In dieser Arbeit wird die Bedeutung Jesu im Glauben der Bahai sowohl aus theologischer als auch aus didaktischer Perspektive herausgearbeitet, wobei der Fokus primär auf den theologischen Aspekten des Bahaitums liegt. Dafür werden auch christliche Standpunkte als Referenz- und Unterscheidungsmerkmale herangezogen, jedoch strebt die Arbeit keinen Vergleich zwischen beiden Theologien und der darin enthaltenen Bedeutung Jesu an. Die Bezugnahmen zu den christlichen Standpunkten sind dabei auf den gegenwärtigen theologischen Standpunkt der katholischen Religionslehre ausgerichtet, so dass keine weitreichenden Rückgriffe auf vergangene Theorien und Lehrinhalte vorgenommen werden.
Die Bedeutung Jesu im Glauben der Bahai stellt aus theologischer Sicht ein absolutes Randthema dar. Die geringe theologische Relevanz fußt vor allem auf der geringen Anzahl der Bahai von acht Millionen Gläubigen weltweit, wovon in Deutschland gerade einmal rund 12.000 leben. Aufgrund dessen haben die Bahai sowohl auf gesellschaftlicher und konfessioneller Ebene nur geringe Relevanz. Dabei zählen sich die Bahai selbst zu den abrahamitischen Religionen und beanspruchen, trotz ihrer geringen Anzahl, eine Weltreligion zu sein.
Diesen Anspruch machen die Bahai dahingehend geltend, indem sie darauf aufmerksam machen, dass sie zwar im Vergleich zu anderen Weltreligionen eine deutlich geringere Anhängerzahl haben, aber gleichzeitig über eine enorme geografische Ausbreitung verfügen. So leben die rund acht Millionen Bahai an über 100.000 Orten weltweit verteilt, womit die Religionsgemeinschaft auf allen Kontinenten der Erde vertreten ist und somit nach dem Christentum die höchste geographische Ausbreitung besitzt. Darüber hinaus setzt sich die Glaubensgemeinschaft aus über 2.100 ethnischen Gruppen zusammen, so dass die Bahai für sich deklarieren, jene Glaubensgemeinschaft zu sein, die über die höchste menschliche Vielfalt verfügt.
INHALTSVERZEICHNIS
INHALTSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
ANHANGSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
VORWORT
1 EINLEITUNG
1.1 Motivation und Themenfindung
1.2 Aufbau und Gliederung
1.3 Anmerkungen
1.3.1 Anmerkung: Zitierweise
1.3.2 Anmerkung: Gendering
1.3.3 Anmerkung: Zum Begriff des „Bildungsplans“
2 DIE BEDEUTUNG JESU IN DEN SCHRIFTEN DER BAHAI-RELIGION UNTER BERÜCKSICHTIGUNG SOZIOKULTURELLER BEDINGUNGEN
2.1 Jesus in den Schriften der Religionsstifter
2.1.1 Siyyid Ali Muhammad, genannt der Bab (*1819 - +1850)
2.1.2 Mirza Husain Al Muri, genannt Baha'u'llah (*1817 - +1892)
2.2 Jesus in den Schriften der Gemeindeführer
2.2.1 Abbas Effendi, genannt ‘Abdul-Baha (*1844 - +1921)
2.2.2 Shoghi Effendi, „Hüter des Bahai-Glaubens“ (*1898 - +1957)
2.3 Jesus in den Schriften des Universalen Hauses der Gerechtigkeit
3 DIE KOSMOLOGISCHE VORSTELLUNG DER BAHAI UND DIE DARIN ENTHALTENDE BEDEUTUNG JESU
3.1 Das Drei-Welten-Modell
3.2 Die Welt Gottes
3.2.1 Die Einheit Gottes
3.2.2 Die Seinsebenen Gottes - Hahut und Lahut
3.3 Die Welt der Schöpfung
3.3.1 Die Einheit der Menschheit in ihrer Vielfalt
3.3.2 Die Seinsebenen der Schöpfung - Malakut und Nasut
3.4 Die Welt der Propheten
3.4.1 Die Einheit der Religionen
3.4.2 Die Seinsebene der Propheten - Jabarut
3.5 Die Notwendigkeit einer fortschreitenden Offenbarung
3.5.1 Der sich immer erneuernde Kreislauf
3.5.2 Gottesoffenbarungen in Zyklen
4 BEDEUTUNG DER VERHEISSUNG UND ABLEHNUNG SOWIE ZEUGUNG UND GEBURT JESU AUS SICHT DER BAHAI
4.1 Die Verheißung Jesu und die Ablehnung der Juden
4.1.1 Die Verheißung Jesu
4.1.2 Die Ablehnung Jesu durch die Juden
4.2 Die Zeugung und Geburt Jesu
4.2.1 Maria und die Verkündigung ihres Sohnes Jesu
4.2.2 Zeugung und Geburt Jesu
5 DIE BEDEUTUNG DES LEBENS UND WIRKENS JESU SOWIE DESSEN ETHIK UND LEHRE AUS SICHT DER BAHAI
5.1 Das Leben und Wirken Jesu
5.1.1 Die Taufe Jesu im Jordan
5.1.2 Die Jünger Jesu
5.1.3 Die Wunder Jesu
5.1.4 Die Gegner Jesu
5.2 Die Lehre und Ethik Jesu
5.2.1 Ausdrucksweise und Kernelemente der Lehre Jesu
5.2.2 Die Nächstenliebe Jesu - Liebe zur Menschheit und Feindesliebe
5.2.3 Die Gotteslehre Jesu
5.2.4 Die Lehre vom Leben und vom wahren Leben
6 DIE BEDEUTUNG DER PASSIONSGESCHICHTE JESU AUS SICHT DER BAHAI
6.1 Das letzte Abendmahl, der Verrat und die Gefangennahme
6.1.1 Das letzte Abendmahl
6.1.2 Der Verrat durch Judas sowie die Gefangennahme Jesu
6.2 Der Prozess gegen Jesu und das Sterben am Kreuz
6.2.1 Der Prozess und die Kreuzigung
6.2.2 Die Bedeutung der Kreuzigung
6.3 Himmelfahrt und Auferstehung Jesu
7 DIE BEDEUTUNG DER NACHFOLGE, ANKÜNDIGUNG UND WIEDERKUNFT JESU AUS SICHT DER BAHAI
7.1 Die Nachfolge Jesu
7.2 Die Ankündigung Jesu
7.3 Die Verheißung des Trösters
8 DIE BAHIA-CHRISTOLOGIE - EINE ZUSAMMENFASSUNG
9 SCHULISCHE BEZUGSNAHMEN
9.1 Interreligiöses Lernen - Aktualität und neueste religionspädagogische Ansätze
9.2 Verortung des Lerngegenstands innerhalb des Bildungsplans
9.3 Der interreligiöse Dialog als zentrales Element des interreligiösen Lernens
9.4 Die Bedeutung des interreligiösen Dialogs aus Sicht der katholischen Kirche
9.5 Grundzüge einer Unterrichtseinheit in der Klassenstufe
9.5.1 Didaktische Begründung
9.5.2 Voraussetzungen des Unterrichtgeschehens
9.5.3 Ziele der Unterrichtsstunde
9.5.4 Begrüßung und Themenstellung (Dauer: 5 Minuten)
9.5.5 Sensibilisierungsphase (Dauer: 10 Minuten)
9.5.6 Erarbeitungsphase I und Sicherung I (Dauer: 25 Minuten)
9.5.7 Erarbeitungsphase II und Sicherung II (Dauer: 35 Minuten)
9.5.8 Sicherung III (Dauer: 15 Minuten)
9.5.9 Ausblick und weiterführende Gedanken zum Lerngegenstand
10 FAZIT
QUELLENVERZEICHNIS
ANHANG
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Baha'u'llah
Abbildung 2: Der Verbannungsweg Baha'u'llahs
Abbildung 3: 'Abdul-Baha
Abbildung 4: Shoghi Effendi
Abbildung 5: Das Universale Haus der Gerechtigkeit in Haifa A bbildung 6: Das Drei-Welten-Modell
Abbildung 7: Die kosmologische Vorstellung der Bahai
Abbildung 8: Interreligiöser Lernprozess
Abbildung 9: Tafelbild
Abbildung 10: Tafelbild
Abbildung 11: Tafelbild
Abbildung 12: Tafelbild
ANHANGSVERZEICHNIS
Anhang 1: Film (USB-Stick)
Anhang 2: Arbeitsblatt
Anhang 3: Abbildung Power-Point-Folie
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
VORWORT
Ich schätze es sehr an meinem Lehramtstudium, dass ich immer wieder die Möglichkeit dazu habe Themengebiete frei zu wählen, welche einen Wissenszuwachs in meiner späteren beruflichen Funktion als Lehrer darstellen und gleichzeitig auch eine Bereicherung auf der persönlichen Ebene bedeuten.
Bedanken möchte ich mich beim Bahai-Zentrum Karlsruhe, welches mir bei Nachfragen sowie der Bereitstellung von Literatur mehrfach behilflich gewesen war.
1 EINLEITUNG
1.1 Motivation und Themenfindung
Die Bedeutung Jesu im Glauben der Bahai stellt aus theologischer Sicht ein absolutes Randthema dar. Die geringe theologische Relevanz fußt vor allem auf der geringen Anzahl der Bahai von acht Millionen Gläubigen weltweit, wovon in Deutschland gerade einmal rund 12.000 leben(Hutter, 2009, S.9 & Towfigh, 2007, S.110-111). Aufgrund dessen habendieBahaisowohl auf gesellschaftlicher und konfessioneller Ebene nur geringe Relevanz. Dabei zählen sich die Bahai selbst zu den abrahamitischen Religionen und beanspruchen, trotz ihrer geringen Anzahl, eine Weltreligion zu sein. Diesen Anspruch machen die Bahai dahingehend geltend, indem sie darauf aufmerksam machen, dass sie zwar im Vergleich zu anderen Weltreligionen eine deutlich geringere Anhängerzahl haben, aber gleichzeitig über eine enorme geografische Ausbreitung verfügen (Hutter, 2009, S.12). So leben die rund acht Millionen Bahai an über 100.000 Orten weltweit verteilt, womit die Religionsgemeinschaft auf allen Kontinenten der Erde vertreten ist und somit nach dem Christentum die höchste geographische Ausbreitung besitzt. Darüber hinaus setzt sich die Glaubensgemeinschaft aus über 2.100 ethnischen Gruppen zusammen, so dass die Bahai für sich deklarieren, jene Glaubensgemeinschaft zu sein, dieüber die höchste menschliche Vielfalt verfügt (Towfigh, 2007, S.10 & S.110).
Ich persönlich hörte das erste Mal von den Bahai im Rahmen des Seminars „Religionen Asiens“ während meines Studiums. Dabei begann ich mich zunehmend für die Religion und die dahinterstehenden Lehren zu interessieren, so dass ich mich dazu entschied, meine dritte Modulprüfung im Fach der katholischen Religionslehre über das Thema „Das Bahaitum und die Einheit der Religionen“ abzulegen. Während dem Abfassen dieser Hausarbeit vertiefte sich mein Interesse insbesondere an der Bedeutung Jesu innerhalb der Bahai-Religion. Darüber hinaus sehe ich in den Lehren der Bahai ein enormes didaktisches Potenzial begründet, da diese neben vielen anderen Propheten insbesondere Jesus und Mohammed eine bedeutende Rolle in der eigenen Theologie zuschreiben.
