Die Autorin hat eine sehr ansprechende Arbeit mit einem hochaktuellen Thema erstellt. Sie vergleicht die klassischen Versorgungsformen, die sich mit Einführung der Pflegeversicherung entwickelt haben, mit neuen Konzepten. Dabei unterscheidet sie angemessen die verschiedenen ambulanten Angebote und zeigt auch die traditionellen Versorgungsformen mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen auf. Ein Blick auf die Angehörigen, das wichtige Thema der Autonomie der Pflegeempfänger sowie auf deren Lebensqualität runden das Bild ab. Im Teil B zeigt sie Einflussfaktoren auf, die maßgeblich auf eine Entscheidung zur Versorgungsform einwirken. Auch der Überblick über den Stand der neuen Versorgungsformen in den einzelnen Bundesländern gibt dem Leser nochmals einen sehr guten Überblick.
In dieser Bachelorarbeit beschränkt sich die Verfasserin ausschließlich auf selbstbestimmte und betreiberverantwortliche ambulante Wohn- und Versorgungsformen und vergleicht diese im Teil A mit der klassischen stationären Altenhilfe. Der Teil B nimmt konkreten Bezug auf aktuelle gesetzliche Änderungen der letzten Jahre, die Einfluss auf die ambulante und stationäre Altenhilfe haben.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Themeneingrenzung und Bezug zum Pflegemanagement
2.1 Themeneingrenzung dieser Bachelorarbeit
2.2 Bezug der Bachelorarbeit zum Pflegemanagement
3 Problemdarstellung, Zielsetzung und Fragestellung
3.1 Problemdarstellung
3.2 Zielsetzung
3.3 Fragestellung
Teil A: Vergleich ambulanter und stationärer Wohn- und Versorgungsformen im Rahmen einer Literaturrecherche
4 Methodisches Vorgehen
5 Darstellung der Ergebnisse
6 Ergebnisse aus der Literaturrecherche
6.1 Gesetzliche Regelungen
6.2 Marktentwicklung und Pfl egebedarfe
6.3 Konzepte für Ambulante Wohn- und Versorgungsformen
6.3.1 Unterschiedliche Bezeichnungen für ambulant betreute Wohn- und Versorgungsformen
6.3.2 Selbstbestimmte Wohngemeinschaften
6.3.3 Anbieterinitiierte Wohngemeinschaften
6.4 Wohn- und Versorgungskonzepte in der stationären Altenhilfe
6.5 Öffentliche Meinung
6.6 Verteilung der Pfl egegrade nach Leistungsart
6.7 Rolle der Angehörigen
6.8 Autonomie der Bewohner
6.9 Lebensqualität der Bewohner
6.9.1 Funktionaler Gesundheitsstatus
6.9.2 Subjektives Wohlbefinden
6.9.3 Verhaltenskompetenz
6.9.4 Objektive Umwelt 3
6.10 Versorgungsqualität
6.11 Personelle Besetzung und Mitarbeiterzufriedenheit
6.12 Finanzierung
6.12.1 Entwicklungstendenzen
6.12.2 Investitionsförderung
6.12.3 Refinanzierung
6.12.4 Betriebskosten
7 Methodenreflexion
Teil B: Gesetzliche Änderungen der letzten Jahre mit Einfluss auf die stationäre und ambulante Altenhilfe
8 Methodisches Vorgehen
9 Darstellung der Ergebnisse
10 Ergebnisse des Kostenvergleichs und der Normvorschriften-Recherche.
10.1 Kostenbelastung der Bewohner eines Alten- und Pflegeheimes
10.1.1 Kostenänderung bei den Eigenanteilen in der stationären Altenhilfe
10.1.2 Reduzierung des Eigenanteils nach Aufenthaltsdauer
10.1.3 Auswirkung der Kostenänderung für den Bewohner
10.2 Neue Personalanhaltszahlen in der stationären Altenhilfe
10.2.1 Entstehung und Berechnung der neuen Personalanhaltszahlen
10.3 Öffentliche Fördermöglichkeiten für ambulant betreute Wohngemeinschaften sortiert nach Bundesländern in Deutschland
11 Resümee
12 Ausblick
Literaturverzeichnis
Anlagen
Anlage 1 Ordnungsrechtliche Einordnung der jeweiligen Wohn- und Versorgungsform
Anlage 2 Verwendete Suchbegriffe, Suchhilfe und Anzahl der Treffer
Vorwort
„Leben wie ich bin!“ So heißt ein Leitfaden der Alzheimer-Gesellschaft Brandenburg e. V. (2019). In diesem wird beschrieben, dass Menschen im Alter ihre Selbstbestimmtheit und Selbstständigkeit erhalten und auch ihre vorhandenen Fähigkeiten im Alter weiterhin nutzen möchten (Alzheimer-Gesellschaft Brandenburg e. V., 2019, S. 1, 27). Besonders im Falle einer Pflege- und Hilfsbedürftigkeit stehen Menschen im Alter vor der großen Herausforderung, sich alternative Wohn- und Versorgungsformen suchen zu müssen, wenn der Verbleib in der eigenen Wohnung nicht mehr möglich ist und auch das klassische Alten- und Pflegeheim für sie nicht in Betracht kommt. Menschen, die irgendwann vor der Entscheidung stehen, in welcher Wohn- und Versorgungsform sie ihren Lebensabend verbringen wollen, suchen - wie auch ihre Angehörigen, die sie bei ihren Entscheidungen meist unterstützen und begleiten - dann nach anderen Lösungen (Tyll, 2014, S. 7). Oft suchen die Betroffenen dann Antworten auf Fragen, wie z. B.: Gibt es überhaupt alternative Wohn- und Versorgungsformen, und wenn ja, welche? Können diese eine bessere Lebens- und Versorgungsqualität als Alten- und Pflegeheime bieten? Kann ich denn dort auch so „Leben wie ich bin?“ Können sich hier auch Angehörige an den Haushalts- bzw. Alltagsaufgaben mit einbringen? Sind diese Alternativen womöglich sogar preiswerter als klassische Alten- und Pflegeheime? Diese Bachelorarbeit befasst sich u. a. auch intensiv mit diesen Fragestellungen. Sie zieht einen Vergleich zwischen dem Modell der klassischen stationären Altenhilfe und den Modellen von ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Mithilfe einer Literaturrecherche stellt Teil A die Unterschiede zwischen diesen einzelnen Wohn- und Versorgungsformen heraus. Teil B ergänzt den Teil A im Hinblick auf die aktuellen gesetzlichen Änderungen, die sowohl die ambulante als auch die stationäre Altenhilfe betreffen.
Auf diesem Wege möchte ich mich bei Frau Dr. Monika Roth, meiner Erstgutachterin, bedanken, die mich bei der Ideenfindung zu dieser Arbeit unterstützte und motivierte, diese Arbeit aufzugreifen und zu einem guten Ende zu bringen. Herrn I danke ich, dass er sich für die Zweitbegutachtung ebenfalls Zeit genommen hat. Schlussendlich Danke ich Dir, lieber Robert Luther für Deine Nerven, Deine kritischen Anmerkungen, Deine Fragen und für alle Deine weiteren konstruktiven Ideen und Vorschläge.
