Deutschland ist das Land mit den meisten Zuwanderern in Europa, derzeit hat jeder vierte Jugendliche unter 25 Jahren einen Migrationshintergrund. Schätzungen zufolge werden im Jahre 2050 mindestens ein Drittel aller Personen in Deutschland unter 30 Jahren einen Zuwanderungshintergrund aufweisen. Kinder und Jugendliche aus nicht-deutschen Familien machen folglich einen großen Teil der Schülerschaft im deutschen Bildungssystem aus und werden auch zukünftig das Gesellschaftsbild mit prägen. Doch wie sieht es bezüglich ihrer Bildungsaspiration und ihres tatsächlichen Bildungserfolges aus?
Inhalt
1. Einleitung
2. Ausgangslage
2.1 Deutschland, europäischer Spitzenreiter unter den Zuwanderungsländern
- kurzer historischer Abriss
2.2 Aktuelle Daten zur ausländischen Bevölkerung/ Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland
2.3 Begriffsbestimmung
3. Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem
3.1 Die Bedeutung des Bildungssystems in modernen Leistungsgesellschaften
3.2 Statistisch problematische Begriffsbestimmung
3.3 Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg an allgemein-bildenden Schulen
3.4 Berufliche Schulen
3.4.1 Die unterschiedlichen Bildungsgänge am Berufskolleg
3.4.2 Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg am Berufskolleg
4.Ausländische Jugendliche/ Jugendliche mit Migrationshintergrund in der beruflichen Bildung
4.1 Die Bedeutung der Berufsausbildung auf dem deutschen Arbeitsmarkt
4.2 Übergang Schule - Berufswelt: Ausbildungs- und Berufschancen für ausländische Jugendliche/ Jugendliche mit Migrationshintergrund
4.3 Zusammenfassende Ergebnisse
5 Ursachen und Erklärungsansätze für die Nachteile von jungen Mensehen mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungs- und Ausbildungssystem
5.1 Begründung durch kulturelle Defizite
5.2 Die humankapitaltheoretische Erklärung
5.3 Rationale Bildungsentscheidungen und Strategien
5.4 Stereotypisierung als sozialpsychologische Erklärung
5.5 Institutioneile Diskriminierung
5.6 Arbeitsmarktdiskriminierung
5.7 Kurzes Zwischenfazit zum Stand der Forschung bzgl. der Erklärungsver suche überden mangelnden Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen aus Migrantenfamilien
6. Besondere Betrachtung der Situation junger Frauen mit Migrationshin- tergrund im deutschen Schul- und Ausbildungssystem
6.1 Ausgangslage: Bessere Schulabschlüsse aber schlechtere Chancen am Ausbildungsmarkt
6.2 Mögliche Ursachen für die schlechte Ausbildungsbeteiligung
6.3 Empfehlungen zur Verbesserung der Situation junger Migrantin- nen
6.4 Konkrete Projekte unterstützt durch die Bundesregierung
7. Ansätze zur Förderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
7.1 Warum ist die Förderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund für die deutsche Gesellschaft von so großer Bedeutung?
7.1.1 Integration durch Bildung
7.1.2 Ökonomischer und gesellschaftspolitischer Nutzen
7.2 Ziele von Fördermaßnahmen
7.3 Ansatzpunkte zur Förderung und Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
7.3.1 Förderung vor Schuleintritt
7.3.2 Förderung im Schulalltag
7.3.3 Förderung im Unterricht
7.3.3.1 Anforderungen an das Lehrpersonal im Unterricht mit ausländischen Sc hülern/Schülern mit Migrationshintergrund
7.3.3.2 Interkulturelle Pädagogik
7.4 Förderung beim Übergang Schule - Berufsleben: Förderprogdiven der Bundesregierung im Rahmen des Nationalen Integrationsplans
7.4.1 Pilotprojekt Berufseinstiegsbegleitung
7.4.2 FörMig Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationdnd
7.4.3 Das Ausbildungsstrukturprogramm JOBSTARTER
7.4.4 Aktion zusammen wachsen
7.5 Zwischenfazit zur Förderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
8. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Deutschland ist das Land mit den meisten Zuwanderern in Europa, (Berlin-Institut 2009: 6) derzeit hat jeder vierte Jugendliche unter 25 Jahren einen Migrationshintergrund (Bildungsbericht 2006: Abb. H2-2 und H2-3). Schätzungen zufolge werden im Jahre 2050 mindestens ein Drittel aller Personen in Deutschland unter 30 Jahren einen Zuwanderungshintergrund aufweisen (Berlin-Institut 2009: 4). Kinder und Jugendliche aus nicht-deutschen Familien machen folglich einen großen Teil der Schülerschaft im deutschen Bildungssystem aus und werden auch zukünftig das Gesellschaftsbild mit prägen. Doch wie sieht es bezüglich ihrer Bildungsaspiration und ihres tatsächlichen Bildungserfolges aus?
Zunächst steht man bei der Beantwortung dieser Frage einem Definit¡- onsproblem gegenüber, denn die amtlichen Statistiken (wie beispielsweise der Bildungsbericht und der Berufsbildungsbericht) weisen einen Migrationshintergrund nicht explizit aus, sie unterscheiden zumeist lediglich zwischen Jugendlichen mit deutscher bzw. ausländischer Staatsangehörigkeit. Trotz dieser Begriffsschwierigkeiten versucht die vorliegende Arbeit zu untersuchen, ob Jugendliche mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungs- und Ausbildungssystems Benachteiligungen ausgesetzt sind und wie es um ihren Zugang zu höheren Schulabschlüssen und qualifizierten Ausbildungsplätzen bestellt ist.
