Exemplarisch werden in dieser Arbeit die Werke Canción del pirata und El canto del cosaco unter dem Gesichtspunkt des Freiheitsgedankens von Individuen, die sich am Rand der Zivilisation befinden, betrachtet. Die Charaktere werden zu Redefiguren und drücken mit ihren Ansichten den Unmut der Marginalisierten gegenüber der damaligen Sozialordnung aus. In der Analyse selbst folgt auf eine jeweilige kurze Inhaltsangabe eine sprachliche Untersuchung von Besonderheiten in Wortwahl und Stilmitteln, an denen sich Espronceda bedient, um seinen Wörtern Glanz zu verleihen und sein Appell an den Lesenden, die Infragestellung des Terminus Freiheit, deutlicher zu machen. Durch den Vergleich verschiedener Ausdrücke von Freiheitsgedanken in den beiden Gedichten kann anschließend abgeleitet werden, inwiefern Esproncedas Freiheitsideale im gleichen Maß in verschiedenen Werken zu Vorschein kommen, beziehungsweise, wie dieser differiert. In meinem Fazit wird dann überprüft, ob meine anfänglichen Vermutungen der Figuren als romantische Helden, die Esproncedas Ideale verkörpern, mit meinen Analyseergebnissen übereinstimmen oder ob diese Annahme meinerseits durch die Ergebnisse falsifiziert wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Topos des romantischen Helden
3. Exemplarische Analyse einzelner Gedichte Esproncedas
3.1. Analyse von Cancion delpirata
3.2. Analyse von El canto del cosaco
3.3. Vergleich der beiden Texte
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Freiheit. Der Ausdruck von „politische[r] Unabhängigkeit im Hinblick auf Staat und Gesellschaft [, beziehungsweise] Unabhängigkeit von äußerer und innerer Unterdrückung“ (DWDS). Ein Zustand, den viele erreichen wollen, aber nur die wenigsten erlangen. Im 19. Jahrhundert beschäftigen sich die Bürgerinnen Spaniens intensiv mit diesem Freiheitsbegriff und verfolgten das Ziel einer kollektiven Selbstbestimmung. Entfacht durch politische Unterdrückung ließen sich bürgerkriegsartige Zustände abzeichnen; es herrschte ein Umbruch in der Gesellschaft. Die Französische Revolution, die mit der Abschaffung des feudalabsolutistischen Ständestaats weitreichende macht- und gesellschaftspolitische Veränderungen in ganz Europa hervorbrachte, ließ Anzeichen eines gemeinschaftlichen Demokratiebestrebens in Spanien erblühen. Inspiriert von diesem Phänomen sehnten sich die Mitglieder*innen der Gesellschaft nach einer Neugestaltung des alten Regimes. Im Mittelpunkt dieses Bestrebens stand der Wunsch nach einer liberalen Verfassung, jener politische Freiheit versprechen sollte und sich in der romantischen Lyrik manifestierte. Schriftstellerinnen stellten mithilfe ihrer Literatur die Gültigkeiten der temporären gesellschaftlichen Normen infrage und drückten ihren Wunsch nach einer unangefochtenen Unabhängigkeit aus. Einer der Hauptvertreter der sozialromantischen und revolutionären Strömung ist José de Espronceda, dessen Werke das Ersehnen des Freiheitsbegriffes der Ausgestoßenen verkörpern. Exemplarisch werden in dieser Arbeit die Werke Cancion del pirata und El canto del cosaco unter dem Gesichtspunkt des Freiheitsgedankens von Individuen, die sich am Rand der Zivilisation befinden, betrachtet. Die Charaktere werden zu Redefiguren und drücken mit ihren Ansichten den Unmut der Marginalisierten gegenüber der damaligen Sozialordnung aus. In der Analyse selbst folgt auf eine jeweilige kurze Inhaltsangabe eine sprachliche Untersuchung von Besonderheiten in Wortwahl und Stilmitteln, an denen sich Espronceda bedient, um seinen Wörtern Glanz zu verleihen und sein Appell an den Lesenden, die Infragestellung des Terminus Freiheit, deutlicher zu machen. Durch den Vergleich verschiedener Ausdrücke von Freiheitsgedanken in den beiden Gedichten kann anschließend abgeleitet werden, inwiefern Esproncedas Freiheitsideale im gleichen Maß in verschiedenen Werken zu Vorschein kommen, beziehungsweise, wie dieser differiert. In meinem Fazit wird dann überprüft, ob meine anfänglichen Vermutungen der Figuren als romantische Helden, die Esproncedas Ideale verkörpern, mit meinen Analyseergebnissen übereinstimmen oder ob diese Annahme meinerseits durch die Ergebnisse falsifiziert wird.
