Der Text von Frank Dikötter „Why Racial Discourse Became Global“ handelt vom Rassendiskurs und wie dieser zum globalen Phänomen wurde. In der Einleitung schreibt Dikötter, die Vorstellung von den Rassen hätte schon seit langer Zeit die sozialen Strukturen bestimmt. Die Behauptung, die Bevölkerungsgruppen entsprechen bestimmten biologischen Einheiten, führte zur Entstehung von hierarchischen Verhältnissen in der Gesellschaft. Heute scheint die rassische Unterscheidung nachgelassen zu haben, es liegt aber dennoch eine Neigung zur Einteilung der Menschen hinsichtlich physischer Merkmale vor – ganz gleich, ob sie echt oder imaginiert sind.
Zum Inhalt:
- Einleitung;
- Cognitive Traditions;
- The Politics of Race;
- The Language of Racial Science;
- Conclusion
Text: Dikötter, Frank (2011): Why Racial Discourse Became Global. In: Trans-Scripts, Band 1, 32-47.
1. Einleitung
Der Text von Frank Dikötter „Why Racial Discourse Became Global“ handelt vom Rassendiskurs und wie dieser zum globalen Phänomen wurde. In der Einleitung schreibt Dikötter, die Vorstellung von den Rassen hätte schon seit langer Zeit die sozialen Strukturen bestimmt. Die Behauptung, die Bevölkerungsgruppen entsprechen bestimmten biologischen Einheiten, führte zur Entstehung von hierarchischen Verhältnissen in der Gesellschaft. Heute scheint die rassische Unterscheidung nachgelassen zu haben, es liegt aber dennoch eine Neigung zur Einteilung der Menschen hinsichtlich physischer Merkmale vor – ganz gleich, ob sie echt oder imaginiert sind. (S. 32)
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich der Glaube, dass die Idee von Rasse bald an Bedeutung verliere und schließlich verschwinden würde. Einige Historiker, Soziologen, Biologen waren der Meinung, der Rassenbegriff hätte keine Grundlagen in der Wissenschaft. Aber was sie nach Marek Kohn nicht vorhersehen konnten, war genau der spätere Einfluss der Wissenschaft: Die rapide Entwicklung fügte zur Verstärkung des Rassendiskurses bei und hat ihm eine neue und sogar vielfältigere Existenz verliehen. (S. 32)
Im Weiteren fragt der Autor, wie könnte man das globale Verbreiten vom Rassendiskurs erklären. Zu diesem Zweck stellt er drei Modelle vor (S. 33-34):
1. „Common-sense model“– „[…] racial classifications are widespread simply because they are real.“ (S. 33) Dieses Modell setzt voraus, dass die fünf Rassen (die weiße, die schwarze, die gelbe, die braune, die rote) existieren und zwischen ihnen genetische Differenzen bestehen, die sich mit unterschiedlichen Empfindlichkeitsgraden auf Erkrankungen charakterisieren.
2. „Imposition model“ – „[…] racial discourse is linked tot he global movement of capital“ (S. 33): Dieses Modell gibt den Europäern die Schuld, da sie ein ungleiches Sozialsystem geschaffen haben, in dem billige Arbeitskräfte notwendig waren und Menschenhandel existierte.
3. „Diffusion model“ – „[…] »Westernisation« […] has resulted in the spread of racial ideas out of Europe into the rest of the world […]“ (S. 34). Die rassistischen Vorurteile wären hiernach von Europa aus von dem Rest der Welt aufgenommen.