Die Kapitel 1 und 2 setzen sich zunächst mit der Begriffsbestimmung und der Ausgangslage auseinander. Es soll festgestellt werden, welche Bildungsgänge von den Jugendlichen mit Migrationshintergrund besucht werden und welche Bildungsabschlüsse sie letztlich erreichen. Die Kapitel 3 und 4 erläutern die Bedeutung des Bildungs- und des dualen Ausbildungssystems in Deutschland und die davon abhängigen Zugänge zu Lebenschancen, zu gleichberechtigter Teilhabe in der Gesellschaft und erfolgreicher Integration. Ferner werden die problematische Situation der Jugendlichen mit Migrationshintergrund für die Sekundarstufe II der allgemein-bildenden Schulen und die Bildungsgänge des Berufskollegs bzw. die Partizipation am deutschen Ausbildungsmarkt analysiert und näher beschrieben. Das Kapitel 5 soll daran anschließend mögliche Ursachen und Erklärungsansätze aufzeigen, die die Benachteiligung der Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund im deutsehen Schul- und Ausbildungssystem begründen können. Das Kapitel 6 beleuchtet dann die besondere Situation der jungen Frauen mit ausländischen Wurzeln, da sie von Benachteiligungen gleich im doppelten Maße betroffen sind.
״Armut beginnt als Bildungsarmut.“ stellte Jürgen Rüttgers fest, (Bildungsreport NRW 2006: 31) daher ist es von großer Bedeutung, bereits sehr früh einen gleichberechtigten Zugang zu den unterschiedlichen Bildungsabschlüssen zu schaffen. Dies ist zum einen aus dem Blickwinkel der Chancengleichheit erforderlich. Zum anderen sind die ungenutzten Potenziale der Jugendlichen mit ausländischem Familienhintergrund gleichzeitig aus ökonomischer und gesellschaftspolitischer Sicht sehr problematisch: Eine deutsche Gesellschaft, die altert, der zukünftig Führungskräfte fehlen werden und die sich zugleich im Zeitalter der Globalisierung und des wachsenden Wettbewerbs wiederfindet, kann es sich - wie der erste Teil des Kapitels 7 zeigen wird - nicht leisten, die wertvollen, aber bisher oft ungenutzten Ressourcen der Jugendlichen mit Migrationshintergrund brachliegen zu lassen. Die Nachkommen der einstigen Migranten sind also von großer Bedeutung für die Zukunft unserer Gesellschaft. ״Der Meister der Zukunft ist ein Türke“ sagte der Flandwerkspräsident Otto Kentzer in einem Interview im Februar 2009 und verdeutlicht damit, wie wichtig es ist, Jugendliche aus Migrantenfamilien an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ebenbürtig teilhaben zu lassen. Aufgrund der zurückgehenden Schulabgängerzahlen wird es schon bald zu einem Fachkräftemangel in der technologiebasierten deutschen Wirtschaft kommen. Die Potenziale der jungen Menschen mit ausländischen Wurzeln zu entdecken und zu erschließen, so dass auch morgen noch genügend Fachkräfte zur Verfügung stehen, damit wirbt auch Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, für eine vermehrte Einstellung dieser Jugendlichen im dualen System (Borstel 2009).
Kapitel 7 zeigt die Ziele und Ansatzpunkte für die Förderung von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien auf. Es werden konkrete Maßnahmen und Initiativen vorgestellt, die darauf abzielen, Chancengleichheit herzustellen, sei es im Schulalltag selbst, in Form von interkulturellem Unterricht oder aber an der Schnittstelle von Schule und Berufswelt, in Form von Unterstützung und Beratung hinsichtlich der beruflichen Zukunft der jungen Menschen. Im letzten Kapitel werden dann die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit abschließend noch einmal zusammengefasst und die Fragestellung hinsichtlich des Bildungserfolges der betreffenden Jugendlichen beantwortet.
2. Ausgangslage
2.1 Deutschland, europäischer Spitzenreiter unter den Zuwanderungsländern -kurzer historischer Abriss
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Zur Zeit leben hier offiziell knapp 7,3 Millionen Ausländer1, das entspricht 8,8% der deutschen GeSamtbevölkerung, (Datenreport 2008: 19) so viele wie in keinem anderen europäischen Land (Berlin-Institut 2009: 6). Wie kam es dazu?
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stand eine ausgeweitete Produkt¡- onskapazität einem stark verringerten Arbeitskräfteangebot gegenüber. In den 1950er Jahren erkannte man schließlich, dass der einheimische Arbeitsmarkt auch zukünftig nicht über genügend Arbeitskräfte verfügen würde. Das Missverhältnis von Arbeitsangebot und -nachtrage sollte daher durch die Öffnung des Arbeitsmarktes, also die Rekrutierung von ausländischen Arbeitnehmern, beseitigt werden. So kam es schließlich am 20. Dezember 1955 in Rom zur Unterzeichnung des Anwerbeab- kommens mit Italien. Dem deutsch-italienischen Abkommen folgte 1958 das so genannte Römer Abkommen, das die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) auf den Weg brachte und so schrittweise die volle Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Floheitsgebiet der EWG- Mitgliedstaaten einführte (D’Amato 2005: 81 ff). Weitere Abkommen mit Spanien, Griechenland, der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und
Jugoslawien wurden bis Ende der 1960er Jahre unterzeichnet. Mit über einer Million Zuzügen wurde 1970 der Höhepunkt der GastabeiteranWerbung erreicht. Dabei handelte es sich überwiegend um gering Qual¡- fizierte mit entsprechend niedrigem Bildungsgrad, denn es ging hauptsächlich darum, den Arbeitskräftebedarf der industriellen Massenfertigung, dem Bergbau und der Schwerindustrie zu decken (Seifert: 2006: 32). Kurze Zeit später wendete sich das Blatt, die Ölkrise und die daraus resultierende schlechte Wirtschaftslage forcierten den so genannten Anwerbestopp, der ab 1973 die Zuwanderung beschränken sollte (Online im Internet: 1). Deshalb verfolgte die deutsche Regierung ab diesem Zeitpunkt eine restriktive Ausländerpolitik, die beispielsweise die Einführung von Rückkehrprämien und Zuzugssperren in Ballungsgebieten beinhaltete, denn eine dauerhafte Niederlassung der Gastarbeiter war eigentlich nicht vorgesehen. Ende der 1970er Jahre erkannte man, dass die Gastarbeiter zum größten Teil nicht - wie zuvor angedacht - in die Heimatländer zurückkehrten, sondern in Deutschland ein neues Zuhause gefunden hatten. Dies brachte die Forderung nach wirklicher Integrationspolitik mit sich. Ausländerpolitik sollte nicht länger nur Arbeitsmarktpolitik sein, sondern endlich auch die politischen und sozialen Folgen der jahrzehntelangen Arbeitskräfteanwerbung regeln (D’Amato 2005: 86f). Demzufolge war auch das Bildungssystem lange Zeit nicht auf den großen Zulauf ausländischer Kinder ohne Sprach- kenntnisse vorbereitet, eine klare Ausrichtung der Bildungspolitik zur Integration gab es nicht (Seifert 2006: 33).
