Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die Kommunikation in Unternehmen genau zu gestalten ist und welche Rolle das dadurch entstehende Vertrauen im Gesamtkontext von Unternehmen spielt.
VUCA ist längst kein Fremdwort mehr. Die veränderten Rahmenbedingungen und globalen Trends wie beispielsweise die Globalisierung sind hinlänglich bekannt und spielen eine immer größere Rolle für Unternehmen und ihre Mitglieder. Gleichzeitig zwingt die aktuelle Corona Pandemie immer mehr Unternehmen dazu, die Digitalisierung noch stärker voran zu treiben. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den konkreten Folgen dieser Trends und Entwicklungen hinsichtlich der Kommunikation durch die Führungskraft und wie dadurch das Vertrauen gestärkt werden kann, um unter anderem die Innovationsfähigkeit von Mitarbeitern zu fördern. Anhand von Experteninterviews wurden diverse Perspektiven und Erfahrungen hinsichtlich dieser Thematik abgefragt. Zentrale Ergebnisse der Arbeit beziehen sich auf die unterschiedlichen Abhängigkeiten von Vertrauen und der differenzierten Betrachtung gradueller und disruptiver Innovationen. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass Vertrauen notwendig ist, um die Innovationsfähigkeit in volatilen und unsicheren Zeiten grundsätzlich stärken zu können. Agile Instrumente und Methoden eignen sich dafür besonders gut, verlangen jedoch vorab eine entsprechende etablierte Unternehmenskultur sowie ausreichend Methodenkompetenz der Führungskraft. Disruptive Innovationen können jedoch nur bedingt durch Vertrauen beeinflusst werden. Anhand der Ergebnisse werden konkrete Handlungsempfehlungen für Führungskräfte abgeleitet, um je nach aktuellem Status der Zusammenarbeit eine starke Vertrauenskultur zu etablieren und/oder Innovationsfähigkeit zu fördern. Die praktischen Empfehlungen dienen dazu, angemessen auf externe Faktoren reagieren zu können und auch in Zukunft erfolgreiche Unternehmensentwicklung zu fördern.
Inhaltsverzeichnis
II. Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Führungskommunikation als Erfolgsfaktor
1.2 Veränderung der Kommunikation durch globale Megatrends
1.3 Zielsetzung der Arbeit
1.4 Methodik und Aufbau
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
2.1 Die VUCA Welt im organisationalen Kontext
2.1.1 Definition des Akronyms
2.1.2 Mögliche Auswirkungen auf Führung
2.2 Kommunikation
2.2.1 Die acht Kommunikationsstile nach Schulz von Thun
2.2.2 Zwei-Ebenen-Kommunikation des Managements
2.2.3 Das Eisbergmodell
2.2.4 Sender-Empfänger-Modell
2.2.5Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun
2.3 Psychologische Sicherheit als Rahmenbedingung erfolgreicher Kommunikation
zwischen Führungskraft und Mitarbeitern
2.4 Vertrauen
2.4.1 Grundlagen von Vertrauen und Vertrauensbildung
2.4.2 Ebenen von Vertrauen
2.4.3 Vertrauen im Organisationskontext
2.5 Innovation und Innovationsfähigkeit
2.5.1 Innovationen und Innovationskompetenzen von Mitarbeitern und Teams
2.5.2 Voraussetzungen für Innovation im organisationalen Kontext
2.5.3 Messung von Innovationsfähigkeit im Unternehmen
2.6 Ableitung der Forschungsfrage und Hypothesen
3 Methodik
3.1 Begründung der qualitativen Forschung
3.2 Experteninterviews
3.2.1 Experteninterviews als qualitative Forschungsmethode
3.2.2 Vorgehensweise und Auswahl der Datenerhebung
3.2.3 Durchführung und Auswertung der Interviews
4 Ergebnisse
4.1 Auswirkungen der VUCA Welt auf Führung
4.2 Relevanz der Innovationsfähigkeit
4.2.1 Anforderungen und Rahmehnbedingungen für Innovation
4.2.2 Die Rolle der Führungskraft
4.2.3 Disruptive und graduelle Innovation
4.3 Relevanz von Vertrauen
4.3.1 Vertrauensbeziehung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft
4.3.2 Einfluss der Vertrauensbeziehung auf Innovation
4.3.3 Aufbau von Vertrauen durch Führung
4.4 Hindernisse und Schwierigkeiten für Führungskräfte
4.5 Psychologische Sicherheit als relevantes Bindedglied
4.6 Sonstige Zusammenhänge
4.7 Hypothesenprüfung
5 Diskussion
5.1 Zusammenfassung
5.2 Zusammenfassende Betrachtung und Beantwortung der wissenschaftlichen Fragestellung
5.3 Handlungsempfehlungen
5.3.1 Vertrauen etablieren
5.3.2 Innovation fördern
5.3.3 Vertrauen fördern
5.3.4 Bestehendes verstärken
6 Fazit und Ausblick
IV. Literaturverzeichnis
Anhang A: Transkript Experteninterview Experte A
Anhang B. Transkript Experteninterview Experte B
Anhang C: Transkript Experteninterview Experte C
Anhang D: Transkript Experteninterview Experte D
Anhang E: Transkript Experteninterview Experte E
Anhang F: Transkript Experteninterview Experte F
Anhang G: Transkript Experteninterview Experte G
Anhang H: Transkript Experteninterview Experte H
Anhang I: Transkript Experteninterview Experte I
Anhang J: Transkript Experteninterview Experte J
Abstract
VUCA ist längst kein Fremdwort mehr. Die veränderten Rahmenbedingungen und globalen Trends wie beispielsweise die Globalisierung sind hinlänglich bekannt und spielen eine immer größere Rolle für Unternehmen und ihre Mitglieder. Gleichzeitig zwingt die aktuelle Corona Pandemie immer mehr Unternehmen dazu, die Digitalisierung noch stärker voran zu treiben. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den konkreten Folgen dieser Trends und Entwicklungen hinsichtlich der Kommunikation durch die Führungskraft und wie dadurch das Vertrauen gestärkt werden kann, um unter anderem die Innovationsfähigkeit von Mitarbeitern zu fördern. Anhand von Experteninterviews wurden diverse Perspektiven und Erfahrungen hinsichtlich dieser Thematik abgefragt. Zentrale Ergebnisse der Arbeit beziehen sich auf die unterschiedlichen Abhängigkeiten von Vertrauen und der differenzierten Betrachtung gradueller und disruptiver Innovationen. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass Vertrauen notwendig ist, um die Innovationsfähigkeit in volatilen und unsicheren Zeiten grundsätzlich stärken zu können. Agile Instrumente und Methoden eignen sich dafür besonders gut, verlangen jedoch vorab eine entsprechende etablierte Unternehmenskultur sowie ausreichend Methodenkompetenz der Führungskraft. Disruptive Innovationen können jedoch nur bedingt durch Vertrauen beeinflusst werden. Anhand der Ergebnisse werden konkrete Handlungsempfehlungen für Führungskräfte abgeleitet, um je nach aktuellem Status der Zusammenarbeit eine starke Vertrauenskultur zu etablieren und/oder Innovationsfähigkeit zu fördern. Die praktischen Empfehlungen dienen dazu, angemessen auf externe Faktoren reagieren zu können und auch in Zukunft erfolgreiche Unternehmensentwicklung zu fördern.Schlüsselwörter: Führung, Vertrauen, Innovation, Kommunikation, VUCA, Organisationsentwicklung VUCA is no longer a foreign word. The changing framework conditions and global trends are well known and are playing an increasingly important role for companies and their members. At the same time, the current Corona pandemic is forcing more and more companies to push digitalization even further. This paper deals with the concrete consequences of these trends with regard to communication by managers and how this can strengthen trust in order to promote especially the innovative ability of employees. On the basis of expert interviews, various perspectives and experiences regarding this topic were asked. The central results of the work refer to the different dependencies of trust and the differentiated consideration of gradual and disruptive innovation. Trust is considered necessary in order to fundamentally strengthen innovative capacity in volatile and uncertain times. Agile instruments and methods are particularly well suited for this, but require a correspondingly established corporate culture in advance as well as sufficient methodological competence on the part of the manager. However, disruptive innovations can only be influenced by trust to a limited extent. Based on the results, recommendations for action are found for managers to establish a strong culture of trust depending on the current status of cooperation and/or to promote innovative capacity in order to be able to react appropriately to external factors and also promote successful corporate development in the future.
Keywords: leadership, trust, innovation, communication, VUCA, organizational development
II. Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Megatrends und Unternehmenskommunikation
Abb. 2: Vertrauen, Innovation und Kommunikation
Abb. 3: Das Eisbergmodel
Abb. 4: Das Sender-Empfänger-Modell
Abb. 5: The Stages of Trust Development
Abb. 6: Erklärung des Erfolgs von Innovationen durch individuelle Prozesseinschätzungen und kollektive Kultureinschätzungen
Abb. 7: Voraussetzungen für Innovationen
Abb. 8: Umfrage zur Entwicklung von Homeoffice in der Corona Krise 2020
Abb. 9: Das Cynefin Modell
Abb. 10: Das Riemann-Thomann-Modell
Abb. 11: Zusammenhang Innovation, Vertrauen und Kommunikation
Abb. 12: Vertrauen und Innovation: Handlungsmaßnahmen für Führungskräfte
1 Einleitung
1.1 Führungskommunikation als Erfolgsfaktor
Führungskräfte werden noch immer gerne als starke Anführer skizziert, welchen durch Wissen, Erfahrung und ihrer Legitimationsmacht eine große Rolle in Unternehmen zugeschrieben wird. Gleichzeitig sind Unternehmen und Gesellschaften immer häufiger starken Umbrüchen ausgesetzt. Diese Umbrüche sind in der aktuellen VUCA Welt zunehmend schwerer vorherzusehen und seltener klar einordbar. Dadurch entstehen Ängste und Unsicherheiten, was bei manchen Führungskräften dazu führt, sich besonders stark und wissend darzustellen. Gerade in Krisenzeiten entpuppt sich dies jedoch selten als förderlich, da zukünftige Entwicklungen nicht primär durch Seniorität und Status vorhersagbar oder gar zu bewältigen sind. Kommunikation spielt somit eine umso wichtigere Rolle. Gerade in unsicheren Zeiten, in denen Ängste und Unwägbarkeiten nicht durch zielgenaue Handlungen kompensiert werden können, scheint Kommunikation die einzige Möglichkeit zur Bewerkstelligung der Situation darzustellen. Ein Beispiel dafür zeigt das Verhalten des Vorsitzenden des Flugzeugunternehmens Delta Airlines im Rahmen der Corona Pandemie. Während der Ausbruch der Pandemie die Luftfahrtindustrie innerhalb kürzester Zeit ruinierte ohne eine vorhersehbare, optimistische Perspektive aufzuzeigen, erhöhte und intensivierte der Leiter des Unternehmens die Kommunikation zu seinen Stakeholdern und verhinderte dadurch den aufkommenden Unmut in der Belegschaft (Edmondson A. , 2020). Aufklärung, Transparenz und Unterstützung sind demnach in Krisenzeiten umso wichtiger und nur durch ausreichend Kommunikation übertragbar.
Auch die Schnelligkeit der Kommunikation ist relevant. Die Premierministerin Neuseelands etablierte zu Beginn der Corona Krise ein vorab erarbeitetes Alarmsystem, wobei dessen Einschätzung bezüglich der Pandemie mangels Informationen über den Verlauf erschwert wurde. Mögliche Gefahren wurden jedoch in Abhängigkeit der Stufen erklärt und je nach aktueller Lage stetig angepasst und veröffentlicht. Damit hat Neuseeland die größten Erfolge bei der Bewältigung des Virus vorzuweisen und gilt als das Land, welches strategisch am sinnvollsten vorgeht (Hasel, 2021). Dies hängt außerdem mit der konsequenten Umsetzung der Kommunikation zusammen. Das übergeordnete, beständige Ziel, Menschenleben unter allen Umständen zu schützen, sorgte für die notwendige Standfestigkeit und Überzeugung - selbst bei kurzfristigen Plänen zur Veränderung des Gesundheitssystems oder der wirtschaftlichen Förderung. Der durch Kommunikation vermittelte moralische Kompass fördert das Commitment der Menschen, diesen Führungspersonen gerade in Krisenzeiten zu folgen und in einer aktiven Rolle der Einflussnahme mitzuwirken. Durch die Transparenz der vorliegenden Informationen entsteht der Glaube an die richtige Entwicklung und an die daran geknüpften richtigen Entscheidungen bezüglich kurzfristiger Anpassungen (Edmondson A. , 2020).
Es bleibt die Frage, wie diese Kommunikation genau zu gestalten ist und welche Rolle das dadurch entstehende Vertrauen im Gesamtkontext von Unternehmen spielt.
1.2 Veränderung der Kommunikation durch globale Megatrends
Sowohl die externe als auch die interne Kommunikation von Unternehmen und ihren Führungskräften und Mitarbeitern befindet sich stets im Wandel. Globale gesellschaftliche, ökonomische und technologische Trends beeinflussen die Art und Weise sowie das Ausmaß und den Bedarf der Kommunikation nachhaltig. Die folgende Graphik zeigt auf, um welche Trends es sich dabei handelt:
Abb.1: Megatrends und Unternehmenskommunikation
Anm. der Red.: Diese Abb. wurde aus urheberrechtlichen Gründen entfernt.
Quelle: Akademische Gesellschaft für Unternemensführung und Kommunikation, 2016
Die Graphik zeigt die Ergebnisse einer Umfrage von 53 Unternehmen zu den ihrer Meinung nach einflussreichsten Trends hinsichtlich der Unternehmenskommunikation für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre. Auf die drei wichtigsten Aspekte wird im Folgenden näher eingegangen.
Den stärksten Einfluss hat demnach die zunehmendedigitale Vernetzung. Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien sind exponentiell gewachsen. Dadurch steigt die Möglichkeit zur Vernetzung, sodass sich Beziehungen und Interaktionen gänzlich neu gestalten lassen. Aufgrund der großen Bedeutung dieser neuen Technologien orientieren sich immer mehr Menschen und Unternehmen an dessen Mechanismen und adaptieren ihre Handlungen entsprechend.
Den zweitgrößten Einfluss übt laut der Umfrage dieGlobalisierungauf die Unternehmenskommunikation aus. Diese beschreibt „die zunehmende globale Verflechtung zwischen gesellschaftlichen Teilbereichen.“ (Akademische Gesellschaft für Unternemensführung und Kommunikation, 2016, o.A.) Die Verzahnung von Staaten und Märkten führt zu einem verstärkten internationalen Austausch. Dieser Austausch kann sich sowohl auf Dienstleistungen als auch auf Güter und Mitarbeiter beziehen. Die gegenseitige Abhängigkeit von Staaten und Märkten sowie Unternehmen sind zunehmend transkulturell aufgestellt.
Die drittgrößte Einflussgröße stellt dieIndividualisierungdar. Das Individuum rückt verstärkt in den Fokus und erhöht Freiheitswerte sowie persönliche Entwicklungsmöglichkeiten. Daraus resultiert eine „Pluralisierung der Lebensstile“ (Akademische Gesellschaft für Unternemensführung und Kommunikation, 2016). Diese Vielfalt wird unter anderem durch den steigenden Wohlstand und der Abwendung von klassischen Werten, wie beispielsweise einer starken geschlechtsspezifischen Rollenteilung, gefördert.
Allein die drei aufgeführten Trends lassen einen starken Wandel bezüglich der Kommunikation sowie weiteren allgemeinen Anforderungen an die Unternehmen vermuten.