In meinen Praktika, die ich im Rahmen meines Studiums absolviert habe, bemerkte ich immer wieder, wie man zwar von Seiten der Lehrerschaft um interreligiöse Lernprozesse und um einen interreligiösen Austausch zwischen den Schülern bemüht war, wobei diese Versuche meist in einer Gleichmachung aller Religionen mündete, wodurch ein tiefgreifendes religiöses Verständnis der jeweils anderen Religion kaum mehr möglich war. Darüber hinaus habe ich die Erfahrung gemacht, dass Konflikte, welche im schulischen Kontext einen religiös motivierten Hintergrund haben sowohl bei Schülern als auch bei Lehrern zu einer Verunsicherung führen, da man Sorge trägt, etwas „Falsches zu sagen“ und damit als intolerant wahrgenommen zu werden. Dabei halte ich es persönlich für eine unabdingbare Notwendigkeit, dass aufgrund einer zunehmenden religiösen Pluralisierungin der Gesellschaft ein offener und authentischer Dialog zwischen den Religionen und ihren Vertretern stattfinden muss. Erst dann kann sich meines Erachtens ein interreligiöser Lernprozess vollziehen, in dem das zugrundeliegende Potenzial der religiösen Vielfalt tatsächlich zum Tragen kommen kann.
Dabei kommen im Jesusbild der Bahai wichtige Aspekte zum Ausdruck, welche mit den Lehren der katholischen Kirche übereinstimmen, so dass die Bedeutung Jesu innerhalb des BahaiGlaubens, deren Stifter muslimisch sozialisiert waren, nicht nur aus theologischer Sicht interessant ist, sondern auch aus didaktischer. Diese Annahme fußt unter anderem darauf, dass das Jesusbild der Bahai auf Grundlage biblischer und koranischerÜberlieferungen entstanden ist. Dadurch lässt sich, wie in der vorliegenden Arbeit dargestellt werden soll, eine Brücke zu anderen Religionen schlagen, womit die Bedeutung Jesu innerhalb des Bahai-Glaubens meines Erachtens für den schulischen Kontext und darüber hinaus nicht unterschätzt werden sollte.
Aufgrund dessen soll in der vorliegenden Arbeit die Bedeutung Jesu im Glauben der Bahai sowohl aus theologischer als auch aus didaktischer Perspektive herausgearbeitet werden, wobei der Fokus primär auf den theologischen Aspektendes Bahaitumsliegen soll.Dafür sollen auch christliche Standpunkte als Referenz- und Unterscheidungsmerkmale herangezogen werden, jedoch strebt die Arbeit keinen Vergleich zwischen beiden Theologien und der darin enthaltenen Bedeutung Jesu an. Die Bezugnahmen zu den christlichen Standpunkten sind dabei auf den gegenwärtigen theologischen Standpunkt der katholischen Religionslehre ausgerichtet, so dass keine weitreichenden Rückgriffe auf vergangene Theorien und Lehrinhalte vorgenommen werden sollen.
1.2 Aufbau und Gliederung
Da die vorliegende Arbeit auf keinen Vergleich abzielt, sondern primär die Bedeutung Jesu aus Sicht der Bahai in den Blick nimmt, stellt die literarische Basis neben den Schriften der BahaiAutoritäten auch die dazu existierende Sekundärliteratur dar. Damit die Bedeutung Jesu im Glauben der Bahai benannt werden kann, soll im Kapitel 2 zunächst aufgezeigt werden, wie sich das Jesusbild und dessen Bedeutung innerhalb des Bahai Glaubens im Laufe der Jahrzehnte entwickelt hat. Hierbei sollen Bezugsnahmen zu einzelnen Schriftstücken der Bahai vorgenommen werden, in denen Jesu Erwähnung findet. Um die darin enthaltenen Inhalte nachvollziehen zu können, muss das darin skizzierte Jesusbild neben biographischen Gesichtspunkten der Bahai-Autoritäten auch aus soziokultureller Sicht betrachtet werden, so dass auf diese ebenfalls Bezug genommen wird. Darüber hinaus liefert das Kapitel 2 wichtige Informationen über die Struktur und den Aufbau der Bahai-Religion, was für ein ganzheitliches Verständnis der Thematik bedeutend ist.
Um sich der Bedeutung Jesu innerhalb des Bahaitums weiter annähern zu können, soll im Kapitel 3 das kosmologische Verständnis der Bahai-Religion dargestellt werden, welches das theologische Fundament für die vorliegende Thematik abbildet. Ohne dieses Grundverständnis können spätere Interpretationsansätze der Bahai bezüglich biblischer Texte und koranischer Bezugnahmennicht nachvollzogen werden undein tiefergreifendes Verständnis derBedeutung Jesu in der Bahai-Theologie wird nahezu unmöglich. Darüber hinaus liefert das Kapitel 3 auch wichtige Einblicke in zentrale Lehrinhalte des Bahaitums, worauf in darauffolgenden Kapiteln Bezugnahmen zur Person Jesu und dessen Lehren vorgenommen werden sollen. Da es von den Bahai kein geschlossenes Werk (kanonisches Werk) gibt, welches die Bedeutung Jesu chronologisch behandelt, wird eine Reihenfolge vorgenommen, welche sich grob an den Vorgaben der Evangelien orientiert. Dabei kann in der vorliegenden Arbeit nur auf Aspekte Bezug genommen werden, welchen auch innerhalb der Bahai-Schriften eine Bedeutung beigemessen wird. Die relevantesten dieser Bezugsnahmen für die vorliegende Thematik sowie die dazugehörigen Interpretationsansätze sollenin denKapiteln4, 5, 6 und 7 behandelt werden.
Im Kapitel 4 soll neben der Verheißung Jesu auch dessen Ablehnung durch große Teile der jüdischen Bevölkerung aus Sicht der Bahai dargestellt werden (s. Kap. 4.1). Ebenfalls Gegenstand des Kapitels ist die Zeugung sowie die Geburt Jesu(s. Kap. 4.2). Im Kapitel 5 steht dasWirken und Leben Jesu im Zentrum des theologischen Diskurses.Eng mit dieser Thematik verbunden sind die Ethik und die Lehren Jesu, welche ebenfalls Gegenstand des Kapitels 5 sein werden. Im Kapitel 6 werden die Bahai-Standpunkte bezüglich der Passionsgeschichte erörtert. Daran anschließend soll im Kapitel 7 die Nachfolge und die Ankündigung sowie die Wiederkunft Jesu behandelt werden. Neben der inhaltlich-theologischen Ebene gibt auch die verwendete Sprache der Bahai-Autoritäten einen Einblick in die Bedeutung Jesu innerhalb des Bahai-Glaubens, so dass in der vorliegenden Arbeit auch wörtliche Zitate der Religionsstifter und Gemeindeführer aufgeführt werden sollen. Im Kapitel 8 soll anhand der gesammelten Erkenntnisse der vorausgegangenen Kapitel die Bedeutung Jesu innerhalb des BahaiGlaubens in ihrem Gesamtkontext betrachtet und benannt werden. Dabei dient das Kapitel 8 einerseits als Zusammenfassung, andererseits auch als didaktische Reduktion des Themas, welches im Kapitel 9auf den schulischen Kontext übertragen und dessen didaktische Relevanz für die katholische Religionslehre in der Sekundarstufe 1 erörtert werden soll.
1.3 Anmerkungen
1.3.1 Anmerkung: Zitierweise
Die Bahai-Autoritäten berufen sich bei ihren Interpretationen und Deutungsansätzen sehr häufig auf biblische Stellen. Da sich aus der Gegenwart nicht rekonstruieren lässt, welche Bibelübersetzungen den Bahai-Autoritäten zur damaligen Zeit zur Verfügung standen, stimmen viele der biblischen Zitate der Bahai nur sinngemäß mit den Formulierungen der heutigen Bibelübersetzungen überein, so dass es hierbei häufig zu Abweichungen zwischen den ausgegebenen Bibelzitaten der Bahai und den aktuellen Inhalten der mir zur Verfügung stehenden Einheitsübersetzung 2016 kommt. Selbst, wenn eine Bahai-Autorität in ihren Schriften angegeben hat, eine Bibelstelle wortwörtlich übernommen zu haben, kann aus der Retrospektive nicht mehr nachvollzogen werden, ob dies tatsächlich erfolgt ist oder ob bestimmte Formulierungen verändert wurden. Daher darf man sich beim Lesen der Zulassungsarbeit nicht wundern, wenn biblische Bezugsnahmen der Bahai häufig nur sinngemäß mit dem kompatibel sind, was die Einheitsübersetzungen ausgeben.
1.3.2 Anmerkung: Gendering
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewandt. Es wird an dieser Stelle explizit darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechterunabhängig verstanden werden soll.
1.3.3 Anmerkung: Zum Begriff des „Bildungsplans“
Innerhalb der vorliegenden Zulassungsarbeit werden immer wieder Bezugnahmen zum baden- württembergischen Bildungsplan 2016 für die Sekundarstufe 1 für das Fach der katholischen Religionslehre vorgenommen. Dabei ist der Begriff des Bildungsplans als diesbezügliches Synonym zu verstehen.
2 DIE BEDEUTUNG JESU IN DEN SCHRIFTEN DER BAHAI-RELIGION UNTER BERÜCKSICHTIGUNG SOZIOKULTURELLER BEDINGUNGEN
Im Zentrum des Kapitels 2 stehen neben den Schriften der beiden Religionsstifter auch die der darauffolgenden Gemeindeführer sowie die des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, welches heutzutage die höchste Instanz der Religionsgemeinschaft des Baihitums darstellt und ihren Sitz im israelischen Haifa hat. Anders als in den meisten anderen Religionen sind im Glauben der Bahai lediglich die genannten Autoritäten zur verbindlichen Schriftauslegung berechtigt, weshalb es bei den Bahai auch keine Priester, Bischöfe oder Kardinäle gibt (Towfigh, 2007, S.18 & S.48). Hierbei muss angemerkt werden, dass sich das Jesusbild im Laufe der Entstehungsgeschichte des Bahaitums stetig erweitert hat, wie auch die folgenden Kapitel darstellen werden. Dabei waren es nicht nur die biblischen und koranischen Schriften sowie die soziokulturellen Gegebenheiten der damaligen Zeit, welche die Bedeutung Jesu für die Bahai nachhaltig geprägt haben, sondern auch die Biographien der jeweiligen Würdenträger.
2.1 Jesus in den Schriften der Religionsstifter
2.1.1 Siyyid Ali Muhammad, genannt der Bab (*1819 - J1850)
Eine Besonderheit der Bahai-Religion stellt die Tatsache zweier Stifterfiguren dar, welche gleichermaßen für die Entstehung der Religionsgemeinschaft verantwortlich sind. Zwar wurde das Bahaitum durch die Offenbarung Mirza Husain Al Muris, welcher später unter dem Namen Baha'u'llah bekannt wurde, im Jahr 1863 ausgerufen und begründet, jedoch kann dieses Ereignis nicht losgelöst von den Lehren und den Verkündigungen Siyyid Ali Muhammads betrachtet werden,welcher als der Stifter des sogenannten Babismus gilt (Hutter, 2009, S.35).