Mit dem Fall der Mauer 1989 stand schließlich auch den Menschen aus Osteuropa der Weg in den Westen wieder offen und so kamen über 2,4 Millionen Spätaussiedler in den Jahren 1988 bis 1997 nach Deutschland. Ein weiterer Strom von Auswanderern gelangte als Flüchtlinge aufgrund des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien in die Bundesrepublik. Sie fanden aus humanitären Gründen zunächst Aufnahme in Deutschland, eine Rückkehr nach Ende des Krieges war zwar vorgesehen, wurde aber trotz finanzieller Eingliederungshilfen nur von wenigen unternommen (Böttiger 2005: 15f).
2.2 Aktuelle Daten zur ausländischen Bevölkerung/ Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland
Bezüglich der Staatsangehörigkeit kann festgestellt werden, dass Ende 2006 türkische Staatsangehörige den größten Teil ausländischer Personengruppen in der BRD ausmachten. Sie entsprachen ca. einem Viertel der gesamten ausländischen Bevölkerung in Deutschland, gefolgt von Menschen mit italienischer Staatsangehörigkeit mit 7,9 %, Personen aus Serbien und Montenegro einschließlich des ehemaligen Jugoslawiens mit 7,1 % und schließlich an vierter stelle, mit 5,4 %, Menschen polnischer Staatsangehörigkeit (Migrationsbericht 2006: Tabelle 6-11).
Hinsichtlich der Altersstruktur lässt sich festhalten, dass im Durchschnitt fast 30% der ausländischen Bevölkerung in Deutschland jünger als 25 Jahre und somit im deutschen Schul- und Ausbildungssystem wiederzufinden sind (Migrationsbericht 2006: Tabellen 6-7). Die meisten ausländischen Menschen leben, neben den Stadtstaaten Hamburg (14,2%), Berlin (13,9%), und Bremen (12,7%), in den Bundesländern Baden-Württemberg mit 11,8%, Hessen mit 11,3 % und NordrheinWestfalen mit 10,6%, wobei die Mehrheit der ausländischen Mitbürger in den großen Ballungsräumen der jeweiligen Bundesländer wohnt (Migrationsbericht 2006: Tabelle 6-9). Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass in Großstädten wie beispielsweise Berlin, München, Hamburg, Stuttgart und Ballungszentren wie dem Ruhrgebiet und dem Rhein-Main-Gebiet, der Anteil der unter 25-Jährigen mit Migrationshintergrund auf bis zu 50% oder teilweise sogar über die 50%-Marke ansteigt (Bildungsbericht 2008: 19).
Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, die zum 1.1.2000 in Kraft getreten ist, sieht das Recht auf Einbürgerung für alle Ausländer vor, die seit mehr als acht Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland haben und bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wie beispielsweise über eine gewisse Sprachkompetenz verfügen und den eigenen Lebensunterhalt bestreiten können. Im Jahre 2000 wurde zusätzlich zum Abstammungsprinzip (jus sanguinis) auch das Geburtsortsprinzip (jus soli) eingeführt. Laut § 4 Absatz 1 StAG (Staatsangehörigkeitsgesetz) besagt das Abstammungsprinzip, dass ein Kind mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt, wenn ein Elternteil Deutscher ist. Das Geburtsortsprinzip andererseits (§ 4 Absatz 3 StAG) knüpft den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft an den Geburtsort. VorausSetzungen dafür sind, dass das Kind in der BRD geboren wurde und ein Elternteil seit mindestens acht Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt. Bei Erreichen der Volljährigkeit muss das Kind sich dann zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit entscheiden (Online im Internet: 2 und 3).
Die Zahl der Einbürgerungen im Jahre 2006 lag bei 124.566 Menschen, was ca. 1,7% der ausländischen Bevölkerung entspricht (Migrationsbe- rieht 2006: Tabelle 6-13 und Tabelle 6-9). Gleichzeitig hat sich die Geburtenanzahl von Kindern mit ausländischer Staatsangehörigkeit 2005, verglichen mit der Anzahl Neugeborener ohne deutsche Staatsangehörigkeit, zu Beginn der 1990er Jahre auf ein Drittel reduziert. Das macht deutlich, dass mittlerweile zwar viele Kinder aufgrund des jus soli qua Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten (Migrationsbericht 2006: Tabelle 6-10) und somit aus der reinen Ausländerstatistik herausfallen, es muss aber beachtet werden, dass sie dennoch aus einer Fa- mNie mit Migrationshintergrund stammen (Böttiger 2005: 17).