1.3 Zielsetzung der Arbeit
Vertrauen und Innovation rückt in der modernen Forschungsliteratur immer stärker in den Fokus. Insbesondere dann, wenn es sich um Faktoren hinsichtlich der langfristigen Gewährleistung des Unternehmenserfolges handelt (Rossberger, 2019, S. 26 ff.).
Die Art und Weise, Frequenz sowie Inhalte der Kommunikation von Führungskräften an ihre Mitarbeiter spielt ebenfalls eine große Rolle in psychologischen und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsfeldern (Becker, 2014, o.A.).
Die genauen Zusammenhänge zwischen Vertrauen, Innovation und Kommunikation im Unternehmenskontext sind jedoch bisher wenig erforscht. Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist es, diesen Zusammnhang genau zu ergründen und in den Gesamtkontext von Organisationen und deren zukünftige Herausforderungen und Unternehmensentwicklung einzuordnen. Die unten stehende Graphik zeigt das Ziel der Arbeit anhand der dunkelgrau schraffierten Schnittmenge der drei Begrifflichkeiten im organisationalen Kontext.
Abb. 2: Vertrauen, Innovation und Kommunikation
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Zur zielgerichteten Untersuchung der Zusammenhänge und gegenseitigen Abhängigkeiten sollen aus der bereits vorhandenen Literatur Hypothesen sowie die übergeordnete Forschungsfrage abgeleitet und anschließend mittels qualitativer Forschungsmethode überprüft werden.
Die Arbeit richtet sich insbesondere an Führungskräfte, Personal- und Organisationsentwickler. Die Forschungsergebnisse sollen dazu beitragen, zukünftige unternehmerische Herausforderungen durch externe Faktoren und Trends einordnen und anschließend angemessen darauf reagieren zu können. Dabei ist jedoch die adäquate Einreihung in den Gesamtkontext des jeweiligen Unternehmens entscheidend. Die Arbeit fokussiert sich lediglich auf den Teilbereich der übergeordneten Organisationsentwicklung.
1.4 Methodik und Aufbau
Zum besseren Verständnis der grundlegenden Thematik wird zunächst ein theoretischer Rahmen hinsichtlich Kommunikation, Vertrauen und Innovation gegeben sowie der aktuelle Forschungsstand zu den einzelnen Faktoren zusammengefasst. Das Phänomen VUCA wird innerhalb des organisationalen Kontextes beschrieben und mögliche Konsequenzen auf die Führung von Mitarbeitern und Unternehmen skizziert. Anschließend folgen die Darstellungen unterschiedlicher Kommunikationsstile und -modelle, welche Rückschlüsse auf die Interaktion zwischen Führungskräften und Mitarbeitern zulassen. Als Rahmenbedingung erfolgreicher Kommunikation im Unternehmen wird das Konzept der psychologischen Sicherheit erklärt. Daraufhin folgen Erläuterungen bezüglich Vertrauen und dessen Grundlagen und Ebenen sowie daran anknüpfende Besonderheiten im organisationalen Umfeld. Des Weiteren werden Innovation und Innovationsfähigkeit als besonders relevante zukünftige Unternehmens- und Mitarbeiterkompetenz dargestellt.
Aus dem beschriebenen theoretischen Hintergrund werden anschließend geeignete Hypothesen sowie die übergeordnete Forschungsfrage formuliert, um den Zusammenhang zielgerichtet untersuchen zu können. Anschließend wird die Methode der Forschungsarbeit näher erläutert. Im Rahmen der Arbeit werden Experteninterviews als qualitative Forschungsmethode verwendet, um durch die explorative Vorgehensweise ein tieferes Verständnis für die Thematik zu generieren. Durch die Anzahl und Diversität der Interviewpartner werden eine ganzheitliche Perspektive und Integration unterschiedlicher Erfahrungen und Sichtweisen gewährleistet.
Die Darstellung der Ergebnisse wird in unterschiedliche Themengebiete gegliedert und umfasst die Auswirkungen der VUCA Welt auf Führung, die Relevanz der Innovationsfähigkeit, die Relevanz von Vertrauen sowie mögliche Hindernisse und Schwierigkeiten für Führungskräfte. Des Weiteren werden psychologische Sicherheit als relevantes Bindeglied von Innovation, Vertrauen und Kommunikation herausgestellt sowie sonstige Zusammenhänge und Besonderheiten genannt. Die Forschungsfrage inklusive der ihr zugrundeliegenden Hypothesen wird auf Grundlage der gesammelten Ergebnisse in Verbindung mit der bereits aufgezeigten Theorie beantwortet und diskutiert. Daraus abgeleitet ergeben sich verschiedene Handlungsempfehlungen. Sie richten sich hauptsächlich an Führungskräfte und beinhalten diverse Instrumente und Methoden zur Bewältigung der herausgestellten Ziele.
Abschließend folgt ein Fazit über die vorliegende Thematik sowie ein Ausblick über mögliche zukünftige Entwicklungen und weitere Forschungsfelder.
2 Theoretischer Rahmen und Forschungsstand
Im folgenden Kapitel wird das Akronym VUCA definiert sowie der aktuelle Forschungsstand zu möglichen Auswirkungen der VUCA Welt auf Führung skizziert. Anschließend werden verschiedene Kommunikationsmodelle dargestellt, die im Führungsalltag eine Rolle spielen. Die theoretischen Erkenntnisse zu psychologischer Sicherheit sowie Vertrauen werden im organisationalen Kontext erläutert. Zudem erfolgt die Definition von Innovation und Innovationsfähigkeit. Es werden Voraussetzungen für Innovation in Organisationen und Möglichkeiten für dessen Messung genannt. Aus den beschriebenen Faktoren resultiert die Ableitung der übergeordneten Forschungsfrage und Hypothesen der vorliegenden Arbeit.
2.1 Die VUCA Welt im organisationalen Kontext
Der Begriff VUCA wurde erstmalig im militärischen Bereich verwendet. Damit ist eine Weltordnung gemeint, die von diffusen sowie ungewissen Kontexten geprägt ist. Zudem besteht sie aus inhärenten, unvorhersehbaren Konflikten und Situationen. Die Fähigkeit, eigene nationale Interessen zu verteidigen und zu fördern, wird dabei durch materielle und personelle Ressourcengrenzen eingeschränkt (Roderick, 1998, S. 1 in Yarger, 2006, S. 17f).
Mittlerweile findet dieser Ansatz auch in einigen anderen Bereichen große Beachtung. Die Organisationspsychologie beschäftigt sich immer stärker mit Einflussfaktoren auf die bzw. ausgehend von der sogenannten VUCA Welt. Das Akronym „VUCA“ steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity1. Dies beschreibt die Herausforderungen der modernen Welt und lässt sich insbesondere auf den organisationalen Kontext beziehen. Organisationen, Führungskräfte und ihre Mitarbeiter müssen auf diese Faktoren, die unter anderem durch die Digitalisierung und die Globalisierung der Märkte bedingt werden, reagieren. Die Arbeitsweise, Prozesse, Ziele und Herangehensweisen werden durch die vier genannten Faktoren maßgeblich beeinflusst und erfordern differenzierte Handlungsstrategien (Hieronymi, A., 2016 in T. Fandel-Meyer & Ch. Meier, 2016, S. 6-21).
2.1.1 Definition des Akronyms
Volatilität: Mit Volatilität werden Situationen von unerwarteter, instabiler oder teilweise unbekannter Dauer charakterisiert. Die Inhalte und Folgen dieser Situationen sind nicht zwangsweise unverständlich. Wissen dazu ist meist frei zugänglich und kann der Bewältigung dieser Situationen dienlich sein.
Beispielhaft dafür sind verstärkte Preisschwankungen, unter anderem aufgrund von Lieferantenausfällen durch unerwartete Umweltkatastrophen (Bennet & Lemoine, 2014). Eine hohe Volatilität kann als signifikante Sprunghaftigkeit der Werte im Zeitverlauf gesehen werden, was sich als Indikator für eine zunehmende Geschwindigkeit der Umwelt interpretieren lässt.
Als Führungskraft sind laut dem Organisationspsychologen Eric G. Kail (2010) drei Dinge entscheidend. Einerseits sollen Mitarbeiter dazu angehalten werden, Daten in Informationen zu transportieren. Die Qualität der Daten hat gegenüber der Quantität Vorrang. Durch die richtigen und wichtigen Informationen können Entscheidungen auch in brisanten Situationen getroffen werden. Andererseits wird eine klare und deutliche Kommunikation empfohlen sowie die Vergewisserung über das bestehende Verständnis im Team bezüglich organisationsrelevanter Absichten und Motive.
Unsicherheit: Unsicherheit kann im VUCA Kontext als ein Mangel an Klarheit beschrieben werden, um eine Situation richtig zu bewerten und um Herausforderungen und Chancen zu erkennen. Mit zunehmender Volatilität der Umwelt wird es immer schwieriger, die Zukunft vorherzusagen. Während es statistische Regressionsmodelle in der Vergangenheit ermöglicht haben, Bevorstehendes einzuschätzen, wird es heute immer schwieriger, zukünftige Entwicklungen zu extrapolieren und mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung zu verknüpfen (Kail, 2010). Ein Beispiel stellt die bevorstehende Produkteinführung eines Wettbewerbers dar, welche die Zukunft eines Unternehmens und eines Marktes beeinflussen kann (Bennet & Lemoine, 2014).
Die entsprechende Fachliteratur gibt hier unter anderem den Hinweis des Perspektivwechsels beziehungsweise der Reflexion. Führungskräfte sind angehalten, die Angemessenheit ihrer mentalen Modelle sowohl individuell als auch kollektiv zu hinterfragen. Des Weiteren gelten Flexibilität sowie die regelmäßige Überprüfung von Prozessen im Hinblick auf zukünftige Anpassungen als erfolgskritisch (Kail, 2010).
Komplexität: Situationen, die durch viele miteinander verbundene Teile und Variablen geprägt sind, weisen eine erhöhte Komplexität auf. Die relevanten Informationen sind teilweise zugänglich oder vorhersagbar. Der Umfang oder die Art und Weise kann jedoch aufgrund der überwältigenden Fülle eine adäquate Prozessverarbeitung behindern. Dies zeigt sich beispielsweise bei der wirtschaftlichen Aktivität in verschiedenen Ländern mit verschiedenen Regularien, Gesetzen, Tarifen sowie kulturellen Unterschieden (Bennet & Lemoine, 2014).
Zur Bewältigung der erhöhten Komplexität gelten kollaborative Führungskräfte mit Fokus auf der Entwicklung junger Potenzialträger sowie einer ausgeprägten Problemlösekompetenz als besonders geeignet (Kail, 2010).
Ambiguität: Der letzte Initialbuchstabe des Akronyms VUCA beschreibt Zustände mit gänzlich unklaren Kausalzusammenhängen. Es herrscht ein Mangel an Präzedenzfällen und Führungskräfte bzw. Organisationen sehen sich mit absoluten Unbekannten konfrontiert.
Diese Herausforderung kann sich beispielsweise durch die Erschließung unbekannter Märkte oder der Entwicklung und Implementierung neuer Produkte ergeben (Bennet & Lemoine, 2014). Des Weiteren umfasst Ambiguität die zeitgleiche Zielsetzung von mindestens zwei widersprüchlichen Parametern. In der Organisationsentwicklung kann dies beispielsweise die Notwendigkeit agiler Netzwerke bei gleichzeitig bestehenden und etablierten hierarchischen Organisationsstrukturen bedeuten (Lenz, 2019, S. 16-19).
Zur erfolgreichen Bewältigung von Ambiguität wird aktives Zuhören von Führungskräften gefordert. Dadurch können unterschiedliche Perspektiven integriert und anschließend sinnvoll gebündelt werden. Es wird zu divergentem Denken geraten, um Offenheit für neue Ideen und Diversität zu erzeugen. Gleichzeitig findet sich die Empfehlung zu inkrementellen Dividenden zur Stärkung von Zuversicht und Vertrauen (Kail, 2011).
2.1.2 Mögliche Auswirkungen auf Führung
Die vorab beschriebenen Trends und Veränderungen machen deutlich, dass sich traditionelle Organisationsstrukturen an die genannten externen Bedingungen anpassen müssen, um erfolgreich wirtschaften zu können. Innerhalb der Organisation sehen sich Führungskräfte mit vielfältigen Auswirkungen der VUCA Welt konfrontiert. Strategische Führung gestaltet sich in einem volatilen Umfeld herausfordernd, da vorausschauende Planung erschwert wird. Normative Ziele lassen sich in einem schnelllebigen und unsicheren Kontext schwieriger definieren und halten. Auch die Digitalkompetenz wird von Führungskräften in erhöhtem Maße gefordert, um einerseits selbst in angemessenem Maße mit der Digitalisierung umgehen zu können und andererseits, um die digitale Agenda top-down leiten zu können (Rossberger, Digitale Transformation: Kultur, Strategie und Technologie, 2019, S. 31). (Digitale) Partizipationsinstrumente müssen sinnvoll integriert werden und nivellieren dadurch asymmetrische Führungsbeziehungen. Leistungstransparenz wird auf unterschiedlichen Hierarchieebenen sichtbar. Wissensarbeit bekommt einen immer größeren Stellenwert und lässt durch ihre Eigenständigkeit konservative Führungsinstrumente unbrauchbar erscheinen.
Durch die Komplexität und Globalisierung von Organisationen und ihren Einheiten sind widersprüchliche Interessenskollisionen wahrscheinlicher und Rollenanforderungen nicht immer klar abgrenzbar. Die Qualifikation von Mitarbeitern findet in beschleunigtem Tempo statt und erfolgt oftmals selbständig organisiert. Dies kann zu einem subjektiv empfundenen erhöhten Qualifikationsdruck auch auf Führungseben führen, da fachliches Wissen grundsätzlich jedem zur Verfügung steht und Expertenwissen gleichzeitig immer stärker gefragt ist. Zudem haben Führungskräfte oftmals mit Inhalten und Forderungen zu tun, für die sie keine direkte Weisungsbefugnis mehr besitzen. Damit einhergehend steigt jedoch die Verantwortung für bereichsübergreifende Projekte und daraus resultierende Handlungen und Entscheidungen (Gebhardt, Hofmann, & Roehl, 2015).
Neben veränderter Anforderungen an fachlichen Fähigkeiten wird aus sozialpsychologischer Sicht eine Anpassung der Haltung und Werte von Führungskräften gefordert. Das eigene Führungsverhalten soll auf konsistenten Werten basieren. Die Werte und Einstellungen der Mitarbeiter wahrzunehmen ist erfolgsentscheidend, um die Diversität an Kulturen, Generationen und Kompetenzen innerhalb der Organisation konstruktiv zu vereinen. Die steigende Komplexität hat zur Folge, dass Kollaboration zur Bewältigung von Aufgaben und Projekten notwendig wird. Als Führungskraft müssen die Rahmenbedingungen für eine geeignete Art der Zusammenarbeit geschaffen werden. Gleichzeitig ist schnelle Reaktions- und Entscheidungsfähigkeit aufgrund der hohen Geschwindigkeit von Veränderungen notwendig (Prof. Dr. Moskaliuk, 2019).
2.2 Kommunikation
Führung und Zusammenarbeit wird zwangsläufig durch Kommunikation geprägt. Mittlerweile existiert eine Vielzahl an unterschiedlichen Kommunikationsmodellen mit unterschiedlichen Ansätzen. Im Folgenden werden einige der gängigsten Kommunikationsmodelle erläutert. Die Auswahl der Modelle erfolgte anhand deren Relevanz und Auswirkungen auf Führungskräfte und ihre Mitarbeiter.