Abkürzungsverzeichnis
Anja Luther
Wöllstadt, 14.11.2022
Abkürzungsverzeichnis
ABl. Berlin Amtsblatt zu Berlin
Abl. BrandenburgAmtsblatt für Brandenburg
ADLs Aktivitäten des täglichen Lebens
Amtl. Anz Amtlicher Anzeiger
BayMBl Bayerische Ministerialblatt
BfJ Bundesamt für Justiz
BGBl Bundesgesetzblatt
BMG Bundesministerium für Gesundheit
BMVK Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Destatis Statistische Bundesamt
DIN Deutsche Industrienorm
DMS Deutscher Mieterschutzbund
DRV Deutsche Rentenversicherung Forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH
FM RhPf Ministerium der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz
GBl Gesetzblatt für Baden-Württemberg
GVBl Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt hhpberlin hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH
KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau
MHKBG NRW Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und
Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen MILIG Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und
Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein Nds. GVBl Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt
Nds. MBl Niedersächsisches Ministerialblatt
SGB Sozialgesetzbuch
SM BW Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden Württemberg
vdek Verband der Ersatzkassen e. V.
WG Wohngemeinschaft / Wohngemeinschaften
WIBank Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Selbstbestimmte Wohngemeinschaft (Krawinkel, 2018, S. 8)
Abbildung 2: Anbieterinitiierte Wohngemeinschaft (Krawinkel, 2018, S. 9)
Abbildung 3: Erzielter monatlicher Höchstbeitrag nach SGB XI im Vergleich für Pflegebedürftige nach Pflegegrad - ambulant und stationär (eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Suchhilfe, Suchbegriffe und Treffer (eigene Darstellung)
Tabelle 2: Anteil der Empfänger in Prozent nach Leistungsart und Pflegegrad für die Jahre 2017 und 2018 (Jacobs et al. & Jacobs et al., 2019, S. 267, 278; 2020, S. 247, 252)
Tabelle 3: Subjektive Aspekte und damit verbundene Hürden und Herausforderungen bei den Wohn- und Versorgungsformen (Steiner, 2015, S. 67)
Tabelle 4: Zuschuss gemäß § 43c SGB XI und der seit dem 01.01.2022 dadurch für den Bewohner reduzierte einrichtungseinheitliche Eigenanteil in Euro / Monat (BfJ, 2022)
Tabelle 5: Zu erbringende neue monatliche Eigenbeteiligung pro Bewohner in Euro nach Aufenthaltsdauer in einem Alten- und Pflegeheim ab 01.01.2022 (BfJ, 2022)
Tabelle 6: Anteil der Bewohner in Alten- und Pflegeheimen nach Aufenthaltsdauer in Monaten in den Jahren 2017 bis 2019 (Rothgang et al., 2021, S. 90)
Tabelle 7: Neuer Personalstellenschlüssel für Pflegefachkräfte in der stationären Altenhilfe ab dem 01.07.2023 (eigene Darstellung)
Tabelle 8: Neuer Personalstellenschlüssel für Pflegehilfskräfte (gelernt und ungelernt) in der stationären Altenhilfe ab 01.07.2023 (eigene Darstellung)
Tabelle 9: Ordnungsrechtliche Einordnung der Wohn- und Versorgungsformen
Tabelle 10: Verwendete Suchbegriffe, inkl. Bundesland in der Suchhilfe https://www.foerderdatenbank.de und die Anzahl der Treffer, Stand: 15.07.2022 (BMVK, 2022)
1 Einleitung
„Wer sich in seiner eigenen Familie oder im Umfeld von nahen Angehörigen umschaut, wird heute in irgendeiner Weise mit dem Thema Pflege konfrontiert“ (Schmid, 2019, S. 11). Dieses Zitat verdeutlicht, dass immer mehr Menschen in Deutschland von Pflegebedürftigkeit betroffen sind. Nicht zuletzt spielt die demographische Entwicklung, sprich die Alterung der Bevölkerung in Deutschland eine wesentliche Rolle, denn die „Alterspyramide“ geht immer mehr zu einer „Urnenform“ über. Gründe hierfür sind der Geburtenrückgang, ein Überhang älterer Menschen und auch die sinkende Sterblichkeit der über 80-Jährigen (Kaiser, 2014, S. 11). Zum Jahresende 2019 waren in unserem Land 4,1 Mio. Menschen im Sinne des SGB XI pflegebedürftig (Destatis, 2022a). Noch im Jahr 2011 lag diese Zahl bei 2,5 Mio. Ein Sondereffekt bewirkte der neue weitgefasste Pflegebedürftigkeitsbegriff gemäß §14 SGB XI im Jahr 2017. Seitdem ist eine überdurchschnittliche Pflegebedürftigkeit zu verzeichnen. So stieg die Zahl der Pflegebedürftigen bereits im Jahr 2017 auf 3,4 Mio. (Destatis, 2022b). Die Bevölkerung in Deutschland wird nicht nur älter, hilfs- und pflegebedürftiger, sie sucht auch im zunehmenden Maße nach selbstbestimmten Wohn- und Versorgungsformen als Alternative zur klassischen stationären Altenhilfe. Diese Kombination stellt nicht nur die alternde Gesellschaft, sondern vielmehr auch diejenigen, die von der Pflege betroffen sind, vor neue große Herausforderungen (Boschert, 2020, S. 15).
Teil A dieser Bachelorarbeit befasst sich mit der klassischen stationären Altenhilfe und vergleicht diese mit alternativen Wohn- und Versorgungsformen. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei aber auch den jeweiligen gesetzlichen Regelungen (vgl. Abschnitt 6.1). Der Abschnitt 6.2 zeigt die Marktentwicklung und Pflegebe- darfe auf. Auf die Konzepte von stationären und ambulant betreuten Wohn- und Versorgungsformen gehen die Abschnitte 6.3 und 6.4 näher ein. Es werden das gesellschaftliche Meinungsbild (vgl. Abschnitt 6.5), die Verteilung der Pflegegrade (vgl. Abschnitt 6.6) und auch die Rolle der Angehörigen (vgl. Abschnitt 6.7) beleuchtet. Der Abschnitt 6.8 widmet sich dem Thema Autonomie der Bewohner1. Auf deren Lebens- und Versorgungsqualität wird in den Abschnitten 6.9 und 6.10 näher eingegangen. Abschnitt 6.11 befasst sich mit der Personalbesetzung und beleuchtet dabei auch die Mitarbeiterzufriedenheit bei den jeweiligen Wohn- und Versorgungsformen. Ein weiterer Schwerpunkt, der untersucht wird, ist das Thema Finanzierung (vgl. Abschnitt 6.12). Teil B dieser Arbeit ergänzt den Teil A bzw. erweitert diesen, und zwar dahingehend, dass auf die gesetzlichen Änderungen in der ambulanten und stationären Altenhilfe der letzten Jahre näher eingegangen wird. Im Fokus stehen hierbei primär die Kostenänderung der einrichtungseinheitlichen Eigenanteile und die neuen Personalanhaltszahlen in der stationären sowie auch die öffentlichen Fördermöglichkeiten in der ambulanten Altenhilfe (vgl. Kapitel 10).
2 Themeneingrenzung und Bezug zum Pflegemanagement
2.1 Themeneingrenzung dieser Bachelorarbeit
In dieser Bachelorarbeit beschränkt sich die Verfasserin ausschließlich auf selbstbestimmte und betreiberverantwortliche ambulante Wohn- und Versorgungsformen und vergleicht diese im Teil A mit der klassischen stationären Altenhilfe. Der Teil B nimmt konkreten Bezug auf aktuelle gesetzliche Änderungen der letzten Jahre, die Einfluss auf die ambulante und stationäre Altenhilfe haben. Unberücksichtigt bleiben weitere Wohn- und Versorgungskonzepte, wie z. B. quartiersnahes Wohnen, Mehrgenerationenhäuser oder betreutes (Einzel-)Wohnen etc., die auch in der ambulanten Pflegelandschaft vertreten sind (Krawinkel, 2018, S. 3). Zudem wird nicht näher auf Hausgemeinschaften eingegangen. Diese haben in den letzten Jahren in den Alten- und Pflegeheimen zunehmend an Bedeutung gewonnen (Kaiser, 2014, S. 90f). Die Bachelorarbeit geht weniger auf Pflegebedürftige mit Demenz ein, die besonders in kleinen Gruppen innerhalb eines Alten- und Pflegeheimes, z. B. in Pflegeoasen oder aber in ambulant betreuten Wohngemeinschaften und dort in speziellen Demenz-Wohngemeinschaften ihr zu Hause gefunden haben (Krawinkel, 2018, S. 5; Roth et al., 2016, S. 16).