2.3 Begriffsbestimmung
An dieser stelle soll daher die begriffliche Unterscheidung zwischen Ausländern und Menschen mit Migrationshintergrund näher erläutert werden. Ausländer ist, wer nicht Deutscher im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG ist, also nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Von Migration spricht man, wenn eine Person ihren Lebensmittelpunkt räumlich verlegt (Migrationsbericht 2007: 12). Zur Gruppe der Personen mit Migrationshintergrund zählen Ausländer der ersten, zweiten und dritten Zuwanderergeneration, aber eben auch - und das ist der entscheidende Unterschied - Aussiedler, sowie Kinder und Jugendliche, die zwar in Deutschland geboren wurden und die deutsche Staatsbürgerschaft erlangten, von denen aber mindestens ein Elternteil zugewandert ist oder als Ausländer in Deutschland geboren wurde (Bildungsbericht 2006: 142).
Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund entspricht also einer viel größeren Gruppe von Menschen als die oben erwähnte alleinige Betrachtung der Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Letztlich weisen ca. 18% der Gesamtbevölkerung in Deutschland einen Migrationshintergrund auf. Nach dieser Betrachtung hat also fast jeder fünfte in der BRD Lebende ausländische Wurzeln, das sind mehr als doppelt so viele Menschen wie nach dem Ausländerkonzept ausgewiesen. Mehr als jeder vierte Jugendliche unter 25 Jahren, nämlich 27,2% der gesamten Altersgruppe, hat einen Zuwanderungshintergrund. Damit ist auch die Zahl der Jugendlichen mit nicht-deutschen Wurzeln deutlich höher als bislang nach dem Ausländerkonzept berechnet.
Angesichts dieses beträchtlichen Anteils wird deutlich, wie wichtig eine bildungspolitische Integrationsförderung für die Zukunft ist (Bildungsbe- rieht 2006: Abb. H2-2 und H2-3). Um also der insgesamt großen Anzahl von Personen mit Migrationshintergrund Rechnung zu tragen und um einen Überblick über deren Bedeutung zu geben, verwendet die amtliche Statistik seit 2005 zur Datenerhebung das Konzept der ״Bevölke- rung mit Migrationshintergrund“ (Datenreport 2008: 18f).
3. Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem
3.1 Die Bedeutung des Bildungssystems in modernen Leistungsgesellschaften
״Bildung ist eine zentrale Ressource für Lebenschancen“. (Geißler 2006: 273) Aus diesem Grund bezeichnet der französische Soziologe Pierre Bourdieu das Bildungsniveau auch als ״capital scolaire“, also als Bildungskapital (Bourdieu zitiert nach Geißler 2006: 273). Vom Schulabschluss und Bildungsniveau hängen der Zugang zu verschiedenen Erwerbstätigkeiten und damit zu unterschiedlichen sozialen Positionen ab. Damit einher gehen die Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen
Schichten der Gesellschaft und zu bestimmten Privilegien bzw. Benachteiligungen. Schulabschluss und Bildungsniveau beeinflussen ebenfalls die Möglichkeit des sozialen Auf- bzw. Abstiegs. Diese Zuweisung von Lebenschancen ist eine wichtige Funktion des Bildungssystems in der deutschen Leistungsgesellschaft und wird als Platzierungsfunktion bezeichnet. Mit dieser Funktion ist eine weitere eng verbunden: die Ausie- sefunktion, auch Selektionsfunktion genannt. Bildungssysteme selektieren nach Leistung, d. h. wer ein bestimmtes Bildungs- bzw. Leistungsniveau nicht erreicht, dem wird der Zugang zu bestimmten gesellschaftliehen Positionen verwehrt. Im Bildungssystem findet aber immer auch - bewusst und unbewusst - eine soziale Auslese statt. Daher ist nicht nur die reine Leistung von Bedeutung, sondern auch soziale Merkmale der Betroffenen, wie z. B. die ethnische und soziale Flerkunft, die ReligionsZugehörigkeit, das Geschlecht etc., die ihrerseits wiederum die Leistung beeinflussen können (Geißler 2006: 273). Die Selektionsfunktion und die Platzierungsfunktion des Bildungssystems beeinflussen damit ״das Ausmaß der vertikalen sozialen Mobilität einer Gesellschaft.“ (Geißler 2006: 273) Die selektive Wirkung des Bildungssystems wird dann zum Problem, wenn man sie aus der Perspektive der Chancengleichheit betrachtet. Falls soziale Merkmale wie ethnische, soziale und regionale (Stadt VS. Land) Flerkunft, Geschlecht etc. allein schon zu unterschied!¡- Chen Bildungschancen und damit zu zukünftigen Lebenschancen führen, wird die Grundlage der Chancengleichheit eindeutig verfehlt (Geiß- 1er 2006: 273). Das folgende Kapitel soll die unterschiedliche Bildungsbeteiligung und den Bildungserfolg von jungen Menschen mit Migrationshintergrund näher untersuchen und aus der Sichtweise der Chancengleichheit beleuchten.
