Ob die Legalisierung der Suizidbeihilfe in Deutschland unseren Umgang mit Krankheit und Tod in Richtung einer von Huxley im Jahr 1932 beschriebenen Dystopie hin verändern wird oder diese Angst unbegründet ist, wird wohl erst die tatsächliche Veränderung der Rechtslage zeigen. Die unterschiedlichen Meinungen zur Thematik erstrecken sich von der Suizidbeihilfe als einzige Option eines autonomen und würdevollen Todes bis hin zur Degradierung des Sterbenden durch die Mitwirkungshandlung. Gegner der Legalisierung befürchten, der Suizid werde salonfähig und bereits die Option der Inanspruchnahme von Suizidbeihilfe würde einen nonverbal kommunizierten gesellschaftlichen Druck auf Kranke, Alte und Pflegebedürftige begründen, der sie zum Suizid dränge. So würde mit der Zeit suggeriert, dass ein würdevolles Sterben nur in der Kontrollierbarkeit des Geschehens liegen könne. Das Sterben sei als Lebensphase und nicht als einfacher Ausweg zu deuten. Man müsse vielmehr in die Zwischenmenschlichkeit der Behandlung investieren, als die Menschen durch die Trivialisierung der Beihilfe in eine innere Resignation zu schicken. Befürworter erkennen die Suizidbeihilfe als Teil des in der Menschenwürde wurzelnden Selbstbestimmungsrechts des Sterbewilligen an. Ein Mensch müsse sich nicht gegen seinen Willen den Herausforderungen seiner unheilbaren Krankheit oder seines Alters stellen. Beim Vollzug des Suizids würde es gerade auf die praktische und seelische Unterstützung ankommen. So könnten brutale Suizidformen unterbunden und der Suizident würdevoll in den Tod begleitet werden. Von besonderer Relevanz sind in diesem Kontext Angehörige, an die sich Sterbewillige naturgemäß zuerst wenden. Um die Unterstützung gewährleisten zu können, bedarf es eines liberalen Rechtsrahmens für die Suizidmitwirkung durch Angehörige. § 5 Abs. 1 des Augsburg-Münchner-Hallerschen-Entwurfes eines Sterbehilfegesetzes setzt erstmals einen positiv rechtlichen Rahmen für die Mitwirkung am Suizid.
Diese Arbeit erläutert nach der Begriffsbestimmung zu § 5 Abs. 1 AMHE zunächst die aktuelle strafgesetzlichen Rechtslage der Suizidmitwirkung durch Ang. Im Anschluss werden die Rechte des Suizidenten und des mitwirkenden Ang. dargestellt und die Verfassungsmäßigkeit von § 5 Abs. 1 AMHE überprüft. Die strafrechtliche sowie die verfassungsrechtliche Analyse insgesamt sollen dann die Frage nach einem etwaigen Pönalisierunggebot der Angehörigenbeihilfe beantworten.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Überblick
I. Begriffskomplex der Sterbehilfe
II. Entwurf des Sterbehilfegesetzes (AMHE-SterbehilfeG)
III. Begriffsbestimmungen zu § 5 Abs. 1 AMHE
1. Suizid
2. Freiverantwortlichkeit
3. Angehörige
4. Mitwirkung
C. Strafrechtliche Analyse
I. Suizidbeihilfe
1. Straflosigkeit des Suizids.
2. Akzessorietät
II. Garantenpflicht zur Intervention
III. Unterlassene Hilfeleistung
IV. Strafbarkeit nach BtMG
V. Zwischenergebnis
VI. Pönalisierungsgebot
D. Verfassungsrechtliche Analyse
I. Grundrechte des Suizidenten
1. Aus Art. 1 Abs. 1 GG
2. Aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
3. Aus Art. 2 Abs. 1 GG
4. Aus Art. 8 EMRK
5. Zwischenergebnis
II. Grundrechte des angehörigen Suizidassistenten
1. Aus Art. 4 Abs. 1 GG
2. Aus Art. 6 Abs. 1 GG
3. Aus Art. 2 Abs. 1 GG
4. Aus Art. 8 EMRK
5. Zwischenergebnis
III. Verfassungsmäßigkeit von § 5 Abs. 1
1. Art. 4 Abs. 1 GG
2. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG
a) Schutzbereich.
aa). Abwehrrechtliche Dimension
bb) Staatliche Schutzpflicht
(1) Das Leben des Sterbewilligen als individualistischer Schutzzweck
(2) Das Leben Dritter und der allgemeine Lebensschutz
(3) Öffentliches Interesse als überindividueller Schutzzweck
b) Eingriff
c) Rechtfertigung
d) Verhältnismäßigkeit
aa) Legitimer Zweck
bb) Geeignetheit
cc) Erforderlichkeit
dd) Angemessenheit
(1) Freiverantwortlichkeit
(2) Altruistische Motive
(3) Appellsuizide
(4) Missbrauch
(5) Beistand und Hilfe
(6) Zwischenergebnis
e) Ergebnis
IV. Kein Pönalisierungsgebot
E Ausblick
- Citar trabajo
- Elif Sahin (Autor), 2021, Mitwirkung am Suizid - Angehörige § 5 Abs. 1 AMHE-SterbehilfeG. (Verfassungs-)rechtliche Analyse und Kritik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1331697
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