Frank Dikötter kritisiert diese drei Modelle: Seiner Meinung nach betrachten sie die Idee der Rassen als ein einheitliches Phänomen, sind eurozentrisch und sehen die Menschen als passive Empfänger dieser Ideen. Deshalb schlägt er ein anderes Modell vor – „Interactiv model“. Dieses setzt voraus, dass die Weltsicht von regionalen historischen Verankerungen gebildet wurde und analysiert die kognitiven, sozialen und politischen Dimensionen. (S. 34-35)
„[…] I highlight inculturation where others see only acculturation.“ (S. 34)
2. Cognitive Traditions
Im nächsten Kapitel beschäftigt sich Dikötter mit den kognitiven und sozialen Traditionen. Das erstgenannte Beispiel sind die Indianer, die als „die rote Rasse“ bekannt sind. Der Artikel von Nancy Shoemaker „How Indians got to be Red“ (1997) weist darauf hin, dass die Indianer sich selbst als rot bezeichneten. Sie wollten sich somit von den Weißen und den Schwarzen abgrenzen. Die Indianer glaubten außerdem, dass das Land ihnen gehöre und die Weißen Eindringlinge wären. Interessanterweise haben die Europäer und die Indianer anfangs wenig Unterschiede zwischen den beiden ethnische Gruppen bemerkt. Es waren Ähnlichkeiten, die die Differenzen zur Geltung brachten. Diese nahmen schließlich im 18 Jh. zu. (S. 35-36)
Ein weiteres Beispiel ist die Bezeichnung der Chinesen als „die gelbe Rasse“. In Europa wurde diese Bezeichnung vermutlich Ende des 17 Jh. popularisiert und war eine Reaktion auf den Report der Jesuiten, der sich mit der Symbolik der Farbe Gelb in China auseinandersetzte. Gelb war eins der fünf reinen Farben und symbolisierte „das Zentrum“. Es war auch die kaiserliche Farbe – die „Nachkommen des gelben Kaisers“ stammen laut der Legenden aus dem Tal des Gelben Flusses. (S. 36)
Spannend ist die Geschichte der BaKongo. Diese Gruppe glaubte, die Verstorbenen überschreiten nach dem Tod einen Fluss und werden auf diese Weise weiß. Sie nahmen die Europäer (Portugiesen) als „die Tote“ war. Die Afrikaner haben keine Unterschiede im rassistischen Sinn gesehen – sie glaubten, sie haben hier mit einer Art von Zauberei zu tun. Sie sollten für die Portugiesen arbeiten. Die europäische Weltsicht war für sie jedoch unverständlich und die rassische Indoktrinierung ist fehlgeschlagen. (S. 36-37)
Als die Franzosen am Anfang des 20 Jh. nach Rwanda kamen, haben sie nicht nur Differenzen zwischen den Europäer und den Afrikaner bestimmt, sondern auch schon existierende soziale Differenzen verstärkt: „[…] describing the minority Tutsi as a tall and elegant race, […]. The majority of Hutus […] were seen as dumb but good-natured, and potrayted as racially inferior to the Tutsi.“ (S. 37) Dies verursachte einen Konflikt zwischen den beiden Gesellschaften, der in den 90-Jahren zu einem Völkermord führte. (S. 37-38)
Diese Beispiele zeigen, wie unterschiedlich die Rassen wahrgenommen wurden: Die Indianer wollten sich abgrenzen, weshalb sie die Europäer „die Weißen“ nannten; der Begriff der „gelben Rasse“ ist eigentlich mit der chinesischen Tradition verbunden; die BaKongo-Menschen haben die Portugiesen für Tote gehalten; die Tutsi und die Hutus wurden von einer anderen Gesellschaft beeinflusst.
3. The Politics od Race
Dikötter betont, dass der Rassendiskurs stark mit Politik zusammenhängt: Die Ablehnung des Gleichheitsgedankens führt zur Entstehung eines Rassendiskurses. Die Theorie der politischen Gleichheit sowie der Rassenbegriff sind relativ neu, weshalb die Beziehung zwischen diesen zwei Ideen thematisiert wird. (S. 38)
Der Rassendiskurs kann auf zweierlei Art betrachtet werden: Die Einen werden von Geburt an als unterstellte Rasse betrachtet, die Anderen sind gleichberechtigt, trotz der verschiedenen Klassen, Kulturen oder Regionen. (S. 41)
Dikötter erklärt es an einem Beispiel: Noch vor dem 17 Jh. hatten die Schwarzen in Nordamerika gleiche Rechte wie alle anderen. Es wurde nur zwischen „Sklaven“ und „freien Menschen“ unterschieden. Nach einiger Zeit bildete sich eine soziale Hierarchie, die der Idee der Gleichheit widersprach. Folglich haben die reichen Schwarzen ihren Status verloren und „Rasse“ gewann an Bedeutung. Im Jahr 1776 wurde die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten veröffentlicht und Gleichheit wurde zum Credo der amerikanischen Gesellschaft. Um die Rassenunterschiede zu rechtfertigen, sollte das Recht nur für die Weißen gelten. (S. 38-39)
