Diese Arbeit bietet zunächst einen generellen Überblick über die Arktis, die dort stattfindenden klimatischen Wandlungen und die daraus entstehenden Veränderungen, da besonders die naturwissenschaftlichen Betrachtungen für ein Verständnis des Interesses an der Arktis unerlässlich sind. Anschließend wird der institutionelle und ideologische Unterbau des chinesischen Interesses beleuchtet, welche das Fundament chinesischer Arktisbestrebungen darstellen. Im darauffolgenden Teil werden die Folgen des arktischen Wandels für China untersucht und dabei sowohl die Gefahren als auch die Chancen, die durch diesen klimatischen Umbruch für das Reich der Mitte entstehen, evaluiert.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Rahmenbedingungen in der Arktis
2.1 No „No Man’s Land“ - Ein historischer Blick auf die Arktis
2.2 Konstruktion einer Weltregion - Definitionen der Arktis
2.3 Auf dünnem Eis - Auswirkungen klimatischer Veränderungen
3 „Sinae ad Arcticum“ - Akteure und Legitimation eines chinesischen Arktisengagmenets
3.1 Die Akteure - Wer spielt das chinesische Spiel um die Arktis?
3.1.1 Politische Akteure
3.1.2 Forschungseinrichtungen
3.1.3 Wirtschaftliche Akteure
3.2 Die Legitimation - Engagement in weiter Ferne?
4 Der ‘Große Sprung’, die große Chance? - Chinesische Gelegenheiten und Herausforderungen durch die Veränderungen in der Arktis
4.1 Der Klimawandel
4.2 Die Governance
4.2.1 Legal governance - das Seerechtsübereinkommen
4.2.2 Institutional governance - der Arktische Rat
4.3 Die Rohstoffe
4.3.1 Öl- und Gasvorkommen
4.3.2 Mineralische Rohstoffe
4.4 Die Schifffahrtswege
4.4.1 Neue Routen und generelle Schiffbarkeit
4.4.2 Kürzere Wege und ökonomischer Nutzen?
4.4.3 Ein Blick in die Zukunft
5 Zusammenfassung der Ergebnisse und Fazit
6 Schlusswort
Anhang A: Quellendokumente
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Antike Karten der Arktis: Mercator und Barents
Abbildung 2: Definitionen der Arktis
Abbildung 3: Temperaturanomalien in der Arktis im März, 1900-2016
Abbildung 4: Ausdehnung des arktischen Eises im März und September 2016
Abbildung 5: Anomalien der Eisausdehnung im Vergleich zu 1981- 2010
Abbildung 6: Prognostizierte Beiträge arktischen Landeises zum Anstieg des Meeresspiegels
Abbildung 7: Die Heihe-Tengchong Linie
Abbildung 8: Hoheitsgebiete und Ansprüche der AS
Abbildung 9: Karte der Arktis mit den wichtigsten Vorkommen mineralischer Rohstoffe und der Lage der für die Energierohstoffe bedeutenden Sedimentbecken um die Arktis
Abbildung 10: Die arktischen Seerouten
Abbildung 11: Simulationen der Schiffbarkeit arktischer Routen nach Smith und Stephenson
Abbildung 12: Distanzen bei Benutzung verschiedener Seerouten
Abbildung 13: Chinesische Im- und Exporte mit verschiedenen Handelspartnern
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
“The government of China should take active interest in the state of Arctic developments and make our own reactions with specifc regard [to them] so that we are not marginalized in this new world hot spot region [...]. ”12
Mit diesem Zitat verdeutlicht der chinesische Wissenschaftler Li Zhenfu3 eine für China allgegenwärtige Sorge: Das Ausmanövrieren auf dem Weg zum Supermachtstatus durch die alten Großmächte, ein Zurückbleiben hinter den alten Eliten der Staatengemeinschaft, allen voran den USA. Auch die Arktis ist als geopolitischer Raum nicht von dieser Angst ausgenommen, denn dort ergeben sich durch den Klimawandel neue Möglichkeiten der Rohstoffförderung und neue Handelswege. Worauf die westlichen Staaten ein Auge werfen, kann auch von China nicht übergangen werden. Doch die Ambitionen an Gleichrangigkeit mit den Großmächten besteht nicht erst seit Entdeckung der Arktis als geopolitischem Interessensgebiet, wie folgendes Zitat Maos aus der Zeit des ‘Großen Sprung nach vorne’4 zeigt:
“With 11 million tons of steel next year and 17 million tons the year after, the world will be shaken. If we can reach 40 million tons in five years, we may possibly catch up with Great Britain in seven years. Add another eight years and we will catch up with the US. ”
- Mao Zedong, 19585
Obwohl die damals die im Eiltempo vollzogene Industrialisierung, welche als Motor für den Aufschwung dienen sollte, mit Sicherheit eine größere Rolle in der Gesamtstrategie Beijings spielte, als dies heute bei den arktischen Chancen der Fall ist, könnte auch der Hohe Norden einen wichtigen Beitrag zum zukünftigen Wohlstandes des Landes leisten. Damals wie heute wird dabei jedoch die ‘Quadratur des Kreises’ versucht.6 Während zu Zeiten Maos der kontinuierliche Prozess der Industrialisierung und die Verwendung von fundiertem Wissen abgelehnt wurden, während gleichzeitig enorme Steigerungen des wirtschaftlichen Potenzials in der Volksrepublik China (PRC) erreicht werden sollten, stellt sich auch bei den arktischen Veränderungen eine paradoxe Situation dar: Um die Vorteile, d. h. die Förderung der in der Arktis lagernden Rohstoffe und die Nutzung der Schifffahrtswege, nutzen zu können, ist das Abschmelzen des arktischen Eises die Grundvoraussetzung. Auch wenn der Klimawandel von einigen führenden Politikern noch immer abgestritten wird, so lässt sich doch inzwischen nicht mehr leugnen, dass das Tauen der polaren Eismassen durch diesen ausgelöst wird.7 Die klimatischen Veränderungen haben außerdem jedoch problematische Folgen für den Rest des Globus, wie beispielsweise eine zunehmende Häufigkeit von Stürmen, Überflutungen und Hitzewellen.8 Während also zur Zeit des ‘Großen Sprung nach vorne’ riesige Flächen an Farmgründen, Grasland, Wäldern und Feuchtbiotopen der ‘grain-first’- Politik zum Opfer fielen9, ist die Schädigung der Natur auch in Bezug auf die Arktis ein notwendiges Übel, um die sich auftuenden Chancen für sich zu nutzen. Wo durch Fehlplanungen zu Zeiten Maos 20 Millionen Menschen verhungerten, sind heute allein im ostchinesischen Küstenraum bereits 50 Millionen Menschen durch Überflutungen und Stürme gefährdet.
Die Themenwahl der vorliegenden Arbeit scheint auf den ersten Blick vielleicht ein wenig erstaunlich, verbindet man mit dem Gedanken an die Arktis doch im ersten Moment wohl kaum China, ein Land, welches eher für sein subtropisches Klima an den östlichen Küsten und alpine Wetterverhältnisse im westlichen Hochland bekannt ist. Andererseits ist auch die umgekehrte Assoziation eher ungewöhnlich, da es zwar allgemein bekannt ist, dass China seine Einflussbereiche in der Welt vergrößern will, man damit jedoch eher den Streit im Südchinesischen Meer (SCS) verbinden würde10, anstatt an die Arktis zu denken. Im Zuge des generellen Strebens nach größerer globaler Relevanz und einer bedeutenderen Rolle im Weltgeschehen hat das Reich der Mitte11 seine Aufmerksamkeit jedoch auch auf Gebiete ausgeweitet, welche vormals eher als peripher angesehen wurden, wie Afrika, Südamerika und - seit 1984 bzw. 1995 - auch die Süd- und Nordpolarregion. Ungeachtet der Tatsache, dass der Hohe Norden längst nicht das Herzstück chinesischer Interessen darstellt, will Beijing die Chancen, welche sich durch die Arktis für die Energie- und Mineralstoffversorgung, sowie für den Transport des exportstärksten Landes der Erde12 bieten, nicht versäumen. Diese Gelegenheiten sollen außerdem keinesfalls alleine durch die Anrainerstaaten der Arktis oder die alten Weltmächte genutzt werden, welche den Hohen Norden ebenfalls seit Ende des letzten Jahrhunderts als Interessensgebiet entdeckt haben. Der Forschungsgegenstand befindet sich somit am Puls der Zeit - auch wenn dieser aktuell nur schwach zu spüren sein mag.
