Das Verhältnis von Politik und Moral ist ein ständiges und unerschöpfliches
Thema. Auch wer sich für Politik wenig interessiert, spürt doch gleichsam
instrinktiv, dass da ein Handlungsbereich ist, in welchem Menschen in
besonderer Weise Macht haben, über uns zu entscheiden.1 Der Verdacht und die
Befürchtung, „die da oben“ missbrauchten ihre Macht zu ihrem Vorteil und zu
unserem Schaden, sind latent immer vorhanden und finden auch aktuell leicht
Nahrung. Es gibt nicht wenige Menschen, die ihre Verachtung für das
„schmutzige Geschäft“ der Politik ausdrücklich moralisch begründen. Aber auch
politische Interessierte und Politiker selbst bringen ständig moralische Begriffe
und Aspekte in die politische Auseinandersetzung. Sie argumentieren mit hohen
Wertbegriffen wie Friede, Gerechtigkeit und Gemeinwohl, sie prangern damit
Mißstände an und polemisieren gegen den politischen Gegner. Mit
Moralbegriffen soll dieser besonders hart getroffen, womöglich disqualifiziert
werden. Die eigene Position soll in besonders hellem Licht erscheinen, indem
man von sozialer Gerechtigkeit spricht oder von einer Politik „für die Menschen
draußen im Land“. Die Massenmedien, besonders Fernsehen und
Boulevardpresse, verstärken heute die Tendenz, politische Kontroversen auf
dramatisierende und moralisierende Schlagworte zu verkürzen; so etwa, wenn es
nicht mehr um das Problem geht, wie die Altersversorgung zu finanzieren ist,
sondern um „Plünderung der Rentenkasse“ oder um den bevorstehenden „Krieg
der Generationen“.
Vor diesem Hintergrund soll die vorliegende Arbeit zur begrifflichen und
sachlichen Klärung des Verhältnisses von Politik und Ethik helfen. Dabei wird
erst kurz auf den Begriff Ethik eingegangen und auf die Definition von dem
Begriff Politik verzichtet, da dieser im zweiten Teil ausführlich in Verbindung mit
Ethik erklärt wird. [...]
1 Vgl. Becker (1987), S, 5f.
Inhaltsverzeichnis
1. Ethik und Politik
1.1 Einführung
1.2 Definition des Begriffs Ethik
1.3 Geschichtliche Typen politischer Ethik nach Sternberger
1.4 Dimensionen politischer Ethik
1.4.1 Ethik der Ziele: Friede – Freiheit – Gerechtigkeit
1.4.2 Ethik der Institutionen: Die ethische Bedeutung von Institutionen
1.4.3 Ethik des Handelns: Klugheit
1.5 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1. Ethik und Politik
1.1 Einführung
Das Verhältnis von Politik und Moral ist ein ständiges und unerschöpfliches Thema. Auch wer sich für Politik wenig interessiert, spürt doch gleichsam instrinktiv, dass da ein Handlungsbereich ist, in welchem Menschen in besonderer Weise Macht haben, über uns zu entscheiden.1 Der Verdacht und die Befürchtung, „die da oben“ missbrauchten ihre Macht zu ihrem Vorteil und zu unserem Schaden, sind latent immer vorhanden und finden auch aktuell leicht Nahrung. Es gibt nicht wenige Menschen, die ihre Verachtung für das „schmutzige Geschäft“ der Politik ausdrücklich moralisch begründen. Aber auch politische Interessierte und Politiker selbst bringen ständig moralische Begriffe und Aspekte in die politische Auseinandersetzung. Sie argumentieren mit hohen Wertbegriffen wie Friede, Gerechtigkeit und Gemeinwohl, sie prangern damit Mißstände an und polemisieren gegen den politischen Gegner. Mit Moralbegriffen soll dieser besonders hart getroffen, womöglich disqualifiziert werden. Die eigene Position soll in besonders hellem Licht erscheinen, indem man von sozialer Gerechtigkeit spricht oder von einer Politik „für die Menschen draußen im Land“. Die Massenmedien, besonders Fernsehen und Boulevardpresse, verstärken heute die Tendenz, politische Kontroversen auf dramatisierende und moralisierende Schlagworte zu verkürzen; so etwa, wenn es nicht mehr um das Problem geht, wie die Altersversorgung zu finanzieren ist, sondern um „Plünderung der Rentenkasse“ oder um den bevorstehenden „Krieg der Generationen“.
Vor diesem Hintergrund soll die vorliegende Arbeit zur begrifflichen und sachlichen Klärung des Verhältnisses von Politik und Ethik helfen. Dabei wird erst kurz auf den Begriff Ethik eingegangen und auf die Definition von dem Begriff Politik verzichtet, da dieser im zweiten Teil ausführlich in Verbindung mit Ethik erklärt wird. Im ersten Teil der Arbeit werden dann die geschichtlichen Typen politischer Ethik nach der Einteilung Sternbergers erläutert. Hier ist anzumerken, dass obwohl noch viele weitere Typen politischer Ethik auf der Welt existieren, die Einteilung Sternbergers dem Leser einen Überblick verschafft und einen grossen Schritt zum besseren Verständnis beiträgt. Im zweiten Teil der Arbeit wird dann auf die einzelnen Dimensionen der Politik eingegangen und deren ethischer Hintergrund dargestellt. Mit einer kurzen Zusammenfassung wird die Arbeit abgerundet.