3.2 Statistisch problematische Begriffsbestimmung
Die amtliche Statistik versucht zwar seit 2005 das ״Konzept der Bevölkerung mit Migrationshintergrund“ zu verfolgen, (Datenreport 2008: 19) die meisten Quellen des offiziellen Bildungsberichts weisen jedoch keine explizite Aufgliederung dieser Personengruppe auf. Vielmehr wird meistens lediglich zwischen Deutschen und Menschen mit ausländ¡- scher Staatsangehörigkeit unterschieden. Jugendliche mit Migrations- hintergrund, die aber eine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, werden in den amtlichen Statistiken also als Deutsche geführt und sind somit nicht mehr als Menschen aus einer Migrantenfamilie erkennbar, (Diefenbach 2007a: 2) obwohl bei ihnen ebenfalls Integrationsprobleme auftreten können (Geißler 2006: 233). Das hat zur Folge, dass - wie oben beschrieben - ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Lage widergespiegelt wird, da es viel mehr Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland gibt als Ausländer. Die Schwäche des Ausländerbegriffes war von geringerer Bedeutung so lange nur wenige Ausländer die deutsehe Staatsangehörigkeit angenommen hatten. Mit dem neuen Einbürgerungsgesetz steigt jedoch die Anzahl der Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit und ausländischen Wurzeln, so dass der Begriff des Ausländers einen immer kleineren Anteil von Menschen abdeckt und damit an den realen Quantitäten vorbeiläuft (Geißler 2006: 233). Auch im Berufsbildungsbericht (BBB) wird ein Migrationshintergrund gegenwärtig nicht explizit ausgewiesen (BBB 2008: 124). In anderen Statistiken des Statistischen Bundesamtes wird ein Zuwanderungshintergrund zwar ausdrücklich angegeben, dieser zieht sich aber nicht einheitlich durch alle Berechnungen, so dass bestimmte Schülerzahlen lediglich nach deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit unterteilt werden, während andere Übersichten, wie beispielsweise die Schü- !erzählen der berufsbildenden Schulen, einen Migrationshintergrund m¡teinbeziehen. Insgesamt gesehen ist die Vorgehensweise der offiziellen Statistiken bisher noch recht uneinheitlich.
Die Bildungsbeteiligungsquote kann als Indikator zur Darstellung der Situation von bestimmten Schülergruppen im deutschen Bildungssystem herangezogen werden. Sie gibt an, wie groß die Relation zwischen Bildungsteilnehmern einer bestimmten Altersgruppe zur Gesamtbevölkerungszahl eben dieser Altersgruppe ist (Bildungsbericht 2008: 20). Durch die Bildungsbeteiligungsquote lassen sich schließlich eine überoder Unterrepräsentierung einer bestimmten Schülergruppe errechnen. Bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund liegt sie bei 59%, während die gleiche Gruppe der Deutschen eine Bildungsbeteiligungsquote von 64% aufweist (Bildungsbericht 2008: 20). Der Bildungserfolg wird sichtbar durch die diversen Schulabschlüsse bzw. den Notendurchschnitt der Abschlusszeugnisse, da diese für den weiteren schulischen bzw. beruflichen Werdegang von großer Bedeutung sind (Diefenbach 2007a: 69).
3.3 Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg an allgemeinbildenden Schulen
Im Schuljahr 2007/08 lagen laut Statistischem Bundesamt folgende Schülerzahlen - differenziert nach deutscher bzw. ausländischer Staatsangehörigkeit - vor:
Nur 4,9% der Schüler an Gymnasien und 4,2% der Schüler an Gesamtschulen hatten eine ausländische Staatsangehörigkeit, während sie an Haupt- und Förderschulen 19,4% bzw. 14,9% der Schülerschaft stellten. Damit sind sie an den Schulen, die zu einem höheren Abschluss führen augenfällig unterrepräsentiert und in Bildungsgängen, die nur zu einem niedrigen Abschluss führen deutlich überrepräsentiert (Statist¡- sches Bundesamt 2008: 14). Auch bezüglich der tatsächlich erreichten Abschlüsse zeigt sich ein ähnliches Bild. Während junge Menschen mit Migrationshintergrund seltener einen Realschulabschluss bzw. die Fachhochschulreife erreichten, blieben sie - verglichen mit ihren MitSchülern ohne Zuwanderungshintergrund - mehr als drei Mal so oft ohne jeglichen Abschluss.
Der Bildungsreport NRW unterscheidet nach Deutschen, Ausländern und Aussiedlern und kommt zu den folgenden Ergebnissen, die sich allesamt auf das Jahr 2005 beziehen:
Aussiedler und Ausländer verließen die allgemeinbildenden Schulen deutlich häufiger mit einem Hauptschulabschluss als ihre deutschen Mitschüler und sind somit auch häufiger in den Berufsgrundschuljahren und Orientierungsstufen der Berufskollegs wiederanzutreffen. Nur ca. 10% der ausländischen Schüler und 11% der Aussiedler konnten 2005 das Abitur erwerben, während fast 30% ihrer deutschen Mitschüler mit der allgemeinen Hochschulreife abschießen konnten. Erschreckend hoch liegt dann mit fast 15% der Anteil der Ausländer, die gar keinen Abschluss erreichen konnten. Auch am Berufskolleg liegt der Anteil dieser Jugendlichen ohne Abschluss mit über 50%, gegenüber ca. 30% bei den deutschen Schülern alarmierend hoch (Bildungsreport NRW 2006: 10f).
3.4 Berufliche Schulen
Da sich die vorliegende Arbeit vorrangig auf die Bildungsbeteiligung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund am Berufskolleg konzentriert, soll an dieser stelle eine kurze Unterscheidung der Bildungsgänge am Berufskolleg gegeben werden, um anschließend anhand von konkreten Zahlen die Anteile der ausländischen Schüler an den Gesamtschülerzahlen auszumachen. Da - wie oben beschrieben - der Anteil der ausländischen Bevölkerung in NRW relativ hoch ist, sollen auch an dieser Stelle sowohl die Zahlen für Gesamtdeutschland als auch gesondert für NRW betrachtet werden.