2.2.1 Die acht Kommunikationsstile nach Schulz von Thun
Ein bekanntes Kommunikationsmodell, welches häufig auf den Führungskontext bezogen wird, stammt vom deutschen Psychologen und Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun. Dieser differenziert Kommunikation in acht unterschiedliche Stile. Die Kommunikationsstile umfassen die Art und Weise, wie Menschen mit anderen in Kontakt treten, zu ihnen sprechen und wie dadurch die gemeinsame Beziehung beeinflusst wird. Jeder Stil basiert auf bestimmten Bedürfnissen, Emotionen und Intentionen und äußert sich sowohl durch verbale als auch nonverbale Botschaften. Die Stile können unabhängig voneinander betrachtet werden, sind jedoch häufig in Verbindung mit anderen Stilen in einer Person vereint. Diese Verknüpfungen können in Ambivalenzen resultieren und formen sowohl die Persönlichkeit als auch die Beziehung und deren Kontext hinsichtlich verschiedener Interaktionspartner (Schulz von Thun, 2013, S. 65-68).
Im organisationalen Kontext besitzt der Kommunikationsstil einer Führungskraft folglich eine große Relevanz für die Beziehungsgestaltung und die daraus resultierende Unternehmens- beziehungsweise Führungskultur.
Der erste Stil zur Kontaktgestaltung wird von Schulz von Thun als derbedürftig-abhängige Stilbezeichnet. Kommunikationspartner, auf die dieser Stil zutrifft, suchen häufig die Unterstützung von anderen, präsentieren sich selbst als schwach und hilflos und implizieren dadurch eine teils unbewusste Kompetenzstärke bei ihrem Gegenüber. Derhelfende Stilstellt sich hingegen als äußerst belastbar dar. Er bietet anderen gerne seine Unterstützung an und beschäftigt sich primär mit Fragestellungen und Themen von anderen. Derselbstlose Stilnimmt sich selbst zurück, um die Erwartungen anderer zu erfüllen. Die eigene Person wird aufgrund der Angst vor Ablehnung entwertet. Deraggressiv-entwertende Stilbasiert oftmals auf geringen Geltungsgefühlen bzw. Ängsten bezüglich eigener Schwächen und äußert sich als Gegenpart zum selbstlosen Stil in latenter verbaler Aggression und der Erhebung gegenüber anderen. Dersich beweisende Stilkann ebenfalls von verminderten Selbstwertgefühlen herrühren. Diese werden jedoch durch eine verstärkte Außendarstellung und Präsentation der eigenen Person kompensiert. Andere sollen von den persönlichen Stärken und Kompetenzen überzeugt werden. Derbestimmend-kontrollierendeStil kann auf Interaktionspartner belehrend wirken. Aus Schutz vor einem möglichen Kontrollverlust werden Regeln und Leitlinien geschaffen, an die sich auch das Umfeld halten soll. Personen, die eine gewisse räumliche sowie emotionale Distanz zu ihren Interaktionspartnern aufrechterhalten, können laut Schulz von Thun (2013, S.226) demsich distanzierenden Stilzugeordnet werden. Der achte Stil wird alsmitteilungsfreudig-dramatisierende Stilbezeichnet. Dieser zeigt sich in einer egozentrischen Sichtweise, die häufig kommuniziert wird, jedoch ohne die tiefergehende Persönlichkeitsstruktur preiszugeben. Ziel ist die Selbstdarstellung und die damit verbundene Wahrnehmung durch andere (Schulz von Thun, 2013, S. 69 ff.).
Bei näherer Betrachtung der Kommunikationsstile stellt sich die Frage nach der Intention der Kategorisierung. Es fällt auf, dass die Stile eine grundsätzlich negative Ausrichtung besitzen. Die Beschreibungen resultieren mehrheitlich in Schwächen und negativen Verhaltensweisen. Somit können sie zur Erklärung negativer Kommunikation dienen. Die defizitorientierte Darstellung idealtypischer Kommunikationsstile bleibt jedoch auch mit dem Bewusstsein, dass jeder Mensch mehrere Anteile verschiedener Stile besitzt, fraglich.
2.2.2 Zwei-Ebenen-Kommunikation des Managements
Die Zwei-Ebenen-Kommunikation des Managements nach Eugen Buß (2008) zeigt auf, was Kommunikation beinhaltet und auf welchen Ebenen sie stattfindet. Auf derReal- bzw. Sachebeneoder Was-Ebene werden fachliche Inhalte transportiert. Wichtig sind die Vollständigkeit und Korrektheit der Information sowie die Klarheit der Inhalte. Diese werden auf verbale und direkte Weise kommuniziert. Die Realebene wird auch als die Vorderbühne der Kommunikation bezeichnet, auf der das öffentliche Sprechen stattfindet. Die Hinterbühne der Kommunikation ist die entsprechendeMetaebene, auch als Wie-Ebene der Kommunikation beschrieben, in der das private Sprechen stattfindet. In dieser non-verbalen Ebene geht es um die Beziehung der Kommunikationsakteure. Die Bedeutung des Gesprochenen wird auf indirekte Weise signalisiert. Dies kann durch die Mimik, Gestik, Proxemik2sowie den Gebrauch von bildhaften Darstellungen entstehen (Buß, 2008, S. 245-273).
Als Führungskraft ist laut Buß (2011, S.251 ff.) ein Gleichgewicht zwischen beiden Ebenen erstrebenswert. Bei zu starkem Fokus auf die Realebene können wichtige Emotionen der Mitarbeiter übergangen werden. Bei zu starkem Fokus auf die Metaebene können wichtige Aufgaben in den Hintergrund geraten. Sind die zwei Ebenen nicht kongruent, kann dies zu einem Kommunikations-Verzerrwinkel führen. Durch die mangelhafte Informationsverarbeitung des Mitarbeiters wird die Intention der Führungskraft missinterpretiert. Das Vertrauensverhältnis zwischen Mitarbeiter(n) und Führungskraft wird dadurch negativ beeinflusst.
Bei oberflächlicher Beschäftigung mit dem Modell fällt auf, dass dem Gesamtkontext sowie der grundsätzlichen Annahme von Kommunikation als zweiseitige Interaktion wenig Bedeutung zukommt. Es entsteht die grundsätzliche Tendenz, dass Mitarbeiter Dinge falsch verstehen, die die Führungskraft grundsätzlich richtig kommuniziert. Diese einseitige Betrachtung kann jedoch durch die Kombination des Modells mit den anderen hier dargestellten Konzepten nivelliert werden.
2.2.3 Das Eisbergmodell
Eine ähnliche Perspektive auf Kommunikation bietet das Eisbergmodell von Prof. Dr. Sigmund Freud. Dieser stellte bei seinen Patienten eine bewusste sowie unbewusste Steuerung ihres Verhaltens in Alltagssituationen fest. Kommunikationsprozesse laufen demnach ebenfalls auf zwei Ebenen ab. Diese ähneln laut Freud dem Prinzip eines Eisbergs.
Abb. 3: Das Eisbergmodell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gerrig & Zimbardo, 2008, S.517-518
Wie die Abbildung zeigt, ist lediglich die Spitze des Eisbergs sichtbar. In der Analogie des Eisbergs macht die Sachebene demnach lediglich 20 Prozent der sichtbar-bewussten Kommunikation aus. Diese besteht, wie beim Zwei-Ebenen-Kommunikationsmodell (siehe Kapitel 2.2.2), aus verbalen Äußerungen sowie offen kommunizierten Bedürfnissen. Sie werden durch den menschlichen Verstand beherrscht und resultieren in rationalem Handeln (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 517).
Als Führungskraft werden darüber zum Beispiel fachliche Arbeitsanweisungen delegiert und Informationen ausgetauscht.
Der Hauptteil des Eisbergs befindet sich jedoch unter Wasseroberfläche. Dieser Teil stellt laut Freud mit 80 Prozent den Großteil des Kommunikationsprozesses dar. Die nicht sichtbare, unbewusste Kommunikation auf Beziehungsebene beinhaltet nicht offen kommunizierte Bedürfnisse und Emotionen. Darunter können beispielsweise Sympathie, Vertrauen oder Instinkte gefasst werden (Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 518). Mit der Gewichtung von 80 Prozent nimmt die Beziehungsebene einen besonders großen Einfluss auf die Kommunikation und Interaktion im beruflichen Kontext – unter anderem auf die Entscheidungsfindung. Somit können die Bewusstmachung dieser Relevanz und der gezielte Einsatz der Ebene zur Zielerreichung als Führungskraft dienlich sein (Bethke & Bach, 2020, S. 95).
2.2.4 Sender-Empfänger-Modell
Der Mathematiker, Claude E. Shannon und der Telekommunikationsspezialist, Warren Weaver, entwickelten in den 1940er-Jahren, ursprünglich aus rein technischem Interesse, das bis heute in der Kommunikationspsychologie viel zitierte Sender-Empfänger-Modell. Das Konzept fokussiert auf die Übertragung und den Empfang einer Botschaft und handelt im Gegensatz zu einigen anderen Modellen nicht von dessen Bedeutung oder Interpretation (vgl. u.a. Kapitel 2.2.5). Das urtümliche Ziel stellte eine Verbesserung in der technischen Übertragung von Kommunikation dar. Kommunikation wird dabei als „Austausch bzw. Übertragung von Information (zwischen Systemen)“ definiert (Myers, 2014, S.21).
Die untenstehende Abbildung (Abb. 4) zeigt die sechs notwendigen Elemente, die Kommunikation laut des Modells beinhaltet. Der Sender beginnt den Prozess, indem er eine Nachricht auswählt. Die dazugehörigen Signale werden mit Hilfe der Codierung übermittelt. Um die Nachricht aufzunehmen und entsprechend reagieren zu können, muss der Empfänger diese vorab decodieren.
Abb. 4: Das Sender-Empfänger-Modell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Shannon & Weaver, 1964, S.34-35
In der menschlichen Kommunikation wird die Botschaft vom Gehirn des Menschen losgeschickt und anschließend durch den Sender, die Stimmbänder, übertragen. Das dazugehörige Signal ergibt sich durch den entstehenden Schalldruck. Die Übertragung kann jedoch von bestimmten Störungen beeinträchtigt werden, wodurch ein Rauschen eintritt (Myers, 2014, S.22). Wird das ca. 80 Jahre alte Modell auf den heutigen Kontext adaptiert, kann beispielsweise eine mangelhafte Internetverbindung eine beschriebene Störung darstellen, wodurch die eigentliche Botschaft nur bedingt bis gar nicht übertragen wird.
Allgemein muss für einen erfolgreichen Prozessablauf beidseitige Aufmerksamkeit vorherrschen. Die Botschaft sollte in bestehende Kenntnisse des Empfängers integriert werden können. Zudem ist ein Mindestmaß an deckungsgleichem Zeichen- und Bedeutungswissen erforderlich. Dies ist vorhanden, wenn Sender und Empfänger beispielsweise die gleiche Sprache sprechen. Bleibt eine erwartete Reaktion aus oder verhält sie sich nicht den Erwartungen entsprechend, können Fehler in der Kodierung und/oder Dekodierung vorliegen. Die ursprüngliche Botschaft entspricht nicht der angekommenen Botschaft. Mehrdeutigkeit kann beispielsweise zu einer ungewollten Interpretation führen und dadurch eine unerwartete Reaktion hervorrufen (Myers, 2014, S.22-23).
2.2.5 Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun
Zur Betrachtung der Wirkungsweise von Kommunikation kann ein weiteres Modell des Psychologen und Kommunikationswissenschaftlers Friedemann Schulz von Thun herangezogen werden. Das 1981 entwickelte Kommunikationsquadrat beschreibt den vierfachen Gehalt einer Äußerung seitens des Senders sowie der entsprechenden vierfachen Aufnahme des Empfängers.
Die erste Ebene beschäftigt sich mit demSachinhaltder Äußerung. Dabei können das Wahrheitskriterium (wahr oder unwahr), die Hinlänglichkeit sowie die Relevanz des Gesagten klassifiziert werden. Der Empfänger kann bei Erhalt der Nachricht den Wahrheitsgehalt oder die Bedeutsamkeit anzweifeln. Zudem besteht die Möglichkeit, dass die Äußerung durch Hinzufügen sachlicher Argumente eingeschränkt wird.
Die zweite Ebene beinhaltet dieBeziehungdes Senders zum Empfänger und welche Meinung dieser demzufolge über ihn hat. Dieses Bild äußert sich in der Mimik, Gestik sowie dem Tonfall und der konkreten Formulierung des Gesprochenen. Die Übertragung kann sowohl implizit als auch explizit erfolgen und erzeugt beim Empfänger verschiedene Emotionen. Je nach Äußerung und entsprechender Verhaltensweise kann beim Empfänger das Gefühl von Demütigung, Wertschätzung, Missachtung, Respekt oder Ablehnung entstehen.
Eine weitere Seite des Kommunikationsquadrats umfasst dieSelbstkundgabe. Sie handelt von der Frage, was der Sender im Rahmen der Kommunikation von sich preisgibt. Diese Offenbarung kann ebenfalls implizit oder explizit durch differenzierte Ich-Botschaften erfolgen. Dadurch können Rückschlüsse auf die Wertvorstellungen, Emotionen und Bedürfnisse und damit der Persönlichkeit des Senders gezogen werden. Der Empfänger bekommt eine Vorstellung davon, wen er als Gegenüber hat und in welcher Stimmungslage er sich befindet.
Auf der vierten Ebene wird derAppellberücksichtigt, welcher durch den Sender gestellt wird. Dabei wird deutlich, was der Sender mit seiner Nachricht erreichen will und welchen Einfluss er auf den Empfänger ausüben möchte. Die entsprechenden Äußerungen können in Form von offenen oder verdeckten Wünschen, Hinweisen oder Aufforderungen transportiert werden. Die Reaktion des Empfängers äußert sich in Gedanken und Fragen über gewünschte (emotionale) Reaktionen und Handlungen. Ob der Appell in gewünschter Weise beim Empfänger aufgenommen wird, liegt unter anderem an der gleichzeitig ablaufenden Beziehungsebene und der damit verbundenen Botschaft (Schulz von Thun, Stratmann, & Ruppel, 2003, S. 31-40).
Im Führungskontext wird das Modell unter anderem zur Objektivierung von Kommunikation und in Konfliktsituationen verwendet. Des weiteren wird es zur Gestaltung effektiver Arbeitsbeziehungen eingesetzt, indem die „quadratische Gleichheit“ (Schulz von Thun, 2011, S.33) durch die Führungskraft abgedeckt wird.
2.3 Psychologische Sicherheit als Rahmenbedingung erfolgreicher Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeitern
Hinsichtlich erfolgreicher Führung, Führungskommunikation und Zusammenarbeit beschäftigt sich die aktuelle Forschung verstärkt mit dem Phänomen der psychologischen Sicherheit. Maßgeblich geprägt wurde der Begriff von Amy Edmondson, Novartis-Professorin für Führung und Management an der Harvard Business School. Sie erforscht psychologische Sicherheit seit den 1990er Jahren und versteht das Konzept „…as a shared belief held by members of a team that the team is safe for interpersonal risktaking“ (1999, S. 350).
Es handelt sich also um die Risikobereitschaft, die Menschen in Teams auf zwischenmenschlicher Ebene bereit sind einzugehen. Schafft eine Führungskraft psychologische Sicherheit, sind Teammitglieder eher bereit, innovative Ideen, kritische Anmerkungen oder Fragen zu äußern. Die Hürde zur freien Meinungsäußerung sinkt aufgrund der geringen Angst vor Bestrafung oder Demütigung seitens der Führungskraft oder Teamkollegen (Edmondson A. , 2014, S. 29-30).