2. Der Topos des romantischen Helden
Der romantische Held ist ein Topos, welcher durch die Strömung des Liberalismus, einer Antwort auf den Absolutismus, geprägt wurde. Das DWDS bezeichnet diese Denkweise als eine „im 18. und 19. Jahrhundert entstandene, sich gegen den Feudalabsolutismus wendende, bürgerliche politische Richtung, die eine unbeschränkte Gestaltung des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und individuellen Lebens erstrebte“. Dies bedeutet, dass hier nicht nur der Freiheitsgedanke von einzelnen Individuen, sondern stattdessen der einer ganzen Nation im Mittelpunkt steht. Interessanterweise lassen sich bei der aus dieser Strömung entstandenen Metaphorik, die in der Literatur vor allem von Espronceda gekennzeichnet wurde, größtenteils Antihelden als Protagonisten festmachen. Es sind Personen, die eine „Ästhetik des Bösen [tragen]; der romantische Held ist Außenseiter und trägt in seiner Auflehnung [. . .] satanische Züge [mit sich]“ (Geisler 2002: 74). Diese ,satanischen Züge‘ zeichnen zumeist die Verkörperung von Unheil und den moralisch Verwerflichen, womit hierbei die marginalisierten Individuen der Gesellschaft gemeint sind. Ihre Motive, sich von den Zwängen der Zivilisation entbinden zu wollen, bezeichnen einen Gegensatz zu dem bourgeoiseren Abbild, jenes nicht mit dem Brechen von Normen vereinbar ist. So repräsentieren diese ,Verbrecher‘ den inneren Wunsch von Espronceda nach Autonomie; die Verurteilten lehnen sich gegen die Tyrannei des Adels auf und symbolisieren somit die eigene Sehnsucht nach der Freiheit, die in der Naturhaftigkeit liegt (Stenzel 2010: 210). Die Außenseiter heben sich von der großen Masse des Bürgertums ab; sie haben ihre eigenen Ideale und fügen sich nicht dem Willen der Obrigkeiten. Durch die Fokussierung auf jene Menschen und deren Emporhebung zum romantischen Helden werden die Ausgestoßenen zu den Aufgenommenen, da sie das Vorbild für Esproncedas lyrisches Ich darstellen. Er gibt seinem Freiheitsgedanken, der sich in der Isoliertheit von der Gesellschaft und der Ersuchung des Grenzenlosen manifestiert, eine eigene Identität (Neuschäfer 2011: 260).
Wie bereits erwähnt hat das Postulat der Freiheit für den romantischen Helden höchste Priorität (Neuschäfer 2011: 246). Die Protagonisten setzen sich über traditionelle Bedenken hinweg. Neuschäfer verleiht diesen handelnden Charakteren Attribute wie „titanische oder prometheische Züge“ (ebd.). Angelehnt an den Mythos von Prometheus, der den Göttern das Feuer vom Olymp stahl und den Menschen brachte, rebellieren genannte Figuren gegen die vergängliche Gleichgültigkeit des Bürgertums gegenüber dem Leid, jenes sie akzeptiert haben und signalisieren so nicht nur einen literarischen, sondern auch einen realen Umbruch. Um diesen Wechsel anhand von Beispielen aus Texten Esproncedas festzuhalten und analysieren zu können, werden im nächsten Kapitel die Gedichte La cancion delpirata und El canto del cosaco näher betrachtet.