1.2 Definition des Begriffs Ethik
Unter Moral versteht man im Sinne der lateinischen Herkunft des Begriffs (mores = Sitten, Gewohnheiten, Gesetze, Gesittung, Lebenswandel) das, was in der Gesellschaft unter dem Aspekt des sittlichen Guten gilt, was gemeint, gefordert, in gewissem Maße auch gelebt wird. Unter Ethik verstehen wir die philosophische Teildisziplin, die sich methodisch und systematisch mit der Frage nach dem sittlich Guten befaßt; also das Nachdenken über Moral. Zuerst ist Moral da, dann erst das Nachdenken über sie, also Ethik. Ethik kann Moral nicht hervorbringen, aber sie ist deshalb keineswegs überflüssig. Als denkende Menschen müssen wir uns der Gründe für unser Tun vergewissern, zumal in Zeiten der Unsicherheit.2
1.3 Geschichtliche Typen politischer Ethik nach Sternberger
Das philosophische Denken ist und war immer ein Gespräch zwischen denkenden Menschen. Das Nachdenken über ethische Fragen der Politik begann dehalb schon vor Jahrhunderten. Das heisst nicht, dass die Fragen und Antworten immer die selben blieben. Die menschliche Gesellschaft ist veränderlich in ihrer Geschichte und so ändern sich auch Fragen und Antworten politischer Ethik. Es gibt aber Grundfragen, die immer wieder gestellt werden, auch wenn die Frageformen und erst recht die Antworten sich wandeln. Bevor wir etwas zur politischen Ethik sagen, möchten wir in diesem Abschnitt, um eine Grundlage zum weiteren Gedankengang zu schaffen, darüber schreiben was in unserer Geschichte gedacht wurde.
Da es ausserordentlich schwierig ist hier einen Überblick über die Geschichte der politischen Ethik zu geben, ohne den Rahmen dieser Arbeit zu sprengen, behelfen wir uns mit dem Rückgriff auf eine vereinfachende Typisierung, die Dolf Sternberger in dem Werk „Drei Wurzeln der Politik“ im Jahre 1978 ausführlich begründet.
Sternberger sieht in unserer Welt der Politik drei ganz verschiedene „Wurzeln“. Er nennt für sie die Namen Aristoteles aus dem klassischen Griechenland, Machiavelli aus der Renaissance und Augustinus aus der christlichen Spätantike, dessen theologische Idee allerdings erst Lenin geleitet von Marx, ins Politische übertragen haben.3
Den aristotelischen Begriff der Politik nennt Sternberger auch anthropologisch, weil er die Polis und ihre Verfassung auf gemeinschaftliche Tätigkeit von Bürgern gründet, die als Lebewesen auf diesem Wege ihre menschliche Vervollkommnung, ihre „Glückseligkeit“ erstreben. Den Politikbegriff von Machiavelli nennt er dämonologisch, weil es in ihm um die Kunstmittel des Herrschens geht, um Gewinnung und Erhaltung von Macht, welche ausdrücklich auch List und Betrug, Gewalt und Krieg einschliessen.4 Den marxistischleninistischen Politikbegriff nennt er eschatologisch, da es um die Vorbereitung und Herbeiführung eines guten Endzustandes geht.
Nach Sternberger handeln Aristoteles und Machiavelli von durchaus unterschiedlichen Perspektiven. Aristoteles bestimmt das Politische als den Bereich der gemeinsamen Lebensordnung gleicher und freier Bürger. Machiavelli hingegen spricht von Techniken des Machtstrebens eines Einzelnen, von den Widerständen, mit denen er dabei rechnen muss, von den diplomatischen und kriegerischen, den milden und den grausamen Mitteln, die er dabei anwenden soll. Aristoteles spricht von der Polis, Machiavelli vom Herrscher, Aristoteles von der Verfassung, Machiavelli von der Macht. Aristoteles beschreibt Institutionen und Gesetze, Machiavelli Unternehmungen und Verfahrensweisen. Aristoteles spricht vom Sinn menschlichen Zusammenlebens, Machiavelli von den Mitteln der Herrschaft über Menschen. Aber alles dies, von dem beide handeln, nennen wir politisch.
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1 Vgl. Becker (1987), S, 5f.
2 Vgl. Bayertz (1996), S. 22f.
3 Vgl. Sternberger (1978), S 19 f. Für eine ausführliche Darstellung der einzelnen „Wurzeln“ und deren geschichtliche Wandlung verweisen die Autoren auf das Werk Sternbegers direkt. Eine ausführliche Darstellung innerhalb dieser Arbeit ist nicht möglich.
4 Vgl. Sternberger (1978), S 26 f.
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