Der Babismus stellt zur damaligen Zeit ein eigenes Glaubenssystem dar, dessen Lehren sich stark am schiitischen Islam und am Sufismus orientieren. Da das Bahaitum direkt aus dem Babismus hervorgegangen ist, bauen viele Lehren des Bahaitums auf denen des Babismus auf. Aufgrund dieser historischen als auch theologischen Nähe beider Glaubensgemeinschaften, spricht man in der Bahai-Religion bezüglich der Religionsstiftung von einer sogenannten Zwillingsoffenbarung, womit neben der Offenbarung Mirza Husain Al Muris auch die Siyyid Ali Muhammads gemeint ist (Hutter, 2009, S.200). Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erhob Ali Muhammad in Shiraz, im heutigen Iran, den Anspruch, der Stifter einer neuen Religion zu sein. Dabei sah er sich als Vorbereiter einer noch viel größeren Offenbarung an, welche erst durch seine Verkündigung ermöglicht werden sollte (Towfigh, 2007, S.36). Aufgrund dessen gab er sich selbst den arabischen Namen „Bab“, was sich auf Deutsch mit dem Wort „Tor“ übersetzen lässt und wodurch impliziert werden sollte, dass auf die eigens verkündete Offenbarung eine noch viel Größere folgen werde (Hutter, 2009, S.23). In seinen Schriften prophezeit der Bab wiederkehrend einen Boten Gottes, der bald auf der irdischen Welt erscheinen werde und über die Macht verfüge, die Menschheit zum Weltfrieden führen zu können (Muhammad, 1991, S.87). Solche Prophezeiungen innerhalb des muslimischen Kulturkreises waren zur damaligen Zeit nichts Außergewöhnliches, da sich das Verschwinden des zwölften Imams um das Jahr 1260, nach islamischer Zeitrechnung, um das Jahr 1844, zum tausendsten Mal jähren sollte. Viele Muslime rechneten damit, dass wie im Koran beschrieben ein neuer Prophet von Gott entsandt wird, um die Welt zu revolutionieren (Hutter, 2009, S.17). Die Hoffnung nach dem Eingreifen einer höheren Macht in die Geschehnisse der irdischen Welt war bei den Menschen nicht zuletzt auch aufgrund der schlechten gesellschaftlichen und politischen Umstände weit verbreitet. Große Teile der Bevölkerung sehnten sich daher nach einer allgemeinen Verbesserung der Lebensbedingungen (Towfigh, 2007, S.36-37). Der Bab, welcher selbst gläubiger Schiit gewesen war, sah vor allen in der schlechten Schulbildung und den nicht vorhandenen Frauenrechten Gründe für die gesellschaftliche Misere seines Landes (Hutter, 2009, S.14). Darüber hinaus stellte er die Rolle des Klerus in Frage und betonte die Notwendigkeit einer Einheit der Religionen sowie eine damit zusammenhängende fortschreitende Gottesoffenbarung (Towfigh, 2007, S.36 & Rekel, 2015, S.37-38). Mit dieser Programmatik gelang es dem Bab, breite Teile der persischen Bevölkerung für sich zu gewinnen, so dass sich seine Forderungen und Lehren zunehmend verbreiteten und er zur Gallionsfigur des persischen Widerstands wurde (Warburg,2006, S.131). Dabei galt der Babismus, dessen Anhänger auch als Babis bezeichnet werden, lange Zeit bei den Mächtigen von Politik und Klerus als liberale Reformbewegung innerhalb des schiitischen Islams (Hutter, 2009, S.24). Dies änderte sich im Jahr 1844 schlagartig, als ein Anhänger des Bab beim Gebetsruf, dem Auftrag des Bab folgend, ausrief: „Ich bezeuge, dass Ali Muhammad das Tor zum Verheißenen ist“ (Warburg, 2006, S.131). Dieser Ausruf hatte zur Folge, dass es zu einer öffentlichen Spaltung zwischen den Lehren der Babis und dem vorherrschenden schiitischen Islam kam (Hutter, 2009, S.25). Das führte zu massiven Verfolgungen der Babi-Gemeinden, die im alltäglichen Leben von nun an starken Benachteiligungen und Diskriminierungen ausgesetzt waren, was in einer Politisierung der Babis endete, die sich von nun an auch gewaltsam gegenüber dem persischen Staat zur Wehr setzten, indem sie Anschläge auf ranghohe Politiker und Kleriker verübten, was auf beiden Seiten Todesopfer zur Folge hatte sowie die Verbannung des Bab und seiner Anhänger. Infolgedessen kam es zu tausenden Verhaftungen und Hinrichtungen, weshalb die Babis von nun an damit begannen, aus dem Untergrund zu operieren (Hutter, 2009, S.25 & S.65).
Ab dem Jahr 1948 wurde der Bab immer wieder festgesetzt und inhaftiert. Während seiner Inhaftierung verfasste er den sogenannten Bayan, worin er seine zentralen Lehren und Forderungen nochmals schriftlich festhielt. Darin erkennt er auch den Glauben Jesu als Teil des göttlichen Ursprungs an, wobei sich daraus und darüber hinaus keine weiteren nennenswerten Bezugnahmen hinsichtlich der Person Jesu ableiten lassen (Muhammad, 1991, S.77-115 & S.15-23). Im Jahr 1850 kam es in Tabriz zur Verurteilung und öffentlichen Hinrichtung des Bab durch persische Soldaten. Aufgrund der fehlenden Bezugnahmen des Bab über die Person Jesu können die Schriften des Bab bezüglich des vorliegenden Themas aus dem weiteren Verlauf der Zulassungsarbeit ausgeklammert werden.
2.1.2 Mirza Husain Al Muri, genannt Baha'u'llah (*1817 - J1892)
Mirza Husain Al Muri, welcher später unter dem Namen Baha'u'llah weltweite Bekanntheit erlangte, war der Sohn eines ranghohen persischen Staatsministers (Townshend, 2014, S.72). Al Muri kam schon in jungen Jahren mit dem Leben und Wirken Jesu in Kontakt, da Anfang des 19. Jahrhunderts viele christliche Missionare im Persischen Reich umherreisten und an die muslimische Bevölkerung, der er zunächst selbst angehörte, Bibeln verteilten ('Abdul-Baha, 1998a, S.28). Schon in jungen Jahren setzte sich Al Muri mit biblischen Texten auseinander, so dass er das daraus entstandene Wissen in seine späteren Schriften miteinfließen ließ. Aufgrund der politischen Bedeutung seines Vaters hätte Al Muri ebenfalls einen prestigeträchtigen Posten innerhalb des persischen Staatswesens ergreifen können. Entgegen den Erwartungen seiner Familie schloss er sich aber schon in jungen Jahren gemeinsam mit seinem Bruder der Bewegung des Bab an, in der ihm nach kürzester Zeit eine bedeutende Rolle zukam, weshalb er aus den bereits dargestellten Umständen im Jahr 1953 gefangen und für rund ein Jahr inhaftiert wurde (Towfigh, 2007, S.37).
Obwohl Al Muri während seiner Inhaftierung mehrere Berufungserlebnisse hatte, in denen ihm offenbart wurde, dass er der Verheißene sei, entschied er sich dazu, niemandem davon zu erzählen (Momen, 2007, S.31-33). Zu dieser Zeit lag die Ermordung des Bab bereits über drei Jahre zurück, dennoch nahm die Spirale der Gewalt stetig zu, so dass sowohl die Babis als auch der persische Staat hohe Opferzahlen zu beklagen hatten (Smith, 2008, S.14-15). Während dieser Zeit schwand der Einfluss Al Muris innerhalb der Gemeinde zunehmend, da er als einer der Wenigen jegliche Form der Gewalt strikt ablehnte. Darüber hinaus konnte er im Gegensatz zu vielen anderen Babis, nicht zuletzt auch aufgrund seines hohen gesellschaftlichen Standes, einer Hinrichtung entgehen, was ihn ebenfalls von vielen anderen innerhalb der Gemeinde abhob. Trotzdem wurde er noch im selben Jahr von den persischen Machthabern aufgefordert, das Persische Reich zu verlassen und sich ins Exil zu begeben. Obwohl ihm unter anderem auch das Russische Reich unter Nikolaus I. Asyl gewährt hätte, entschied er sich dazu, gemeinsam mit einem kleinen Kreis von Familienangehörigen und Freunden ins Osmanische Reich auszuwandern (Momen, 2007, S.33). Die vorliegende Abbildung 2zeigt den Verbannungsweg Al Muris und seiner Anhängerschaft ab dem Jahr 1853 bis zu seinem Tod im Jahr 1892. In dieser Zeit verfasste und veröffentlichte er rund 15.000
Schriften, wobei hierzu neben umfangreichen Büchern auch einzelne Texte und Sendeschreiben gezählt werden müssen (Hutter, 2009, S.88).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Der Verbannungsweg Baha’u’llahs
Während seines zehnjährigen Aufenthalts in Bagdad verfasste Al Muri neben vielen anderen Schriften auch erstmals Werke, in denen Jesus namentlich erwähnt wird. In diesem Zusammenhang können die Werke Das Buch der Gewissheit (Kitab-i-Iqan) und Edelsteine göttlicher Geheimnisse genannt werden (Rekel, 2015, S.30-31). Hierbei muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass Al Muri die Werke bereits in dem Wissen verfasst hatte, sich bald als der vom Bab verheißenen Messias zu offenbaren. Aus diesem Grund müssen diese Texte als vollwertige Bahai-Schriften verstanden werden, obwohl deren Entstehung vor dem eigentlichen Offenbarungsereignis stattfand. In beiden Werken plädiert Al Muri in Abgrenzung zur damaligen islamischen Gelehrtenwelt, welche in der Bibel eine Verfälschung des himmlischen Mutterbuchs sahen, dafür, die biblischen Texte als vollwertige Bücher Gottes anzuerkennen (Hutter, 2009, S.200). Al Muri, der im Gegensatz zum Islam auch die eigenständige Offenbarung und Verkündigung Jesu anerkennt, füllt damit den vom Bab geprägten Begriff der „fortschreitenden Gottesoffenbarung“ mit weitreichenden Inhalten (Rekel, 2015, S.34). Darüber hinaus bewertet er die Ablehnung des Islams gegenüber der Bibel als eine „Ungerechtigkeit“ und „Tyrannei“ angesichts dessen, was Jesus für die Menschheit auf sich genommen hat (Baha'u'llah, 1998a, S.75). Gleichzeitig verweist er darauf, dass die Bibel und der Koran zwar Bücher Gottes sind, diese aber nicht hinsichtlich ihrer Entstehung gleichgesetzt werden können. In diesem Zusammenhang betont Al Muri, dass die Evangelien die Inhalte ihrer Schriften nicht, wie Mohammad durch eine höhere Macht rezipiert bekamen, sondern aus ihrem Gedächtnis, ihren Erinnerungen und aus dem, was ihnen die Leute über Jesus berichtet hatten, niederschrieben (Rekel, 2015, S.44). Daher kann es Al Muri zu Folge leicht zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen kommen, weshalb er seinen Anhängern für die Bibel eine allegorische Deutungs- und Interpretationsweise nahelegt (Effendi & Townshend, 1974, S.139). Konkret empfiehlt er seinen Anhängern zu versuchen, hinter jedem geschriebenen Wort der biblischen Schriften den darin enthaltenen Symbolgehalt zu erkennen und zu deuten (Rekel, 2015, S.268). Dabei schließen die unterschiedlichen Deutungen und Interpretation einer bestimmten Bibelstelle sich nicht kategorisch aus, sondern können durchaus als sich ergänzend betrachtet werden. Wichtiger als die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der eigenen Interpretation ist für Al Muri das Erbringen einer eigenen Denkleistung, welche den Gläubigen vor dem blinden Gefolgeleisten vorgefertigter Meinungen schützen soll ('Abdul- Baha, 2012, S.280).