3. Exemplarische Analyse einzelner Gedichte Esproncedas
Die von mir ausgewählten Gedichte wurden beide in dem Buch Poesias, das im Jahre 1846, also vier Jahre nach dem Tod Esproncedas, erschien, veröffentlicht. Das Werk besteht aus Kompositionen, die, unter anderem, von dem Ersehnen der Freiheit und dem Drang nach Unabhängigkeit handeln. Insgesamt lassen sich fünf Gedichte verzeichnen, bei denen die Protagonisten jeweils die marginalisierten Personen der Gesellschaft darstellen. Von Cancion delpirata, El mendigo, El verdugo, El cosaco, und El reo de muerte werden die Ansichten des Piraten und die des Kosaken für die folgenden Analysen selektiert und anschließend verglichen.
3.1. Analyse von Cancion del pirata
Das Gedicht Cancion del pirata handelt von einem auf ferner See lebenden Piraten, dessen gesetzloser Charakter, der sowohl verfolgt als auch gefürchtet wird, von Espronceda hervorgehoben wird. Der Pirat wird mit Abenteuern in Verbindung gebracht; gewöhnlich werden blutrünstige Männer und Frauen, die keine Gesetze kennen und sich nur an Unmengen von Gold laben wollen, mit der Piraterie assoziiert. Der Reichtum des in diesem Werk dargestellten Piraten beruft sich wiederum auf das abstrakte, ungreifbare Konstrukt der Freiheit, dessen Gesellschaft er auf den Weiten des Meeres unangefochten genießt.
Der formale Charakter des Liedes lässt sich wie folgt darstellen: das Gedicht besteht aus 17 Strophen mit 105 Versen. Es lässt sich grob in die Einleitung, die von Vers eins bis Vers 16 geht und den Hauptteil, der von Vers 17 bis Vers 105 anhält, einteilen. Die beiden ersten Strophen, jeweils bestehend aus acht Versen und acht Silben, also Octosilabos, werden mit dem Reimschema a-b-b-c-d-e-e-c, einem Octavilla, komplementiert. Die Betonung, ausgenommen von dem jeweiligen vierten und achten Vers, bei dem die letzte Silbe betont wird, liegt hierbei auf der vorletzten Silbe. Der Hauptteil bildet sich aus fünf Teilen, bei denen immer zwei Strophen und eine Wiederholung des Chorus eine Sinneinheit darstellen. Während die ersten Strophen immer aus fünf Versen â acht Silben bestehen und deren Reimschema a-b-a-c-c-b das eines gebrochenen Schweifreimes wiedergibt, beinhalten die zweiten Strophen nur vier Silben, wobei sich hier aber acht Verse und das gleiche Reimschema wie in der Einleitung wiederfinden lassen. Es sollte vermerkt werden, dass sich anhand von den formalen Gegebenheiten des Gedichts schon eine Art Rebellion mit der damaligen Ordnung, was wiederum charakteristisch für die Lyrik der Romantik ist, bemerkbar macht. Das Lied des Piraten durchgeht viele Wechsel der Versformen, der Metrik und bleibt nicht einheitlich (Stenzel 2010: 219). Die sogenannte Polymetrie lässt sich kategorisch als typisches Merkmal der Romantik klassifizieren, wobei hier Form und Inhalt zusammen als Polymetrie fungieren. Die Metaphorik der wechselnden Metrik und der Versformen geht mit dem tosenden Rauschen des Meeres und der Figur des Piraten, jene ungezähmt sind und keine Gesetze kennen (V. 39 - 40: „el mar bravio, a quien nadie impuso leyes“), einher und bedeutet, dass der Pirat bereits ein Teil der Natur, die der Gesellschaft als kritischer Gegenspieler illustriert wird, ist.
