Dieser Essay beschäftigt sich mit den Erec-Fragmenten und diskutiert die Forschungsfrage, ob die Existenz eines zweiten Erecromans gegeben ist.
Essay: Die beiden deutschen Erec-Fassungen:
Erec-Überlieferung:
Die Überlieferung des Artusromans „Erec“ stellt für die heutige Forschung immer noch ein Rätsel dar. Hartmanns Werk, das um 1180 verfasst wurde, erfreute sich besonders im 13. und 14. Jahrhundert einer großen Beliebtheit und Wirkung. Umso verwunderlicher scheint es, dass heute lediglich eine fast vollständige Handschrift überliefert ist, die aus dem 16. Jahrhundert stammt – folglich erst 300 Jahre nach der hartmannschen Originalfassung entstanden ist. Des Weiteren besitzen wir Fragmente aus Koblenz, Wien, Wolfenbüttel und Zwettl. Fast alle Fragmente lassen sich in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts datieren, die Wiener Handschrift ist hingegen erst Ende des 14. Jahrhunderts entstanden. Die vier Fragmente sind einspaltig beschriftet und fortlaufend geschrieben, d.h. die einzelnen Verse sind nicht voneinander abgesetzt. Dieser Beschriftungstyp ist kennzeichnend für die ältesten deutschen Epenhandschriften, die um 1200 oder danach geschrieben wurden. Später wurden diese Handschriften nur noch vereinzelt so angelegt. Im 13. Jahrhundert setzte sich ein neuer Handschriftentyp durch, die Pergamentseiten wurden zweispaltig geschrieben und die einzelnen Verse wurden voneinander abgesetzt. Die Gestaltung der uns erhaltenen Fragmente lässt folglich auf eine frühe und breite Erec-Überlieferung schließen, die im späteren Verlauf aus unbekannten Gründen keine weitere Verwendung fand. Andere hartmannsche Dichtungen, wie beispielsweise der Iwein, sind weitaus besser überliefert.
Der Ambraser Erec:
Der so genannte Ambraser Erec (A) ist Teil des Ambraser Heldenbuches, dass Hans Ried im Auftrag von Maximilian I. zwischen 1504 und 1516 anfertigte. Im Heldenbuch ist die Dichtung „Der Mantel“ dem Erec vorangesetzt. Eine Abgrenzung der beiden Arbeiten ist nicht zu erkennen, so dass von der Forschung vermutet wird, dass „Der Mantel“ wahrscheinlich für ein weiteres Werk Hartmanns gehalten wurde und aus diesem Grunde dem Erec vorausgeht. Auffällig ist ebenfalls, dass in der französischen Mantelversion die Protagonisten Galeta und Carados sind, die in der deutschen Fassung durch Enite und Erec ersetzt wurden. Die Vermutung liegt somit nahe, dass die Erzählung einen sekundär hinzugedichteten Erecanfang darstellt.
Die Erecerzählung der Handschrift A beginnt mitten im Geschehen und enthält keinen Prolog. Auch in der Erzählung finden sich im Vergleich zu Chretiens „Erec und Enide“ einige Lücken. Man kann daher davon ausgehen, dass die Vorlage von Hans Ried bereits stark bearbeitet und lückenhaft war. Dies würde bedeuten, dass A eine Erec-Fassung bezeugt, die im Textbestand und Textsubstanz nachträglich bearbeitet worden war. Von daher ist es zu bezweifeln, dass A ein zuverlässiges Bild von Hartmanns Dichtung gibt. Die Lautgestalt ist der Tiroler Schreibsprache des 13. Jahrhunderts angepasst. Altertümliche Formen und Wörter sind zum Teil ausgelassen und ggf. durch andere ersetzt. An manchen Stellen ist der Text sogar bis zu Unkenntlichkeit entstellt worden.
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- Arbeit zitieren
- Leona Nickel (Autor:in), 2008, Die beiden deutschen Erec-Fassungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133096
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