3.4.1 Die unterschiedlichen Bildungsgänge am Berufskolleg Die verschiedenen Bildungsgänge am Berufskolleg lassen sich zur besseren Übersichtlichkeit in folgende Gruppen einordnen:
Die Berufsschule stellt zum einen den schulischen Partner im dualen System der Ausbildung dar und vermittelt den schulischen Teil der Berufsausbildung. In den Fachklassen der über 350 Ausbildungsberufe wird der schulische Teil der Berufsbildung vermittelt. Weiterhin können in Vollzeitklassen wie dem Berufsgrundschuljahr und Bildungsgängen zur Berufsvorbereitung und Berufsorientierung berufliche Qualifikationen erworben werden, die einerseits eine Grundlage zur besseren Berufswahl bieten, bzw. wie beim Berufsgrundschuljahr im Umfang von sechs bis zwölf Monaten auf das ersten Ausbildungsjahr angerechnet werden können. Die Bildungsgänge in der Berufsfachschule bieten eine berufliche Grundbildung und bereiten die Schüler auf eine Berufsausbildung vor bzw. führen zu einem Berufsabschluss in Berufen wie Kinderpfleger, Sozialhelfer oder Heilerziehungshelfer. Besonders in NRW haben die Bildungsgänge der Höheren Handelsschule lange Tradition. Mit dem erfolgreichen Abschluss der zweijährigen Berufsfachschule wird neben den beruflichen Kenntnissen auch der schulische Anteil der Fachhochschule vermittelt. Die dreijährige Höhere Berufsfachschule führt hingegen zu einem Berufsabschluss; gleichzeitig erwerben die Absolventen die Fachhochschulreife und damit das Recht, an Fachhochschulen zu studieren. Die Bildungsgänge am beruflichen Gymnasium vermitteln berufliche Kenntnisse und führen zum Abitur. Flier können Schüler auch einen staatlich geprüften Beruf nach Landesrecht erwerben (z. B. staatl. geprüfte bautechnische Assistentin); zugleich erhalten sie das Abitur und damit das Recht an Universitäten, Floch- schulen und Fachhochschulen ein Studium aufzunehmen. Die FachOberschule wird in unterschiedlichen Fachrichtungen bzw. Schwerpunkten angeboten und führt zur Fachhochschulreife und zur allgemeinen Flochschulreife. Damit sind die Absolventen berechtigt an Fachhochschulen, Universitäten und Flochschulen zu studieren. Die Bildungsgänge der Fachschule dienen der beruflichen Weiterbildung und bauen auf einer beruflichen Erstausbildung und Berufserfahrungen auf. Die Fachschule kann in verschiedenen Fachbereichen besucht werden und soll die Absolventen befähigen, in Unternehmungen, Betrieben oder Verwaltungen Führungsaufgaben zu übernehmen (Online im Internet: 4).
3.4.2 Bildungsbeteiligung und Bildungserfolg am Berufskolleg Im Folgenden soll eine kurze Übersicht über die Anteile ausländischer Schüler an den Gesamtschülerzahlen der unterschiedlichen Bildungsgänge am Berufskolleg im Schuljahr 2007/08 für ganz Deutschland gegeben werden.
Ausländische Schüler waren im Berufsvorbereitungsjahr mit 17,5%, im Berufsgrundbildungsjahr (Vollzeitform) mit 11,1% und in Berufsaufbauschulen mit 12,3% vertreten. Deutlich geringer fallen ihre Anteile an den Gesamtschülerzahlen in Bildungsgängen der Teilzeit-Berufsschulen mit 5,8%, in den Berufsfachschulen mit 9,8%, den Fachoberschulen mit 6,3%, dem Fachgymnasium mit 5,1% und den Fachschulen mit 3,6% aus (Statistisches Bundesamt 2008: 53).
Zu beachten ist hier, dass die ausländischen Schüler zu Beginn der Ausbildung das niedrigste allgemeine Leistungsniveau aufwiesen, während der Leistungsunterschied zwischen Deutschen mit und ohne ZuWanderungshintergrund eher unbedeutend war. Wenn die Leistungen der Schüler identisch sind, ist die Aussicht auf den Besuch einer vollqualifizierenden Berufsfachschule oder Berufsschule für Deutsche ohne Migrationshintergrund doppelt so hoch wie für Jugendliche mit Migrationshintergrund (Bildungsbericht 2006: 156).
Insgesamt gesehen waren im Schuljahr 2007/08 ca. 43% der Schüler in den oben genannten Bildungsgängen türkischer Herkunft. Sie waren vor allem in den niedrig qualifizierenden Bildungsgängen, wie im Berufsvorbereitungsjahr mit 43% und im Berufsgrundbildungsjahr mit 50% deutlich überrepräsentiert (Statistisches Bundesamt 2008: 55).
Für Nordrhein-Westfalen lassen sich im Schuljahr 2007/08 tendenziell sehr ähnliche Werte heranziehen:
Ausländische Schüler machten im Berufsvorbereitungsjahr 26,4%, dem Berufsgrundbildungsjahr (Vollzeitform) 17,5% und den Berufsfachschulen 12,1% aus, während sie in der Teilzeit-Berufsschule (7,8%), der Fachoberschule (5,6%), dem Fachgymnasium (4,8%) und der Fachschule (4,1%) nur recht spärlich vertreten waren (Statistisches Bundesamt 2008: Fachserie 11: 49).
Bezüglich der tatsächlichen Schulabschlüsse sieht das Bild - ebenfalls im Schuljahr 2007/08 - für ganz Deutschland folgendermaßen aus: Während nur 4,8% der Absolventen einer Teilzeit-Berufsschule, 4,3% einer Fachoberschule, 3,8% eines Fachgymnasiums und lediglich 3,1% einer Fachschule ausländischer Staatsangehörigkeit waren, machten nicht-deutsche Schüler 8,6% der Absolventen einer Berufsfachschule, 8,7% des Berufsgrundbildungsjahres (Vollzeitform) und sogar 16,7% des Berufsvorbereitungsjahres aus. Hier wird wieder deutlich, dass Jugendliche mit ausländischen Wurzeln in höheren berufsqualifizierenden Ausbildungsgängen, dem Fachschulabschluss und Ausbildungsberufen des dualen Systems stark unterrepräsentiert und andererseits im Berufsvorbereitungsjahr, beruflichen Praktika und in der Gruppe derer ohne berufsqualifizierenden Abschluss deutlich überrepräsentiert sind (Statistisches Bundesamt 2008: berufliche Schulen 75).
