Wahlsystemfragen sind Machtfragen. Folglich werden Wahlsysteme von politischen oder sozialen Kräften danach beurteilt, ob sie durch diese begünstigt oder benachteiligt werden. Diese Beurteilung setzt die Annahme voraus, dass Wahlsysteme eine Wirkung auf parteipolitische Kräfteverhältnisse außer- und innerhalb des Parlaments sowie auf andere Aspekte des politischen Geschehens haben. Do electoral systems matter? Hierüber herrscht weitgehend Einigkeit. Wahlsysteme üben psychologische und mechanische Effekte aus. Sie strukturieren die parteiliche Zusammensetzung des Parlaments und die Wahlentscheidung des Wählers.
Ungewisser und umstrittener als die Frage nach der Relevanz von Wahlsystemen ist letztlich die Frage nach deren konkreten politischen Auswirkungen.
Um diese Fragen zu beantworten, bedarf es einer Definition des Begriffes Wahlsystem: „Wahlsysteme bestimmen, nach welchen Verfahren Bürger ihre politischen Präferenzen in Wählerstimmen ausdrücken können, und nach welchen Regeln diese über die Vergabe von Parlamentsmandaten und anderen Positionen entscheiden.“
In der Wahlsystemforschung besteht eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Mehrheitswahl und Verhältniswahl. Diese ist jedoch sehr verallgemeinernd und soll im Folgenden nur kurz dargestellt werden. Unterschieden werden können Wahlsysteme jedoch auch nach ihren technischen Elementen. Zu diesen zählt die Literatur neben dem Wahlkreis und den Stimmenverrechnungsverfahren auch die Form der Kandidatur (Wahlbewerbung) und die Stimmgebung. Anhand der letzten beiden Elemente versucht diese Arbeit, Unterschiede in Wahlsystemen und unterschiedliche Wirkungen von Wahlsystemen herauszuarbeiten und somit die eingangs gestellten Fragen zu beantworten. Als Beispiele dienen die Kommunalwahlen in Baden-Württemberg sowie die Kommunal- und Landtagswahlen in Bayern.
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort
2 Typologisierung von Wahlsystemen
2.1 Mehrheitswahl
2.2 Verhältniswahl
3 Technische Elemente von Wahlsystemen
3.1 Wahlbewerbung
3.1.1 Listenformen
3.1.2 Listenverbindungen
3.1.3 Stimmgebungsverfahren
3.1.4 Die Kombination von Listenform und Stimmgebung
4 Allgemeine Auswirkungen technischer Elemente von Wahlsystemen
5 Bewertung
6 Wahlsystemforschung
7 Wahlsystemwirkungen am Beispiel der bayerischen Kommunal- und Landtagswahlen und der baden-württembergischen Kommunalwahlen
7.1 Das Kommunalwahlsystem in Baden- Württemberg
7.2 Das Wahlsystem in Bayern
7.3 Wahlsystemwirkungen in Baden-Württemberg und Bayern
7.4 Konkrete Wirkungen
8 Fazit
9 Bibliographie
1 Vorwort
Wahlsystemfragen sind Machtfragen. Folglich werden Wahlsysteme von politischen oder sozialen Kräften danach beurteilt, ob sie durch diese begünstigt oder benachteiligt werden. Diese Beurteilung setzt die Annahme voraus, dass Wahlsysteme eine Wirkung auf parteipolitische Kräfteverhältnisse außer- und innerhalb des Parlaments sowie auf andere Aspekte des politischen Geschehens haben. Do electoral systems matter? Hierüber herrscht weitgehend Einigkeit. Wahlsysteme üben psychologische und mechanische Effekte aus. Sie strukturieren die parteiliche Zusammensetzung des Parlaments und die Wahlentscheidung des Wählers.
Ungewisser und umstrittener als die Frage nach der Relevanz von Wahlsystemen ist letztlich die Frage nach deren konkreten politischen Auswirkungen.
Um diese Fragen zu beantworten, bedarf es einer Definition des Begriffes Wahlsystem: „Wahlsysteme bestimmen, nach welchen Verfahren Bürger ihre politischen Präferenzen in Wählerstimmen ausdrücken können, und nach welchen Regeln diese über die Vergabe von Parlamentsmandaten und anderen Positionen entscheiden.“[1]
In der Wahlsystemforschung besteht eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Mehrheitswahl und Verhältniswahl. Diese ist jedoch sehr verallgemeinernd und soll im Folgenden nur kurz dargestellt werden. Unterschieden werden können Wahlsysteme jedoch auch nach ihren technischen Elementen. Zu diesen zählt die Literatur neben dem Wahlkreis und den Stimmenverrechnungsverfahren auch die Form der Kandidatur (Wahlbewerbung) und die Stimmgebung. Anhand der letzten beiden Elemente versucht diese Arbeit, Unterschiede in Wahlsystemen und unterschiedliche Wirkungen von Wahlsystemen herauszuarbeiten und somit die eingangs gestellten Fragen zu beantworten. Als Beispiele dienen die Kommunalwahlen in Baden-Württemberg sowie die Kommunal- und Landtagswahlen in Bayern.