Bestimmt für die führenden Politiker in Beijing die ständige Sorge um das Erreichen des Großmachtstatus die Devise, so gilt dies umgekehrt auch für die alten Supermächte und Staaten des europäischen Kontinents: Vorbei sind die Zeiten, in denen China die Strategie des taoguang yanghui verfolgte, was übersetzt so viel heißt wie “unsere Stärken verstecken und abwarten“13, und somit sorgt das aktive Fortschreiten der chinesischen Einflusssteigerung auf der globalen Bühne besonders im Westen für Besorgnis. Für Deutschland stellt das Reich der Mitte vor allem ökonomisch eine Herausforderung dar, da die beiden Staaten - getrennt durch die USA auf Platz zwei - auf den Podestplätzen der Weltexportnationen rangieren.14 Weiterhin stellt Deutschland auch innerhalb der EU sowohl wirtschaftlich als auch politisch und militärisch ein bedeutendes und einflussreiches Land dar, welches selbst eigene Ambitionen in der Arktis hegt.15 Gerade vor diesem Hintergrund mag es verwundern, dass kaum umfassende Studien zu chinesischen Ambitionen in der Arktis in deutscher Sprache existieren.16 Diese Lücke soll durch vorliegende Arbeit, welche die Thematik dem deutschen Leser zugänglich macht, zumindest verkleinert werden, wenngleich ein Anspruch auf ein abschließendes Forschungsergebnis - sowohl im Bereich der deutschsprachigen Publikation als erst recht in der arktischen Forschung ganz allgemein - nicht das Ziel dieser Arbeit sein kann, besonders da die Thematik jedes der Kapitel dieser Arbeit Stoff für eine eigene wissenschaftliche Untersuchung gleichen Umfangs ermöglichen würde.
Vielmehr soll vorliegendes Papier zunächst einen generellen Überblick über die Arktis, die dort stattfindenden klimatischen Wandlungen und die daraus entstehenden Veränderungen geben, da besonders die naturwissenschaftlichen Betrachtungen für ein Verständnis des Interesses an der Arktis unerlässlich sind. Anschließend wird der institutionelle und ideologische Unterbau des chinesischen Interesses beleuchtet, welche das Fundament chinesischer Arktisbestrebungen darstellen. Im darauffolgenden Teil werden die Folgen des arktischen Wandels für China untersucht und dabei sowohl die Gefahren als auch die Chancen, die durch diesen klimatischen Umbruch für das Reich der Mitte entstehen, evaluiert.
Damit soll herausgefunden werden, wie plausibel die chinesischen Interessen im Nordpolargebiet sind, wie hoch deren Stellenwert innerhalb des chinesischen Interessengefüges insgesamt tatsächlich ist und welche der Bestrebungen gegebenenfalls priorisiert werden. Aus diesen Ergebnissen folgt die Beurteilung, inwiefern die Perzeption einer chinesischen Bedrohung in der Arktis der Realität genügt oder ob es sich hierbei eine Überreaktion des Westens handelt. Dies soll vor allem durch die Unterlegung der chinesischen Ansprüche mit quantifizierbaren Daten erfolgen, da dies in den bisherigen Forschungsarbeiten zu diesem Thema meist nur unzureichend der Fall ist.
Wegen der bereits erwähnten dünnen Quellenlage in deutscher Sprache bieten sich als Referenzwerke zur Bearbeitung des Themenkomplexes hauptsächlich englischsprachige Werke an17, welche aufgrund der Aktualität des Forschungsgebietes meist in Aufsatzform vorliegen. Zu den zentralen Autoren englischsprachiger Analysen zu Chinas Bestrebungen in der Arktis gehören Linda Jakobson, welche mit ihren Publikationen für das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) seit 2010 Grundlagenarbeit zu den Aspirationen des Reiches der Mitte in der Arktis leistet.18 Ihre Arbeiten konzentrieren sich hauptsächlich auf die arktische Governance und Schifffahrtsmöglichkei- ten, enthalten jedoch auch Abschnitte zur Forschungstätigkeit und Kooperation mit arktischen Staaten (AS). Des Weiteren stellt Jakobson in ihrem zweiten Papier eine Übersicht über chinesische Akteure in der Arktis zur Verfügung. Ein weiterer Experte ist der kanadische Geographieprofessor Frédéric Lasserre der Universität Laval, welcher teils in Kooperation mit Olga Alexeeva, Professorin für chinesische Geschichte an der Universität Quebec, ebenfalls einige Artikel zur Grundlagenbildung in diesem Bereich hinzufügte und im Zuge seines Lehrauftrags zum Thema China in der Arktis doziert.19 Sie vertreten den Standpunkt, dass eine Kooperation mit den arktischen Anrainern für China eine lohnendere Alternative zu einer aggressiven Einmischung darstellt. Der kanadische Professor Michael Byers leistete außerdem ausführlichen Beitrag zur juristischen Lage in der Arktis.20 Ausführliche Studien zum politischen Diskurs über die Arktis in China und die daraus erwachsenden Ambitionen wurden von David Curtis Wright21 und Mia Bennett22 veröffentlicht. Bennett zeigt dabei auf, welche Narrative Beijing verwendet, um seine Aspirationen in der Arktis zu legitimieren.