4. Ausländische Jugendliche / Jugendliche mit Migrationshintergrund in der beruflichen Bildung
4.1 Die Bedeutung der Berufsausbildung auf dem deutschen Arbeitsmarkt
In Deutschland erfolgt die berufliche Ausbildung im dualen System, das heißt die Ausbildung findet sowohl im ausbildenden Betrieb als auch in der Berufsschule statt. Das duale Ausbildungssystem ist weltweit anerkannt und wird von ca. 60% der Schulabsolventen zur beruflichen Qualifizierung genutzt (Online im Internet: 5). Die berufliche Ausbildung des dualen Systems ist demnach eine sehr zentrale Form der Bildung, die besonders für Personen mit Zuwandererhintergrund von großer Bedeutung ist. Verfügen ausländische Personen bzw. Menschen mit Migrationshintergrund über eine in Deutschland abgeschlossene Berufsausbildung, so signalisieren sie damit dem zukünftigen Arbeitgeber, dass sie über bestimmte Kompetenzen (z. B. gute Kenntnisse der deutschen Sprache) verfügen und haben daher ähnliche Chancen auf einen qualifizierten Arbeitsplatz wie deutsche Absolventen des beruflichen Ausbildungssystems (Bender / Seifert 1996: 486). Empirische Studien belegen, dass Personen mit einer erfolgreich absolvierten Ausbildung im dualen System schnell eine dem Abschluss gerecht werdende Beschäftigung finden und seltener arbeitslos sind. Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist folglich für das Erwerbsleben von großer Bedeutung, denn auch berufliche Weiterbildung ist stark von der Erstausbildung abhängig. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt kommt es somit zu einer dauerhaften Verfestigung der Unterschiede der Berufschancen zwischen den Inhabern berufsfachlicher Qualifikationen und un- oder angelernten Arbeitskräften [...] Ein solches Arbeitsmarktregime weist entsprechend starke soziale Schließungseffekte auf (Konietzka 2007: 280).
Daraus folgt, dass die soziale Aufwärtsmobilität ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung schwierig und selten ist. Das deutsche Arbeitsmarktregime ist demnach ״eine elementare Quelle der Reproduktion sozialer Ungleichheit.“ (Konietzka 2007: 280).
Der beruflichen Ausbildung kommt also eine Art Schlüsselrolle hinsichtlieh der möglichen Verwirklichung von Lebenschancen zu. Problematisch ist, dass der Filterungsprozess, der durch das Ausbildungssystem hervorgerufen wird, für die jungen Migranten zu einem sehr frühen Zeitpunkt in ihrem Leben eintritt. Diesem Selektionsprozess ist ein weiterer vorgelagert, nämlich die Sortierungsfunktion durch die Schulbildung. Die Chancen einen attraktiven Beruf mit guten Verdienstaussichten zu erlernen sind für Schüler mit einem Hauptschulabschluss aus verschiedenen Gründen wesentlich geringer als für Absolventen eines höheren Bildungsganges. Zum einen hat die Bildungsexpansion durch den Ausbau der weiterführenden Schulen dazu geführt, dass immer mehr Mensehen ein höherer Schulabschluss ermöglicht wurde, der wiederum stärker zu einer Voraussetzung für eine berufliche Karriere wurde. Zum anderen ist die Hauptschule zur Restschule für benachteiligte leistungsschwache Schüler verkommen, was wiederum stark selektiv wirkt.
Die Bildungsunterschiede der Schulabsolventen haben sich also vergrößert und die Anforderungen an einen Auszubildenden sind gestiegen. Durch die große Auswahl an Bewerbern, können ausbildende Unternehmen zwischen ihren Bewerbern wählen, wobei Zeugnisse eine recht zuverlässige Grundlage zur Auswahl eines geeigneten Auszubildenden darstellen. Schüler, die nach der Primarstufe nur eine Empfehlung für die Hauptschule bekommen und schließlich den HauptschulabSchluss erwerben, werden dadurch geradezu vom Ausbildungsmarkt verdrängt, denn die Konkurrenz um die Ausbildungsplätze ist so groß wie nie. Das ist nicht nur der Fall, weil Unternehmen größere Anforderungen und höhere Schulabschlüsse einfordern, sondern auch, weil Abiturienten stärker an einer Berufsausbildung (z. B. als Vorstufe zu einem Studium) interessiert sind und Hauptschüler in diesem Wettbewerb einfach nicht mehr mithalten können (Konietzka 2007: 279ff). Das duale System, das - wie oben beschrieben - eine breite Masse der jungen Schulabgänger ausbildet, funktioniert hier jedoch wieder stark selektiv, indem es aufgrund steigender Qualifikationskriterien konsequent Bewerber mit schlechten Schulabschlüssen vom System ausschließt (Stomporowski 2004: 15). Zu dieser Gruppe der Benachteiligten gehören dann eben oft ausländische Jugendliche bzw. junge Menschen mit Migrationshintergrund, die - wie das vorangegangene Kapitel gezeigt hat - häufig schlechtere Schulabschlüsse aufweisen als ihre deutschen Mitschüler.