Aus dem Exil im Raum Bagdad gelang es Al Muri, die Babi-Gemeinde und ihre Splittergruppen, die sich sowohl im als auch außerhalb des Persischen Reiches aufhielten, zu einen und zu organisieren, was Al Muris Bedeutung innerhalb der Gemeinde zunehmend erhöhte (Smith, 2008, S.17). Darüber hinaus erkannten viele Babis die Sinnlosigkeit der stetig ansteigenden Gewaltexzesse, so dass immer mehr Gemeindemitglieder dem friedvollen Protest Al Muris Gehör schenkten (Warburg, 2006, S.167).
Im Jahr 1963 verkündete Al Muri einem kleinen Kreis von Anhängern, im Garten Rividan, welcher sich in der Nähe Bagdads befindet, drei Botschaften (Hutter, 2009, S.35). Die erste Botschaft beinhaltet ein Verbot des Heiligen Krieges (Dschiad), womit Al Muri den kriegerischen Auseinandersetzungen endgültig ein Ende bereiten wollte. In der zweiten Botschaft offenbarte sich Al Muri als der vom Bab vorhergesagte Prophet für das bestehende Zeitalter (Balyudzi, 1991, S.208). Dabei gab er sich selbst von nun an den Namen „Baha'u'llah“, was sich mit den Worten „Herrlichkeit Gottes“ vom Arabischen ins Deutsche übersetzen lässt (Hutter, 2009, S.200). In der dritten Botschaft versprach er seinen Anhängern, dieser Aufgabe gerecht werden zu wollen und die nie endende Kette der aufeinanderfolgenden Religionen weiterzuführen (Balyudzi, 1991, S.208). Die Babis erkannten Baha'u'llah und dessen Offenbarung weitestgehend an und akzeptierten ihn als den vom Bab vorhergesagten Propheten (Madhi) für das bestehende Zeitalter, so dass aus den Babis im Laufe der Zeit Bahai wurden und der Babismus vollständig verschwand. Damit übertrug sich die Verfolgung der persischen Machthaber von den Babis auf die Bahai-Gemeinden (Hutter, 2009, S.38). Die Offenbarung Baha'u'llahs hatte zur Folge, dass die Bahai gezwungen waren, Bagdad zu verlassen, da die persischen Machthaber eine Einflussnahme der Bahai in innerpolitische Angelegenheiten aufgrund der geographischen Nähe befürchteten, weshalb sie eine Umsiedlung der Bahai nach Konstantinopel gegenüber den Osmanen erwirken konnten (s. Abb. 2). Über die Zeit in Konstantinopel verfasste Baha'u'llah wenige Jahre vor seinem Tod das Werk Brief an den Sohn des Wolfes. Darin berichtet er aus der Retrospektive über die Geschehnisse in Konstantinopel und die ständigen Versuche der persischen Botschaft, ihn an sein Heimatland ausliefern zulassen (Gail, 1946, S.33-39). Der Titel des Buches bezieht sich dabei auf den persischen Scheich Muhammad-Taqi Nadjafi und dessen Sohn, der gemeinsam maßgeblich die Verfolgung und Tötung der Babis und Bahai innerhalb des Persischen Reichs und darüber hinaus vorangetrieben haben (Momen, 2013, S.281-288). Im Kontext der vorliegenden Zulassungsarbeit ist das Werk bezüglich der Person Jesu dahingehend interessant, da Baha'u'llah zwischen seinem Verbannungsweg und dem Leben und Wirken Jesu Parallelen zieht. Aus dem Schriftstück lässt sich deutlich entnehmen, dass Jesus durch sein Leben und Wirken, welches geprägt von Verspottung, Ablehnung und Verfolgung war, für Baha'u'llah eine Vorbildfunktion erfüllt. Für Baha'u'llah steht das Leben Jesu sinnbildlich für den Umgang mit Leid und für ein unerschütterliches Gottvertrauen (Baha'u'llah, 1988, S.54).
Da, wie bereits beschrieben wurde, der politische Arm der persischen Machthaber bis nach Konstantinopel reichte, wurde Baha'u'llah und seinen Anhängern nach drei Monaten nahegelegt nach Adrianopel umzusiedeln, wo sie insgesamt viereinhalb Jahre verbrachten (Smith, 2008, S.23). Die Zeit in Adrianopel war gekennzeichnet von mehreren Mordversuchen gegen Baha'u'llah, die aber nicht von den Persern initiiert wurden, sondern von seinem Bruder Mirza Yahya, welcher für sich selbst die Führung der Bahai-Gemeinde zunehmend beanspruchte (Salmani & Gail, 1982, S.51 & Smith, 2008, S.24). In Adrianopel verfasste Baha'u'llah mehrere Sendeschreiben an bedeutende Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Die einzelnen Schreiben wurden gesammelt und später in dem Werk Anspruch der Verkündigung veröffentlicht, worin Baha'u'llah seinen Anspruch als Prophet für das bestehende Zeitalter vertritt. Die Schreiben richteten sich unter anderen an den Papst Pius IX., den französischen Staatspräsidenten Napoleon III., den Zar Alexander II., an die Königin Victoria, den Schah Nassreddin sowie an den damaligen osmanische Staatsmann Mehmed Emin Ali Pascha (Smith, 2008, S.28-29). Dabei wird auf die Person Jesu ausschließlich im Offenbarungstext an den Papst Pius IX. Bezug genommen. Darinerhebt Baha'u'llah den Anspruch, selbst die Wiederkunft Christi zu sein. Des Weiteren fordert er den Pontifex dazu auf, seinen Palast sowie den gesamten Kirchenstaat zu verlassen, seinen Schmuck und seine Reichtümer zu verkaufen und sich seiner Verkündigung anzuschließen (Hutter, 2009, S.202). Dabei zieht Baha'u'llah in seinem Sendeschreiben immer wieder Parallelen zwischen der Haltung der Pharisäer gegenüber Jesus Christus und seiner eigenen Verfolgung, die zu diesem Zeitpunkt schon über mehrere Jahre andauerte (Gollmer, 1988, S.73-80).
Aufgrund der Spannungen zwischen Baha'u'llah und seinem Bruder befürchteten die osmanischen Machthaber Unruhen zwischen beiden Lagern, so dass sie das Haus Baha'u'llahs von Soldaten stürmen ließen und ihn und seine Anhänger nach Akka deportierten. Baha'u'llahs Bruder und dessen Gefolgschaft wurde nach Zypern gebracht. Die Haftbedingungen im osmanischen Akka waren besonders in den Anfangsjahren desaströs, weshalb mehrere Bahai während ihrer Gefangenschaft verstarben. Baha'u'llah gewann nach einiger Zeit das Vertrauen der Wächter sowie höherer Beamter, so dass er seine Haftbedingungen und die seiner Anhänger deutlich verbessern konnte. Die Verbesserung der Haftumstände führte dazu, dass sich die Bahai in Akka und Umgebung frei bewegen konnten. Der Religionsstifter bezog daraufhin ein Landhaus etwas außerhalb der Stadt, in dem er regelmäßig Besucher empfing (Smith, 2008, S.26-28). Dort verfasste er unter anderem den sogenannten Kitab-i-Aqdas, welcher das Heiligste Buch des Bahai-Glaubens darstellt (Hutter, 2009, S.11). Nach der Fertigstellung im Jahr 1873, verfasste er weitere Schriften, wovon manche jedoch keine Nummerierungen mehr besaßen und später unter dem Titel Botschaften aus Akka veröffentlicht wurden. Darin wird zwar lediglich sporadisch Bezug auf die Person Jesu genommen, dennoch betont Baha'u'llah darin, dass er die „Wiederkunft Christi in der Herrlichkeit des Vaters“ ist, was für den weiteren Verlauf der vorliegenden Zulassungsarbeit noch von Bedeutung sein wird (Taherzadeh, 1987, S.227). In Akka endet der Verbannungsweg Baha'u'llahs, der dort bis zu seinem Lebensende blieb. Am 29. Mai 1892 verstarb der Religionsstifter im Alter von 75 Jahren (Hutter, 2009, S.43).
2.2 Jesus in den Schriften der Gemeindeführer
2.2.1 Abbas Effendi, genannt 'Abdul-Baha (*1844 -11921)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: ʿAbdul-Baha
Abbas Effendi wurde am 23. Mai 1844 in Teheran geboren und ist der älteste Sohn Baha'u'llahs. Aufgrund der bedeutenden Stellung seines Vaters bekam Abbas Effendi schon im Kindesalter den arabischen Ehrentitel „'Abdul-Baha“ verliehen, was sich ins Deutsche mit den Worten „Diener der Herrlichkeit“ übersetzen lässt ('Abdul-Baha = Diener der Herrlichkeit, 2019, Internetdokument). Das junge Leben des Abbas Effendi war gekennzeichnet von den Widrigkeiten der Verfolgung, die er gemeinsam mit seiner Familie und den Anhängern seines Vaters durchleben musste (Hutter, 2009, S.46). Aufgrund der bereits im Kapitel 2.1.1 beschriebenen Umstände, war es für 'Abdul-Baha nicht möglich gewesen, eine reguläre Schulbildung zu erhalten, so dass er all sein Wissen und Können von seinem Vater beigebracht bekam. Aufgrund der oftmals prekären Umstände im Exil musste er schon früh Verantwortung übernehmen. So war er als junger Erwachsener damit beauftragt worden, organisatorische Tätigkeiten innerhalb des Gemeindewesens zu übernehmen. Ebenso bemühte sich 'Abdul-Baha um eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Armen und Kranken in Akka (Towfigh, 2007, S.47). Darüber hinaus sollte er, dem Auftrag seines Vaters folgend, die Universalisierung sowie die Institutionalisierung der Religionsgemeinschaft vorantreiben (ebd.). Nach dem Tod Baha'u'llahs wird 'Abdul-Baha, dem Testament seines Vaters folgend, zum höchsten Würdenträger der Bahai-Gemeinde ernannt, was vor allem bei seinem Halbbruder Muhammad Ali, welcher zum zweithöchsten Repräsentanten der Gemeinde ernannt wurde, auf Unverständnis stieß, da dieser die Ansicht vertrat, dass sein Halbbruder seine Kompetenzen überschreiten würde (Effendi & Townshend, 1974, S.279-283). Der Disput zwischen den Brüdern endete damit, dass Ali Muhammad vor den osmanischen Machthabern angab, dass sich 'Abdul-Baha gegen diese verschworen habe, weshalb 'Abdul-Baha inhaftiert wurde(Taherzadeh, 2000, S.44).
