so befindet sich der Markt im Gleichgewicht. Nach Reiß (1992, S. 346) sind insbesondere die Existenz dieser Gleichgewichte, die Erklärung von Preisen sowie die Untersuchung des Wohlstands die Schwerpunkte der neoklassischen Analyse. Je nach Untersuchungsziel kann der theoretische Rahmen der neoklassischen Analyse verschieden sein. In der Regel wird von gegebenen Präferenzen, gegebener Technologie, gegebener Vermögensverteilung, gegebener Rechtsordnung sowie von einer stabilen politischen Situation ausgegangen (vgl. Reiß 1992, S. 346). Außerdem wird angenommen, dass die Konsumenten ihren Nutzen maximieren, vollkommene Information über die Beschaffenheit und Nutzenstiftung eines jeden Gutes besitzen, die Produzenten Zugang zu allen Produktionstechnologien haben und alle Akteure die Preise für alle Güter kennen und unbeschränkte Fähigkeiten zur Informationsverarbeitung besitzen.
Einwände gegen diese neoklassische Analyse betreffen die Realitätsferne der Modellannahmen. Bei der Preistheorie ist die Vernachlässigung von Marktmacht und von Beschränkungen der Konkurrenz zu kritisieren. Ferner ist die behauptete Unabhängigkeit der Präferenzen anzuzweifeln, weil diese auch ein Ergebnis des gesellschaftlichen Umfeldes sind, sowie die Bereitschaft und Fähigkeit der Individuen, ihren Nutzen zu maximieren, weil sich diese die dafür notwendigen Informationen beispielsweise über die Zukunft weder beschaffen können noch wollen. Vielmehr genügt den Individuen in der Realität ein befriedigendes Nutzen- oder Gewinnniveau. Die Annahme vollkommener Information ist damit ebenso unrealistisch. Vollkommene Information würde zudem zur Kenntnis aller Preise führen, so dass Transaktionen zu Ungleichgewichtspreisen ausgeschlossen wären. Die Marktgleichgewichtstheorie vernachlässigt daher die Probleme unvollkommener und ungleich verteilter Information und die Bedeutung von Markt und Wettbewerb als Institutionen zur Verbreitung von Information und Wissen (vgl. Picot et al. 2001, S. 32).
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- Silke Nieder (Autor), 2003, Amazon & Co. - Schumpetersche Pionierunternehmungen?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133364
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