2.2 Bezug der Bachelorarbeit zum Pflegemanagement
Diese Bachelorarbeit behandelt mehrere Themenfelder des Pflegemanagements. Sie thematisiert den Bereich der „Stationären Altenhilfe“ und geht u. a. auf die Themenfelder der Geschichte und Rahmenbedingungen, Bewohner in einem Alten- und Pflegeheim, Organisation der Lebenswelt, Finanzierung etc. näher ein. Im Bereich der „Ambulanten Altenhilfe“ betrifft es das Thema der „ambulant betreuten Wohn- und Versorgungsformen“. Diese Arbeit verknüpft beide Themengebiete miteinander und zwar im Rahmen eines Vergleiches (Teil A) und unter Berücksichtigung veränderter Rahmenbedingungen, deren Grundlage die zuletzt aktualisierten Gesetze prägen (Teil B). Diese schließen beide Wohn- und Versorgungsformen mit ein und betrachten diese stets unter dem Aspekt ihrer Vor- und Nachteile. Diese Arbeit ergänzt damit die Studienbriefe der Hamburger Fern-Hochschule.
3 Problemdarstellung, Zielsetzung und Fragestellung
3.1 Problemdarstellung
Der Vergleich von ambulant betreuten Wohngemeinschaften mit der stationären Altenhilfe zeichnet im Rahmen der Literaturrecherche, die in Teil A dieser Bachelorarbeit behandelt wird, beim Ergebnis ein eher sehr moderates Bild. Zwar gibt es hinreichend Publikationen, die sich mit der Thematik dieser Settings und der dort lebenden Bewohner, deren Autonomie und des Meinungsbildes von Angehörigen sowie der dort arbeitenden Mitarbeitenden widmen, allerdings sind zu den Themen Versorgungs- und Lebensqualität nur sehr wenige Publikationen verfügbar. Ein ähnlich mageres Bild zeigen die im Rahmen der Literaturrecherche gefundenen Treffer beim Thema Finanzierung. Gerade hier fehlen die aktuellen Gesetzesänderungen aus dem SGB XI. Ein weiterer Grund für die geringe Anzahl an Publikationen könnte darin liegen, dass es bisher für ambulant betreute Wohngemeinschaften weder eine bundeseinheitliche Begriffsbestimmung noch eine homogene geografische Verteilung gibt, sodass deren Konzepte in der Gesellschaft bzw. bei den älteren Menschen noch nicht so bekannt sind, wie die der klassischen Alten- und Pflegeheime. Ein weiterer Grund ist sicher auch in den jeweils individuellen Landesgesetzgebungen zu finden. Denn diese erschweren den Vergleich solcher ambulant betreuten Wohngemeinschaften mit dem klassischen Modell der Alten- und Pflegeheime auch noch zusätzlich. Klie et al. (2020) beschreibt in einer aktuellen Publikation, dass ambulant betreute Wohngemeinschaften für die gerontologische Forschung und für die Versorgungsforschung „interessante Innovationswerkstätten“ für eine weitere Beforschung sind (Klie et al., 2020, S. 489).
Da die im Rahmen der Literaturrecherche gefundenen Ergebnisse von Teil A der Bachelorarbeit zudem nicht den aktuellen Stand der Gesetzgebung der letzten Jahre berücksichtigt, wird in Teil B daher hierauf vor allem im Hinblick auf die Kosten und die Personalausstattung in Alten- und Pflegeheimen sowie auf die öffentlichen Förderprogramme der jeweiligen Bundesländer für ambulant betreute Wohngemeinschaften noch einmal näher Bezug genommen. So stellte insbesondere die hohe Kostenbelastung für Bewohner, die in einem Alten- und Pflegeheim leben, diese selbst und auch ihre Angehörigen vor große finanzielle Herausforderungen, sodass der Gesetzgeber im Jahr 2021 das SGB XI dahingehend änderte, dass zumindest an dieser Stelle eine finanzielle Entlastung erfolgt (BMG, 2022b; Verbraucherzentrale, 2022). Darüber hinaus stand die Personalausstattung in Alten- und Pflegeheimen zunehmend in der Kritik, da sie allgemein als unzureichend angesehen wurde. Dieser Umstand wirkte sich negativ auf die Versorgungsqualität aus, zumal die Personalbedarfe pro Bewohner seit Jahren sogar noch weiter gestiegen sind. Der Gesetzgeber hat in SGB XI für das Jahr 2023 deshalb neue Personalanhaltszahlen festgesetzt, um dieser negativen Entwicklung entgegenzuwirken (Universität Bremen, 2020, S. 35). Im ambulanten Sektor gibt es für Wohngemeinschaften Nachholbedarfs in den Bereichen barrierefreies und altersgerechtes Wohnen sowie bezahlbaren Wohnraum für ältere Menschen, die eine dauerhafte Unterstützung und pflegerische Versorgung benötigen. Um dieser Problematik zu begegnen, haben die jeweiligen Bundesländer im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz in den letzten Jahren entsprechende Förderprogramme geschaffen (ABl. Berlin, 2020, S. 3126; MILIG, 2015, S. 4). Allerdings gibt es derzeit keine Gesamtübersicht darüber, welche Bundesländer überhaupt öffentliche Förderprogramme auf dem Weg gebracht haben. Ein weiteres gesellschaftliches Problem ist der demografische Wandel und auch, dass sich die Familienstrukturen verändern. Dies betrifft u. a. die Heterogenität unterschiedlicher Lebenslagen älterer pflegebedürftiger Menschen, sodass alternative ambulante Wohn- und Versorgungsformen mehr oder weniger zwangsläufig erforderlich werden (BayMBl., 2020, S. 1).
3.2 Zielsetzung
Diese Bachelorarbeit vergleicht mittels einer Literaturrecherche in Teil A die Vor- und Nachteile zwischen den jeweiligen Wohn- und Versorgungsformen und prüft dabei auch die Notwendigkeit weitere Forschungs- bzw. Handlungsbedarfe. Teil B erweitert diese Zielsetzung. Dabei werden die neuesten gesetzlichen Rahmenbedingungen der §§ 43c und 113c SGB XI analysiert. Zusätzlich soll eine Normvor- schriften-Recherche aufzeigen, ob die jeweiligen Bundesländer überhaupt öffentliche Fördermöglichkeiten für ambulant betreute Wohngemeinschaften anbieten.
3.3 Fragestellung
Zusammenfassend ergibt sich als primäre Forschungsfrage: „Stellen ambulant betreute Wohngemeinschaften gegenüber klassischen Alten- und Pflegeheimen eine ernst zu nehmende Alternative für ältere Menschen mit Pflegebedarf dar?“
Weitere Fragen sind:
Welche dieser Wohn- und Versorgungsform bietet im Vergleich die bessere Lebens- und Versorgungsqualität? Wie können sich Angehörige in den organisatorischen Ablauf der Wohn- und Versorgungsformen einbringen? Wird die Autonomie der Bewohner gewahrt? Bei welcher Wohn- und Versorgungsform ist die Mitarbeiterzufriedenheit höher? Welche Bundesländer fördern ambulant betreute Wohngemeinschaften? Welche der Wohn- und Versorgungsformen ist das preiswertere Modell für den Bewohner?