Wichtig im Zusammenhang der Nachfolge Baha'u'llahs ist, dass mit seinem Tod die Ära der Religionsstifter abgeschlossen ist und damit 'Abdul-Baha über keinen prophetischen Status verfügt. Obwohl 'Abdul-Baha ausschließlich die Rolle des Gemeindeführers zukam, stattete Baha'u'llah seinen ältesten Sohn mit enormen Befugnissen aus. So besaß 'Abdul-Baha als Gemeindeführer das Recht, verbindliche Erklärungen und Interpretationen sowie Deutungen hinsichtlich der Offenbarungsschriften des Bab und Baha'u'llahs abgeben zu dürfen. Mit dieser religionsgeschichtlich einzigartigen Befugnis wollte Baha'u'llah den Bahai-Glauben vor Spaltungen und Sektenbildungen schützen (Towfigh, 2007, S.47). Aufgrund dieses Rechts sind den Texten 'Abdul-Bahas ein hoher Stellenwert beizumessen. Da die Universalisierung der Bahai-Religion durch 'Abdul-Baha stetig zunahm, waren es insbesondere Menschen aus anderen Kulturkreisen, welche Fragen hatten bzw. sich Informationen darüber einholen wollten, wie sie ihren neuen Glauben innerhalb ihres Kulturkreises leben können, ohne gegen wichtige Glaubenslehren des Bahiatums zu verstoßen. Viele dieser Fragen beantwortete 'Abdul-Baha persönlich, was die darin enthaltenen Antworten zu verbindlichen Glaubensaussagen über die Bahai-Religion macht. Einige der Anfragen bezogen sich auch auf die Person Jesu und das Christentum im Allgemeinen, so dass 'Abdul-Baha diesbezüglich Stellung beziehen musste und die Bedeutung Jesu innerhalb der Bahai-Religion auf Grundlage der Schriften seines Vaters zunehmend konkretisierte und definierte. Um solch eine Spezifizierung vornehmen zu können, hat er sich nochmals ausführlich dem Leben, Wirken und Sterben Jesu gewidmet und diesem eine allgemeingültige Bedeutung zugeschrieben (Rekel, 2015, S.31). Eines seiner ersten Werke ist in diesem Zusammenhang das politisch-philosophische Werk Das Geheimnisse göttlicher Natur, dessen Schwerpunkt auf der zukünftigen Entwicklung des gesellschaftlichen Zusammenlebens liegt, worin auch Jesus Erwähnung findet, wie das Kapitel 3 darlegen wird. Ebenfalls bedeutend ist in diesem Zusammenhang das Werk Briefe und Botschaften, welches Anfangs des 20. Jahrhunderts erschienen ist. Darin behandelt der Gemeindeführer die Grundlagen von Bildung und Erziehung sowie die Bedeutung der Nächstenliebe. Des Weiteren beschreibt er die Auswirkungen von Lügen, Vorurteilen und übler Nachrede innerhalb ziviler Gesellschaften. 'Abdul-Baha sieht Jesus in diesem Kontext als ein schillerndes Beispiel für Nächsten-und Feindesliebe. So betont er, dass Jesus „die ganze Menschheit zu Freundschaft und Frieden“ geführt hat und trotz „jeder nur erdenklichen Pein“, die man ihm zufügte, „das Banner des Heils“ hochgehalten hat und somit „ein vollkommenes Beispiel“ für die „Liebe in der Welt“ darstellt ('Abdul-Baha, 1998b, S.291; 'Abdul-Baha, 2008, S.76 & 'Abdul-Baha, 2007, S.95). Darüber hinaus wird Jesus von 'Abdul-Baha als „anfeuerndes Beispiel des vollkommenen Lebens der Selbstaufopferung und Ergebenheit“ sowie als „Verkörperung des Mitleids, höchster Güte und Liebe“ als auch als „Leuchte der Vollkommenheit“ beschrieben ('Abdul-Baha, 2007, S.63&'Abdul-Baha, 2008, S.75). Dabei ist für die Bahai die Person Jesu neben dem Leid und seiner Unbeugsamkeit auch ein Sinnbild dafür, wie leicht eine Person zum Opfer von menschengemachten Vorurteilen und falschen Anschuldigungen werden kann ('Abdul-Baha, 1998b, S.51-52&S.206).
Die bedeutendsten Werke 'Abdul-Bahas entstanden erst nach den Jahren 1908, als die nach wie vor bestehenden Haftbedingungen im Zuge der jungtürkischen Revolution durch eine Amnestie vollständig aufgehoben wurden und die Bahai sich auch außerhalb Akkas frei bewegen durften. Die neu gewonnene Freiheit veranlasste 'Abdul-Baha dazu, größere Reisen ins Ausland zu unternehmen. So reiste er zwischen den Jahren 1911 und 1913 unter anderem nach Nordamerika, Afrika und Europa (Towfigh, 2007, S.47). Dabei war er auch im heutigen Baden-Württemberg vorstellig geworden, wo er neben Stuttgart und Esslingen auch das im Norden gelegene Bad Mergentheim besuchte (Hutter, 2009, S.69 & 'Abdul-Baha in Deutschland, 2013, Internetdokument).Während dieserReise hielt 'Abdul-Baha Vorträge und Reden, in denen er den Menschen vor Ort, die allgemeinen religiösen Inhalte und Lehren der Bahai-Religion erläuterte. Vor allem im christlich dominierten Europa und Nordamerika nahm 'Abdul-Baha in seinen Ansprachen auch vermehrt Bezug auf die Person Jesu und schilderte dessen Rolle innerhalb des Bahai-Glaubens (Balyuzi, 1992, S.159-391). Da das Religionsoberhaupt ausschließlich auf Persisch referierte, waren bei seinen Vorträgen Dolmetscher anwesend, welche zentrale Aussagen seiner Reden in die jeweilige Sprache übersetzten (Rekel, 2015, S.31). In dieser Zeit sind einige bedeutende Schriften entstanden, in denen auch die Person Jesu Einzug gehalten hat. Hierzu zählen dieWerke Ansprachen in Paris, Ansprachen in England & Nordamerika, The Promulgation of Universal Peace und Beantwortete Fragen. Bezüglich dieser Schriften muss darauf verweisen werden, dass diese Werke nicht aus der Feder des Gemeindeführers selbst stammen, sondern von Zuhörern rezipiert wurden. Die Schriftstücke gelten zwar als lehrreich, dennoch muss deren Authentizität als geringfügiger eingeschätzt werden als jene Werke, welche direkt aus der Feder des Gemeindeführers stammen, da man eine Veränderung des Inhalts im Zuge der Übersetzungen der Dolmetscher nicht ausschließen kann Obwohl die Authentizität der anderen Werke niedriger einzuschätzen ist, werden diese dennoch im wissenschaftlichen Diskurs ebenso eingebunden, wie jene, welche über eine vollwertige Authentizität verfügen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die meisten dieser Schriften im Laufe der Jahre teilweise von 'Abdul-Baha selbst überarbeitet wurden (Rekel, 2015, S.31 & Schaefer, 2003, S.101). Darüber hinaus werden diese Werke in den weltweiten Bahai-Verlagen beworben und erfreuen sich auch bei gläubigen Bahai einer großen Beliebtheit.
Die Werke Ansprachen in Paris, Ansprachen in England & Nordamerika und The Promulgation of Universal Peace sind wichtige Quellen, wenn es darum geht, die Bedeutung Jesu innerhalb des Bahai-Glaubens festzustellen, da darin, wie im weiteren Verlauf der Zulassungsarbeit noch deutlich werden wird, Jesus zum ersten Mal auf Grundlage der biblischen Überlieferungen, welche von 'Abdul-Baha neu gedeutet und interpretiert werden, verortet wird. Anhand der drei Werke lässt sich die Geburt, das Leben und Wirken sowie der Tod und die Auferstehung Jesu aus Sicht der Bahai-Religion rekonstruieren und erklären, woraus wichtige Rückschlüsse auf die Bedeutsamkeit Jesu gezogen werden können. In Beantwortete Fragen behandelt 'Abdul- Baha im Kern das Thema der fortschreitenden Gottesoffenbarung. Dabei widmet 'Abdul-Baha der Person Jesus ein eigenes Kapitel, dasden Titel Erklärung einiger christlicher Themen trägt und sich aus insgesamt 35 Unterkapiteln zusammensetzt. Während seiner Reise durch die westliche Zivilisation verfasste 'Abdul-Baha das Werk Christ sein heißt.... In diesem Werk nimmt 'Abdul-Baha zusätzlich Stellung zur Botschaft Jesu Christi, welche er reinterpretiert und teilweise neu definiert. Im Geiste der Liebe und Einheit fordert er darin den christlichen Klerus zum Dialog und zum Überdenken der je eigenen Position auf. Im Jahr 1913 kehrt 'Abdul-Baha nach Akka zurück (Townshend, 2014, S.100). Während des 1. Weltkrieges veröffentlichte der nun schon siebzigjährige Gemeindeführer das Werk Sendeschreiben zum göttlichen Plan, in dem er die weitere Verbreitung des Bahaitums strategisch ausrichtet und festlegt. Jesu findet zwar an bestimmten Stellen Erwähnung, da sich einige der darin enthaltenden Sendeschreiben an Bahai-Gemeinden in den USA und Kanada richten, dennoch kann Jesus darin nur eine Nebenrolle zugeschrieben werden. Fünf Jahre nach der Veröffentlichung des Werkes Sendeschreiben zum göttlichen Plan, verstirbt 'Abdul-Baha am 28. November 1921 im Alter von 75 Jahren in Akka (Hutter, 2009, S.50).
2.2.2 Shoghi Effendi, „Hüter des Bahai-Glaubens“ (*1898 - |1957)
Shoghi Effendi ist der Enkel 'Abdul-Bahas, welcher im Gegensatz zu seinem Großvater und Urgroßvater eine reguläre Schulbildung zunächst im israelischen Haifa und später im libanesischen Beirut erhielt. Während den Schulferien begleitete Shoghi Effendi seinen Großvater bei dessen Ansprachen und auch bei seinen Treffen mit weltlichen sowie geistigen Repräsentanten (Hutter, 2009, S.50-51). Nachdem er die Schule abgeschlossen hatte, absolvierte er ein Studium an der University of Oxford, wo er die Fächer Politik und Wirtschaftswissenschaften studierte. In dieser Zeit verstarb 'Abdul-Baha, so dass Effendi nach Haifa zurückkehrte und dort zu seinem eigenen Erstaunen erfuhr, dass sein Großvater ihm die Leitung der Religionsgemeinschaft übertragen hatte. Für viele Mitglieder der Bahai-Religion und auch für Shoghi Effendi selbst, war seine Ernennung zum Gemeindeoberhaupt sehr überraschend, so dass es zwischen den Anhängern der Religionsgemeinschaft erneut zu Unstimmigkeiten um die Nachfolge kam. Die Streitigkeiten dauerten bis zu zwei Jahren an, bis Shoghi Effendi dem Testament seines Großvaters folgend seinen Führungsanspruch in die Tat umsetzte (Hutter, 2009, S.52). 'Abdul-Baha hatte Shoghi Effendi, wie ihm seinerzeit Baha'u'llah, das ausschließliche Recht zur verbindlichen Schriftauslegung übertragen (Towfigh, 2007, S.48).
Während seiner Amtszeit investierte Shoghi Effendi viel Zeit in die Institutionalisierung der Bahai-Religion und schuf im Auftrag seines Großvaters kleinere administrative Zentren sowie sogenannte Häuser der Andacht, welche heutzutage auf jedem Kontinent vertreten sind und das religiöse Zentrum für die dort lebenden Bahai darstellen (Towfigh, 2007 S.48 & Hutter, 2009, S.142). Mit besonderem Ehrgeiz verfolgte der letzte Gemeindeführer der Bahai-Religion die Entstehung des Universalen Hauses der Gerechtigkeit in Haifa, dessen Errichtung bereits von Baha'u'llah im sogenannten Kitab-i-Aqdas formuliert wurde (Effendi & Townshend, 1974, S.213). Das Universale Haus der Gerechtigkeit sollte sich, den Vorstellungen Baha'u'llahs folgend, aus einem neunköpfigen Gremium zusammensetzen und alle fünf Jahre neu gewählt werden. Obwohl Shoghi Effendi dieses Vorhaben noch zu Lebzeiten realisieren wollte, gelang ihm dies aufgrund seines überraschenden Todes im Jahr 1957 nicht. Erst sechs Jahre später wurde das Universale Haus der Gerechtigkeit fertiggestellt und zur obersten Instanz der BahaiReligion erklärt.
