Die vorliegende Arbeit ist eine Behandlung der Paragraphen 6 bis 13 der Prolegomena (1783) von Immanuel Kant. Es geht um die transzendente Hauptfrage: Wie ist reine Mathematik möglich? Unter Berücksichtigung dieser Frage wird der Text erläutert, interpretiert und erklärt. Dies geschieht mit Erklärungen zu Randbegriffen und mehrmaliger Erläuterungen anhand Kants Kritik der reinen Vernunft (1787). Wichtiges Kernstück der Behandlung ist die Erklärung der reinen Anschauungsformen von Raum und Zeit.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Kant und die Prolegomena
Fragestellung und Terminologie
Beantwortung der Frage: Wie ist reine Mathematik möglich?
Erscheinung und Ding an sich selbst
Raum und Zeit
Erläuterung und Bestätigung der These
Zusammenfassung der These
Erste Beispiele
Beispiele gegen die Zweifel
Anmerkungen und Gegenargumentation
Klarstellung
Gegen Vorwürfe
Literaturverzeichnis
Einleitung
Kant und die Prolegomena
Immanuel Kant (1724 – 1804) gilt als einer der größten Philosophen aller Zeiten. Seine Philosophie bedeutet den intellektuellen Höhepunkt und zugleich eine Wende in der europäischen Aufklärung. Kant betrachtet den Streit in der Metaphysik, den fortdauernden Konflikt zwischen Rationalismus und Empirismus, als einen Skandal. Aufgrund dessen stellt er die Untersuchung metaphysischer Gegenstände erst einmal zurück und geht der Frage nach, ob Metaphysik überhaupt möglich sei.
Kant hat 1781 die erste Auflage seiner Kritik der reinen Vernunft1 publiziert, welches zugleich sein Hauptwerk ist und die konkrete Beantwortung der Frage „Ist Metaphysik möglich?“ beinhaltet. In Folge von manchem Unverständnis publizierte er die Prolegomena2, welche als Einleitung und verständlichere Form der Kritik der reinen Vernunft gelten soll.3
In seinem Prozess, die Metaphysik (zu diesem Zeitpunkt) als unwissenschaftlich darzustellen, nimmt Kant sich unter anderem der Mathematik vor, um sie als eine der Wissenschaften vor zu zeigen, die es geschafft haben, beständig zu bleiben.
Allein die Frage nach der reinen Mathematik, wie der Titel des Abschnittes lautet („Wie ist reine Mathematik möglich?“), zeigt wieder auf das, was Kant will und auch bereits im Vorfeld erörtert hat. Die Bezeichnung „rein“ bezieht sich nämlich direkt auf den Begriff der Vernunft und indes auf den des a priori. Kant lässt sich also bereits im Vorfeld in die Karten schauen und fragt nach der Möglichkeit einer apriorischen Wissenschaft, die dennoch unser Wissen erweitert – er sucht nach synthetischen Urteilen a priori in der Mathematik (Weil es sonst keine Wissenschaft wäre. Analytische Sätze a priori erweitern unsere Erkenntnis nicht, die Vernunft dreht sich im Kreis – und dies kann nicht das Ziel einer Wissenschaft sein, meint Kant.).
Fragestellung und Terminologie
Im ersten Paragraph zur Mathematik in den Prolegomena (Paragraph Sechs) ist bereits der erste Satz ein Zeichen dafür, dass sich Kant selbstsicher fühlt: „Hier ist nun eine große und bewährte Erkenntniß, die schon jetzt von bewundernswürdigem Umfange ist“ (Prolegomena, 1783). Dann wirft er die allgemeine Frage auf, wie es der menschlichen Vernunft denn möglich ist, rein apriorische und doch synthetische Erkenntnis zu erlangen.
In dem siebten Paragraph verdeutlicht Kant, dass die Mathematik ihre Begriffe eindeutig vorher in Anschauungen anfindet. Dies wird hier nicht weiter ausgeführt, allerdings sollte man wissen, was Kant unter den beiden Begriffen versteht.
Eine Anschauung ist die unmittelbare Vorstellung genau eines Gegenstandes. Inhalt einer solchen Anschauung ist eine Empfindung; sie wird uns durch die Erfahrung gegeben und ist somit a posteriori. Das Vermögen der Anschauungen, also das Vermögen, von etwas, das außer uns ist, affiziert zu werden, nennt Kant die Sinnlichkeit.