Psychologische Sicherheit bildet eine zusätzliche Rahmenbedingung für effektive Führung und Teamzusammenarbeit. Diese Abgrenzung des Begriffs von Vertrauen basiert auf der ganzheitlichen Betrachtung des Gruppengefüges und fokussiert weniger die Aktion einzelner Teammitglieder. Der Gedanke von Sicherheit wird im gesamten Team geteilt. Somit kann psychologische Sicherheit als messbares Konzept zur Analyse des Teamklimas dienen und stellt einen wichtigen Faktor für effektive Teamführung in Hinblick auf Innovation dar (Goller & Laufer, 2018, S. 3-17).
Wichtig bei der Betrachtung des Konstrukts ist die klare Trennung zwischen psychologischer Sicherheit und einem übersteigerten Harmoniebedürfnis. Werden die Begrifflichkeiten gleichgesetzt, kann dies zu unerwünschten Effekten wie dem Gruppendenken oder der Gruppenpolarisation führen (Dr. Goller, 2018 zitiert nach Scholz, 2018, S.8). Wenn große Entscheidungen getroffen werden müssen oder wenig Zeit zur Bewältigung von Aufgaben zur Verfügung steht, vertreten die Gruppenmitglieder durch ein gesteigertes Harmoniebedürfnis schneller geschlossene Ansichten. Die Umstände können außerdem dazu führen, dass innerhalb des Teamgefüges das Pflichtgefühl besteht, einer Meinung sein zu müssen und die eigene Gruppe als unverhältnismäßig mächtig und kraftvoll wahrgenommen wird (Janis, 1982, S. S. 174-196). Normative Verpflichtungen führen dann zu einem radikaleren Konsens (Moscovici & Zavalloni, 1969).
Zudem scheint psychologische Sicherheit die Basis für Unternehmenseffektivität zu bilden. In einer Pilotstudie konnte ein Zusammenhang zwischen psychologischer Sicherheit und Unternehmensleistung durch innovative Prozesse festgestellt werden (Baer & Frese, 2003, S. 45 ff.). Besonders in ungewissen Episoden und Krisenzeiten gilt psychologische Sicherheit als relevant, um Kreativität und Zusammenarbeit im Team sicherzustellen (Edmondson & Lei, 2014, S. 23 ff.). Folglich kann dem Konzept im Rahmen der Corona Krise eine besonders wichtige Rolle zugeschrieben werden.
2.4 Vertrauen
Vertrauen bildet die Grundlage, um alltägliche Risiken und soziale Herausforderungen zu bewältigen. Sowohl im gesellschaftlichen als auch wirtschaftlichen Kontext wird Vertrauen eine entscheidende Rolle zugeschrieben (Enste, Kürten, & Schwarz, 2020).
2.4.1 Grundlagen von Vertrauen und Vertrauensbildung
Vertrauen wird in unterschiedlichen Kontexten und wissenschaftlichen Ebenen erforscht. Dabei besteht bis heute keine allgemeingültige Definition des Begriffs, da dessen Bedeutung kontextual geprägt wird. Grundsätzlich kann zwischenmenschliches Vertrauen als „a basic feature of all social situations that demand cooperation and interdependence“ definiert werden (Johnson-George & Swap, 1982, S.1306). Das Risiko, dass trotz der Absichten, Fähigkeiten und Motive einer anderen Person keine Gewissheit darüber besteht, ob ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wird, bildet den grundlegenden Charakter des Vertrauensdilemmas. Die Bereitschaft, dieses Risiko einzugehen, stellt eine der wenigen Eigenschaften dar, die alle Vertrauenssituationen gemeinsam haben. Die vorweg notwendige Bereitschaft, in einer Situation oder bestimmten Personen oder Institutionen gegenüber Vertrauen zu zeigen, wird durch eine Vielzahl spezifischer Faktoren bestimmt (Johnson-George & Swap, 1982, S.1306-1307).
Die Professorin für Technologie- und Betriebsmanagement, Frances Frei beschreibt drei Voraussetzungen, die zur Vertrauensbildung erforderlich sind (2018): Authentizität, Logik und Empathie. Sind alle drei Elemente vorhanden, besteht großes Vertrauen. Gerät dieses Konstrukt in Ungleichgewicht, ist das Vertrauen dadurch bedroht.
Empathie bedeutet in diesem Kontext das Interesse am und die ehrliche Beschäftigung mit dem Gegenüber (Frei, 2018). Unter Authentizität können Begriffe wie Echtheit, Glaubwürdigkeit, Sicherheit und Verlässlichkeit (Duden, 2020) verstanden werden. Authentisch zu sein heißt, „sich gemäß seinem «wahren Selbst», d. h. seinen Gedanken, Emotionen, Bedürfnissen, Werten, Vorlieben, Überzeugungen etc. entsprechend auszudrücken und zu handeln“ (Harter, 2012, S. 329). Schwierigkeiten bezüglich der Logik treten entweder in ihrer Qualität oder in der Fähigkeit, diese zu kommunizieren auf.
2.4.2 Ebenen von Vertrauen
Aufgrund der unterschiedlichen wissenschaftlichen Betrachtungsweisen von Vertrauen können drei Ebenen des Begriffs deduziert werden:
Das Urvertrauen aus dem tiefenpsychologischen Ansatz Eriksons in Verbindung mit dem zwischenmenschlichen Vertrauen aus dem lerntheoretischen Ansatz Rotters führt zum Verständnis von Vertrauen als ein Persönlichkeitsmerkmal. Diese normativistische und/oder strukturorientierte Ebene betrachtet Vertrauen alspersonale Variable(Blank, 2011, S. 5).
Der Utilitarismus untersucht Vertrauen alssituative Variable, die insbesondere in Urteilsfindungen bezüglich bevorstehender Handlungen eine Rolle spielt. Ein populäres Beispiel bietet die ökonomische Spieltheorie (Blank, 2011, S. 5). Vertrauen ist dabei eine der Regeln, nach denen Individuen ihre Entschlüsse im Rahmen der strategischen Interaktion treffen. Das Dilemma besteht im Wechselspiel zwischen Konflikt und Kooperation (Guldner, 2013). In diesen Kontext fügt sich auch die Definition von M. Hartmann (2008, S. 1436), welche Vertrauen beschreibt als „eine oftmals affektiv getönte Einstellung, die im riskanten Vorgriff auf die Kooperationsbereitschaft anderer Handlungen ermöglicht, die ohne Vertrauen entweder gar nicht oder nur auf andere Weise vollzogen werden können.“
Eine dritte Ebene findet sich bei der Betrachtung von Vertrauen alskomplexitätsreduzierende Variablevon Luhmann. Diese Darstellung rührt aus dem systemischen Ansatz und bezieht die ansteigende Komplexität des Umfelds mit ein. Vertrauen stellt in dieser Umwelt eine notwendige Konstante dar, ohne jene die Gesellschaft nicht existieren könnte. Da soziale Strukturen nicht beständig sind und die Gesellschaft weniger pertinent ist, bildet Vertrauen die entscheidende Konstante zur mentalen Risikoeinschränkung (Blank, 2011, S. 6).
Im Zusammenhang mit der vorliegenden Forschungsthematik scheint Vertrauen als situative Variable eine besonders große Rolle hinsichtlich des Verhaltens von Mitarbeitern und Führungskräften zu spielen. Vertrauen als komplexitätsreduzierende Variable zeigt sich durch die Betrachtung von Organisationen als soziale Systeme ebenfalls relevant.
2.4.3 Vertrauen im Organisationskontext
Im organisationalen Kontext ist Vertrauen längst ein elementarer Bestandteil von Führung und Kultur. Die Relevanz von Vertrauen als Unternehmensgrundsatz unabhängig von dessen Branche oder Größe wird in der Wissenschaft immer wieder durch verschiedene Thesen und zugrundeliegenden Studien gestützt. Dabei kann Vertrauen sowohl im inter- als auch als im intraorganisationalen Kontext betrachtet werden. Unter anderem aufgrund der Globalisierung der Märkte, der Flexibilisierung sozialer Strukturen sowie der Virtualisierung von Organisationsformen bildet Vertrauen eine unabdingbare Voraussetzung, um auch Austauschbeziehungen zwischen den Organisationen und Stakeholdern erfolgreich gestalten zu können (Schweer, 2012, S. 104). Aufgrund der fachspezifischen Ausrichtung dieser Arbeit wird jedoch im Folgenden die intraorganisationale Perspektive fokussiert. Diese bezieht sich auf das Vertrauensverhältnis zwischen Personen und Gruppen innerhalb des Unternehmens. Daneben existieren unterschiedliche Ebenen interpersonellen Vertrauens. Die horizontale Ebene spielt sich beispielsweise zwischen zwei Teammitgliedern oder gleichgestellten Führungskräften ab. Die vertikale Vertrauensbeziehung findet zwischen Führungskraft und Mitarbeiter statt und wird beidseitig „von oben“ und „von unten“ entgegengebracht (Wimmer, 2016, S. 33). Die vorliegende Arbeit befasst sich vordergründig mit der vertikalen Vertrauensbeziehung zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitern.
Der Aufbau von Vertrauensbeziehungen im organisationalen Kontext kann mit Hilfe des dreistufigen Phasenmodells von Lewicki und Bunker (1995) sowie Shapiro, Sheppard und Cheraskin (1992) erklärt werden. (Siehe Abbildung 3)
Abb. 5: The Stages of Trust Development
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Lewicki und Bunker, 1995 nach Lewicki, J. Tomlinson, E.C. und Gillespie, N., 2006, S.1008
Die erste Stufe einer Vertrauensbeziehung bildet das sogenanntesituationsbasierte Vertrauen. Die Interaktionspartner sind sich fremd und handeln ausschließlich aus vorab kalkuliertem und maximal minimiertem Risiko. Diese Risikoreduktion erfolgt hauptsächlich durch Kontrolle. Kooperatives Auftreten sowie Konsistenz bilden die Grundvoraussetzung zur Zusammenarbeit. In der wissenschaftlichen Literatur wird diese Ebene als Basis zur Vertrauensbildung beschrieben (Lewicki, Tomlinson, & Gillespie, 2006, S. 1009).
Einige Experten deklarieren das situationsbedingte Vertrauen jedoch als nicht authentisches Vertrauen und ordnen das Vertrauensverhältnis erst innerhalb der nächsten Stufe ein (u.a. in Osterloh & Weibel, 2006, S. 56 ff.). Diese beinhaltet daseigenschaftsbasierte Vertrauen. Das Phänomen tritt dann ein, wenn beide Interaktionspartner sich gut genug kennen und verstehen, um das Verhalten des Gegenübers vorhersagen zu können. Dadurch entsteht eine gewisse Vertrauenserwartung, welche aus drei verschiedenen Erwartungshaltungen resultiert. Vorangegangene Informationen und Erfahrungen haben einerseits eine Kompetenzerwartung sowohl an die sachlichen als auch an die sozialen Kenntnisse zur Folge. Andererseits richten sich die Erwartungen an die Integrität sowie an das Wohlwollen des Gegenübers.
Die dritte Stufe stellt dasidentifikationsbasierte Vertrauendar. Dieses Phänomen tritt auf, wenn eine Partei die Präferenzen der anderen vollständig verinnerlicht hat, sodass sie sich mit den Werten, Normen und Bedürfnissen des Anderen identifiziert. Die emotionale Bindung sowie das gegenseitige Verständnis und Wohlwollen ist in dieser Stufe am stärksten. Die Beziehung hat ihren stabilsten Zustand erreicht, kann aber dennoch durch den Missbrauch dieses Vertrauens zerstört werden.
Jede der drei Stufen ist notwendig, um eine starke Vertrauensbeziehung zu entwickeln. Sie schließen sich dabei nicht aus. Es besteht die Möglichkeit, dass Beziehungen immer wieder zwischen den Stufen schwanken (siehe Abbildung 5: J1, J2) oder nur bis zu einer gewissen Stufe kommen, ohne jemals die nächsthöhere zu erreichen (Lewicki, Tomlinson, & Gillespie, 2006, S.1009 ff.).
Die positive Funktion von vorherrschendem Vertrauen innerhalb einer Organisation wird mittels verschiedener Argumente untermauert. Neben verringerter Transaktionskosten, Ertragssteigerungen, Kooperationsförderung, Qualitäts- und Motivationssteigerung sowie der Förderung der Adaptionskompetenz (vgl. Drepper, 2006, S. 7 f.) wird Vertrauen immer wieder mit erfolgreicher Führungskommunikation (u.a. in Drepper, 2006, S. 8) und einer folglich höheren Innovationsfähigkeit von Unternehmen und ihren Mitarbeitern (u.a. in Schweer M.K.W., 2005, S. 95) in Verbindung gebracht.
Eine Studie zum Thema „Vertrauenskultur und Innovationsfähigkeit“ (Scholl, 2014) widerspricht sogar der gängigen Forschungsliteratur (vgl. in Schweer M.K.W., 2005, S. 95), indem die Ergebnisse Vertrauen als nur sehr geringe Determinante hinsichtlich der Innovationsfähigkeit von Mitarbeitern identifizieren. Koordinationsfähigkeit, Organisationslernen sowie Lernen am Erfolg haben demnach einen sehr viel größeren Einfluss auf Innovationen im Unternehmen. (Siehe Abb. 6)
Abb. 6: Erklärung des Erfolgs von Innovationen durch individuelle Prozesseinschätzungen und kollektive Kultureinschätzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Scholl, 2014
Bei der Betrachtung der Erklärungsgraphik zur Studie wird jedoch deutlich, dass Vertrauen im Sinne der vertikalen Vertrauensbeziehung in keiner Weise abgebildet wird. Auch das Vertrauen im Rahmen einer organisationsweiten Vertrauenskultur stellt keine relevante Determinante dar. Zudem bleibt zu prüfen, ob Vertrauen nicht auch eine relevante Einflussgröße hinsichtlich organisationalen Lernens bildet.
2.5 Innovation und Innovationsfähigkeit
Innovationen und Innovationsfähigkeit bekommen aufgrund der steigenden Herausforderungen des dynamischen Markt- und Wettbewerbsfeldes einen immer höheren Stellenwert sowohl in den Organisationen als auch Unternehmen. Innovationen und deren Umsetzung gelten als maßgebliche Erfolgsfaktoren, um als Organisation am Markt zu bestehen (Brahtz, Friedrich, & Klaus, 2005, S. 14).
2.5.1 Innovationen und Innovationskompetenzen von Mitarbeitern und Teams
Aus Unternehmensperspektive kann der Ausgangspunkt von Innovation als „Rekombination von in der Organisation zur Verfügung stehenden Materialien und Prozessen“ (Brahtz, Friedrich, & Klaus, 2005, S. 14) betrachtet werden. Weiterhin kann dabei zwischen gradueller bzw. inkrementeller und disruptiver bzw. radikaler Innovationen unterschieden werden.
Inkrementelle Innovationen zeigen einen geringfügigen Neuheitswert. Bereits Bestehendes wird graduell angepasst, verändert und weiterentwickelt. Diese Art der Innovation zeigt sich beispielsweise in der Reduktion von Kosten oder funktionellen Optimierungen bei bestehenden Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen. Vorhandenes Wissen wird genutzt und das bestehende Risiko somit minimiert (Brahtz, Friedrich, & Klaus, 2005, S. 76).
Radikale Veränderung besitzt hingegen einen hohen Neuheitswert. Disruptive Innovationen implementieren erhebliche Veränderungen hinsichtlich der Prozesse, Produktionen oder Dienstleistungen im Unternehmen. Es besteht eine hohe Unsicherheit, da neues Wissen angewandt und nicht auf Bestehendes zurückgegriffen wird (Brahtz, Friedrich, & Klaus, 2005, S. 76).
Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Jürgen Hauschildt definiert Innovation als „neuartige Kombination von Zweck und Mitteln“ (Albers & Gassmann, 2005, S. 25) und unterteilt den Innovationsgrad noch weiter. Die inkrementelle Innovation stellt demnach den schwächsten Innovationsgrad dar, da bereits existierende Produkte, Prozesse, o.ä. nur minimal verändert werden. Der bestehende Zweck wird mit bestehenden Methoden optimiert. Der nächsthöhere Innovationsgrad geht aus der mittelinduzierten Innovation hervor. Diese Art der Innovation beinhaltet neue Mittel zur Realisierung eines entsprechenden Zwecks und entspringt hauptsächlich aus dem Forschungs- und Entwicklungsbereich von Unternehmen. Die zweckinduzierte Innovation bringt einen neuen Zweck hervor und wird vor allem durch sich verändernde Nachfrage am Markt impliziert. Den höchsten Innovationsgrad besitzt die Durchbruchsinnovation. Sie entsteht durch die Befriedigung neuer Bedürfnisse mit Hilfe von neuen Mitteln oder Technologien (Hauschildt, Salomo, Schultz, & Kock, 2016, S. 6). Diese Art der Innovation kann mit den vorab genannten disruptiven Innovationen gleichgesetzt werden, während die ersten drei Innovationsarten der graduellen Innovation zugehörig sind.
Der Innovationsfähigkeitsbegriff als solcher wird in der wissenschaftlichen Forschung vielfach definiert. Im Folgenden werden drei Beschreibungen gelistet, die die Innovationsfähigkeit auf Mitarbeiterebene in Organisationen betrachten.
„Innovationsfähigkeit bezeichnet im Sprachgebrauch besonders die aktive Mitwirkung und die Übernahme einer Initiatorenrolle [durch den Mitarbeiter]. Der Mitarbeiter als Initiator erkennt eigenständig Probleme und löst sie in Zusammenarbeit mit anderen.“ (Reif & Buck, 2003, S. 45)
„Die Lern- und Innovationsfähigkeit des Menschen bedarf der Pflege und Entwicklung. […] Förderungen der Innovationsfähigkeit müssen in erster Linie bei den Mitarbeitern ansetzen, denn sie sind Träger und Entwickler von Wissen und diejenigen, die Wissen in Innovation transferieren.“ (Bergmann & Pohlandt, 2006 zit. N. Dresden, 2006, S.13)
„Innovatives Verhalten […] muss aus dem Interesse an der Problemlösung herauswachsen. [Außerdem sollen] durch die Freisetzung von Motivation und Kreativität wesentliche Impulse für die Innovationsfähigkeit der Unternehmen gegeben werden.“ (Schreyögg, 2008, S. 138; 203)
Diese Aussagen setzen den Mitarbeiter als Träger von Innovationsfähigkeit in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Eine besondere Bedeutung nehmen vor allem die Kreativität, die Motivation, die Problemlösefähigkeit sowie die Proaktivität des Mitarbeiters ein. Diese Aspekte sollen laut Schreyögg, Reif, u.a. besonders gefördert werden, um Innovationsfähigkeit im Unternehmen zu steigern (Bruns, Hoon, & Ridder, 2005, S. 34).
Wichtig bei der Betrachtung von Innovationskompetenz ist die klare Abgrenzung zu den Begrifflichkeiten „Anpassungskompetenz“ und „Veränderungskompetenz“. Diese Unterscheidung kann hinsichtlich der geplanten Ziele sowie der Verwendung dazu notwendiger Mittel gemacht werden. Anpassungskompetenzen beziehen sich lediglich auf die Ausführung der Ziele. Veränderungskompetenzen betreffen die Adaption an erstmalig auftretende Ziele mit Hilfe bestehender und nur in seltenen Fällen neuer Mittel. Innovationskompetenzen werden jedoch für die Kreation neuer Ziele mit Hilfe bestehender oder bis dato unbekannter Mittel benötigt (Brahtz, Friedrich, & Klaus, 2005, S. 93).
2.5.2 Voraussetzungen für Innovation im organisationalen Kontext
Zur Entstehung und Umsetzung von Innovationen gelten verschiedene Voraussetzungen als besonders förderlich. Diese wirken auf unterschiedlichen Ebenen. Die folgende Darstellung zeigt die Einflussgrößen in Abhängigkeit der Ebenen im organisationalen Kontext.
Abb. 7: Voraussetzungen für Innovationen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Brahtz, Friedrich, & Klaus, 2005, S. 90
AufOrganisationsebenespielt neben den vorherrschenden Prozessen, Strukturen, Organisationsbiographien sowie der Wissenspräsentation und -kommunikation, die Unternehmenskultur eine besondere Rolle. Die vorhandenen Werte, Normen, Leitbilder und (in)offiziellen Spielregeln können Innovationen fördern. Offenheit für Veränderungen, Lernorientierung sowie Vertrauen sind dafür besonders relevant (Brahtz, Friedrich, & Klaus, 2005, S. 100).
Innerhalb einesTeamssind Kulturmerkmale wie Vertrauen oder Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderung ebenfalls begünstigende Faktoren. Die Historie des Teams, die Zusammensetzung der individuellen Kompetenzen sowie die Selbstwirksamkeitserwartung können Innovationen zusätzlich beeinflussen. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung kann aus positiven Erfahrungen resultieren, wenn die Gruppe Vertrauen über ihr gemeinsames Handlungsvermögen erlangt (Brahtz, Friedrich, & Klaus, 2005, S. 109).
Aufpersönlicher Ebenewerden methodische bzw. Fachkompetenzen vorausgesetzt. Diese sind jedoch nur in Verbindung mit Veränderungskompetenz wirksam, um „sich wechselnden Bedingungen anzupassen, diese zu verarbeiten und sich neue Ziele zu setzen“ (Brahtz, Friedrich, & Klaus, 2005, S. 113). Die subjektive Wahrnehmung der Arbeitsqualität und -aufgabe spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung von Veränderungskompetenz. Wird eine Relation zwischen der eigenen Arbeit und den übergeordneten Zielen der Organisation gesehen, steigt die Selbstwirksamkeitserwartung und dessen Erfüllung. Des Weiteren stellt die Persönlichkeitsstruktur des Mitarbeiters eine entscheidende Voraussetzung für Innovation dar. Kreativität, entstehend aus kognitiven Kompetenzen und Assoziationsfähigkeit, gepaart mit Durchsetzungsvermögen wird in der Wissenschaft immer wieder als zentrale Variablen identifiziert (Zimmer, 20021, S. 42 ff.). Intrinsische Motivation und Leidenschaft gelten ebenfalls als treibende Faktoren für Innovation auf Mitarbeiterebene (Brahtz, Friedrich, & Klaus, 2005, S. 116).
Fraglich ist dabei die fehlende Differenzierung zwischen den einzelnen Prozessschritten innerhalb des innovativen Vorgehens. So erscheint mindestens die Unterscheidung zwischen der Generierung innovativer Ideen und deren Umsetzung von Bedeutung hinsichtlich der geforderten Kompetenzen. Die detaillierte Beschreibung des Prozesses findet sich im weiteren Theorieteil. Die mögliche Differenzierung der Kompetenzen soll im Rahmen der Arbeit noch einmal näher untersucht werden.
2.5.3 Messung von Innovationsfähigkeit im Unternehmen
Die Messung von Innovationsfähigkeit im Unternehmen kann durch unterschiedliche Determinanten bestimmt werden. Die mögliche Bestimmung und Bewertung von Innovation kann nach Hauschildt und Gemuenden (2011, S.4) anhand von fünf Dimensionen erfolgen:
- Die inhaltliche Dimension: Was ist neu?
- Die Intensitätsdimension: Wie neu?
- Die subjektive Dimension: Neu für wen?
- Die prozessuale Dimension: Wo beginnt und wo endet die Dimension?
- Die normative Dimension: Ist neu gleich erfolgreich?
Dieinhaltliche Dimensionumfasst verschiedene Betrachtungsweisen. Die erste Unterscheidung kann zwischen Produktinnovationen und Prozessinnovationen gemacht werden. Unter Prozessinnovationen können neuartige Verknüpfungen und Verbindungen verstanden werden, welche die Herstellung eines bestimmten Produktes beispielsweise durch Kosteneinsparungen oder Qualitätssteigerung optimiert. Durchgeführt wird diese Art der Innovation jedoch vornehmlich innerhalb des Unternehmens. Produktinnovationen werden jedoch außerhalb des Betriebs, am Markt durchgesetzt und bieten dem Nachfrager neuartige Zwecke oder Benutzungsweisen. Ziel ist somit stets die Steigerung der Effektivität. Die zweite Unterscheidung kann bezüglich der funktionalen Bereiche bestimmt werden. Nach Zahn und Weidler (1995, 362 ff.) können dabei drei verschiedene Kategorien unterschieden werden. Innovationen können als technische Innovationen (z.B. Produkte oder Prozesse), als organisationale Innovationen (z.B. Strukturen oder Kultur) oder als geschäftsbezogene Innovationen (z.B. im Rahmen der Branchen- oder Marktstrukturen) auftreten. Des Weiteren kann die „Zahl und Verzahnung der innovativen Elemente“ (Hauschildt & Gemuenden, 2005, S. 26) sowie das mit der Innovation zusammenhängende Netzwerk berücksichtigt werden.
DieIntensitätsdimensionbeschäftigt sich mit der Frage nach dem Ausmaß der Innovation. Sind Innovationen in einer Vielzahl vorhanden, wird dies oftmals mit einem korrelierenden Erfolgsanstieg verknüpft. Dieser Zusammenhang wird jedoch hauptsächlich zu Marketingzwecken verwendet und bekommt in der wissenschaftlichen Literatur weniger Bedeutung (siehe z.B. Gemuenden & Kock, 2008, S. 201 ff.). Der Grad der Innovation zeigt sich jedoch in der Organisation, Führung, Vermarktung, Finanzierung oder dem Ausmaß der technologischen Unterstützung des Innovationsvorhabens (Leifer et al., 2000, o.A.). Je nachdem, wie groß der Innovationsgrad ist, fallen die entsprechenden Maßnahmen und Umsetzungen der Innovationsprozesse ins Gewicht. Außerdem kann der Innovationsgrad anhand der möglichen Stimulierung oder Begrenzung der Innovation bestimmt werden. Die dazugehörige Frage beschäftigt sich mit der Effizienz und Effektivität hinsichtlich der entsprechenden Umsetzung.
Diesubjektive Dimensionfokussiert die subjektive Wahrnehmung des nachhaltigen Unterschiedes der Innovation, die bestenfalls eine Bewusstseinsveränderung erzielt. Aufgrund der bedingten Objektivierbarkeit besitzt die Auswahl des Subjekts zur Bewertung der Innovation eine hohe Relevanz. Somit sollte keine beliebige Person, sondern ein entsprechender Experte gewählt werden. Wer Experte ist, muss vorab je nach Art und Inhalt der Innovation definiert werden. Um jedoch die gesamtwirtschaftliche Perspektive des Unternehmens abzubilden, ist die Perspektive der Führungsinstanz zur Urteilsbildung ratsam. Neben der innerbetrieblichen Sichtweise kann die Bestimmung des Innovationsgehalts mit Hilfe externer Faktoren erfolgen. Durch Vergleiche mit relevanten Lieferanten oder Konkurrenten kann der Grad der Neuartigkeit von Innovationen identifiziert werden. Eine weitere Möglichkeit stellt die Bewertung hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Vergangenheit. Innovationen werden dann als besonders innovativ gewertet, wenn sie in ihrer bestimmten Form noch nie vorgekommen sind. Im Rahmen der wirtschaftlichen Wissenschaft und Praxis wird jedoch von dieser Variante aufgrund der Radikalität und Rarität abgeraten (Fichter, 2015, S. 19 f.).
Dieprozessuale Dimensionder Innovation analysiert den dahinterstehenden Prozess. Dieser kann modellhaft in fünf Schritte unterteilt werden: Der erste Schritt, die Initiative, besteht aus der Beobachtung oder Entdeckung eines bisher unbekannten Phänomens. Daraus resultiert die Entscheidung der intensiveren Beschäftigung mit dem Entdeckten. Der zweite Schritt stellt die Forschung dar. Das Phänomen wird theoretisch fundiert und empirisch überprüft. Im dritten Schritt folgt die Entwicklung, in der die Entdeckung anhand der wissenschaftlich generierten Ergebnisse nutzbar gemacht oder modelliert wird. Der vierte Schritt umfasst den Verwertungsanlauf. Das neue Produkt oder Verfahren wird im entsprechenden Kontext implementiert. Im letzten Schritt folgt die laufende Verwertung. Dies zeigt sich beispielsweise im Ausbau der Produktion oder der nachhaltigen Diffusion. Je nachdem, wie viele dieser Prozessschritte stattgefunden haben und in welcher Intensität diese durchlaufen wurden, kann der Innovationsgrad unterschiedlich bemessen werden (Hauschildt, Salomo, Schultz, & Kock, 2016, S. 21 f.).
Dienormative Dimensionder Innovation bewertet den Erfolg der Innovation. Sie bezieht sich auf die tatsächliche Optimierung des gegenwärtigen Zustands. Allgemeingültig kann dies jedoch nur schwer objektiv beurteilt werden, da nicht überall von einem gleichen Interessensstand ausgegangen werden kann. Die Bemessungsgrundlage kann somit innerhalb einer Bewertung stark variieren. Im betriebswirtschaftlichen Kontext können beispielsweise die erzielten Gewinne oder Kosteneinsparungen als Bewertungsgrundlage dienen. In der Praxis kann jedoch von zu erwartenden Erfolgen ausgegangen werden, da die rückschrittliche Betrachtung dem Innovationscharakter mit seiner zukunftsbezogenen Variable widerspricht (Hauschildt & Gemuenden, 2005, S. 34).
2.6 Ableitung der Forschungsfrage und Hypothesen
Bei Betrachtung der dargestellten Theorie wird deutlich, dass Vertrauen und Kommunikation sowie Innovationsfähigkeit in einem gewissen Zusammenhang stehen. Wie genau sich die Zusammenhänge gestalten, ist jedoch nur unzureichend geklärt. Des Weiteren wird der Einfluss von Vertrauen auf Innovationsfähigkeit von Mitarbeitern sowie die Rolle der Führungskraft nur wenig differenziert betrachtet. Die Digitalisierung wird immer wichtiger. Die Zusammenarbeit in Unternehmen ist immer stärker von Auswirkungen der VUCA Welt beeinflusst. Forschungsergebnisse zeigen, wie sich diese Trends auf die einzelnen Faktoren Vertrauen, Führung, Kommunikation und Innovation auswirken (z.B. in Ludwig, 2019, S.105 ff.). Es ist jedoch unklar, wie diese Trends den Gesamtzusammenhang zwischen Vertrauen, Kommunikation und Innovationsfähigkeit beeinflussen. Somit beschäftigt sich die Forschungsarbeit mit folgender Fragestellung:
Wie kann – besonders in Zeiten virtueller Zusammenarbeit – vertrauensvolle Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeitern aufgebaut werden, um damit die Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter zu fördern?
Die Forschungsfrage wird durch folgende zu untersuchende Hypothesen gestützt:
1) Die VUCA Welt erhöht den Druck auf Organisationen, Innovationsfähig zu sein.