Neben den bereits erwähnten Tätigkeitsfeldern fasste Shoghi Effendi darüber hinaus die wichtigsten Schriften Baha'u'llahs zusammen und übersetzt diese vom Arabischen und Persischen in die englische Sprache (Hutter, 2009, S.100). Dabei gibt es von Effendi selbst kaum Schriften, in denen Bezug auf Jesus genommen wird und wenn, dann auch nur, wenn er direkt um eine Einschätzung diesbezüglich gebeten wurde (Rekel, 2015, S.40). Bei Fragen, welche einen direkten Bezug auf Bibeltexte nahmen, verwies Shoghi Effendi häufig darauf, dass er als Hüter der Sache Gottes keinen Zugriff auf Offenbarungen habe und daher nur über Dinge urteilen könne, welche bereits innerhalb der Bahai-Schriften erwähnt wurden (Rekel, 2015, S.40-41). Eine eigenständige Deutung und Interpretation biblischer Stellen lehnte er daher ab, weshalb er auf bereits vorhandene Aussagen von 'Abdul-Baha und Baha'u'llah bezüglich der Person Jesu Bezug nahm und diese Äußerungen präzisierte (Rekel, 2015, S.41).
2.3 Jesus in den Schriften des Universalen Hauses der Gerechtigkeit
Mit dem Tod Shoghi Effendis erlischt die autoritative Schriftauslegung und eine Hinzufügung allgemein verbindlicher Glaubensaussagen durch die Heiligen Schriften (Rekel, 2015, S.41). Von da an übernahm das Universale Haus der Gerechtigkeit die Leitung der weltweiten BahaiGemeinde. Die Aufgabe des Universalen Hauses der Gerechtigkeit besteht darin, den eigenen Glauben an gesellschaftliche Veränderungen anzupassen und dabei die Vorgaben der Heiligen Schriften nicht aus dem Blick zu verlieren (Effendi, 1938, S.150-153). Damit ist das Universale Haus der Gerechtigkeit zum einen dazu berechtigt, allgemeine Richtlinien zu erlassen, insofern diese nicht im Widerspruch zu dem stehen, was die Religionsstifter und Gemeindeführer verordnet bzw. festgelegt haben. Zum anderen sind alle Interpretations- und Deutungsansätze aus den Heiligen Schriften, welche vom Universalen Haus der Gerechtigkeit getätigt werden, keinesfalls verbindlich, sondern dienen den Bahai-Gemeindemitgliedern lediglich als Orientierung und als eine von vielen Interpretationsmöglichkeiten. Diese Regelung wurde bereits von Baha'u'llah im Kitab-i-Aqdas festgelegt, da er eine Aufdrängung einzelner Meinungen, welche von einer übergeordneten Institution ausgingen, unbedingt verhindern wollte (Baha'u'llah,1989, S.53).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Das Universale Haus der Gerechtigkeit in Haifa
Zwar ist es eine der Aufgaben des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, Fragen in Bezug auf den Bahai-Glauben entgegenzunehmen und diese zu beantworten, insbesondere dann, wenn die Fragen einen gesellschaftlichen, kulturellen oder politischen Bezug besitzen und die Heiligen Schriften darüber keinerlei Aufschluss geben können, trotzdem gibt es nur wenige neuartige Bezugnahmen des Universalen Hauses der Gerechtigkeit über die Person Jesu. Obwohl das Universale Haus der Gerechtigkeit nicht dazu berechtigt ist, allgemein verbindliche Interpretationsansätze und Deutungszusammenhänge auszugeben, ist es in gewisser Weise dennoch zu einer verbindlichen Schriftauslegung berechtigt, da der höchsten Instanz des Bahaitums die rechtmäßige Eigentümerschaft aller veröffentlichen Schriftstücke obliegt. Damit ist es dazu autorisiert, die rund 60.000 Schriftstücke der Religionsstifter und Gemeindeführer aus dem Arabischen und Persischen in die englische Sprache sowie in andere Sprachen zu übersetzen, weshalb Anmerkungen und Veröffentlichungen dieser Institution eine hohe Bedeutung beigemessen werden muss, was auch für die wenigen Bezugnahmen auf die Person Jesu gilt (Smith, 2000, S.350). Primär setzen sich die Publikationen des Universalen Hauses der Gerechtigkeit mit den Aspekten des Gebets, der Bildung und der Verwaltung sowie dem familiären Zusammenleben auseinander (Smith, 2000, S.350).
3 DIE KOSMOLOGISCHE VORSTELLUNG DER BAHAI UND DIE DARIN ENTHALTENDE BEDEUTUNG JESU
Das Kapitel 2 hat verdeutlicht, dass Jesus in den Heiligen Schriften der Bahai insbesondere in den Texten Baha'u'llahs und 'Abdul-Baha Erwähnung findet. Um sich der Bedeutung Jesu innerhalb des Bahai-Glaubens weiter annähern zu können, ist ein Verständnis der BahaiKosmologie unerlässlich, da ansonsten, wie in der Einleitung beschrieben, wichtige Interpretations- und Deutungsansätze in den darauffolgenden Kapiteln nicht nachvollzogen werden können. Aufgrund dessen soll im Kapitel 3.1 zunächst das Drei-Welten-Modell dargestellt werden, welches von 'Abdul-Baha entworfen wurde und die Weltanschauung des Bahaitums in seinen Grundzügen schemenhaft abbildet (Hampel-Waffenthal, 2006, S.12). In den darauffolgenden Kapiteln 3.2, 3.3 und 3.4 sollen die einzelnen Welten des Modells vertieft erklärt werden. Im letzten Kapitel, im Kapitel 3.5, wird die bereits erwähnte fortschreitende Gottesoffenbarung sowie ihre Notwendigkeit für die Bahai-Kosmologie erläutert.
3.1 Das Drei-Welten-Modell
Das Drei-Welten-Modell, welches die Grundlage für die vorliegende Thematik des Kapitels darstellt, setzt sich, wie man der Abbildung 6 entnehmen kann, aus insgesamt drei Linien zusammen, welche ihrer Form und Struktur nach den arabischen Buchstaben „ba“ abbilden (m). Die „Ringe“, welche an den Enden der obersten und untersten Linie auf beiden Seiten angebracht sind, stellen den arabischen Buchstaben „ha“ (») dar. Die Zusammensetzung beider Wörter ergibt das Wort „Baha“, welches sich auf Deutsch mit den Worten „Herrlichkeit Gottes“ bzw. „Licht Gottes“ übersetzen lässt, weshalb die Bahai sich selbst als Anhänger der Herrlichkeit bzw. als Anhänger des Lichtes verstehen (Faizi, 1971, S.1304-1314). Die metaphorische Darstellung des Lichtes tauchenin den Texten Baha'u'llahsund'Abdul-Bahas, wie auch anhand der darauffolgenden Kapitel deutlich werden wird, als Stilmittel häufig auf. Die beiden Sterne, welche sich jeweils auf der rechten und linken Seite des Modells befinden, stellen zwei Personen mit Kopf, Beinen und Händen dar und symbolisieren den Bab und Baha'u'llah (Towfigh, 1989, S.22).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Das Drei-Welten-Modell
Die Weltanschauung der Bahai folgt im Gegensatz zu vielen anderen ontologischen Betrachtungsweisen integrativen Mustern, in denen bestehende Gegenpositionen innerhalb der eigenen Lehre verortet und als Einheit betrachtet werden (Hatcher & Martin, 1998, S.73). Auf diesem Einheitsgedanken fußt das gesamte kosmologische Verständnis der Bahai-Religion, demnach sich der Kosmos in insgesamt drei Welten unterteilen lässt, welche für sich genommen nochmals einzelne Einheiten darstellen, wozu die Welt Gottes, die Welt der Propheten und die Welt der Schöpfung gezählt werden. Dabei verfügen die drei Welten über verschiedene Seinsebenen, was zur Folge hat, dass keine Ebene des Seins im Stande dazu ist, eine nächst höhere begreifen oder erschließen zu können ('Abdul-Baha, 1998a, S.143-145). Wie man der Abbildung 6entnehmen kann, setzt sich das Drei-Welten-Modell aus drei horizontalen und einer vertikalen Linie zusammen. Die Welt Gottes wird, in deren Abhängigkeit alle darunterliegenden Welten stehen, von der obersten horizontalen Linie des Modells repräsentiert. Die Seinsebenen der göttlichen Welt verfügen neben ihren eigenen Seinsebenen (Hahut und Lahut) auch über alle darunterliegenden Ebenen des Seins (Smith, 2000, S.245-246). Im Gegensatz zur Welt Gottes verfügt die darunterliegende Welt der Propheten (Jabarut), die von der mittleren Linie des Modells dargestellt wird, lediglich über drei Ebenen des Seins, wozu neben ihrer eigenen Seinsebene auch die Seinsebenen der Schöpfung gezählt werden (Momen, 2003, S.1-38). Die Welt der Schöpfung wird von der untersten horizontalen Linie des Modells dargestellt und setzt sich aus den Seinsebenen Malakut und Nasut zusammen ('Abdul-Baha, 1998a, S.143-145 & Towfigh, 1989, S.17-18). Dabei werden die drei Welten gleichsam von einer vertikalen Linie durchdrungen, welche die fortschreitende Gottesoffenbarung symbolisiert (Towfigh, 1989, S.2223). Da es sich beim Drei-Welten-Modell wie bereits angesprochen, um eine stark vereinfachte Form der kosmologischen Darstellung handelt, soll im weiteren Verlauf des dritten Kapitels die eigens angefertigte Abbildung 7, welche auf Grundlage der Literatur des jeweiligen Kapitels und mit Rücksprache der Bahai-Gemeinde Karlsruhe erstellt wurde, die dargelegten Inhalte der folgenden Kapitel bildlich verdeutlichen. Dabei soll die Welt der Propheten erst im Kapitel 3.4 behandelt werden, da dieser Welt eine vermittelnde Rolle zwischen der göttlichen Welt und der Welt der Schöpfung zugeschrieben wird. Aufgrund eines besseren Verständnisses ist es daher sinnvoll zuerst die beiden anderen Welten zu behandeln, da sich auf Grundlage dieser die prophetische Welt am eindrücklichsten illustrieren lässt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Die kosmologische Vorstellung der Bahai
3.2 Die Welt Gottes
3.2.1 Die Einheit Gottes