2004 hatten zwei Drittel der Auszubildenden im dualen System einen mittleren oder höheren Abschluss, während nur noch ca. ein Drittel der Ausbildungsplätze auf Hauptschüler mit und ohne Abschluss entfiel (Bildungsbericht 2006: 82f). Das heißt, hier kommt es zu einer Schließung von Positionen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt, vor allem für die gering Qualifizierten. Durch den Ausschluss am System der dualen Ausbildung weichen die niedrig Qualifizierten häufig auf Alternativen wie das Berufsgrundschuljahr oder ähnlich qualifizierende schulische Bildungsgänge aus. Diese haben aber mittlerweile ״Warteschleifencha- raktér“ (Konietzka 2007: 288) und können daher zumeist als Umwege bezeichnet werden. 2004 befanden sich mehr als 50% der Hauptschü- 1er und sogar 84% der Schüler ohne Abschluss in Maßnahmen des übergangssystems, was zeigt, wie schwierig der Übergang für niedrig Qualifizierte geworden ist (Bildungsbericht 2006: 82f). Hauptschulabsolventen sind also extrem benachteiligt im Wettbewerb um einen Ausbildungsplatz und der sich dadurch eröffnenden Möglichkeiten für die weitere Lebensplanung; untere Schulabschlüsse werden somit schlichtweg entwertet. Eine noch schlechtere Ausgangslage finden diejenigen Jugendlichen vor, die gar keinen Abschluss erreichen konnten. Sie sind erst Recht nicht in der Lage, mit ihren Mitbewerbern um einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz konkurrieren zu können und werden vom System ausgegrenzt und somit an den Rand der Gesellschaft gedrängt (Konietzka 2007: 279ff).
Ursprüngliches Ziel des dualen Ausbildungssystems war aber eben die bildungsschwächeren Jugendlichen am Ausbildungs- und letztlich am Arbeitsmarkt zu integrieren. Die große Schwäche zeigt sich nun darin, dass niedrige Abschlüsse entwertet werden und gering Qualifizierte nur minimale Chancen auf einen Ausbildungsplatz haben (Bildungsbericht 2006: 82f). Da ein überdurchschnittlich großer Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund nur einen Hauptschulabschluss oder aber gar keinen Schulabschluss erreicht, zählen sie hier verstärkt zu den Verlierern der Leistungsgesellschaft.
4.2 Übergang Schule - Berufswelt: Ausbildungs- und Berufschancen für ausländische Jugendliche/ Jugendliche mit Migrationshintergrund
Der Ausbildungspakt der Bundesregierung hat dazu beigetragen, dass die Anzahl der Ausbildungsplätze 2006 im Vergleich zum Vorjahr um 5,7% gesteigert wurde (Online im Internet: 6). Umso ernüchternder fällt die Ausbildungsbeteiligung ausländischer Jugendlicher verglichen mit der der Deutschen aus, denn sie konnten vom ausgeweiteten Angebot an Ausbildungsplätzen nicht profitieren. Betrachtet man die duale Ausbildung in NRW, so fällt auf, dass die Ausbildungsquote, also der Prozentsatz der Auszubildenden an allen Jugendlichen im Ausbildungsalter, (16-22 Jahre) mit knapp über 30% bei ausländischen Jugendlichen, verglichen mit dem der deutschen Jugendlichen von über 70% sehr niedrig ausfällt (Bildungsreport NRW 2006:1 Of).
Nur rund 66.000 Auszubildende mit einem ausländischen Pass befanden sich Ende 2006 in einer Berufsausbildung des dualen Systems, das sind nur ca. 4% aller Auszubildenden. Damit hat sich der Anteil der ausländischen Jugendlichen im Berufsausbildungssystem von 8% Mitte der 1990er Jahre auf einen Rekordtiefwert verschlechtert. Seit Ende der 1980er Jahre waren nicht mehr so wenige ausländische Jugendliche im dualen System untergebracht wie Ende 2006. Den größten Anteil an den ausländischen Jugendlichen stellten mit 38% Auszubildende mit einem türkischen Pass, gefolgt von italienischen mit 12%, 10% hatten die Staatsangehörigkeit eines Nachfolgestaates des ehemaligen Jugoslawiens und 4% waren Griechen (Datenreport 2008: 59). Folglich sind Migranten und Ausländer auch stärker hinsichtlich einer Arbeitslosigkeit gefährdet, was sich häufig mit einer fehlenden Berufsausbildung begründen lässt. Ende 2004 hatte zwar der Anteil der ausländischen Jugendlichen im Alter von 20-29 Jahren ohne beruflichen Abschluss mit 33% einen Tiefstand erreicht, trotzdem haben Migranten ein 2,4 Mal so großes Risiko keinen Berufsabschluss zu erreichen. Folglich müssen sie ohne einen solchen Abschluss um einen Arbeitsplatz konkurrieren, was wiederum ein deutlicher Nachteil gegenüber den deutschen Jugendlichen der gleichen Altersgruppe ausmacht (Datenreport 2008: 78 Abb. 4).
Ähnlich problematisch stellt sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt dar. Während 50% der deutschen Jugendlichen bereits nach durchschnittlich drei Monaten der Suche einen Ausbildungsvertrag unterschreiben konnten, lässt sich diese Anzahl der erfolgreich vermittelten ausländischen Jugendlichen erst nach fast anderthalb Jahren der Suche feststellen (Datenreport 2008: 59).
Im Jahr 2006 betrug der Anteil ausländischer Auszubildenden in Deutschland lediglich 4% und fiel damit gegenüber dem Vorjahr um 2,8% ab. Wenn man bedenkt, dass ausländische Jugendliche in der Altersgruppe von 18 bis 21 Jahren ca. 12% der deutschen Gesamtbevölkerung dieser Altergruppe ausmachen, sind sie im dualen System der Ausbildung stark unterrepräsentiert. Denn ihre Ausbildungsbeteiligungsquote (= der Anteil der ausländischen Auszubildenden an allen ausländischen Jugendlichen insgesamt) ist mit 23% weniger als halb so groß wie die der deutschen Jugendlichen mit 56,9% (BBB 2008: 125f).
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1 Zur besseren Lesbarkeit wird im weiteren Text nicht nach männlicher und weiblicher Form unterschieden, sondern - sofern kein geschlechtsneutraler Begriff zur Verfügung stand - die männliche Form verwendet, dabei sei aber die weibliche Form stets mit eingeschlossen.
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