2 Typologisierung von Wahlsystemen
Als Wahlsystem bezeichnet man das technische Verfahren „nach welchem die Wähler ihre Partei und/oder Kandidatenpräferenz in Stimmen ausdrücken und diese in Mandate übertragen werden“[2].
Es besteht eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Mehrheitswahl (Einzelkandidatur) und Verhältniswahl (Listenkandidatur). Alle Wahlsysteme, die sich dieser nicht zuordnen lassen, sind kombinierte Systeme, also eine Verbindung der Entscheidungsregeln der Mehrheitswahl (Majorz) und der Verhältniswahl (Proporz).
2.1 Mehrheitswahl
Bei der Mehrheitswahl entscheidet die Majorzregel. Nur die Stimmen, welche an den siegreichen Kandidaten abgegeben werden, zählen, sprich sind politisch erfolgreich. Hierbei entsteht leicht die Gefahr einer Verödung der politischen Landschaft oder der Abnahme der Wahlbeteiligung. Auch für Parteien ergeben sich Nachteile. So ist zum Beispiel ein Übersoll an Stimmen nichts wert, diese Stimmen zählen nicht. Schlecht ist das vor allem für Parteien, welche ihre Wählerschaft in Hochburgen vereinen. Für den Wähler hingegen ergeben sich Vorteile. Die Mehrheitswahl bedeutet für ihn eine klare Entscheidungssituation. Er erkennt des Weiteren einen klaren Zusammenhang zwischen Stimmabgabe und Wahlergebnis.
2.2 Verhältniswahl
Bei der Verhältniswahl entscheidet die Proporzregel. Dies bedeutet im Wesentlichen eine Erfolgswertgleichheit der Stimmen, was auch schwächeren Parteien einen Anteil an Mandaten sichern kann. Demnach liegen bei der Verhältniswahl die Auswirkungen im Wahlergebnis. Die Parteien sind also entsprechend dem Verhältnis an Wählerstimmen im Parlament vertreten.
Bei diesem System sieht die Wählerschaft die Beteiligung mehr als Erfolg, da zum einen jede Stimme zählt und die Parteien zum anderen auch um jede dieser Stimmen gezielt kämpfen. Diese Erfolgsaussicht kann so auch zu höherer Wahlbeteiligung führen, was der Verhältniswahl unter wahlsystematischen Gesichtspunkten mehr Inklusion bescheinigt.
Allgemein lässt sich also sagen, dass die Mehrheitswahl eine Wahl von Persönlichkeiten ist, allerdings ohne Präferenzgebung. Der Abgeordnete ist unabhängiger von seiner Partei, wobei allerdings auch eine hohe Anfälligkeit zu Hochburgenbildung besteht. Grundsätzlich gilt bei der Mehrheitswahl ein ungleicher Erfolgswert der Stimmen bei einfacher Zuordnung von Stimmgabe zu Wahlergebnis.
Die Verhältniswahl erfolgt hingegen im Allgemeinen als Listenwahl mit unpersönlicher Liste, wobei hier Formen der Präferenzstimmgebung möglich sind, was wiederum die Persönlichkeit der einzelnen Kandidaten in den Vordergrund rückt. Die Abgeordneten sind demnach unabhängiger von ihrer Partei. Grundsätzlich gilt bei der Verhältniswahl ein gleicher Erfolgswert der Stimmen bei schwieriger Zuordnung von Stimmgabe zu Wahlergebnis.
In Betrachtung der Stimmen-Mandate-Relation ergeben sich also bei der Mehrheitswahl meist große Disproportionen, wohingegen das Proporzprinzip der Verhältniswahl auch kleineren Parteien die Chance ermöglicht, ins Parlament einzuziehen.
Natürlich sind diese Ausführungen nur allgemeine, schematisierende Aussagen, um Wahlsysteme zu erklären und betreffen lediglich die Unterscheidungen nach Repräsentationszielen. Wie überall, so gibt es auch in diesem Bereich viele Abweichungen und Besonderheiten. Diese finden sich zum Beispiel in Zweierwahlkreissystemen mit Personen- oder Listenwahl, bei Mehrheitswahl mit proportionaler Liste, bei Verhältniswahlen, je nachdem welche Form der Liste verwendet wird (starre, lose gebundene oder freie Liste) oder auch beim single transferable vote, der übertragbaren Einzelstimmgebung.
3 Technische Elemente von Wahlsystemen
Um Wahlsysteme genauer zu klassifizieren, eignen sich auch deren technische Elemente. Neben der Wahlkreiseinteilung und -größe und den Verrechnungsverfahren sind vor allem die Listenformen und Stimmgebungsverfahren von Bedeutung. Diese werden in der Wahlsystemforschung unter dem Oberbegriff der Wahlbewerbung zusammengefasst.