Wie bereits im Kapitel 3.1 erläutert wurde, muss jede der drei Welten als eine eigenständige Einheit gedacht und verstanden werden. In den Schriften der Bahai wird Gott als der Quell aller Offenbarungen sowie als Schöpfer und Ursprung allen Seins beschrieben (Smith, 2008, S.106). Auf Grundlage dieser Vorstellung ist alles in der Welt und darüber hinaus auf eine einzige Wirklichkeit zurückzuführen. Diese Wirklichkeit wird von den Bahai als Gott bezeichnet (Abrar, 2016, S.48). Da in der Bibel sehr häufig von Wundern und übernatürlichen Kräften berichtet wird, gilt diese bei vielen Leuten als unglaubhaft, weil sie darin einen tiefgreifenden Widerspruch zu den Erkenntnissen der heutigen Wissenschaft sehen. Aufgrund des integrativen Einheitsgedankens des Bahaitums vertreten diese den Standpunkt, dass das Christentum sowie alle anderen Religionen und auch die Wissenschaft auf ein und denselben Ursprung (Gott) zurückzuführen sind und deshalb als Einheit verstanden und betrachtet werden müssen (Towfigh, 2007, S.20). Hierzu erklärt 'Abdul-Baha in The Promulgation of Universal Peace: „Wenn wir sagen, Religion und Wissenschaft seien unvereinbar, haben wir weder verstanden, was wahre Wissenschaft noch was wahre Religion ist, denn beide beruhen auf den Voraussetzungen und Schlussfolgerungen der Vernunft und müssen ihrer Überprüfung standhalten“ ('Abdul-Baha, 1982, S.107). Aufgrund dessen müssen beide Disziplinen als Synthese gedacht und verstanden werden, da sie 'Abdul-Baha zu Folge die beiden unerlässlichen „Flügel“ des menschlichen Geistes darstellen ('Abdul-Baha, 2000, S.113). „Wenn jemand Versuchen wollte, nur mit dem Flügel der Religion zu fliegen, so würde er rasch in den Sumpf des Aberglaubens stürzen, während er andererseits nur mit dem Flügel der Wissenschaft auch keinen Fortschritt machen, sondern in den hoffnungslosen Morast des Materialismus fallen würde“ (ebd.). Werden beide Systeme hingegen als sich ergänzend betrachtet, so vermittelt die Religion dem menschlichen Geist ethische Maßstäbe und fördert seine Spiritualität, während die Wissenschaft den Geist mit neuem Wissen versorgt, wodurch sich das menschliche Fassungsvermögen stetig weiterentwickeln kann, was dem Menschen wiederrum bei der Entwicklung neuer Technologien dienlich ist (Towfigh, 2007, S.20). Die durch die Wissenschaft gesteigerte Fassungskraft des Menschen und der daraus resultierende materielle Fortschritt haben im Laufe der Menschheitsgeschichte erneut die geistigen Fähigkeiten des Menschen bezüglich der Wahrnehmbarkeit der göttlichen Eigenschaften in der Schöpfung erweitert, worin die Bahai einen Grund für die unterschiedlich existierenden Gottesbilder begründet sehen ('Abdul-Baha, 1988, S.13). Obwohl es zwischen den Gottesbildern der Religionen große Unterschiede gibt, liefern sie laut den Bahai in ihrer Summe durchaus eine nominale Aussage über die Eigenschaften Gottes, welche von Shoghi Effendi in Gott geht vorüber als allwissend, allgegenwärtig, unerkennbar, unzugänglich und allmächtig beschrieben werden (Effendi & Townshend, 1974, S.139). 'Abdul-Baha beschreibt die göttliche Wirklichkeit neben den bereits genannten Attributen auch als dynamisch, unaufhörlich aktiv und kontinuierlich (Abrar, 2016, S.118-123.). Wichtig in diesem Zusammenhang ist der Hinweis, dass in der kosmologischen Vorstellung der Bahai der Mensch zwar in der Lage ist, die göttlichen Eigenschaften partiell in der Schöpfung wahrnehmen zu können, aber es ihm aufgrund seines Seins nicht möglich ist, die göttliche Wirklichkeit allumfassend beschreiben zu können ('Abdul-Baha, 2012, S.215-218). Demnach verdeutlichen die von Shoghi Effendi sehr offen formulierten Attribute über die Wesenhaftigkeit Gottes vielmehr die Unerforschbarkeit und Unbegreifbarkeit des Göttlichen, als dass sie eine absolute Aussage über dessen Eigenschaften darstellen. Jegliche Versuche, welche von Religionen unternommen werden, um die göttliche Wirklichkeit beschreiben oder gar festlegen zu wollen, sind 'Abdul-Baha zu Folge nichts weiter als menschliche Projektionen, welche vielmehr sozio-kulturelle Bedürfnisse von Gesellschaften und Epochen widerspiegeln, als dass sie eine absolute Aussage über die Wesenhaftigkeit Gottes zulassen würden (Smith, 2000, S.276-277).
Da sich die Wirklichkeit Gottes nicht in Worte fassen lässt, ist auch jeglicher Versuch, die NichtExistenz des Göttlichen mit Worten beweisen zu wollen, ebenfalls ein Produkt menschlicher Projektion und zum Scheitern verurteilt. 'Abdul-Baha hat während seiner Reisen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu mehreren wissenschaftlichen Standpunkten öffentlich Stellung bezogen. Beispielsweise stimmt 'Abdul-Baha in großen Teilen der Evolutionstheorie zu, wohingegen er im Gegensatz zu Darwins Auffassung in der Evolution kein Produkt des Zufalls sieht, sondern eine treibende Kraft, welche dem Universum eine Vorzugsrichtung gegeben hat ('Abdul-Baha, 1998a, S.48). Aufgrund dieser Vorzugsrichtung kann der Mensch niemals zufällig entstanden sein, da die Wirkung des Zufalls, 'Abdul-Bahas Auffassung nach, immer in mehrere Richtungen gewirkt hätte, weshalb aus höheren Lebewesen auch einfachere Arten hätten hervorgehen können, die trotz ihres niederen Bewusstseins über eine hohe Form der Anpassung hätten verfügen können. In dieser zielgerichteten und konstanten Entwicklung der Evolution sieht 'Abdul-Baha die Wirkung einer unsichtbaren Kraft, welche seiner Meinung nach, nur auf Gott zurückzuführen ist (Hutter, 1982, S.268-269). Dabei sei das menschliche Potenzial bereits über alle Zeiten hinweg in den Elementarteilchen und Atomen als auch in den späteren Lebewesen des Wassers sowie den Wirbeltieren des Landes angelegt gewesen, so dass daraus zu einem späteren Zeitpunkt der Mensch hervorgehen konnte. Shoghi Effendi betont in diesem Zusammenhang, dass man nicht zwangsläufig aufgrund von Äußerlichkeiten einem Lebewesen das Potenzial zur menschlichen Entwicklung absprechen könne. Dabei führt er in diesem Kontext das Beispiel eines menschlichen Embryos an, der in seinem Anfangsstadium, mehr einem „Wurm“ ähneln würde, als einem menschlichen Lebewesen, weshalb dessen wesentlicher „Charakter“ dennoch nicht „tierisch“ ist“ (Effendi, 1912, S.358).
Die Bezugnahme zur Evolutionstheorie soll nochmals den Bahai-Standpunkt verdeutlichen, dass Gott „unermesslich erhaben über alle Gleichnisse und Abbilder“ mit denen die Menschen „Ihn“ vergleichen, erhaben ist (Baha'u'llah, 2012, S.288). Somit steht Gott dieser Auffassung zu Folge über allen menschlichen Spekulationen, unabhängig davon, von welcher wissenschaftlichen Disziplin diese angeführt und vertreten werden, da alles Teil der göttlichen Einheit ist, dem göttlichen Willen entspricht und seinen Ursprung in Gott hat (Baha'u'llah, 2012, S.60).
3.2.2 Die Seinsebenen Gottes - Hahut und Lahut
Die Welt Gottes verfügt, wie bereits beschrieben, im Gegensatz zu den anderen Welten über die beiden Seinsebenen Hahut und Lahut (s. Abb. 7). Hahut wird in den Schriften der Religionsstifter und Gemeindeführer des Bahaitums als göttliche Wahrheit beschrieben, die allen darunter liegenden Seinsebenen auf ewig verborgen bleibt und somit die höchste aller Seinsebenen verkörpert (Lepain & Terry,2010, S.43-60). 'Abdul-Baha verweist in Beantwortete Fragen darauf, dass die göttliche Wahrheit gleichsam wie die Sonne weder „Wechsel“, „Änderung“, „Umformung“ noch „Wandlung“ kennt und sich dadurch kennzeichnet, dass sie „immerwährend“ und „ewig“ ist ('Abdul-Baha, 1998a, S.203-205). In dieser Omnipräsenz der göttlichen Wahrheit begründet sich für Baha'u'llah die Nicht-Beschreibarkeit des Göttlichen, da das Umfasste niemals das Umfassende vollständig begreifen und verstehen kann (Towfigh, 1989, S.11). Somit ist eine Beschreibung der göttlichen Wahrheit nur durch metaphorische und symbolische Darstellungen und Ausdrucksweisen möglich, da die göttliche Essenz für den Menschen nicht erkennbar ist, so wie „die Wolken die Sonne vor unserem Blick verbergen“ (Abudl Baha, 2007, S.30-31 & Lepain&Terry,2010, S.43-60).
Innerhalb dieser Sonnenmetaphorik verkörpert die darunter liegende Seinsebene Lahut, die „Strahlen des Göttlichen“, welche den Willen sowie die Eigenschaften Gottes repräsentieren und die irdische Welt mit dem Geist der „Vollkommenheit“ durchdringen ('Abdul-Baha, 2010, S.70-72 & 'Abdul-Baha, 1998a, S.115-116). Dabei scheint der „Glanz der Sonne“ nicht direkt auf die irdische Welt, sondern zunächst, wie es in den Schriften 'Abdul-Bahas heißt, auf einen „Spiegel“, der„die Wärme“ und „das Licht“ sowie „die Vollkommenheit der Sonne der Wahrheit“ auf die Schöpfung reflektiert und dort zum Ausdruck bringt ('Abdul-Baha, 1998a, S.203-204 & 'Abdul-Baha, 2012, S.241). „Diese Spiegel sind die Boten Gottes, die von Gottes Herrlichkeit künden, gleichwie ein gläserner Spiegel das Licht und die Gestalt der Sonne am Himmel widerstrahlt“ ('Abdul-Baha, 2012, S.241). Somit offenbart sich die göttliche Seinsebene Lahut in der irdischen Welt durch Propheten, welche den göttlichen Willen sowie die göttlichen Eigenschaften auf die irdische Welt und ihre Geschöpfe abstrahlen und zum Ausdruck bringen. Dabei wird Jesus von 'Abdul-Baha in Beantwortete Fragen ebenfalls mit einem „Spiegel von größter Schönheit und Reinheit“ verglichen, welcher die „Widerspiegelung“ „göttlicher Tugend und der Eigenschaften Gottes“ ist ('Abdul-Baha, 1998a, S.41, S.115 & S.204).