Teil A: Vergleich ambulanter und stationärer Wohn- und Versorgungsformen im Rahmen einer Literaturrecherche
4 Methodisches Vorgehen
Für Teil A der vorliegenden Bachelorarbeit kam eine Literaturrecherche zur Anwendung. In diesem Zusammenhang wurde in verschiedenen Datenbanken sowie Fachpublikationen, wie u. a. im Bibliothekskatalog der Frankfurt University of Applied Sciences recherchiert und dabei folgende Suchbegriffe verwendet: Pflege- WG Alten* sowie Wohngemein* Alten* als auch Wohngruppen Alten*. Die folgende Tabelle listet die jeweiligen Suchbegriffe und die dazugehörige Anzahl der ermittelten sowie relevanten Treffer auf.
Tabelle 1: Suchhilfe, Suchbegriffe und Treffer (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die systematische Suche begrenzte sich dabei auf Publikationen aus Deutschland. Alle Treffer, die in den Jahren 2014 bis 2022 erschienen sind, fanden Berücksichtigung bzw. wurden dann auch als relevant eingestuft. Mit in die Suche einbezogen wurde auch das Literaturrechercheprogramm von der Springer Nature Switzerland AG (Springer Link). Unberücksichtigt blieben hierbei die in der Vorschau angezeigten Inhalte. Vor der Suche wurde daher das Häkchen bei „Include Preview- Only content“ herausgenommen. Um auch noch weitere relevante Publikationen anderer Medienwerke in die Recherche mit einzubeziehen, wurde zudem im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek über die „einfache Suche“ recherchiert.
Darstellung der Ergebnisse
Insgesamt wurden 151 Fundstellen ausgewertet und von diesen zunächst 95 als relevant eingestuft. Nach der Bereinigung von redundanten Fundstellen blieben insgesamt 17 Publikationen übrig, die in Kapitel 6, Teil A näher erörtert werden. Diese skizzieren die Settings der stationären Altenhilfe und der ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Die Ergebnisse spiegeln ausschließlich den Vergleich der alternativen Wohn- und Versorgungsformen im Alter mit der stationären Altenhilfe wider. Das Ergebnis der Literaturrecherche zeigt zu diesem Thema ein sehr heterogenes Bild. Publikationen sind u. a. zu folgenden Schwerpunkten vertreten: über die Autonomie der Bewohner (N = 12), die öffentliche Meinung der Gesellschaft (N = 7) sowie über den Personaleinsatz und die Mitarbeiterzufriedenheit (N = 6). Damit zeigt sich, dass zwar zu diesen Themen ausreichend Publikationen verfügbar sind, es sich aber nur wenige Publikationen darunter befinden, die sich direkt mit der Rolle der Angehörigen (N = 4), der Lebensqualität (N = 5) und mit der Versorgungsqualität (N = 3) auseinandersetzen. Zum Thema Verteilung der Pflegegrade nach Leistungsart wurden im Rahmen der Recherche lediglich zwei Publikationen (N = 2) als Treffer angezeigt. Über das Thema Finanzierung von ambulanten und stationären Wohn- und Versorgungsformen wurden ebenfalls nur wenige Publikationen (N = 5) gefunden.
6 Ergebnisse aus der Literaturrecherche
6.1 Gesetzliche Regelungen
Im Rahmen der Föderalismusreform im Jahr 2006 erhielten die Länder eine neue Gesetzgebungskompetenz im Heimrecht. Sie konnten damit neue Heimgesetze erlassen und mit diesen das alte Heimgesetz ablösen. Ist eine Einrichtung ein „Heim“ im Sinne des Heimrechtes, sind nunmehr dessen Regelungen auf Landesebene zu beachten, mit deren ordnungsrechtlichen Vorschriften und Rechtsverordnungen (vgl. Anlage 1). Die Landesheimrechte verkörpern weiterhin staatlichen Schutz für Bewohner in Alten- und Pflegeheimen und gewährleisten einen Mindeststandard für solche Langzeitpflegeeinrichtungen. Die Landesheimgesetze berücksichtigen aber auch die geänderten gesellschaftlichen Vorstellungen, den Wunsch älterer pflegebedürftiger Menschen nach neuen Wohn- und Versorgungsformen in häuslicher Umgebung (Keil, 2016, S. 60, 63, 136). In den Bundesländern bestehen allerdings alleine schon aufgrund der unterschiedlichen Rechtspraxis und Rechtslage erhebliche Unterschiede. Die neuen Landesheimgesetze regeln daher die Anforderungen nicht nur für Alten- und Pflegeheime, sondern auch für alternative ambulante Wohn- und Versorgungsformen und nicht zuletzt auch deren 12/71 häufig umstrittenen bau- und ordnungsrechtlichen Status (Kaiser, 2014, S. 33). Auf den ordnungsrechtlichen Unterschied zwischen der stationären Altenhilfe und den alternativen ambulanten Wohn- und Versorgungsformen geht Anlage 1 näher ein. Der bau- und ordnungsrechtliche Status ist insbesondere für trägerverantwortete ambulante Pflegedienste von Bedeutung, die wiederum für ambulant betreute Wohngemeinschaften tätig sind. Entscheidend dabei ist, ob für diese die erleichternden Rechtsvorschriften für eine ambulant betreute Wohngemeinschaft gelten oder ob sie wie ein „kleines Alten- und Pflegeheim“ mit den strengeren heimrechtlichen Qualitäts- und Sicherheitsvorschriften zu behandeln sind. Solche Wohngemeinschaften, manchmal auch Pflege-Wohngemeinschaften genannt, werden zwar formal ebenfalls als ambulant eingestuft und vergütet, jedoch handelt es sich hier um „kleinere“ stationäre Einrichtungen (Jacobs et al., 2020, S. 9, 230). Für anbieterinitiierte Wohngemeinschaften gibt es - jedoch auch nicht in jedem Bundesland - verbindliche Qualitätskriterien zur Qualitätssicherung, wie z. B. ein Beschwerde- und Qualitätsmanagement und / oder Personalmindestanforderungen. Krawinkel (2018) weist darauf hin, dass Qualitätsvorgaben länderspezifisch und diese auch jeweils im Einzelfall zu prüfen sind. Für selbstbestimmte ambulante Wohngemeinschaften dagegen gibt es solche Qualitätsvorgaben in dieser Form nicht bzw. beinhalten diese nur geringe Anforderungen. Hier können die Bewohner die Qualitätskriterien selbst festlegen. Qualitätsanforderungen richten sich vielmehr an den leistungserbringenden ambulanten Pflegedienst, u. a. nach den Vorgaben der Sozialbesetzbücher V und XI. Es gibt jedoch keine spezifischen Vorgaben unter Betrachtung von Qualitätsentwicklung und -management innerhalb der Versorgungsstruktur von ambulant betreuten Wohngemeinschaften, die u. a. alle relevanten Akteure mit in Betracht ziehen. So fehlt es in ambulant betreuten Wohngemeinschaften zudem an Qualitätsindikatoren zur Erfassung pflegerelevanter Versorgungsergebnisse, wie z. B. Dekubitalulcera, Stürze, Gewichtsverluste etc., die in Alten- und Pflegeheimen Standardqualitätsbewertungen sind (Krawinkel, 2018, S. 64; Ostermann et al., 2014, S. 23). Grundsätzlich gilt, je selbstbestimmter eine neue Wohn- und Versorgungsform ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass diese als „Heim“ eingestuft wird. Der Gesetzgeber stuft Seniorenwohngemeinschaften nur als „normalen Wohnraum“ ein, solange deren Bewohner lediglich die Merkmale für ein selbstbestimmtes Leben erfüllen (vgl. Abschnitt 6.3.2). Anders verhält es sich, wenn ein selbstbestimmtes Wohnen eines älteren pflegebedürftigen Menschen in einer Seniorenwohngemeinschaft aufgrund dessen fehlender Geschäftsfähigkeit von Anfang an nicht möglich ist. Dann handelt es sich auf keinen Fall mehr nur um eine Wohnung, sondern um eine Pflege- und Betreuungs- einrichtung (Kaiser, 2014, S. 33, 39). Die „Muster-Verordnung über Anforderungen an Wohnungen und Einrichtungen für volljährige Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung“ legt seit dem Jahr 2010 zudem fest, dass alle Alten- und Pflegeheime sowie ambulant betreuten Wohngruppen ab sieben und bis zu 12 Bewohnern mit Pflegebedarf als Wohn- und Sonderbau gelten (hhpberlin, 2011, S. 5; Kaiser, 2014, S. 37). Kaiser (2014) empfiehlt, wenn keine gesetzlichen Regelungen im jeweiligen Bundesland zum Bau von Pflegeeinrichtungen aufgeführt sind, sollte vor Baubeginn mit den Bauherren und der zuständigen Behörde eine Vereinbarung getroffen werden. Zudem verzeichnen die Kommunen in den letzten Jahren einen Bedarf an selbstbestimmter Eigengestaltung der Haushalts- und Lebensführung in einer Mietwohnung oder in einem Eigentum. Auch diese Wohnformen unterliegen der Landesbauordnung der Länder und stehen außerhalb der Heimgesetzgebung, solange sie die Kriterien des Sonderstatus erfüllen (Kaiser, 2014, S. 40, 65, 73).