Anschauungen allein liefern uns aber noch keine Erkenntnis. Dazu braucht man Begriffe. Ein Begriff ist eine Vorstellung, die mehreren Dingen gemeinsam zukommen kann. Die Begriffe richten sich über die Sinnlichkeit vermittelt, also mittelbar, auf ein Ding. Das Vermögen der Begriffe (das Vermögen, Gegenstände durch Begriffe zu denken) ist der Verstand.
Diese beiden Erkenntnisvermögen (Sinnlichkeit und Verstand) sind nach Kant bei jeder Erkenntnis eines empirischen Gegenstandes gleichberechtigt beteiligt. Und in der Tat: Die Anschauung ohne Begriff ist „blind“: Sie erlaubt nicht, den Gegenstand als etwas zu identifizieren, eben zu „begreifen“ – dazu muss er erst unter einen Begriff gebracht werden. Und so ist auch der Begriff ohne Anschauung „leer“: Er ist wie eine leere Form, die erst durch Erfahrung ausgefüllt werden muss, sonst besteht die Gefahr, dass ihm möglicherweise überhaupt kein wirklicher Gegenstand entspricht.
Nun hat Kant aber ein Problem: „Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheit der Gegenstände richten müßte, so sehe ich nicht ein, wie man a priori von ihr etwas wissen könne“4
Wenn alle Anschauungen empirisch gewonnen wären, also a posteriori, dann wäre es unmöglich zu erklären, wie synthetische Urteile a priori möglich sein sollten. Kant erkennt die Problematik am Anfang von Paragraph 8: „Denn nunmehr lautet die Frage: wie ist es möglich, etwas a priori anzuschauen?“ (Prolegomena, 1783).
Die konkreter ausformulierte Frage lautet dann: Wie kann Anschauung noch vor der Erscheinung des Gegenstandes selbst aufkommen? (vgl. Prolegomena, 1783) Dies versucht Kant nun in dem Darauffolgenden darzulegen.
Beantwortung der Frage: Wie ist reine Mathematik möglich?
Erscheinung und Ding an sich selbst
Kant versucht also nun zu definieren, wie Anschauung a priori möglich ist. Er verfährt per Ausschlussverfahren und sagt als erst, dass unsere Anschauung nicht von der Art sein kann, als dass sie sich die Dinge vorstellt, „so wie sie an sich selbst sind“ (Prolegomena, 1783); denn dies wäre allemal eine empirische Vorstellung. Dies, weil ich nur etwas über den Gegenstand an sich wissen kann, wenn er sich mir gegenwärtig präsentiert. Darüber hinaus könnte die Anschauung sowieso nie die Dinge an sich sehen, sondern wäre von vornherein durch die Eigenschaften meines Erkenntnisvermögens eingeschränkt.
Nun müsste es angebracht sein, kurz darzulegen, was Kant unter den Begriffen von Erscheinung und Ding an sich selbst versteht; besonders unter der Berücksichtigung, dass es möglich ist sein ganzes Werk, auch die Kritik der reinen Vernunft, unter diesen Gesichtspunkten zu lesen.
Unter Erscheinung versteht Kant ein Ding, so wie es für uns erscheint, d.h. so wie wir es durch die Formen der Sinnlichkeit und des Verstandes hindurch sehen.
Als Ding an sich (selbst) hingegen bezeichnet Kant das Ding, so wie es an sich ist, d.h. so wie es außerhalb der Formen, die unser Erkenntnisapparat ihm vorschreibt, beschaffen ist.
Am Beginn jedes Erkenntnisaktes steht also das Ding an sich, welches unsere Sinnesorgane affiziert, an seinem Ende steht die Erscheinung. Daraus ergeben sich wichtige Konsequenzen:
1. Das Ding an sich ist unerkennbar. Das Ding an sich gibt es zwar (irgendetwas muss unsere Sinneseindrücke ja auslösen, es kann keine Erscheinung geben ohne etwas, das erscheint), aber wir können nichts über es wissen. Wir kennen die Dinge nur, wie sie für uns sind, wie sie uns erscheinen, nicht wie sie an sich sind.