Nach der Revolution in Frankreich im Jahr 1848 hingegen musste das Volk neudefiniert werden. Dabei legten die Nationalisten einen großen Wert auf die Vernichtung der internen Grenzen und Setzung von externen Grenzen. Problematisch war dieses Vorgehen in dem Sinn, dass die Juden und Schwarzen schwer einzuordnen waren – wieder tauchten rassische Aspekte auf. (S. 39-40)
Gleichberechtigung trotz der verschiedenen Klassen, Kulturen oder Regionen fand zum Beispiel in China statt. Am Anfang des 20 Jh. wurde der Begriff „Nationalität“ und „Rasse“ in China gleichgestellt. Die Chinesen fanden es notwendig nach der Niederlage mit den Japanern, ein modernes Politiksystem einzuführen, das in der Lage wäre, das Volk im Fall einer Gefahr zu vereinen. So wurde eine konstitutionelle Monarchie eingeführt, in der alle Einwohner des Kaiserreiches als „gelbe Rasse“ bezeichnet wurden. Die Gegner dieser Idee grenzten jedoch einige Gesellschaften aus und schränkte „die gelbe Rasse“ nur auf die Han ein. (S. 40-41). Der afrikanische Nationalismus basiert hingegen nicht auf geographischen oder historischen Merkmalen, sondern auf Rasse – Afrika wird als das Land der Schwarzen dargestellt (Negritude). (S. 41-42)
Dieses Kapitel setzte voraus, dass das Politiksystem den Volksbegriff definiert. Die Staatsorgane bestimmen, wer und wann als Mitglied des Staates betrachtet wird.
4. The Language of Racial Science
Frank Dikötter betont auch die Rolle der wissenschaftlichen Sprache im Rassendiskurs. Diese wird vom verschiedenen Publikum praktiziert, ist reich, flexibel, komplex und verändert sich ständig. (S. 42)
Es gab viele Theorien, die es versuchten, die Erbschaft der Rassen zu erklären. Eine davon – die Eugenik – setzte voraus, dass die Gesellschaft verbessert werden kann „[…] in the same way that better varieties of cattle could be engineered through selectiv breeding […]“. (S. 42) In Frankreich glaubten die Wissenschaftler, Rasse und Erziehung seien voneinander abhängig: Rasse hätte nicht nur physische Merkmale, sondern sei auch Umwelt-, Verhalten- und Kulturabhängig. Eine weitere Theorie – neo-Lamarckism – setzt voraus, dass Rasse mit der Umgebung verbunden, es aber auch angeboren sei. (S. 42-43)
Eine Studie hat auch bewiesen, dass Politik und Ideologien die Ergebnisse der Untersuchungen beeinflussen. Ein Beispiel dafür stammt wieder aus China: Die Sprache der Wissenschaft hat schrittweise die kommunistische Ideologie ersetzt. Einige Paläanthropologen waren der Meinung, die Menschen stammen aus Asien, wobei andere meinten, es sei Afrika. Polygenismus dagegen setzt voraus, dass Menschen aus mehreren Orten stammen. (43-44)
Dies zeigt, dass die Wissenschaft sich immer weiterentwickelt und mit einer Vielfalt von Ideen auszeichnet. (S. 43) Die Ergebnisse der Forschungen können aber auch die Vorstellung vom Rassenbegriff ändern.
5. Conclusion
In der Zusammenfassung weist Frank Dikötter darauf hin, dass „[…] racial ideas share a common language based on science, […] they have a common political tension derived from opposition to an egalitarian philosophy, and […] they can also diverge considerably according to local cognitiv traditions and political agendas.“ (S. 45) - Die Wissenschaft beeinflusst den Rassendiskurs; er entsteht im Fall des Ablehnens des Gleichheitsgedanken; er kann auch wesentlich von den kognitiven Traditionen und dem politischen System abweichen. Dikötter meint, die Wahrscheinlichkeit, dass der Rassendiskurs in der Zukunft seine Bedeutung verliert, unwahrscheinlich sei, da Menschen eine natürliche Neigung zur Differenzierung haben. (S. 45)
Der Rassendiskurs sei zwar global, jedoch nicht universal. (S. 45)
[Text: Dikötter, Frank (2011): Why Racial Discourse Became Global. In: Trans-Scripts, Band 1, 32-47.]
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- Citar trabajo
- Julia Roschinsky (Autor), 2019, "Why Racial Discourse Became Global" von Frank Dikötter, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1332040