Baha'u'llah und 'Abdul-Baha betonen in ihren Schriften, dass Jesus im Gegensatz zu anderen Propheten, wie beispielsweise Moses oder Mohammad, kein direktes Offenbarungserlebnis hatte, in dem ihm der göttliche Wille Lahut in Form eines brennenden Dornbuschs oder durch den Erzengel Gabriel erschienen ist, sondern dass Christi, wie es in Das Buch der Gewissheit (Kitab-i-Iqan) heißt, aus dem „Hauch des Heiligen Geistes“ geboren wurde (Baha'u'llah, 2000, S.49). Hierzu schreibt 'Abdul-Baha: „Der Körper Christi wurde von Maria von Nazareth geboren, der Geist aber war von Gott. Die Möglichkeiten Seines menschlichen Körpers waren begrenzt, die Macht seines Geistes aber groß, unendlich und unermesslich“ ('Abdul-Baha, 2007, S.31). Aufgrund dem von Gott geschenkten Geist wird Jesus in den Schriften 'Abdul-Bahas auch als das Wort Gottes bezeichnet. Dabei wird das göttliche Wort, der sogenannte Logos, in der Kosmologie der Bahai ebenso wie der Heilige Geist zur göttlichen Seinsebene Lahut gezählt (Momen, 1988, S.185-213). Da Jesus das Wort Gottes auf der irdischen Welt verkündet hat, muss dieses laut 'Abdul-Baha als begrenzt betrachtet werden, da das Wort durch die Körperlichkeit der irdischen Welt unterdrückt wurde ('Abdul-Baha, 1998a, S.200). Die Einschränkung der Botschaft Jesu ist dabei weder auf die göttliche Seinsebene Hahut noch auf das Fassungsvermögen Jesu zurückzuführen, wie 'Abdul-Baha in Beantwortete Fragen erklärt, sondern vielmehr auf das Fassungsvermögen der Menschen selbst, welche die göttliche Botschaft nur bedingt fassen können ('Abdul-Baha, 1998a, S.204). In dieser Dreiteilung von göttlicher Wahrheit (Hahut), welche durch den Heiligen Geist (Lahut) in Jesus wirkt und durch ihn zum Ausdruck (Jabarut) auf der irdischen Welt gebracht wird, sieht 'Abdul-Baha die christliche Trinitätslehre begründet. Diesbezüglich erklärt er, dass es „nur eine unteilbare Sonne geben kann, die einzig und ohnegleichen ist“ ('Abdul-Baha, 1998a, S.115-118). In Beantwortete Fragen heißt es in diesem Zusammenhang: „Es gibt zwei Artenvon Präexistenzen“, wovon eine „wesentlich“ und „unabhängig“ ist (ebd.). „Zum Beispiel hat die Sonne ihr Licht in sich, denn ihr Scheinen hängt nicht vom Licht anderer Gestirne ab“, wohingegen der Mond selbst nicht strahlt und vom „Scheinen der Sonne abhängig ist(ebd.). Demzufolge ist die Sonne in Bezug auf das Licht „die Ursache“ und der Mond „die Wirkung“ (ebd.). Diese unteilbare Sonne ist für 'Abdul- Baha die göttliche Wahrheit, die in Form des Heiligen Geistes in Jesus wirksam wird und durch ihn die „göttliche Tugend“ und „Vollkommenheit“ als auch die Eigenschaften Gottes in der irdischen Welt sichtbar werden lässt ('Abdul-Baha, 2010, S.40-41). Dabei verharrt die Sonne ewig in ihrer „Erhabenheit“und„Höhe“, währenddessen sie im Spiegel erkennbar wird ('Abdul- Baha, 1998a, S.116). Somit ist Jesus aus Sicht der Bahai auf der einen Seite ein Mensch aus Fleisch und Blut, durch den auf der anderen Seite das Göttliche erfahrbar wird (Rekel, 2015, S.284). Zwar stimmen die Bahai mit dieser Beschreibung mit der christlichen Trinitätslehre in ihren Grundzügen überein, wobei aus katholischer Perspektive eine Teilung Gottes in Hahut und Lahut unzulässig ist, da der göttliche Geist (Lahut) nicht als eine Kraft verstanden werden kann, welche neben Gott oder als Teil von Gott agiert. Nach der katholischen Lehre wird Gott (Hahut) selbst in Jesus und der Schöpfung wirksam und „geistesgegenwärtig“ (Baumann in: Nationaler Geistiger Rat der Bahai Deutschland(Hrsg.),2005, S.195).
3.3 Die Welt der Schöpfung
3.3.1 Die Einheit der Menschheit in ihrer Vielfalt
Obwohl 'Abdul-Baha episodenweise mit der Evolutionstheorie inhaltlich übereinstimmt, bedeutet dies nicht, dass er aufgrund dessen den im Buch Genesis verfassten Schöpfungsbericht in Abrede stellen würde ('Abdul-Baha, 1998a, S.126). Die Autoritäten des Bahaitums betrachten die Schöpfungsgeschichte als eine symbolische Darstellung der Entstehung der Erde, in deren Beschreibungen die wesentlichen spirituellen Wahrheiten des Daseins abgebildet werden, welche weder zeitlichen- noch ortsabhängigen Kriterien unterliegen und über alle Zeiten hinweg über eine kosmologische Gültigkeit verfügen (Esslemont, 1980, S.204-205). Obwohl 'Abdul-Baha in Beantwortete Fragen betont, dass es die Freiheit eines jeden Bahai ist, die biblische und koranische Erzählung von Adam und Eva eigens zu interpretieren, bietet er seinen Anhängern dennoch einen unverbindlichen Interpretationsansatz an. In den hierzu formulierten Ausführungen verkörpern Adam und Eva nicht nur das erste Menschenpaar, sondern Adam auch den ersten Menschen, welcher von Gott zum Propheten berufen wurde (Towfigh, 1989, S.45). Darüber hinaus symbolisiert Adam, den menschlichen Geist, wohingegen Eva die menschliche Seele verkörpert. Das Gute sowie das Böse werden dabei vom Baum der Erkenntnis repräsentiert. Die Schlange verkörpert in diesem Zusammenhang die Bindung an die irdische Welt ('Abdul-Baha, 1998a, S.126). Da Adam und Eva dem Reden der Schlange Gehör schenken, wenden sich der menschliche Geist und die Seele, welche ihnen von Gott geschenkt wurden, von der Welt der Freiheit ab. Dies hatte eine Verhaftung von Seele und Geist auf der irdischen Welt zur Folge, welche sich auch auf nachfolgende Generationen übertragen hat. Bei 'Abdul-Baha heißt es hierzu: „Diese Bindung von Seele und Geist an die Welt ist Sünde“ und bedeutet für die Nachkommen Adams die „Knechtschaft“, da die Schlange „im Geiste seiner Nachkommen weiterlebt“, wodurch der Mensch keine höheren Ebenen des Seins mehr erreichen kann ('Abdul-Baha, 1998a, S.126127). Obwohl sich Adam von „der Welt der Freiheit“ abgewendet und sich der „Welt des Zwangs“ zugewendet hat, bleibt der Mensch dennoch ein von Gott erschaffenes Geschöpf, welches seinen Ursprung in Gott hat, weshalb alle Menschen als eine Einheit in ihrer Vielfalt verstanden werden müssen (Baha'u'llah, 2012, S.56-57). Anders als im Christentum, in dem sich der Sündenfall in der Sterblichkeit des Leibes begründet, wird in den Vorstellungen der Bahai die Bindung von Körper und Geist an die irdische Welt als Sünde verstanden. Somit unterscheiden sich Christentum und Bahai-Religion hinsichtlich der Definition des Sündenbegriffs grundlegend. Dies wird insbesondere darin deutlich, dass innerhalb des Christentums dem Begriff des Leibes ein enormer Stellenwert beigemessen wird. Dabei verfügten Adam und Eva im Garten Eden, laut den christlichen Lehren bereits über eine Leiblichkeit. Durch die irdische Welt veränderte sich die Beziehungdes Menschenzu seinerLeiblichkeit.Somit erfuhr der Leib, ohne selbst etwas rein Körperliches zu sein, auf der irdischen Welt Erkennbarkeit durch den Körper, was im Schöpfungsbericht durch das plötzlich eintretende Schamgefühl Adams und Evas zum Ausdruck gebracht wird. Im Gegensatz dazu wird der Leibbegriff in den Schriften der Bahai mit der menschlichen Körperlichkeit gleichgesetzt. Darüber hinaus stellt in der Eschatologie des Bahaitums der Körper ein reines Zerfallsprodukt dar, womit die Bahai sich bezüglich der Leib-Seele-Thematik maßgeblich an den antiken Lehren Platons orientieren. Demzufolge der Körper lediglich eine sterbliche Hülle darstellt, in der sich Geist und Seele auf der irdischen Welt ausdrücken (Nauer, 2018, S.36-43).
Die Besonderheit des Menschen besteht den Bahai zu Folge darin, dass dieser über ein wahres Selbst verfügt, welches dem Menschen ermöglicht, sich zum edelsten aller Geschöpfe empor zu heben, wozu 'Abdul-Baha Attribute wie Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Glauben, Wissen, Weisheit, Barmherzigkeit und Mitgefühl zählt. Gleichzeitig verfügt der Mensch auch über ein falsches Selbst, wodurch er zum niedersten aller Geschöpfe herabsinken kann, da in seinem Wesen auch Eifersucht, Feindschaft, Grausamkeiten, Durchtriebenheit, Heuchelei, Gier, Ungerechtigkeit und Tyrannei lauern ('Abdul-Baha, 2012, S.646). Somit sind „alle Kriege und alles Blutvergießen in der Menschheitsgeschichte“ nicht auf einen jähzornigen oder brutalen Gott zurückzuführen, sondern auf die Wesenhaftigkeit und das Sein des Menschen selbst ('Abdul-Baha, 2012, S.287). Wer also den Frieden, menschliches Wohlergehen, Sicherheit, zivilisatorischen Fortschritt und eine völkerübergreifende Einheit erlangen möchte, muss sich laut den Würdenträgern der Bahai-Religion an der Bekämpfung von Vorurteilen beteiligen, da diese eine der Hauptursachen für die Kultivierung und Aktivierung der niederen Wesenszüge des Menschen darstellen (Towfigh, 2007, S.16-17). Dabei wurden vom Universalen Haus der Gerechtigkeit sogenannte „Grundlagen gesellschaftlicher Entwicklung“ erlassen, worin die Stärkung der Familie als gesellschaftliche Basis, ein universelles Recht auf Bildung,das Recht auf Arbeit für den eigenen Lebensunterhalt sowie die Überwindung der Extreme von Armut und Reichtum (Towfigh, 2007, S.21). Von zentraler Bedeutung ist dabei die Gleichstellung der Frau, worin die Bahai eine Notwendigkeit für eine fortschreitende kulturelle Entwicklung sehen (Khan & Khan, 2001, S.352). Darüber hinaus wird die Wahl einer Welthilfssprache, der Schutz von Natur und Ressourcen und die Einführung einer Weltwährung schriftlich eingefordert (ebd.). Dabei sehen die Bahai in den stetig wachsenden Kommunikations- und Verkehrssystemen, im weltweiten Handel und auch in länderübergreifenden Kooperationen zwischen Forschungsinstituten eine überwiegend positive Entwicklung, da diese trotz ihrer Schattenseiten zu einer Erhöhung des kulturellen Austausches der Völker beitragen und dadurch gegenseitige Abhängigkeiten und Verantwortungen geschaffen werden, die wiederrum eine Einheit der Menschheit begünstigen (Towfigh, 2007, S.17). Im Gegensatz zu vielen politischen Bestrebungen der heutigen Zeit, welche um eine Gleichmachung der Individuen bemüht sind, sehen die Bahai darin keinerlei zivilisatorischen Fortschritt in der Bekämpfung von Vorurteilen, sondern eine Verleugnung der von Gott gegebenen Diversität. Vielmehr sollte man den Wert der menschlichen Vielfalt als Bereicherung hervorheben und zum Ausdruck bringen (Hatcher & Martin, 1998, S.78).
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- Citation du texte
- Philip Müller (Auteur), 2020, Die Bahai-Religion im Religionsunterricht der Sekundarstufe 1. Die Bedeutung Jesu im Glauben der Bahai aus theologischer und didaktischer Perspektive, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1331034
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