2. Alles, was wir erkennen können, bezieht sich also auf die Welt der Erscheinungen. Das bedeutet aber auch: die synthetischen Sätze a priori haben einen eingeschränkten Geltungsbereich (die Erscheinungswelt), innerhalb dessen sie unsere Erkenntnis erweitern. Wird dieser Geltungsbereich überschritten, versucht man also Aussagen über transzendente Gegenstände (die Welt möglicher Erscheinungen übersteigende Gegenstände) zu machen, so verstrickt sich unsere Vernunft notwendigerweise in Widersprüche, da ihre Begriffe „leerlaufen“ – sie können ja an keiner Anschauung überprüft werden.
3. Kants Kritizismus beerbt sowohl Empirismus wie Rationalismus, denn der Stoff der Erkenntnis wird uns durch die Erfahrung geliefert, ist also a posteriori, aber die Form dieser Erkenntnis ist a priori, in unserer Vernunft verankert. Daher kann Kant behaupten: Alle Erkenntnis hebt mit der Erfahrung an, aber nicht alle Erkenntnis stammt aus der Erfahrung.5
Raum und Zeit
Kant drückt sich nun in Paragraph 9 etwas kompliziert aus und führt die Lösung seines Problems nicht ausführlich aus: Anschauung a priori ist nur möglich, „wenn sie nämlich nichts anders enthält, als die Form der Sinnlichkeit, die in meinem Subject vor allen wirklichen Eindrücken vorhergeht, dadurch ich von Gegenständen afficirt werde“ (Prolegomena, 1783).
Kant nennt diese „Form[en] der Sinnlichkeit“ anfangs jedoch nicht (erst in Paragraph 10), aber er spricht von der Einteilung der Sinnlichkeit in Raum und Zeit. Also: Synthetische Urteile a priori sind möglich, weil es a priori gültige Anschauungen gibt. Kant nennt sie Anschauungsformen (Raum und Zeit). Die Empfindung existiert nicht als solche („nackt“) in der Sinnlichkeit. Sie ist immer schon geformt durch die Struktur der Sinnlichkeit, die ihre Bedingungen den sinnlichen Eindrücken auferlegt. Diese Bedingungen sind die Formen von Raum und Zeit. Raum und Zeit sind also die Anschauungsformen der Sinnlichkeit, durch die das Erkenntnissubjekt die empirische Welt (wie durch eine Spezialbrille verzerrt) als eine notwendig räumlich und zeitliche strukturierte sieht.
Die traditionelle Auffassung behauptete: Die Anschauung richtet sich nach dem Objekt der Sinnlichkeit. Raum und Zeit wären demnach Eigenschaften des Objekts und könnten nur a posteriori von einem Gegenstand ausgesagt werden. Diese Auffassung vermag aber nicht den universalen und notwendigen Charakter von Raum und Zeit zu erklären. Kants Hypothese besagt: Das Objekt der Sinnlichkeit richtet sich nach der Beschaffenheit des Anschauungsvermögens.6
Anhand der Kritik der reinen Vernunft und mithilfe des systematischen Handlexikons zu letzterem7 kann man Gründe angeben, die Raum und Zeit a priori bestätigen. Folgende Tabelle erläutert Kants Begründung von Raum und Zeit als apriorische Anschauungsformen recht deutlich:
(Der besseren Übersicht halber habe ich die Tabelle mit den Gründen auf die nächste Seite verlegt.)
[...]
1 Siehe Literaturverzeichnis.
2 Siehe Literaturverzeichnis.
3 Wenn ich mich im Folgenden auf die Prolegomena beziehe oder nach ihr zitiere, so tue ich das ausschließlich nach der im Literaturverzeichnis angegebenen Ausgabe von den Seiten 37 – 50.
4 Kant, I. (1787): Vorrede zur zweiten Auflage [B]. In: Kritik der reinen Vernunft (S. BXVII). Leipzig (1998): Meiner.
5 Vgl. Kant, I. (1787): Vorrede zur zweiten Auflage [B]. In: Kritik der reinen Vernunft (S. BXXV ff.). Leipzig (1998): Meiner.
6 Hier gehe ich nicht weiter auf die lange Überlegung Kants zu den Begriffen und die Einteilung in „Kategorien“ ein. Es gibt Begriffe, angeborene Ordnungsmuster des Verstandes, die es uns erlauben a priori etwas über jeden Gegenstand der Erfahrung auszusagen... usw.
7 Siehe Literaturverzeichnis.
- Citar trabajo
- Philippe Schannes (Autor), 2009, Kants Prolegomena: Wie ist reine Mathematik möglich?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132680
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