6.2 Marktentwicklung und Pflegebedarfe
Unsere Gesellschaft entwickelt sich zusehends differenzierter und heterogener. Dies trifft auch auf das Alter zu (Hasenau et al., 2016, S. 7). Aufgrund der höheren Lebenserwartung von Senioren sind die jährlich steigenden Wachstumsraten des Pflegemarktes derzeit unabwendbar. Dies führt wiederum zu steigender Nachfrage nach speziellen Wohnimmobilien mit kontinuierlich wachsenden Ansprüchen. Die damit verbundene Erwartungshaltung der Menschen im Alter hat sich dadurch ebenfalls entscheidend verändert. Die ältere Generation gibt sich in zunehmendem Maße mit einer Unterbringung in einem Alten- und Pflegeheim nicht mehr zufrieden. So nimmt auch die Quote von Pflegebedürftigen in Alten- und Pflegeheimen in Deutschland kontinuierlich ab. Im Jahr 2011 wurden noch 29,7 % der Pflegebedürftigen in Alten- und Pflegeheimen betreut und untergebracht. Im Jahr 2017 lag diese Quote bereits nur noch bei 22,1 %. Im gleichen Zeitraum stieg aber trotzdem das Angebot in der stationären Altenhilfe. So gab es im Jahr 2011 in Deutschland 12.400 Alten- und Pflegeheime mit 750.000 Plätzen und im Jahr 2017 sogar 14.480 Alten- und Pflegeheime mit 952.000 Plätzen (Jacobs et al. & Jacobs et al., 2015, S. 28, 234; 2021, S. 148, 237). Gefordert werden von den älteren Menschen jedoch nicht nur neue Leistungsangebote, sondern auch neue Geschäftsmodelle, die das Wohnen im Alter betreffen, die ebenso angepasste Verfahren zur Versorgungssteuerung verlangen (Kelle, 2015, S. 16f, 31). Das klassische Altenhilfesystem mit seiner starren Trennung zwischen ambulanten und stationären Angeboten wird daher nicht mehr dem heutigen Hilfe- und Unterstützungsbedarf älterer Menschen gerecht (Hasenau et al., 2016, S. 7). Dass diese Trennung nach dem Ord- 14/71 nungsrecht auch nicht mehr zeitgemäß ist, wird seit der im Jahr 2006 erfolgten Novellierung der Landesheim- und Landeseinrichtungsgesetze deutlich. Erst durch diese Novellierung wurden neue Wohn- und Versorgungsstrukturen in der Altenhilfe überhaupt möglich (Krawinkel, 2018, S. 16). Auf der Webseite des Bundesministeriums für Gesundheit werden nunmehr neben den „Pflegeeinrichtungen (stationär)“, auch „Pflege-Wohngemeinschaften“, als „Alternative Wohnformen“ vorgestellt (BMG, 2022a). Bereits das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz, das Anfang 2013 auf Bundesebene in Kraft trat, förderte die Entwicklung neuer Wohn- und Versorgungsangebote für Pflegebedürftige. Stationäre Langzeitpflegeeinrichtungen haben seitdem nicht mehr ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Gesundheitsmarkt, sondern müssen sich gegenüber alternativen Wohn- und Versorgungsformen behaupten (Wolf-Ostermann et al., 2014, S. 7). Die ersten ambulant betreuten Wohngemeinschaften wurden speziell für Menschen mit Demenz im Jahr 1995 in Berlin gegründet (Sand, 2016, S. 10). Wie viele ambulant betreute Wohngemeinschaften es jedoch im gesamten Bundesgebiet aktuell gibt, ist derzeit noch unklar, da es nach landesrechtlicher Regelung für diese Wohn- und Versorgungsform keine bundeseinheitlichen Meldevorschriften gibt. Neueste Schätzungen gehen von annähernd 3.100 Wohngemeinschaften aus (Stiefler et al., 2020, S. 1). Man schätzte bereits im Jahr 2014, dass sich die Anzahl von ambulant betreuten Wohn- und Versorgungsformen in zehn Jahren mehr als verzehnfacht hat (Wolf- Ostermann et al., 2014, S. 121).
6.3 Konzepte für Ambulante Wohn- und Versorgungsformen
Menschen im höheren Alter sind, trotz ihres Wunsches solange wie möglich selbstständig in ihrer eigenen häuslichen Umgebung zu bleiben, auch bereit umzuziehen und andere Wohn- und Versorgungsalternativen auszuprobieren (Kelle, 2015, S. 31). Sie favorisieren zunehmend alternative Wohn- und Versorgungsformen anstelle von traditionellen Alten- und Pflegeheimen, insbesondere dann, wenn sie nicht mehr oder nur unzureichend in ihrer bisher gewählten Wohn- und Versorgungsform, wie z. B. in ihrer häuslichen Umgebung, versorgt werden können (Schwendner, 2014, S. 12). Das geschieht meist erst dann, wenn sie auf umfassende Hilfe und / oder Pflege angewiesen sind. Kämmer (2015) beschrieb, dass älteren Menschen für das Leben in einer Gemeinschaft nur zwei Alternativen zur Auswahl stehen: eine stationäre Alten- und Pflegeeinrichtung oder eben eine ambulant betreute Wohngemeinschaft (Kämmer, 2015, S. 61). In den letzten Jahren kam jedoch zu der vollstationären Versorgung in Alten- und Pflegeheimen zunehmend Kritik auf. Durch die dort meist fehlende individuelle und förderliche Versorgung, insbesondere bei Menschen mit Demenz, entstanden deshalb diese alterna- 15/71 tiven und kleinräumigen Wohn- und Versorgungsformen, wie z. B. die ambulant betreuten Wohngemeinschaften. Deren konzeptionelles Ziel besteht u. a. darin, eine familiäre und alltagsnahe Versorgung der älteren Menschen unter Einbezug der Angehörigen und nahestehenden Personen zu erreichen (Wolf-Oster- mann et al., 2014, S. 7). Ambulant betreute Wohngemeinschaften sind deshalb von der Konzeption her, genau zwischen häuslicher und stationärer Versorgung einzuordnen. Darunter haben sie auch zu leiden. Denn während für den stationären Sektor verlässliche Rahmenbedingungen existieren, besteht für ambulant betreute Wohngemeinschaften oftmals noch Unklarheit (Klie, 2015, S. 199). Anlage 1 geht in Tabelle 9 des Weiteren auf die ordnungsrechtlichen Unterschiede zwischen der stationären Altenhilfe und den alternativen ambulanten Wohn- und Versorgungsformen, die entweder selbstbestimmt oder anbieterinitiiert sind, näher ein.