2 Rahmenbedingungen in der Arktis
2.1 No „No Man’s Land“ - Ein historischer Blick auf die Arktis
Alte Karten, wie die von Gerardus Mercator - dem Schöpfer der gleichnamigen Kartierungsmethode - aus dem Jahr 1595, zeigen die Vorstellungen, welche Menschen Ende des 16. Jahrhunderts vom nördlichsten Teil unserer Erde besaßen: Umgeben von vier Inseln liegt ein magnetischer Felsen, welcher den Nordpol bildet, inmitten des Arktischen Ozeans. Hierauf fließen die Wassermassen der Erde zu und stürzen dann in die Tiefen des Erdinneren. Die Karte des niederländischen Entdeckers Willem Barents, welche 1599 entstand, zeigt dagegen ein völlig leeres Areal im Nordpolargebiet, umgeben von unvollständigen Umrissen der arktischen Anrainer und verziert mit urzeitlichen anmutenden Kreaturen, welche wohl die Gefahren symbolisieren, die den mutigen Forscher bei Erkundung dieses Erdteils erwarten. Die Arktis war buchstäblich ein ‘weißer Fleck auf der Landkarte’, welchen man sich nur mittels Vorstellungskraft zu erschließen vermochte.
Während die Kartographie im Laufe der folgenden Jahrhunderte an Präzision gewann und so in der Lage war, den ‘weißen Fleck’ immer weiter auszufüllen, blieb der Hohe Norden23 dennoch weitgehend unbekannt. So beschreibt der Kanadier Andrew Thomson die Arktis 1950 als „’unknown country’, vast and extensive [...] where one lived like a dog, worked like a dog and finally ate his dog.”24 Dies spiegelt nicht nur die anhaltende Unwissenheit über den nördlichsten Erdteil wieder, sondern zeigt gleichzeitig, welchen Eindruck das Gebiet rund um den Nordpol auf die Menschen dieser Zeit machte. Sie sahen die Arktis als sich schier unendlich erstreckendes Areal, welches noch immer frigore inhabitabilis war, unbewohnbar aufgrund der Kälte.25 Dies führte weiterhin zu der Annahme, die Arktis sei eine menschenleere ‘terra nullius’, die nach Belieben okkupiert werden könne.
Dass diese Vorstellung nicht der Wirklichkeit entsprach, zeigen bereits Funde von Pitulko et al. in der sibirischen Arktis an der Küste der Karasee, wo ein 45.000 Jahre alter gefrorener Mammutkadaver zahlreiche Zeichen von prä- und postmortalen Wunden aufweist, die auf den Gebrauch von Waffen zurückzuführen sind. Die Funde beweisen somit die frühe Präsenz von Menschen in der Arktis, welche auf der Jagd nach Beute ins Hinterland Sibiriens vordrangen. Die sterblichen Überreste eines erlegten Wolfes, der in Jakutien gefunden wurde, belegen außerdem, dass die frühen Invasoren der Arktis sich bereits damals über ein arktisches Gebiet von über 2.000 km verteilt hatten. Die erste Population siedelte sich im Laufe der folgenden Tausend Jahre im gesamten Polarkreis an, wo sie eine seminomadische Lebensweise pflegten.26 27
Mit den Wikingern erreichten im 9. Jahrhundert n. Chr. die ersten Kolonialisten die Arktis, welche nach zahlreichen Schiffsreisen in den Hohen Norden den Süden Islands und Grönlands besiedelten. Die Landnahme der Nordmänner hielt allerdings lediglich bis Anfang des 16. Jahrhunderts, als höchstwahrscheinlich Veränderungen im arktischen Klimas den Farmern ihre Nahrungsgrundlage entzogen.[27],28 Ab dem 12. Jahrhun-
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Antike Karten der Arktis: Mercator (links) und Barents (rechts).