2) Je stärker die Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter digitalisiert wird, umso wichtiger ist die Förderung von Vertrauen seitens der Führungskraft.
3) Eine starke Vertrauenskultur wirkt sich positiv auf die graduelle Innovationsfähigkeit von Mitarbeitern und Teams aus.
4) Eine starke Vertrauenskultur wirkt sich positiv auf die disruptive Innovationsfähigkeit von Mitarbeitern und Teams aus.
3 Methodik
In diesem Kapitel werden Hintergründe und Teilschritte des Forschungsprozesses der zugrundeliegenden Arbeit erläutert. Die Auswahl der qualitativen Forschungsmethode wird detailliert begründet sowie das konkrete Vorgehen im Rahmen der Experteninterviews dargestellt.
3.1 Begründung der qualitativen Forschung
Am Beginn jedes Forschungsprozesses steht die Frage nach der geeigneten Forschungsmethode. Je nachdem, welche Art von Daten zu welchem Zweck erhoben werden sollen, können quantitative oder qualitative Forschungsmethoden angewandt werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden leitfadengestützte Experteninterviews als Methode der qualitativen Forschung durchgeführt. Im Folgenden werden die Beweggründe für dieses Vorgehen erläutert.
Quantitative Forschungsmethoden befassen sich mit der numerischen Beschreibung von Erfahrungs- beziehungsweise Beobachtungsqualität und zielen auf die statistische Auswertung der erhobenen Daten ab. Qualitative Verfahren bedienen sich hingegen der Verbalisierung von Erfahrungsqualität, um diese anschließend interpretativ auswerten zu können. Durch die unterschiedlichen Vorgehensweisen und Arten von Daten bringen beide Vorgehen unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich. Diese gilt es im Vorhinein abzuwägen, um anschließend anhand des Forschungsziels die richtige Methode auszuwählen.
Bei quantitativen Verfahren wird von Laboruntersuchungen gesprochen. Dabei ist weniger die Örtlichkeit der Erhebung gemeint, als vielmehr die damit einhergehenden Kontrollmöglichkeiten bezüglich der Forschungsbedingungen. Da das Forschungsziel der Arbeit auf konkreten Alltagssituationen, Rahmenbedingungen und Verhaltensweisen innerhalb des organisationalen Kontexts basiert, erscheint die freiere Felduntersuchung des qualitativen Vorgehens als vorteilhaft.
Eine weitere Unterscheidung ergibt sich durch die Art und Weise, wie Rückschlüsse anhand der erhobenen Daten gezogen werden können. Während bei quantitativen Methoden deduktiv vorgegangen wird, gestaltet sich die Interpretation qualitativ erhobener Daten überwiegend induktiv. Die deduktive Vorgehensweise schließt vom Allgemeinen zum Besonderen, die induktive Vorgehensweise führt vom Einzelfall zum Allgemeinen. Da im Rahmen der Arbeit möglichst allgemeine Aussagen über grundsätzliche Prädispositionen und Kausalzusammenhänge getroffen werden sollen, weist das Forschungsziel auch hinsichtlich dieses Aspekts auf den qualitativen Forschungsweg hin. Dabei ist jedoch das in der Forschung bisher ungelöste Induktionsproblem von Bedeutung. Induktive Schlussfolgerungen sind demnach ausschließlich unsichere Schlüsse, da sie durch die Einzelfallbetrachtungen nicht auf logischer Eindeutigkeit beruhen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, werden mehrere Einzelfälle betrachtet sowie zusätzlich bereits vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse in die Interpretation der Ergebnisse integriert.
Des Weiteren kann den verschiedenen Ansätzen der Zweck des Erklärens oder des Verstehens zugeschrieben werden. Quantitative Ansätze sind grundsätzlich darauf ausgerichtet, äußere, objektiv messbare Zusammenhänge zu erklären. Qualitative Verfahren beruhen eher auf dem Verstehen und Nachvollziehen subjektiver Perspektiven verschiedener Akteure und deren Verhaltensweisen. Erklärungen können bei der zusätzlichen Heranziehung bestehender theoretischer Konzepte zur Analyse der Ergebnisse inkludiert werden (Bortz Jürgen, 2006, S. 296 ff.).
Da das Verstehen innerhalb der vorliegenden Arbeit eine entscheidende Rolle spielt, fällt auch dieses Entscheidungsmerkmal zugunsten der qualitativen Vorgehensweise aus.
3.2 Experteninterviews
Experteninterviews gelten als Teilgebiet der empirischen Sozialforschung. Im Folgenden wird die qualitative Forschungsmethode näher erläutert. Zudem wird das konkrete Vorgehen sowie die darauffolgende Auswertung der Interviews vor dem Hintergrund forschungsrelevanter Regeln und Gütekriterien dargestellt.
3.2.1 Experteninterviews als qualitative Forschungsmethode
Experteninterviews als anerkannter Teil der qualitativen Forschungsmethoden dienen dazu, technisches, prozessorientiertes oder Deutungs-Wissen im Rahmen empirischer Forschungsprozesse zu erheben und hinsichtlich spezifischer Fragestellungen auszuwerten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit dienen die durchgeführten Interviews der Erkenntnis von Prozesswissen einerseits, da bestimmte Handlungsabläufe und organisationale Konstellationen relevant sind. Andererseits zielen die Interviews auf das Deutungswissen ab, da die „subjektiven Relevanzen, Sichtweisen, Interpretationen, Deutungen, Sinnesentwürfe und Erklärungsmuster der Experten“ (Bogner, Littig, & Menz, 2014, S. 18 f.) erforscht werden. Das geteilte, kollektive Maß ist dabei von besonderem Interesse.
Hinsichtlich des Forschungsdesigns kann zwischen zwei Varianten unterschieden werden. Das explorative Experteninterview steht meist am Anfang, beziehungsweise in der Orientierungsphase eines Forschungsprozesses und beabsichtigt eine Konkretisierung der Problemstellung und/oder Hypothesenbildung. Je nachdem, ob die Methode auf Informations- oder Deutungswissen abzielt, dient das explorative Interview der explorativen Datensammlung oder der Exploration von Deutungen. Die zweite Variante bilden fundierende Experteninterviews. Diese finden als zentrale Forschungsmethode zur wissenschaftlichen Erarbeitung relevanter Erklärungen, Ursachen und Kausalzusammenhänge Anwendung. Basiert das Forschungsziel dabei auf dem reinen Sachwissen der Experten, handelt es sich um systematisierende Interviews. Für die vorliegende Arbeit ist jedoch neben dem Sachwissen auch das umliegende Wissen innerhalb des jeweiligen professionellen Tätigkeitsrahmens relevant, weshalb die Erhebung den theoriegenerierenden Experteninterviews als Variante der fundierenden Interviews zugeordnet werden kann (Bogner, Littig, & Menz, 2014, S. 22 ff.).
Die Gütekriterien dieser qualitativen Forschungsmethode sind, anders als die der quantitativen Methoden (Reliabilität, Objektivität, Validität), weniger klar definiert und abgrenzbar. Stattdessen sind unter anderem die Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Erhebung und Auswertung der Daten notwendig. Um diesem Gütekriterium zu entsprechen, wird im Rahmen der Arbeit ein besonderes Augenmerk auf den Auswertungsprozess und dessen Offenlegung gelegt (Bogner, Littig, & Menz, 2014, S. 93). Die qualitative Inhaltsanalyse bietet dafür einen geeigneten Rahmen und wird im Laufe des Kapitels noch näher erläutert.
Subjektivität kann innerhalb der Interviewsituation nicht vollständig eliminiert werden, weshalb die Gewährleistung methodisch kontrollierter Subjektivität erforderlich ist. Auch die kontextuelle Abhängigkeit ist im Rahmen qualitativer Forschungsprozesse nicht ausschließbar, weshalb Reliabilität kein sinnvolles Gütekriterium darstellt. Vielmehr ist die bewusste Einordnung des Kontexts in die Auswertung und Interpretation der Daten von Bedeutung. Die unmögliche Sicherstellung der Validität lässt sich durch das Prinzip der maximalen Offenheit kompensieren. Je offener die Durchführung, umso valider wird der subjektive Sinn der Forschung erhoben (Helfferich, 2014, S. 573).
3.2.2 Vorgehensweise und Auswahl der Datenerhebung
Zu Beginn des Forschungsprozesses erfolgte eine Auswahl geeigneter Interviewpartner. Da sich der Forschungsgegenstand insbesondere mit der Kommunikation sowie dem Vertrauensverhältnis zwischen Führungskräften und Mitarbeitern befasst, wurden Personen ausgewählt, welche der Gruppierung Führungskraft oder Mitarbeiter zugeordnet werden können. Des Weiteren wurden Berater für Organisations- und Personalentwicklung interviewt, da diese Experten im Regelfall sowohl die Führungskräfte- als auch die Mitarbeiterperspektive in ihren Projekten erfassen. Durch die Repräsentativerhebung der drei unterschiedlichen Gruppierungen kann eine umfassende Darstellung der Befragungsgegenstände sichergestellt und folglich das Risiko der einseitigen Betrachtung minimiert werden.
Zudem wurde bei der Auswahl der entsprechenden Experten auf eine Diversität hinsichtlich der im Hintergrund stehenden Branchen, Unternehmen und Unternehmensstrukturen geachtet. Auch das Alter der Befragten ist mit einer Spanne zwischen 27 und 64 Jahren weit gefasst. Somit wird die Gefahr eines beispielsweise branchen- oder altersspezifischen Meinungsbildes reduziert.
Nach Auswahl der Experten wurden verschiedene Leitfäden zur Durchführung der Experteninterviews konzipiert. Diese basieren auf den vorab erworbenen Kenntnissen einer umfassenden Literaturanalyse, welche im Theorieteil der Arbeit dargestellt wird. Für jede Gruppierung (Führungskraft, Mitarbeiter und Berater) wurde jeweils ein entsprechender Leitfaden entwickelt, der für die Durchführung des Interviews als grobe Richtlinie fungierte. Die Unterscheidung der Leitfäden kennzeichnet sich durch die unterschiedliche Ansprache und Abfrage der gruppenspezifischen Perspektiven.
Es wurde darauf geachtet, die Leitfragen nach dem Prinzip maximaler Offenheit aus Gründen des Forschungsinteresses zu stellen und gleichzeitig aufgrund der Forschungspragmatik den Fragenablauf in Richtung der übergeordneten Forschungsfrage zu lenken.
Je nach Gruppierung wurden zu den gleichen Themen und Fragestellungen die unterschiedlichen Perspektiven abgefragt. Die Interviewten wurden dabei gemäß den Richtlinien des Experteninterviews in ihrer spezifischen Rolle (Führungskraft, Mitarbeiter oder Berater) angesprochen (Helfferich, 2014, S. 559 f.).
Der Leitfaden impliziert sowohl offene Fragen als auch die Prüfung beziehungsweise Meinungs- und Erfahrungsabfrage hinsichtlich vorab formulierter Hypothesen.
3.2.3 Durchführung und Auswertung der Interviews
Nachdem geeignete Experten ausgewählt wurden, erfolgte die Durchführung der jeweiligen Interviews. Insgesamt wurden zehn Gespräche mit verschiedenen Personen aus oben genannten Gruppen geführt. Die Dauer der Gespräche variierte zwischen 25 und 58 Minuten. Sie wurden nach vorab erklärtem Einverständnis durch die Experten online via Zoom oder Microsoft Teams durchgeführt und zusätzlich zur weiteren Verarbeitung aufgezeichnet. Anschließend wurden die Aufzeichnungen einzeln transkribiert. Die Transkription erfolgte nach den einfachen Transkriptionsregeln von Dresing und Pehl (2015). Die Interviews wurden somit wörtlich transkribiert3. Wortverschleifungen wurden an das Schriftdeutsch angepasst und Interpunktionen hinsichtlich der Lesbarkeit geglättet (Dresing & Pehl, 2015, S. 21).
Die Auswertung der Interviews erfolgte anhand des „allgemeine{n} inhaltsanalytischen Ablaufmodell{s}“ der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2003, S. 53). Diese gliedert alle notwendigen Prozessschritte zur Auswertung und Analyse von Experteninterviews in einem Modell und findet die größte wissenschaftliche Anerkennung im Rahmen qualitativer Forschungsprozesse (vgl. Carl & Holder, 2020). Sie hat zum Ziel, fixierte Kommunikation systematisch, regel- und theoriegeleitet zu analysieren, um damit Rückschlüsse auf spezifische Aspekte der Kommunikation ziehen zu können (Mayring, 2003, S. 13).
Der erste Schritt beinhaltet die Festlegung des Materials. Dazu wurden die Interviewsegmente ausgewählt, die einen direkten oder indirekten Bezug zur Forschungsfrage und den dazugehörigen Hypothesen darstellen. Im zweiten Schritt wird die Entstehungssituation der Datenerhebung analysiert. Im Rahmen der Auswertung wird deshalb unter anderem immer wieder Bezug auf die drei unterschiedlichen Gruppierungen (Führungskraft, Mitarbeiter, Berater) genommen und dessen jeweiliger Kontext (Perspektive, Erfahrungswerte, etc.) in die Interpretation integriert. Außerdem sind die formalen Charakteristiken des auszuwertenden Materials zu benennen.
Diesbezüglich wurde im vorangegangenen Textabschnitt die Art der Transkription sowie die Auswahl der Interviewpartner näher erläutert. Vor der eigentlichen Analyse muss außerdem die geplante inhaltliche Richtung bestimmt werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden explizit die thematischen Gegenstände und deren Darstellungen und Erläuterungen der Interviewpartner beurteilt. Um der intersubjektiven Überprüfbarkeit der Ergebnisse zu entsprechen, ist eine theoretische Differenzierung der Fragestellung notwendig. Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt also mit Hilfe des vorab generierten Wissens aus vorangegangenen wissenschaftlichen Erkenntnissen, Theorien und Modellen. Anschließend erfolgt die Festlegung der Analysetechnik (Jenker, 3. Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring, 2007).
Nach Mayring (2003, S.57 ff.) stehen dazu die Zusammenfassung, Explikation oder Strukturierung zur Auswahl.
DieStrukturierungverfolgt das erklärte Ziel, „bestimmte Aspekte aus dem Material herauszufiltern, unter vorher festgelegten Ordnungskriterien einen Querschnitt durch das Material zu legen oder das Material aufgrund bestimmter Kriterien einzuschätzen.“ (Mayring, 2003, S.58)
Das gesamte Material wird einer vorab festgelegten Struktur zugeordnet. Die entsprechenden Textstellen gelten als Ankerbeispiele und folgen eindeutig definierten Kodierregeln. Dadurch wird die notwendige Trennschärfe zwischen den Kategorien gewährleistet. Die Analysetechnik kann dabei je nach Ausrichtung zwischen formaler, inhaltlicher, typisierender oder skalierender Strukturierung unterschieden werden (Mayring, 2003, S.85 ff.).
DieExplikationhat zum Ziel, zu „einzelnen fraglichen Textteilen (Begriffen, Sätzen, …) zusätzliches Material heranzutragen, das das Verständnis erweitert, das die Textstelle erläutert, erklärt, andeutet.“ (Mayring, 2003, S.58) Weiter kann eine enge Explikation durchgeführt werden, indem sich ausschließlich auf den Urtext bezogen wird, oder eine weite Explikation erfolgen, bei welcher zusätzliche Informationen bezüglich des Verfassers oder der Forschungssituation zum erweiterten Verständnis herangezogen werden. Das entsprechende Vorgehen beinhaltet nach Mayring (2003, S.80) die lexikalisch-grammatikalische Definition, die Bestimmung des Explikationsmaterials, die enge Kontextanalyse, die weite Kontextanalyse, die explizierende Paraphrase sowie die Überprüfung der Explikation.