6.3.1 Unterschiedliche Bezeichnungen für ambulant betreute Wohn- und Versorgungsformen
Eine einheitliche Definition bzw. Bezeichnung für die Wohn- und Versorgungsformen im ambulanten Bereich gibt es in Deutschland nicht (Krawinkel, 2018, S. 16). Im SGB XI werden diese im Rahmen von Fördermöglichkeiten über den § 45f nur als eine „neue Wohnform“ beschrieben. Über den § 45e SGB XI wird für sogenannte „ambulant betreute Wohngruppen“ eine Anschubförderung ermöglicht. Im Sinne des § 38a SGB XI ist eine „ambulant betreute Wohngruppe“ eine solche, wenn mindestens zwei bis elf Personen in einer gemeinsamen Wohnung zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung leben und davon mindestens zwei Personen pflegebedürftig sind. Sie müssen zudem Leistungen nach dem SGB XI beziehen. Die „Wohngruppe“ muss eine Person beauftragen, die eine am Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeit ausübt oder aber die Wohngruppenmitglieder bei der Haushaltsführung unterstützt. Diese Tätigkeit kann sowohl allgemein organisatorisch, verwaltend als auch betreuend sein (SGB, 2020, S. 1766, 1784f). Auch die jeweiligen Bundesländer verwenden in ihren Gesetzen unterschiedliche Bezeichnungen bzw. Begriffsbestimmungen für ambulant betreute Wohn- und Versorgungsformen. So gebrauchen die Landesgesetze beispielsweise Begriffe wie „ambulant betreute Wohngemeinschaften“ (GBl., 2014, S. 242; GVBl., 2008, S. 19), „betreute Wohngruppen und Wohngemeinschaften“ (FM RhPf, 2020, S. 1) oder auch „nicht selbstbestimmte Wohngemeinschaften“ (Nds. GVBl., 2011, S. 196) etc. Diese Bachelorarbeit verwendet überwiegend die Bezeichnung „ambulant betreute Wohngemeinschaften“ als Sammelbegriff auch für selbstbestimmte und anbieterinitiierte Wohngemeinschaften.
6.3.2 Selbstbestimmte Wohngemeinschaften
Es gibt, wie in Abbildung 1 dargestellt, bewohnerinitiierte Angebote, die als ursprüngliche Form der Wohngemeinschaftsidee gelten (Kaiser, 2014, S. 68).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Selbstbestimmte Wohngemeinschaft (Krawinkel, 2018, S. 8)
Diese können auch als „bottom up“ betrachtet werden. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss von älteren Menschen, die in einer Gemeinschaft leben wollen, für die aber unterschiedliche Rechtsformen gelten können. Wie aus Tabelle 9 der Anlage 1 zu entnehmen ist, zählen sie ordnungsrechtlich derzeit zu den ambulanten „selbstbestimmten Wohnformen“ (ebenda, 2014, S. 68, 75). Diese Pflege-Wohngemeinschaften stellen eine alternative Wohn- und Versorgungsform dar, da sie nutzerbestimmt, ggf. auch von Angehörigen und / oder gesetzlichen Betreuern, aber nicht primär von Trägern gesteuert sind (Schmid, 2019, S. 218f).
Die „Selbstbestimmte Wohngemeinschaft“ weist daher folgende Merkmale auf: o Diese werden nicht oder nur im geringen Maße durch Landesgesetze geregelt; o Mehrere ältere bzw. pflegebedürftige Menschen leben in einem Hausstand; o Die Gründung geht von den Bewohnern / Angehörigen aus;
- Bewohner / Angehörige regeln die Ordnung des Zusammenlebens;
- Bewohner / Angehörige bilden eine Auftraggebergemeinschaft;
- Bewohner / Angehörige entscheiden, ob und welche Leistungserbringer sie beauftragen wollen, wie z. B. über eine 24-Stunden Präsenzkraft;
- Der ambulante Pflegedienst wird auf individuellen Wunsch zur Leistungserbringung tätig (Krawinkel, 2018, S. 7f).
6.3.3 Anbieterinitiierte Wohngemeinschaften
Bei der anbieterinitiierten Wohn- und Versorgungsform, vgl. Abbildung 2, auch als „top down“ bezeichnet, handelt es sich dagegen um eine Planung durch Träger „von oben nach unten“ (Kaiser, 2014, S. 68).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Anbieterinitiierte Wohngemeinschaft (Krawinkel, 2018, S. 9)
Dabei handelt es sich überwiegend um Wohlfahrtsverbände, ambulante Pflegedienste, Wohnungsgesellschaften etc. Diese weisen meist eine heimähnliche Struktur der Abhängigkeit auf, d. h., sie akquirieren die jeweiligen Bewohner. Wie aus Tabelle 9 der Anlage 1 zu entnehmen ist, zählen anbieterinitiierte Wohn- und Versorgungsformen ordnungsrechtlich überwiegend zu den ambulanten „betreiberverantwortlichen Wohnformen“, die in der Regel dann meist auch noch an das individuelle Heimgesetz des jeweiligen Bundeslandes gebunden sind (ebenda, 2014, S. 68, 72, 77).
Die „Anbieterinitiierte Wohngemeinschaft“ weist daher folgende Merkmale auf:
- Sie unterliegt der Landesgesetzgebung, die in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt ist;
- Sie wird von einem Träger betrieben;
- Entweder gehen alle Entscheidungen vom Träger aus, d. h., wenn die Bewohner / Angehörigen nicht an der Gestaltung der Wohngemeinschaft mitwirken wollen bzw. können oder
- der Träger betreibt zwar die Wohngemeinschaft, jedoch die Bewohner / Angehörigen treffen die Entscheidungen des Zusammenlebens oder entscheiden ggf. auch darüber, ob Leistungen der Pflege über einen von ihnen selbst gewählten ambulanten Pflegedienst erfolgen sollen (Krawinkel, 2018, S. 8f).