In dem Refrain, dem Estribillo „Que es mi barco mi tesoro, que es mi Dios la libertad, Mi ley, la fuerza y el viento, Mi unica patria, la mar” (V. 31 - 34) wird von dem Piraten erneut die Freiheit besungen und seine soziale Lage, isoliert von der Gesellschaft und allein auf der See, gelobt. Die asyndetische Aufzählung des individuell festgelegten Gesetzes, dem einzigen Gott, dem sich der Pirat unterordnet, seinem mobilen Heimatort, dem Schiff und der Natur hebt die Wichtigkeit der jeweiligen nummerierten Termini hervor (Lindau 2005: 102). Das Gesetz, das er befolgt, wurde ihm nicht auferlegt - er selbst hat sich diese Regelungen, die er befolgt, ausgedacht und kennt die Fesseln des bürgerlichen Daseins nicht. Das Vaterland, das Gesetz und damit verbunden das Eigentum sind zentrale bourgeoise Werte, die er nicht anerkennt, beziehungsweise nach seiner eigenen Vorstellung formt und ausübt (Stenzel 2010: 2019). Hier lässt sich eine direkte Parallele zu der Metaphorik des Prometheus, die dem romantischen Helden zusätzlich attribuiert wird, feststellen. Das lyrische Ich hat sich von den gesetzlichen Konventionen losgelöst, verachtet die traditionellen Werte und nimmt sein Schicksal selbst in die Hand. Neben der asyndetischen Nummerierung im Estribillo fungiert die Polysyndetische (V. 19 - 20: „que ni enemigo navio ni tormenta, ni bonanza“) wiederum als Gegenpol. Es sind die Natur und die eigene Schöpfung der Zivilisation, vor denen sich das Boot des Kapitäns nicht fürchten muss, da es unter seinem Kommando steht. Er verherrlicht die Natur, wird von ihr akzeptiert und, beziehungsweise gerade deswegen, von allen anderen Piraten und Seemännern gefürchtet, da er keine metaphorischen Handschellen trägt. Jene Seemänner und Freibeuter, die eine Autorisierung der Krone zur Kaperung fremder Schiffe erhielten, müssen sich im Gegensatz dazu vor dem Toben der Natur, dem Fremden, und vor anderen Schiffen, ihrer eigenen Kreation, fürchten. Sie können die Natur nicht einschätzen, da sie auf dem Land, isoliert von den Naturgewalten, nicht mit deren zerstörerischer Kraft konfrontiert werden. Ebenso wenig können Sie die destruktive Macht ihres eigenen Erzeugnisses, Kanonenpulver montiert auf mobile Fahrzeuge auf See, einschätzen, was sie im doppelten Sinn ,blind‘ macht. Espronceda stellt auf einer Metaebene die Stilmittel Polysyndeton und Asyndeton gegenüber, wobei das Asyndeton den romantischen Helden und das Polysyndeton die unfähige Gesellschaft mit ihrer Unwissenheit, vor der der Kapitän sich nicht fürchten muss, darstellt. Das lateinische Präfix A- (Verneinung, ohne) verändert die Bedeutung des Syndetons; zusammen mit seiner inhaltlichen Bedeutung verkörpert das , A -Syndeton‘ den Einzelnen, der sich gegen die Idee der Zusammenschließung in einer Gemeinschaft stellt. Er verneint, leugnet die sozialen Umstände, denen sich Zehntausende unterwerfen und isoliert sich von dem ,Vielen‘. Lat. Poly (Viele) wiederum bezeichnet hier ein Präfix, dass, im Gegenzug zu dem Vorherigen, dem Syndeton gemeinschaftliche Ideale verleiht. Die Gedanken werden nicht durch Kommata getrennt, sondern durch die Konjunktion „ni“ verbunden. A- und Polysyndeton symbolisieren die Dichotomie des Verlebens auf der Welt - in Isolation oder in Gesellschaft, der Pirat gegen den Adel, der Individualismus gegen den Absolutismus, der Ausgestoßene gegen den Eingebundenen und selbstbestimmte gegen verliehene Freiheit.