DieZusammenfassungzielt darauf ab, „das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstraktion einen überschaubaren Corpus zu schaffen, der immer noch Abbild des Grundmaterials ist.“ (Mayring, 2003, S.58) Die erhobenen Daten werden zuerst paraphrasiert, wobei die relevanten Textstellen auf ein einheitliches Sprachniveau gesetzt werden, indem beispielsweise Auskürzungen oder minimale Umformulierungen getätigt werden. In einem zweiten Schritt erfolgt die Erhebung auf ein gemeinsames Abstraktionsniveau. Paraphrasierte Textabschnitte, welche unter dem definierten Abstraktionsniveau liegen, werden dahingehend erneut angepasst. Anschließend werden die Inhalte in einem ersten und zweiten Durchgang reduziert.
Dabei wird das abstrahierte Material gebündelt und auf wissenschaftlichem Forschungsniveau strukturiert formuliert (Jenker, 2007).
Im Rahmen der Arbeit wurden ausgerichtet an der Fragestellung, der Hypothesen sowie des vorhandenen Materials verschiedene Aspekte aller drei Analysetechniken angewandt. Das grundsätzliche Vorgehen orientiert sich an den Schritten der Zusammenfassung. Um die Textabschnitte auf geeignete Art zuordnen zu können, wurden vorab in Anlehnung an die strukturierende Inhaltsanalyse zielgerichtete Kategorien definiert und – wo notwendig – Kodierregeln festgelegt.
4 Ergebnisse
Im Folgenden werden die Ergebnisse der geführten elf Experteninterviews hinsichtlich der vorab formulierten Thesen und Zusammenhänge dargestellt. Um die Ergebnisse richtig einordnen zu können, ist ein Hinweis zum Gesamtkontext von wesentlicher Bedeutung. Während der Aufnahme der Interviews befand sich Deutschland in einem pandemiebedingten Lockdown. Aufgrund des Covid-19 Virus wurden Geschäfte geschlossen, Ausgangssperren verhängt und der internationale Handel sowie Reisen stark eingeschränkt. Während vor Einbruch der Pandemie 40 Prozent der Unternehmen in Deutschland Homeoffice Möglichkeiten für Mitarbeiter zur Verfügung stellten, waren es während der Pandemie, zum Zeitpunkt der Interviews, bereits 61 Prozent (Statista Research Department, 2021).
Die folgende Graphik zeigt die Auswirkungen der Corona Pandemie auf den Umgang der Unternehmen mit Homeoffice.
Abb. 8: Umfrage zur Entwicklung von Homeoffice in der Corona Krise 2020
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Statista Research Department, 2020
Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen aus der Informationswirtschaft sowie mehr als 40 Prozent der Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe stimmten der Aussage zu, dass mehr Tätigkeiten im Homeoffice erledigt werden können, als zuvor angenommen. Knapp die Hälfte, beziehungsweise ein Drittel der Unternehmen mussten außerdem kurzfristig in neue Technologien investieren, um Homeoffice zu nutzen. Sie stimmen außerdem zu, dass die Corona Krise auch danach zu einem vermehrten Einsatz von Homeoffice Möglichkeiten führen wird (Statista Research Department, 2020).
Dadurch wird deutlich, dass die Corona Pandemie einen erheblichen Einfluss auf die Digitalisierung in Unternehmen hat. Gleichzeitig lässt die vermehrte Homeoffice Arbeit die besondere Relevanz einer stark ausgeprägten Vertrauenskultur vermuten. Des Weiteren ist zu prüfen, welche veränderten Anforderungen an Innovationsfähigkeit von Unternehmen sowie der einzelnen Mitarbeiter und Führungskräfte durch die Krise gestellt werden.
4.1 Auswirkungen der VUCA Welt auf Führung
Wie im Theorieteil bereits erläutert, haben die Faktoren der VUCA Welt einen starken Einfluss auf Organisationen und damit auch auf Führungskräfte und Mitarbeiter. Durch die anhaltende Corona Pandemie werden einige Aspekte, wie beispielsweise die Komplexität von Trends, (Arbeits-)Märkten und gesellschaftlichen Entwicklungen besonders sichtbar und noch einmal stärker beschleunigt. Dies zeigt sich beispielsweise in der veränderten Art der Zusammenarbeit (Experte A, 2021, siehe Anhang A). Megatrends wie die Digitalisierung spielen derzeit eine noch größere Rolle als schon vor der Pandemie. Dies gilt sowohl unternehmensübergreifend als auch für einzelne Führungskräfte. Durch die virtuelle Zusammenarbeit wird das gewohnte Miteinander gestört (Experte E, 2020, siehe Anhang E). Eine etablierte Binnenkultur kann dabei für manche Unternehmen nur schwer aufrechterhalten werden. Durch die fehlende Zusammenarbeit in Präsenz ist kein räumlicher Bezugspunkt mehr für die Mitarbeiter gegeben. Die üblichen Tagesordnungspunkte rücken durch die Maßnahmen und Folgen der Pandemie als Symbol der VUCA Welt in den Hintergrund. Strategische Entscheidungen sind schwerer zu treffen und verlangen bei top-down geführten Unternehmen eine regelmäßige Überprüfung des Commitments auf Führungsebene, um den Mitarbeitern anschließend ausreichend Orientierung bezüglich der Zusammenarbeit und des weiteren team- und unternehmensübergreifenden Vorgehens geben zu können (Experte D, 2021, siehe Anhang D).
Um die Zusammenarbeit effizient zu gestalten, spielt die Vorbereitung und Strukturierung von Meetings durch die Führungskraft eine wichtige Rolle. Nur durch ausreichende Planung und Moderation können fachliche Besprechungen optimal genutzt werden, wodurch unter anderem die nötige Effizienz und Effektivität der Zusammenarbeit gewährleistet wird (Experte J, 2020, siehe Anhang J). Führungskräfte, deren Führungsentscheidungen häufig durch Impulse im Rahmen präsenter Zusammenarbeit entstehen, müssen aus gewohnten Mustern ausbrechen und neue Wege finden, um sich ihre Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Gleichzeitig ist das Ablegen der Muster nur in begrenztem Maße möglich und sinnvoll. Führungskräfte bewegen sich durch die VUCA Faktoren zunehmend in diesem Spannungsfeld und müssen einerseits Veränderungen initiieren und sich immer wieder neu anpassen, gleichzeitig müssen sowohl eigene Muster als auch die der Mitarbeiter in einem gewissen Maß anerkannt und ressourcenschonend eingesetzt werden (Experte D, 2021, siehe Anhang D).
Unternehmen, die jedoch schon vor der Pandemie ihre Organisationsstrukturen im Sinne des New Work Ansatzes4an die wachsenden Trends und Herausforderungen angepasst haben, sind nur bedingt auf diese Art der Strukturierung und Anpassung angewiesen. Sie kommen dadurch deutlich besser mit den Corona Bedingungen zurecht und finden schneller zu gewohnter Effizienz und Effektivität zurück (Experte I, 2020, siehe Anhang I).
Es wird deutlich, dass unerwartete Ereignisse wie die Corona-Pandemie besser zu bewältigen sind, wenn die Organisation bereits im Sinne der VUCA Faktoren ausgerichtet ist. Dadurch entsteht maximale Flexibilität und Anpassungsfähigkeit hinsichtlich der Zusammenarbeit und der Organisationsstrukturen.
Neben den organisationalen und strukturellen Faktoren wird im Rahmen der Experteninterviews der im Theorieteil erläuterten Digitalkompetenz eine besondere Relevanz zugesprochen. Sowohl informelle als auch formelle Treffen müssen mit der nötigen Routine sowie der entsprechenden technischen Ausstattung stattfinden können. So muss eine Führungskraft beispielsweise technische Tools der virtuellen Zusammenarbeit beherrschen, um sie effizient gestalten zu können und eine Vorbildfunktion im Rahmen des digitalen Arbeitens einnehmen zu können. Andernfalls wird die Glaubhaftigkeit der Führungskraft diesbezüglich geschädigt und das Risiko frustrierter Mitarbeiter steigt (Experte J, 2020, siehe Anhang J). Insbesondere im Rahmen der Digitalisierung kann somit von einer erhöhten Relevanz der im Theorieteil beschriebenen „quadratischen Gleichheit“ des Kommunikationsquadrats (vgl. Kapitel 2.2.5) ausgegangen werden, um Kohärenz und Kongruenz als Führungskraft zu gewährleisten.
4.2 Relevanz der Innovationsfähigkeit
Der besondere Fokus bezüglich der veränderten Anforderungen durch die VUCA Welt liegt im Rahmen der Arbeit auf der Innovationsfähigkeit von Unternehmen und ihren Mitarbeitern. In der Literatur nimmt dies meist nur eine untergeordnete Stellung ein oder wird als Teilbereich der Digitalisierung eingeordnet (vgl. Landwehr-Zloch & Vossen, 2020, S.69 ff.) Über die Experteninterviews hinweg besteht jedoch Einigkeit darüber, dass der Innovationsfähigkeit in Unternehmen eine wichtige Rolle zugeschrieben werden muss. Diese hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Beschleunigung durch die VUCA Welt erzeugt verschiedene Effekte. Nur zu reagieren, reicht nicht aus. Unternehmen müssen innovativ und flexibel vorgehen, um den Veränderungen von außen gerecht zu werden (Experte H, 2021, siehe Anhang H).
Es entsteht der grundlegende Effekt, dass sich Rahmenbedingungen und Ansprüche schneller entwickeln (Experte D, 2021, siehe Anhang D) und die Zyklen, in denen Unternehmen mit Veränderungen und Innovationen konfrontiert werden, immer kürzer auftreten (Experte G, 2020, siehe Anhang G). Die tagtägliche Arbeit muss sowohl als Führungskraft als auch als Mitarbeiter vorausschauend begangen werden, um sich den nötigen Freiraum für unerwartete, relevante Themen zu schaffen. Zudem beschleunigt sich der fortwährende Aktionismus im Arbeitsalltag. Dieser ist jedoch nur dann erfolgsfördernd, wenn ihm die entsprechende Vorausschau zugrunde liegt. Diese Vorausschau muss die Kosten, Nutzen und Folgen möglicher Vorgehen beinhalten und bedarf somit eines fundamentalen Komplexitätsverständnisses (Experte D, 2021, siehe Anhang D).
4.2.1 Anforderungen und Rahmehnbedingungen für Innovation
Um der genannten Notwendigkeit von Innovation gerecht zu werden, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Auf Mitarbeiterebene sind im Theorieteil bereits die fachlich-methodischen Kompetenzen, die Kompetenzbiographie, die Persönlichkeit sowie die Selbstwirksamkeitserwartung als Schlüsselfaktoren für Innovation erläutert. Dabei wird jedoch in keiner Weise zwischen der Ideengenerierung und der Umsetzung im Rahmen von Innovationen differenziert. Bezogen auf das im Theoriteil dargestellte Modell zur Innovationsbewertung, kann auf prozessualer Ebene eine Unterscheidung der benötigten Kompetenzen gemacht werden. Ein Experte unterstreicht beispielsweise Persönlichkeitsdispositionen wie Kreativität und Offenheit, um Innovationen entwickeln zu können (Experte A, 2021, siehe Anhang A). Die intrinsische Motivation ist ebenfalls entscheidend, um aus sichtbaren Problemen und Defiziten in die Notwendigkeit des Handelns überzugehen und in einem ersten Impuls die Verantwortung der Optimierung oder Neuerung zu nehmen. Diesem Aspekt kann eine besonders wichtige Rolle zugeschrieben werden, wenn Innovationsfähigkeit hinsichtlich der dargestellten Definition nach Reif & Buck (2003, S.45)5ausgerichtet wird. Die Übernahme der Verantwortung ist umso wahrscheinlicher, je höher das Commitment des Mitarbeiters mit dem übergeordneten Sinn und Zweck des Unternehmens ist (Experte C, 2020, siehe Anhang C).
Sowohl zur Ideengenerierung, als auch zur zielgerichteten und sinnvollen Umsetzung von Innovation muss die Fähigkeit der Imagination bestehen. Menschen haben es dadurch im Rahmen ihrer Vorstellungskraft leichter, etwas im Vorfeld gedanklich zu integrieren und auf seine Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen. Innovationsfähigkeit impliziert somit Imaginationsfähigkeit ohne die Notwendigkeit der tatsächlichen Bestätigung durch externe Faktoren (Experte D, 2021, siehe Anhang D). Um jedoch konkret zum vierten Schritt des Modells nach Reif & Buck (2003, S.45), dem Verwertungsanlauf zu kommen, wird beispielsweise neben den bereits genannten Faktoren Konfliktfähigkeit sowie Führungskompetenz, auch auf Mitarbeiterebene, im Sinne der Entscheidungsfähigkeit und unternehmerischem Handeln gefordert. Auch ein politisches Gespür sowie die Fähigkeit zum Netzwerken ist von Bedeutung, um innovative Ideen bis zur Umsetzung führen zu können (Experte A, 2021, siehe Anhang A).
Die Methodenkompetenz wird ebenfalls konkretisiert. Mitarbeiter müssen einerseits in der Lage sein, komplex zu denken, andererseits muss Komplexität auch wieder reduziert werden können. Es ist wichtig, Ideen experimentell zu betrachten, auszuprobieren, um sie dann gegebenenfalls auch wieder zu stoppen und/oder weiterzuentwickeln (Experte A, 2021, siehe Anhang A).
Dabei werden die Parallelen zum agilen Arbeiten sichtbar, welches in der Fachlliteratur immer wieder im Zusammenhang mit Flexibilität und Innovation genannt wird (u.a. in Schermuly, 2019, S. 116 ff.). Unter anderem beim Design Thinking erfolgt immer wieder die Öffnung und anschließende Kondensierung von Ideen, um zum nächsten Punkt, Schritt, Produkt, oder einer anderen Art der Innovation zu gelangen. Diese Form von Methodenkompetenz ist auch auf Teamebene entscheidend.
Ein weiterer Aspekt, der auf dieser Ebene von Bedeutung ist, resultiert aus der Heterogenität der Gruppe. Auf Teamebene müssen sowohl Mitarbeiter zur Ideengenerierung als auch Mitarbeiter zur Umsetzung vorhanden sein. Dass die dazu benötigten Kompetenzen in einer Person vereint sind, ist nur selten der Fall. Somit braucht es das heterogene Gruppengefüge, um den Innovationsprozess von Anfang bis Ende vollziehen zu können (Experte A, 2021, siehe Anhang A). Sind diese Fähigkeiten innerhalb des Teams nicht vertreten, scheint ein verstärkter Netzwerkgedanke als Kompensation möglich. Eine Expertin geht noch weiter, indem sie auf die zunehmende organisationsübergreifende Verbindung von Dienstleistungen und Produkten hinweist. Somit sind nicht nur die Verknüpfungen innovationsförderlicher Fähigkeiten und Charakteristiken relevant. Aufgrund komplexer Verbindungen besteht die Notwendigkeit von abteilungs- beziehungsweise unternehmensübergreifender Vernetzung und Partnerschaft, um die Vielfalt an erforderlichem Expertenwissen zielführend verbinden zu können (Experte I, 2020, siehe Anhang I).
4.2.2 Die Rolle der Führungskraft
Der Führungskraft kann in Innovationsprozessen und hinsichtlich der Förderung innovativen Denken und Handelns eine besondere Rolle zugeordnet werden. Diese Rolle wird auf unterschiedlichen Ebenen sichtbar.