6.4 Wohn- und Versorgungskonzepte in der stationären Altenhilfe
Ergänzend zur ordnungsrechtlichen Einordnung von stationären Langzeitpflegeeinrichtungen in Anlage 1, Tabelle 9 ist Folgendes hinzuzufügen: In einem 15- bis 20-jährigen Rhythmus änderten sich die Heimkonzepte, die mit Verwahranstalten (Anstaltskonzept) für „Insassen“ begannen. Diese entwickelten sich dann zu Krankenhausbauten für „Patienten“ (Stationskonzept) in den 60er und 70er Jahren. In den 80er Jahren entstanden Alten- und Pflegeheime mit Wohnbereichscharakter (Wohnbereichskonzept). Aktuell im Trend sind Hausgemeinschaften für „Bewohner“ (Hausgemeinschaftskonzept) mit Wohnkultur. Aber auch die Gesetzgebung spiegelt die Entwicklung der Heime in der Nachkriegszeit in Deutschland wider und somit auch das Bild des alten Menschen in der Gesellschaft. In den neuen Landesgesetzen haben einige Bundesländer das dort ursprünglich verwendete Wort „Heim“ inzwischen durch „Wohnen“ und „Teilhabe“ ersetzt. Damit rückt man in Deutschland von der krankheitsbedingten und institutionellen Versorgung ab und stellt stattdessen das quartiersorientierte Leben bzw. eine individuelle Versorgung in den Vordergrund (Kaiser, 2014, S. 33, 86f). In der Folge sind deshalb Alten- und Pflegeheimkonzepte in der 5. Generation entstanden. Zu nennen sind u. a. die Quartiershäuser des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, die für eine Weiterentwicklung der Hausgemeinschaften stehen. Zudem gibt es Pflegeoasen, die eine spezielle Form der Demenzbetreuung in Alten- und Pflegeheimen sind (Boschert, 2020, S. 27; Kelle, 2015, S. 43f). Die Trennung von räumlichen Bereichen und auch personale Zuständigkeiten in Alten- und Pflegeheimen bestehen jedoch bis heute weiterhin. Deren Organisationsstruktur ist meist hierarchisch organisiert, und zwar von der Heimleitung oder Geschäftsführung und mindestens weiteren zusätzlichen Leitungsfunktionen für Pflegedienst und Hauswirtschaft. In Abhängigkeit der Größe des Hauses kommen Leitungen im Bereich Verwaltung, Betreuung, Küche und Haustechnik hinzu. Da viele Alten- und Pflegeheime nicht selten über mehr als 80 Plätze verfügen, wird dort meist auch eine Großküche erforderlich. Die hauswirtschaftlichen Leistungen, wie z. B. die Speisenversorgung, sind im Alten- und Pflegeheim meist bewohnerfern im Erd- oder Untergeschoss angesiedelt. Einzelne Wohnbereiche umfassen ca. 20 bis 40 Plätze bzw. Bewohner. Bevorzugt wird meist eine horizontale Ausdehnung von Wohnbereichen, da dies für die pflegerische Versorgung effizienter ist. Die Mahlzeiten werden auf den Etagen über- 19/71 wiegend in einem Mehrzweck-, Aufenthalts- oder in einem Speiseraum bzw. Restaurant verteilt. Die Wäscheversorgung erfolgt entweder zentral oder über einen externen Dienstleister. Die Mitarbeiter von Küche, Haustechnik und Verwaltung sind nur mittelbar an der Pflege beteiligt. Ständig anwesend sind aber Pflege- und ggf. Betreuungs- und Hauswirtschaftskräfte. Das ständige Kommen und Gehen von Besuchern, Therapeuten etc. macht eine Beobachtung des Eingangsbereiches notwendig und verlangt ein Leitsystem zur Orientierung. Diese Anforderungen sind in einem Alten- und Pflegeheim erforderlich und müssen in Einklang mit der Wohn- und Wohlfühlatmosphäre der Bewohner gebracht werden. Jedoch setzen sich in den Alten- und Pflegeheimen zunehmend, wie auch bei den Hausgemeinschaften, die räumliche Gliederungen von Wohnbereichen in kleine Wohneinheiten von 10 bis 15 Bewohnern immer mehr durch (Kaiser, 2014, S. 86-91).
6.5 Öffentliche Meinung
„Einmal angenommen, Sie wären im Alter auf die Unterstützung durch andere angewiesen: Wo würden Sie in diesem Fall am liebsten gepflegt werden wollen“ (Forsa, 2011, S. 7f)? In Zusammenarbeit mit der KKH-Allianz, Hannover untersuchte im Jahr 2011 das Meinungsforschungsinstitut Forsa mit dieser Frage die Pflegepräferenz bei ca. 1.000 Bürgern im Alter von 18 bis 70 Jahren in Privathaushalten. Das Ergebnis dieser Umfrage ergab, dass 17,0 % in einer Senioren-Wohn- gemeinschaft bzw. in einem Mehrgenerationenhaus und nur 5,0 % in einem Alten- bzw. Pflegeheim versorgt werden möchten (Forsa, 2011, S. 7f; Steiner, 2015, S. 113). Im Jahr 2013 wurde im Rahmen einer Studie der Versicherungsgesellschaft Generali, bei der ca. 4.000 Menschen im Alter zwischen 65 und 85 Jahren teilnahmen, der Frage nachgegangen, welche Lebens- und Wohnsituation sie im Alter favorisieren würden. Die Generali-Studie ergab, dass 21,0 % der Befragten am liebsten im Seniorenheim mit eigenem Zimmer und 12,0 % der Befragten am liebsten in einer Wohngemeinschaft gemeinsam mit anderen älteren Menschen leben würden (Kelle, 2015, S. 32). Nach der Compass-Studie, die 2009/2010 stattfand und bei der annähernd 6.200 Personen im Alter von über 40 Jahren teilnahmen, favorisierten 8,0 % der Befragten das klassische Alten- und Pflegeheim. Das Leben in Wohngemeinschaften inklusive Pflege war bei der Compass-Studie mit 2,0 % vertreten. Allerdings sei laut Pflege-Report 2015 die Datenlage über die Präferenz von organisierten ambulanten Wohngemeinschaften damals noch uneinheitlich gewesen. So gaben 38,0 % der im Jahr 2006 Befragten in einer anderen Studie beim Deutschen Altenpflege-Monitor an, alternative Wohn- und Versorgungsform eher zu bevorzugen. Nur 13,0 % der Befragten stimmten im Falle eines Pflegebedarfs einer Heimversorgung zu (Jacobs et al., 2015, S. 26). Auch 20/71 Schwendner (2014) weist darauf hin, dass alternative Wohn- und Versorgungsformen in der öffentlichen Wahrnehmung besser dastehen als die stationären Langzeitpflegeeinrichtungen (Schwendner, 2014, S. 41). Nach Sand (2016) genießen sie eine hohe Akzeptanz in der Gesellschaft und haben ein gutes Image (Sand, 2016, S. 11).
6.6 Verteilung der Pflegegrade nach Leistungsart
Die Tabelle 2 erläutert für die Jahre 2017 und 2018 den Anteil von Empfängern nach Pflegegraden, differenziert nach Pflegegeld- bzw. Sach- oder Kombinationsleistung mit Wohngruppenzuschlag in Prozent und vergleicht diese analog dazu mit der vollstationären Langzeitpflege (Jacobs et al. & Jacobs et al., 2019, S. 267, 278; 2020, S. 247, 252).
Tabelle 2: Anteil der Empfänger in Prozent nach Leistungsart und Pflegegrad für die Jahre 2017 und 2018 (Jacobs et al. & Jacobs et al., 2019, S. 267, 278; 2020, S. 247, 252)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus dieser Tabelle ist zu entnehmen, dass die Pflegegeldempfänger mit Wohngruppenzuschlag beim Pflegegrad 2 mit 31,7% im Jahr 2017 und 30,7% im Jahr 2018 im Vergleich zu den Leistungsempfängern im vollstationären Bereich mit 18,1 % und 18,6 % im selben Zeitraum beachtlich hoch ist. Trotz erheblicher Beeinträchtigung, die in der Selbstständigkeit schon beim Pflegegrad 2 vorliegt, kann aus den vorliegenden Zahlen angenommen werden, dass hiervon Betroffene sich eher für den Aufenthalt in einer Wohngruppe, als für ein Alten- und Pflegeheim entscheiden. Zumal auch der Anteil der Empfänger mit Pflegegrad 2, die darüber hinaus Sach- und Kombinationsleistungen erhalten, mit 12,1 % (2017) und 13,1 % (2018) recht niedrig ausfällt. So ist anzunehmen, dass professionelle Pflege über einen ambulanten Pflegedienst, zumindest was diesen Pflegegrad betrifft, nur eine sehr geringe Bedeutung zukommt, da zudem auch der Anteil von Empfängern mit Pflegegrad 2 im vollstationären Bereich mit 18,1 % und 18,6 % im gleichen Zeit- 21/71 raum ebenfalls gering ist. Erst ab dem Pflegegrad 3 ändert sich die Verteilung, sodass der prozentuale Anteil dieser Empfänger bei allen Leistungsarten in den Jahren 2017 und 2018 ähnlich hoch verteilt ist. Zudem ist im gleichen Zeitraum eine deutliche Abnahme der Pflegegeldempfänger mit Wohngruppenzuschlag in den Pflegegraden 4 und 5 zu verzeichnen. Jedoch fällt der Anteil von Empfängern mit Pflegegrad 4, die in einer Wohngruppe leben und darüber hinaus Sach- und Kombinationsleistungen erhalten, mit 36,2 % im Jahr 2017 bzw. 35,3 % im Jahr 2018 im Vergleich zur vollstationären Pflege mit ca. 31,0 % deutlich höher aus. Verglichen mit der vollstationären Pflege ist der Wohngruppenzuschlag für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 5, die in den Jahren 2017 und 2018 eine Sachoder Kombinationsleistung erhielten, mit 22,5 % und 21,7 % ebenfalls von Bedeutung. Dieser betrug in der vollstationären Pflege im Jahr 2017 lediglich 19,2 % bzw. im Jahr 2018 nur 17,7 % (Jacobs et al. & Jacobs et al., 2019, S. 267, 278; 2020, S. 247, 252).