Wird zuletzt zum 78. Vers („qué es la vida?”), der eine rhetorische Frage darstellt, gesprungen, so wird erneut die Verachtung des Piraten gegenüber den Angehörigen der bürgerlichen Gesellschaft deutlich. Die rhetorische Frage deutet auf Verachtung gegenüber der Unfähigkeit der Bürgerinnen, ,wahre‘ Autonomie auszuüben, da sie sich bereits zu sehr an ihr geregeltes Leben in der Gesellschaft gewöhnt und dessen Schattenseiten unbekümmert ignorieren oder sich sogar von der Regentschaft des Absolutismus einschüchtern lassen. Sein Leben würde ihm nichts bedeuten, wenn er nicht selbst darüber bestimmen könnte. Ein Dasein als Versklavter der Bourgeoisie würde für ihn nie infrage kommen (Landeira 1985: 65). Er wiederholt diesen Refrain mehrere Male und lässt somit erkennen, dass diese Ideale für ihn größte Priorität haben. Während die Bürgerinnen an das Festland gefesselt sind und ihrer Berufung nachgehen müssen, da sie ansonsten bestraft werden würden, segelt der Pirat auf dem Meer der grenzenlosen Möglichkeiten und belächelt nur die beschränkten Umstände der Angehörigen der Klassengesellschaft.
3.2. Analyse von El canto del cosaco
Wie nun aus der vorherigen Analyse herausgelesen werden kann lassen sich im Text Cancion del Pirata viele Charakteristika feststellen, die für ein Brechen mit den Normen und der individuellen Festlegung eines Anspruches auf Freiheit sprechen. Auch in El canto del cosaco sind stilistische Mittel vorzufinden, die eine Rebellion der Werte andeuten.
Das Gedicht besteht insgesamt aus 124 Versen, die sich in 21 Strophen gliedern. Es fällt schnell auf, dass sich gleichzeitig ein Muster, jenes einer Art ,Chaos‘ gegenüberstellt, durch das gesamte Gedicht zieht. Während sich bei jeder Aussage, die insgesamt aus je vier Versen besteht, immer mit Zäsuren versehen und somit einen klaren Zeilenstil ergeben, dass erste und das dritte Versende reimt (V. 5 - 11„niebla [. . .] puebla [. . .] jardines [. . .] serafines“), so weisen jeweils die zweite und die vierte Zeile Assonanzen vor (V. 6 - 12 „volad [. . .] ya [. . .] alli [. . .] zafir“). Im Estrebillo wiederum ist es umgekehrt; hier reimen sich immer die zweite und die vierte Zeile, während der erste und der dritte Vers Assonanzen darstellen. So fungiert die rhetorische Umkehrung der Klangfiguren, die der akustischen Gestaltung des Textes dienen, als eine Art Chiasmus. Zwar werden hier keine syntaktisch oder semantischen Satzteile überkreuz gestellt, aber dafür der Klang der Versenden, was als eine Auflehnung gegen die traditionell gleichbleibenden Metren und Versschemata verstanden werden kann.
Es zeigt sich ein Ringen der Machtordnungen, ein Kampf der Klänge. Vokalische Halbreime werden zwar als klangliche Ergänzung der Konsonanzen gesehen, so entsprechen sie hier jedoch metaphorisch denen, an die appelliert wird. Der Kosake richtet sich an alle anderen gesellschaftlichen Außenseiter, die zu Kosaken werden - unter anderem Deserteure, Häftlinge und verarmte Adlige und ruft zum Krieg auf (V. 6 - 7 „Suelta la rienda, a combatir volad; ^Veis esas tierras fértiles?“). Auch hier lassen sich satanische Züge in der Auflehnung des romantischen Helden erkennen. Der Kosakentrupp, der aus Abenteurern oder Abtrünnigen besteht, soll sich gemeinsam für die Zukunft der eigenen Nachkommen einsetzen und deren Wohl gewaltsam ergreifen, was nur durch den blutigen Kampf gegen die Krone zu Stande kommen kann (V. 17 - 18 „Nuestros sean su oro y sus placeres, Gocemos de ese campo y ese sol und V. 113 - 120 „Y nuestras madres [. . .]“).