3.1 Wahlbewerbung
Die Wahlbewerbung ist einer der Bereiche, die durch das Wahlsystem geregelt werden. Hierbei handelt es sich im weitesten Sinne um die Kandidatur von Personen und Parteien. Für die Wahlen ist dies ein unverzichtbarer Teil. Wichtige Aspekte der Wahlbewerbung sind sowohl Listenformen, als auch Stimmgebungsverfahren. Grundsätzlich wird bei der Wahlbewerbung zwischen Einzelkandidatur und Liste einerseits und verschiedenen Listenformen andererseits unterschieden. Entgegen einer weitläufigen Annahme steht bei der Listenkandidatur die Persönlichkeit des Bewerbers weit mehr im Vordergrund als bei einer Einzelkandidatur. Grund hierfür ist, dass unterschiedliche Formen der Liste oder der Stimmgebung dem Wähler gestatten, größeren Einfluss auf die Auswahl der Bewerber zu nehmen. So kann die Auswahl zwischen Bewerbern einer bestimmten Partei, aber auch zwischen den jeweiligen zur Wahl angetretenen Parteien erfolgen.
3.1.1 Listenformen
Diese Auswahlmöglichkeiten sind abhängig von der Form der Liste, welche zugleich als Parteiliste begriffen wird. Hier lassen sich drei verschiedene Formen unterscheiden:
Die starre Liste evoziert eine Stimmgabe en bloc für eine Partei. Hier wird die Reihenfolge der Kandidaten von Parteigremien festgelegt. Diese ist vom Wähler nicht veränderbar, er ist also an den Vorschlag gebunden. Starre Listen erhöhen somit die Abhängigkeit der Abgeordneten von ihrer Partei, sie sind auf die Zuweisung eines guten Listenplatzes angewiesen. Andererseits erlauben starre Listen den Parteien durch Vorauswahl, die Zusammensetzung der Fraktionen zu planen, wodurch Experten und Repräsentanten verschiedener Interessengruppen berücksichtigt werden, aber auch bestimme Quotenregelungen eingehalten werden können.
Die zweite mögliche Listenform ist die lose gebundene Liste. Diese überlässt dem Wähler selbst die Entscheidung über die Auswahl der Vertreter der Partei. Hierbei wird die Liste nur durch Parteigremien vorstrukturiert. In diesem Fall wird der Abgeordnete unabhängiger von seiner Partei. Er wird nicht mehr ausschließlich von dieser getragen, sondern auch von dem Wähler, der seinen Namen ankreuzt.
Die dritte und letzte Listenform ist die freie Liste. Hier kann der Wähler – in Verbindung mit der Mehrstimmgebung – seine eigene Liste zusammenstellen, wobei die ursprüngliche Liste der Parteien nur als unverbindlicher Vorschlag anzusehen ist.
Zusammenfassend fällt bei allen Listenformen auf, dass diese hauptsächlich das Verhältnis von Wähler zu Kandidat bzw. Abgeordnetem und das Verhältnis von Kandidat bzw. Abgeordnetem zur Partei betreffen.
Die Einschätzung der Listenformen durch die Parteien ist dabei unterschiedlich und meist historisch bedingt. So neigen Massenintegrationsparteien meist zu starrer Liste, wobei Parteien, die sich als ehemalige Honoratiorenparteien begreifen, eher die lose gebundene Liste bevorzugen.
3.1.2 Listenverbindungen
Im Verhältniswahlrecht gibt es überdies die Möglichkeit von Listenverbindungen. Diese bedeuten ein Bündnis mehrerer Parteien, die sich gemeinsam zur Wahl stellen Die Auswertung erfolgt nach Stimmenanteilen, die in Mandate umgewandelt werden und wiederum nach dem Stimmenanteil der jeweiligen Partei vergeben werden. Unter wahlsystematischen Gesichtspunkten dienen die Listenverbindungen meist kleinen Parteien, deren Stimmen verloren gingen, wenn sie natürliche oder institutionelle Hürden eines Wahlsystems nicht überspringen könnten. In der Realität nutzen diese Möglichkeit kleine, in der Regel gemäßigte Parteien, um so parlamentarische Vertretung zu erlangen.
Die Auswirkungen von Listenverbindungen erscheinen jedoch eher negativ. So hat der Wähler trotz großer Parteienvielfalt im Parlament eine eher geringe Auswahlchance und auch das Format des Parteiensystems ist wenig steuerbar. Arend Lijphart zählt die Listenverbindungen jedoch zu einer der wichtigsten Variablen, welche die Auswirkungen von Wahlsystem bestimmen. In seinen Augen verringern diese die Disproportionalität, erhöhen die effektive Zahl der Parlamentsparteien und reduzieren die Häufigkeit künstlicher Mehrheiten, also Parlamentsmehrheiten, die nicht den absoluten Mehrheiten der Wählerstimmen entsprechen.[3]
[...]
[1] Falter, Jürgen W./Schoen, Harald (Hrsg.) : Handbuch Wahlforschung, 2005, S. 573
[2] Nohlen, Dieter: Wahlrecht und Parteiensystem, 2004, S. 53
[3] ebenda, S. 97
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