6.7 Rolle der Angehörigen
Die Ansprüche auf eine individuelle bedarfsgerechte Versorgung von Familienmitgliedern sind gestiegen. Was die Familien selbst nicht (mehr) leisten können, sollen Alten- und Pflegeheime und andere Wohn- und Versorgungsformen in professioneller Weise übernehmen. Ältere Pflegebedürftige ziehen meist in die von ihren Angehörigen ausgewählte Einrichtung ein. Dabei legen sie sehr häufig Wert auf ein Einzelzimmer mit separater Dusche und WC, eine gute Mahlzeitenversorgung und bevorzugen eine gepflegte Esskultur (Kaiser, 2014, S. 16). Sand (2016) befragte Angehörige von sechs hessischen ambulant betreuten Wohngemeinschaften nach ihrem Motiv, weshalb sie sich für eine solche Wohn- und Versorgungsform entschieden haben. Diese gaben an, dass die Entscheidung aus der Not heraus erfolgte, da sie die Versorgung der Betroffenen von zu Hause aus selbst nicht mehr leisten konnten, bzw. sie die Versorgung über ein Alten- und Pflegeheim oder über einen ambulanten Pflegedienst als unzureichend einschätzten. Den größten Widerstand, den Angehörige hatten, bestand darin, ihr betreuungsbedürftiges Familienmitglied in ein Alten- und Pflegeheim „einweisen zu müssen“. Denn eine würde- und liebevolle Betreuung käme ihrer Meinung nach in einem Alten- und Pflegeheim zu kurz. Aus den Interviews von Sand (2016) wurde deutlich, dass 80,0 % der Befragten die neue Wohn- und Versorgungsform uneingeschränkt weiterempfehlen würden (Sand, 2016, S. 51f, 70). Stiefler (2022) stellte allerdings fest, dass es Angehörigen hierbei nicht so sehr um die Wohn- und Versorgungsart gehe, sondern es sei vielmehr von der Beziehung und der Rolle der einzelnen Mitarbeitenden abhängig, die sich um ihren Angehörigen kümmern würden 22/71 (Stiefler, 2022, S. 56). Schmid (2019) hat in seinen Interviews festgestellt, dass Angehörige sich oft über Alten- und Pflegeheime beschweren. Dies sei dem geschuldet, das Angehörige offenbar falsche Erwartungen und Ansprüche mit solchen Einrichtungen verbinden. Diese reichen dann bis zum „All-inclusive“-Denken, dem ein Alten- und Pflegeheim gar nicht entsprechen kann und auch nicht muss (Schmid, 2019, S. 135). In nahezu allen Interviews von Reimer et al. (2016) berichteten Angehörige über negative Erfahrungen mit Alten- und Pflegeheimen. Häufig wurde beklagt, dass sie von diesen zu wenige bis gar keine Informationen über die Situation ihrer Angehörigen erhielten. Zudem fehle es dort vielfach an festen Ansprechpartnern. Man könne auch keinen Einfluss auf die Pflege nehmen. So habe man z. B. Qualitätsmängel gesehen, jedoch selbst keine Möglichkeit gehabt, dagegen zu intervenieren. Auch erschienen den Angehörigen die Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe in Alten- und Pflegeheimen sehr intransparent sowie unpersönlich. Darüber hinaus seien diese viel zu wenig auf die alltäglichen Bedürfnisse ihres Angehörigen ausgerichtet. Eher positiv äußerten sie sich dagegen über die in den Pflege-Wohngemeinschaften tätigen Pflegekräfte (Reimer et al., 2016, S. 53). Wie bei den Alten- und Pflegeheimen werden die Angehörigen auch in ambulant betreuten Wohngemeinschaften stark entlastet, jedoch stehen sie in vielfacher Weise dort selbst in der Verantwortung. Im Gegensatz zu einem Alten- und Pflegeheim können die Angehörigen oder die stellvertretenden Betreuer über die Alltagsorganisation in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft (mit)entscheiden und so auch das alltägliche WG-Leben selbst mitgestalten. Sie bestimmen, welche Anforderungen an Dienstleister gestellt werden, was gekocht bzw. getrunken wird oder aber auch, welche Bewohner in die ambulant betreute Wohngemeinschaft aufgenommen werden sollen. Damit werden sie zu einem Bindeglied der ambulant betreuten Wohngemeinschaft als Auftraggeber, beispielsweise gegenüber dem Vermieter / Eigentümer oder dem ambulanten Pflegedienst. Der Tagesablauf in ambulant betreuten Wohngemeinschaften ist dennoch klar strukturiert und entspricht meist auch dem organisatorischen Ablauf eines Alten- und Pflegeheimes. In ambulant betreuten Wohngemeinschaften können sich die Angehörigen selbst intensiv am WG-Leben miteinbringen und auch im Dienstplan mit eingebunden werden. Beispielsweise räumen sie dann den Geschirrspüler ein und aus, lesen Geschichten vor, begleiten das gemeinsame Essen, decken den Tisch ein etc. Angehörige „schlüpfen“ in die Rolle des freiwilligen Helfers, wenn sie z. B. Spaziergänge oder Spiele-Nachmittage organisieren. Sollten jedoch diese Aufgaben von den Angehörigen nicht geleistet werden können, ist die gewählte Wohn- und Versorgungsform allerdings nicht die Richtige. Es wird dann schwierig sein, den individuellen Bedürfnissen des Pflegebedürftigen gerecht werden zu können. Denn ein Leben in solch einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft erfordert stets Kompromissbereitschaft, Absprachen und klare Regeln. Angehörige, die ihren Pflegebedürftigen in einer solchen ambulant betreuten Wohngemeinschaft leben lassen, müssen stets beachten, dass sie nicht einfach die Verantwortung an die Wohngemeinschaft abgeben können. Dagegen liegen im Alten- und Pflegeheim die strukturellen und organisatorischen Aufgaben in der Verantwortung der Heimleitung und / oder beim Vorstand (Sand, 2016, S. 41f; Schmid, 2019, S. 211, 212ff).
[...]
1 In der vorliegenden Bachelorarbeit wird aus Gründen der Lesbarkeit überwiegend die männliche Form gewählt, gemeint sind aber grundsätzlich alle Geschlechter.
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- Anja Luther (Autor), 2022, Versorgung von pflegebedürftigen Menschen in Deutschland. Welche Alternativen gibt es zu den klassischen Alten- und Pflegeheimen?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1328757
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