Der Kosake bedeutet eine hyperbolisierte Kanalisierung von Esproncedas Bestreben von Freiheit. Wie Velasco (2004: 283) behauptet, geht im Kosakengesang die Moral der Lust mit dem Wunsch nach Rache, die nur durch den Kampf erreicht werden kann, einher. Die Gier der Kosaken, die gleiche Freiheit wie die Bourgeoise zu besitzen, die sich in materiellem Gut und Handelsfreiheit materialisiert, ergreift Besitz des Geistes der Abtrünnigen und richtet ihre Gesichter gen Europa, wo sie in Spanien gewaltiger Luxus erwarten soll. Diesen können sie sich nach ihrem Belieben mit überwältigender Gewalt nehmen und so ihre Rache an jenen, die sie verstoßen hatten, den beständigen Mitgliedern der Gesellschaft, nehmen (Velasco 2004: 284).
3.3. Vergleich der beiden Texte
Espronceda attribuiert dem Piraten den Archetyp des Rebellen; er repräsentiert die romantische Haltung, die Opposition des Helden gegenüber der Welt um ihn herum - marginalisiert aber frei. In der Kreation einer solchen Figur wird ein Mensch wahrgenommen, der ein Enigma in sich selbst ist. Er sucht Freiheit und muss niemandem Rechenschaft ablegen, da er unabhängig ist, stellt sich selbst aber als die Personifizierung von Freiheit dar. Er nimmt sich die Freiheit, nach der zweiten Strophe selbst das Ruder in die Hand zu nehmen und seine Geschichte eigenständig als lyrisches Ich zu erzählen. „Esproncedas nobler, vitaler und unerschrockener Capitân Pirata ist eine einzige Herausforderung des bürgerlichen Kleingeists, aber auch der Borniertheit der Potentanten“ (Neuschäfer 2011: 261). Neuschäfer unterstellt dem Piraten zurecht, die Mitglieder der Gesellschaft zum Narren zu halten. Sie, die ihr ganzes Leben in Gefangenschaft, beziehungsweise in Ignoranz, verbracht haben, werden nie Esproncedas Freiheitsideale, die der Pirat verkörpert, begreifen oder einsehen. Hier wird Freiheit als das isolierte Sein auf den Wogen der Laune der Natur beschrieben, welche mit dem freiheitssuchenden Individuum in Einklang lebt.
Obwohl das Lied des Kosaken viele der im vorherigen Gedicht dargelegten Schlussfolgerungen bekräftigt und traditionell im Satz der Poesias enthalten ist, reagiert dieses Werk auf einen anderen Moment, der von der charakteristischen, individualistischen Natur der anderen Lieder abweicht. Hier wird das Erreichen der Freiheit nicht durch das Losbinden von Gemeinschaft, sondern durch gemeinschaftliche Bindungen erzielt. Zwar ist der Kosake ebenso ein romantischer Held, da er sich mit der Ungerechtigkeit der Gesellschaft auseinandersetzt, jedoch möchte er nicht frei von materiellen Fesseln sein, sondern diese luxuriösen Güter sich und seinen Mitstreitern selbst aneignen und rechtmäßig verteilen.
[...]
- Citar trabajo
- Niklas Richter (Autor), 2020, José de Espronceda: Der marginalisierte Protagonist und das Konzept der Freiheit in der spanischen Romantik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1323975
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