Einerseits bedarf es spezifischer Methodenkompetenz. Innovationsförderliche Methoden wie das vorab erwähnte Design Thinking oder ähnliche Verfahrensweisen müssen von der Führungskraft so weit beherrscht werden, dass sie sinnvoll angewandt und die Mitarbeiter darin zielführend angeleitet werden können (Experte A, 2021, siehe Anhang A). Des Weiteren ist die Spezifizierung der Imaginationsfähigkeit für Führungskräfte entscheidend. Es wird die Fähigkeit benötigt, etwas inhaltlich anführen zu können. Im Rahmen der Imagination muss inhaltliches Verständnis existieren. Dieses Merkmal ist wesentlich, um Innovation zu fördern und unterscheidet gleichzeitig eine Führungskraft von einem Manager. Manager steuern und verwalten innerhalb eines Systems mit Hilfe des Verständnisses über die Organisation. Führungskräfte verfügen idealerweise über Marktkompetenz, die die Basis zur Einschätzung zukünftiger Bedürfnisse oder Technologieentwicklungen bildet, was wiederum zur Einschätzung langfristiger Entwicklungen führt. Die Kommunikation und Transparenz über diese Einschätzung fördern das notwendige unternehmerische Verständnis von Mitarbeitern. Führungskräfte müssen somit in der Lage sein, neue Vorstellungen zu entwickeln und darüber Sinn zu vermitteln. Dadurch kann der Sinn der Organisation mit dem Sinn jedes Einzelnen zusammengeführt werden, sodass der Einzelne im gemeinschaftlichen Sinn partizipieren und proaktiv wirken kann (Experte D, 2021, siehe Anhang D).
Andererseits ist die Führungskraft mitverantwortlich, die geeigneten organisationalen Bedingungen für Innovation und damit ein verlässliches Rahmenwerk zu schaffen. Zur Ideengenerierung müssen Räume im Sinne dafür eingeplanter Zeiten und Formate geschaffen werden. Die entsprechende Finanzierung, Unterstützung im Projektmanagement sowie die Bereitstellung sonstiger benötigter Ressourcen sind ebenfalls relevant (Experte J, 2020, siehe Anhang J).
Im Laufe von Innovationsprozessen ist trotz der benötigten Freiräume auch ein zielgerichtetes Controlling wichtig, um der Verschwendung von Ressourcen und anschließender Frustration entgegenzuwirken, falls sich Innovationen nicht wie ursprünglich geplant oder vom Unternehmen vorgesehen entwickeln. Um dies zu vermeiden, ist die gemeinsame, regelmäßige Diskussion zwischen der Führungskraft und ihren Mitarbeitern nötig. Dadurch können Statusupdates abgefragt und die gemeinsame Zielerreichung in den Mittelpunkt gestellt werden (Experte E, 2020, siehe Anhang E).
Eine besondere Verantwortung kommt der Führungskraft auch auf kultureller Ebene zu. Die Signalisierung von Offenheit und ehrlichem Interesse an innovativen Ideen und ihrer Umsetzung ist entscheidend, um Mitarbeiter in ihrer Innovationsfähigkeit zu fördern (Experte J, 2020, siehe Anhang J). Diese Offenheit wird beispielsweise deutlich, indem uneingeschränkt über innovative Ideen und Vorgehen diskutiert werden darf, ohne dass dies negative Auswirkungen auf den Arbeitsalltag oder die persönliche Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter hat. Der Austausch unterschiedlicher Meinungen auf Sachebene dient der zielführenden Entwicklung von Innovationen und muss durch die Führungskraft unterstützt werden (Experte E, 2020, siehe Anhang E). Dieser Aspekt gibt bereits einen ersten Hinweis über den Einfluss psychologischer Sicherheit auf Innovation und die Rolle der Führungskraft. Dabei wird deutlich, dass das Konzept sowohl die horizontale als auch die vertikale Ebene der Zusammenarbeit tangiert. Im Laufe der Arbeit wird noch einmal näher darauf eingegangen. (Vgl. Kapitel 4.6)
Insbesondere in Geschäftsbereichen, die aufgrund ihrer Struktur oder ihres Geschäftszweckes eine weniger innovative Kultur und Struktur besitzen, ist die emotionale Unterstützung der Führungskraft durch positive Verstärkung relevant (Experte F, 2020, siehe Anhang F).
Die organisationale Erwünschtheit von Innovationen kann beispielsweise durch verschriftlichte Unternehmenswerte oder visionäre Slogans dargestellt werden. Um das Commitment der Mitarbeiter zu erhöhen, ist die Erarbeitung der Leitsätze durch die Mitarbeiter selbst hilfreich (Experte C, 2020, siehe Anhang C).
Die Veränderung durch Innovation und dessen positive Folgen müssen erlebbar gemacht werden. Dafür muss das entsprechende Umfeld geschaffen und Innovationsfähigkeit vorgelebt werden. Dies ist nur durch eine enge Begleitung und stetige Kommunikation seitens der Führungskraft möglich. Akzeptanz für die Dauer und Folgen der Umsetzung sowie die kontinuierliche Motivation dazu wirkt sich positiv auf die Umsetzungsfähigkeit von Innovationen durch die Mitarbeiter aus. Das impliziert jedoch die ehrliche Akzeptanz der Führungskraft hinsichtlich des zu erwartenden Effizienzverlustes zu Beginn der Veränderung (Experte E, 2020, siehe Anhang E).
Alle genannten Aspekte sind in ihrer Ausprägung und ihrer Gewichtung hinsichtlich der Förderung von Innovationsfähigkeit variabel. Je nachdem, wie eigenständig die Mitarbeiter in ihrem Umfeld agieren, muss die Führungskraft stärker oder schwächer in das operative Geschehen eingreifen. Die Agilität und Verantwortung von Mitarbeitern und Teams entscheidet maßgeblich darüber, ob die Führungskraft Innovation durch aktives Eingreifen fördert oder lediglich die Leitbildfunktion für innovative Ideen und Prozesse darstellt.
Die Führungskraft selbst muss einschätzen, ob es inspirierende Anführer braucht, die die Notwendigkeit, Sinnhaftigkeit und Folgen von Veränderung erklären oder ob beispielsweise Management im Rahmen bilateraler Verhandlungen ausreicht (Experte D, 2021, siehe Anhang D).
4.2.3 Disruptive und graduelle Innovation
Wie im Theorieteil bereits erläutert, kann zwischen disruptiven und graduellen Innovationen unterschieden werden (vgl. Kapitel 4.2.1). Beide Arten von Innovation sind in unterschiedlichen Kontexten sinnvoll. Graduelle Innovationen sind laut eines Experten ressourcenschonender und menschlich besser annehmbar, da sie unter anderem sowohl von dem Einzelnen als auch von der gesamten Organisation weniger Veränderung und weniger Risiko abverlangen. Um disruptive Innovationen rechtfertigen zu können, bedarf es einer überproportional großen Nutzenperspektive, um die erhöhten Kosten und benötigten Ressourcen rechtfertigen zu können (Experte D, 2021, siehe Anhang D).
Insbesondere in Konzernstrukturen sind disruptive Innovationen schwerer zu bewältigen. Das Organisationsgefüge ist oftmals zu starr, um die Art der Innovation in angemessener Geschwindigkeit umzusetzen. Dies kann vornehmlich in der Zusammenarbeit mit Start-Ups zu einer Dilemma-Situation führen, da die Start-Up Mentalität oftmals nur bedingt konzernkonform integriert werden kann. Dieses Bewusstsein ist notwendig, um disruptive Innovationen in Unternehmen sinnvoll einsetzen zu können (Experte I, 2020, siehe Anhang I).
Besteht kein einheitliches Verständnis bezüglich der Kosten-Nutzen Relation, steigt das Risiko andauernder partieller Interessen und Interessensgruppen, welche trotz der vermeintlichen Notwendigkeit auf ihrem Eigensinn beharren und folglich die Umsetzung disruptiver Innovation verhindern. In diesem Fall ist inhaltliche Führerschaft durch die Führungskraft besonders wichtig, um mögliche Entwicklungsblockaden zu lösen (Experte D, 2021, siehe Anhang D).
Somit spielt Kommunikation für die disruptive Innovation eine noch größere Rolle als für die graduelle Innovation. Die implizierte Botschaft der Führungskraft ist von besonderer Bedeutung, da das Narrativ von Anfang an klar kommuniziert werden muss. Gründe und Nutzen der Innovation müssen auf persönlicher, auf Team- und auf Unternehmensebene deutlich herausgestellt werden, um flächendeckende Akzeptanz zu generieren (Experte B, 2020, siehe Anhang B).
Auf Konzernebene finden sich oftmals Abteilungen, die vordergründig weniger innovativ sein müssen als andere. Dennoch kann es auch dort zur kurzfristigen Notwendigkeit disruptiver Innovationen kommen. Ein Beispiel bieten die erforderlichen Anpassungen aufgrund der Corona Pandemie. Eine Personalabteilung ist beispielsweise aufgrund ihrer Rolle und Wirkungsweise im Unternehmen verglichen mit einer Entwicklungsabteilung weniger gefordert, disruptive Innovationen zu initiieren. Die Corona Pandemie und eine damit verbundenen Homeoffice Verpflichtung der Mitarbeiter verlangt jedoch eine unerwartete Innovationsfähigkeit über die verschiedenen Abteilungen hinweg (Experte A, 2021, siehe Anhang A).
Der Vorteil beziehungsweise die Notwendigkeit disruptiver Innovation wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts von Joseph A. Schumpeter (2005) formuliert. „Das Neue“ ermöglicht laut des österreichischen Ökonomen eine sprunghafte, radikale und dynamische Entwicklung und stellt damit den größten Treiber langfristigen Wachstums dar. Umso wichtiger erscheinen dadurch die vorab etablierten Rahmenbedingungen und Kompetenzen zur schnellen Reaktionsfähigkeit sowie die Pragmatisierung und Entmythologisierug des Begriffes „disruptiv“ (Experte D, 2021, siehe Anhang D).
Aus Perspektive des Mitarbeiters ist intrinsische Motivation für die Umsetzung disruptiver Innovation notwendig, da die Veränderung zu groß ist, um sie ausschließlich extrinsisch motiviert verfolgen zu können (Experte E, 2020, siehe Anhang E). Gleichzeitig ist nicht jeder Mitarbeiter willens und in der Lage, Dinge von Grund auf neu zu denken. Mit Methoden wie beispielsweise dem Design Thinking können zwar Denkanstöße initiiert und graduelle Innovation angestoßen werden, der vollständige disruptive Innovationsprozess kann und darf jedoch nicht grundsätzlich von jedem Mitarbeiter gefordert werden (Experte I, 2020, siehe Anhang I).
4.3 Relevanz von Vertrauen
Das Vertrauensverhältnis und die übergeordnete Vertrauenskultur innerhalb des Unternehmens spielt für die meisten Organisationen heutzutage eine große Rolle. Die Mehrheit der Experten (80 Prozent) berichtet von einer guten bis sehr guten Vertrauensbeziehung sowohl auf organisationaler Ebene als auch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Gleichzeitig wird von Führungskräften bereits einiges unternommen, um die Beziehung aktiv zu fördern und ein vertrauensstiftendes Unternehmen zu repräsentieren. Insbesondere im Rahmen der virtuellen Zusammenarbeit steigt das Bewusstsein für einen aktiven Vertrauensaufbau und die Beziehungspflege zur nachhaltigen Implementierung von Vertrauen (Experte I, 2020, siehe Anhang I).
4.3.1 Vertrauensbeziehung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft
Um die Vertrauensbeziehung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft identifizieren und richtig einschätzen zu können, bedarf es der genauen Beobachtung unterschiedlicher Merkmale. Ein gutes Vertrauensverhältnis wird beispielsweise sichtbar, indem sich Mitarbeiter für Themen und Ziele der Führungskraft beziehungsweise des Unternehmens begeistern lassen. Ein weiteres Indiz einer guten vertikalen Vertrauensbasis bildet Verlässlichkeit. Wenn getroffene Vereinbarungen sowohl in Hinblick auf Rahmenbedingungen der eigenen Arbeit als auch in der direkten Zusammen- beziehungsweise Projektarbeit gehalten werden, zeigt und fördert dies das entgegengebrachte Vertrauen von Mitarbeitern.
Seitens der Führungskraft wird Vertrauen deutlich, wenn delegierte Aufgaben nicht im Detail kontrolliert oder engmaschige Statusupdates verlangt werden. Außerdem können durch konkrete Formulierungen in der direkten Kommunikation Rückschlüsse auf das Vertrauensverhältnis gezogen werden. Dies findet sich beispielsweise in der Ansprache an die Verlässlichkeit oder wertschätzenden Aussagen hinsichtlich der Art der Zusammenarbeit (Experte H, 2021, siehe Anhang H).
Auch offen ausgetragene Diskussionen können auf ein starkes Vertrauensverhältnis hinweisen. Dabei ist wichtig, ob Mitarbeiter sich mit ihrer Meinung gegenüber der Führungskraft einbringen können oder Kritik offen äußern. Nach außen dargestellt zeigt sich eine starke Vertrauensbeziehung im Zusammenhalt bei internen Problemsituationen. Zudem kann der informelle beziehungsweise persönliche Umgang miteinander mit einem guten Vertrauensverhältnis korrelieren. Umso schwieriger scheint die Einschätzung der Vertrauensbasis im Rahmen virtueller Zusammenarbeit, da informelle Treffen und Begegnungen grundsätzlich seltener zustande kommen (Experte E, 2020, siehe Anhang E).
Bei Betrachtung der herausgestellten Identifikationsmerkmale einer stabilen Vertrauensbeziehung wird deutlich, dass Vertrauen im organisationalen Kontext, wie bereits vermutet, hauptsächlich als situative sowie komplexitätsreduzierende Variable auftritt. (Vgl. Kapitel 2.4.2)
[...]
1Die Begrifflichkeiten werden im Folgenden auch in übersetzter Form verwendet: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität
2Proxemik beschreibt „die Bedeutung des Raums vor allem nach Kategorien der zwischenmenschlichen Nähe oder Distanz “ (Nöth, 2017, S.316).
3Zur detaillierten Nachvollziehbarkeit sind die Transkripte der Interviews in den Anhängen A bis J einzeln aufgeführt.
4Unter dem Begriff New Work werden unterschiedliche organisationale Ansätze zusammengefasst. Die wissenschaftliche Literatur bietet dazu jedoch wenig eindeutige Inhalte (vgl. Schermuly, 2019, S. 14). Der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann prägte den Begriff Ende des 20. Jahrhunderts durch die Kritik an mangelnder beruflicher Selbstständigkeit, Freiheit und Partizipation und der gleichzeitigen Forderung von mehr persönlicher Entwicklung und Freiheiten des Mitarbeiters. Um diesen und weiteren Forderungen zu entsprechen, wurden neue (digitale) Arbeits- und Organisationsformen entwickelt. Die übergeordneten Ziele im Rahmen von New Work bilden vor allem Flexibilität und Agilität. Dies wird beispielsweise mit Hilfe von veränderter Rollenverantwortung, flexibler Projektteams und Homeoffice Arbeit umgesetzt (F.A.Z. Personaljournal, 2020).
5. „Innovationsfähigkeit bezeichnet im Sprachgebrauch besonders die aktive Mitwirkung und die Übernahme einer Initiatorenrolle [durch den Mitarbeiter]. Der Mitarbeiter als Initiator erkennt eigenständig Probleme und löst sie in Zusammenarbeit mit anderen.“
- Quote paper
- Eva Scholz (Author), 2021, Veränderung von Organisationsentwicklung. Zukunftssicherheit eines Unternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1333405
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