Quelle: https://www.canadiangeographic.ca/article/10-fascmatmg-historic-maps-arctic+&cd=l&hl=de&ct=clnk&gl=dk
dert begannen russische Eroberer und Geistliche des Stadtstaates Novgorod, große Teile Nordsibiriens zu kolonisieren, wie die Stadtchronik berichtet. Ihr Herrschaftsgebiet wurde jedoch im 15. Jahrhundert durch die Machthaber in Moskau übernommen.29 Doch auch die Europäer fingen an, Interesse am hohen Norden zu entwickeln, selbst wenn dies eher ein der Not geschuldetes Projekt war als - wie oft dargestellt30 - purer Forschergeist. Da der Papst durch den Vertrag von Tordesillas 149431 die Welt unter den damals führenden Seefahremationen in eine spanische Hälfte (westliche Hemisphäre) und eine portugiesische Hälfte (östliche Hemisphäre) aufgeteilt hatte, mussten die aufstrebenden christlichen Seefahremationen Frankreich, Großbritannien, Dänemark und die Niederlande nördliche Wege auf der Suche nach einer Route in den wohlhabende fernen Osten finden, um nicht in Konflikt mit den beiden Meeressouveränen zu geraten. Für einen Zeitraum von ca. 100 Jahren wurden Versuche unternommen, die Nordost-, Nordwestpassage zu passieren32, welche jedoch scheiterten. Neben der reinen Erforschung der arktischen Schifffahrtsrouten waren die Entdecker auf der Suche nach den ersten wertvollen Mineralien in der Arktis, da ihre Expeditionen von profitgetriebenen Kaufleuten und Herrschern finanziert wurden, die Erträge erwarteten. Anfang des 17. Jahrhunderts enthoben die Briten und Niederländer die Spanier und Portugiesen ihres Vormachtstatus, was eine Nutzung südlicherer Seewege möglich und die Transpolarrouten vorerst obsolet machte.33
Zur selben Zeit entwickelte sich an den arktischen Küsten reger Jagd- und Handelsbetrieb, da sie Herkunftsort von Walprodukten, Pelzen und - wie bereits erwähnt - Bodenschätzen waren. Pelze wurden dabei nicht nur als Kälteschutz, sondern auch als Prestigeobjekte wohlhabender Bewohner kalter Erdregionen verwendet. Wale dagegen wurden hauptsächlich aufgrund des Öls und Fetts gejagt, welches als Lampenöl, Schmieröl für Maschinen und Grundstoff für Seifen und Kerzen genutzt wurde. Dabei handelten die Invasoren aus den arktischen Anrainerstaaten nach den Prinzipien der terra nullius und des more librum, letzteres von Hugo Grotius beschrieben als „so limitless that it cannot become a possession of any one“34 35 36. Getreu diesen Mottos beuteten sie die Tierwelt der Arktis gnadenlos aus, was für einige Arten die beinahe oder tatsächliche Ausrottung bedeutete. Dabei wurde der Widerstand indigener Stämme mit Gewalt gebrochen, um die explodierende Nachfrage zu decken.[35],[36]
Von großer Bedeutung war das endende 19. und beginnende 20. Jahrhundert in besonderem Maße für die Seefahrer: Bereits 1878 durchquerte der finnisch-schwedische Wissenschaftler Adolf Erik Nordenskiöld erfolgreich die Nordostpassage. Dabei handelte es sich zwar erneut um die Suche nach einer Route in den Femen Osten, jedoch wurde die Expedition hauptsächlich durch den wohlhabenden Schweden Oscar Dickson finanziert, welcher „bitten by the fever of excitement that goes with exploration and discovery“ auch rein abenteuerliche Beweggründe hatte.37 1903 und erneut 1906 tat es ihm der norwegische Entdecker Roald Amundsen in der nordwestlichen Schwesterpassage gleich.38 Nachdem nun die Peripherie der Arktis durch abenteuerliche Expeditionen bezwungen worden war, lag die Erreichung des Nordpols als nächster Quantensprung auf der Hand: Im Jahre 1909 erreichte der Amerikaner Robert Peary als Krönung seiner größtenteils eigenständigen Bemühungen den Nordpol auf einem Hundeschlitten.39 Obwohl sein vormaliger Expeditionskollege Frederick Cook das Erreichen des nördlichsten Erdenpunktes bereits für das Jahr 1908 beanspruchte40, unterstützt die herrschende Meinung unter den Experten Robert Peary als glaubwürdig. Dass die Geschichte ihm Recht gibt zeigt auch die Tatsache, dass bis zur ersten bestätigten Erreichen des Nordpols durch den Amerikaner Ralph Plaisted 1968 kaum noch Anstrengungen diesbezüglich unternommen wurden.41
Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann der Wettlauf um die Ressourcen der Arktis. Viele Tausend versuchten ihr Glück beim Goldschürfen in Alaska und Yukon, Kanada, während Russland großflächig Kohle, Diamanten, Nickel und Kupfer zu bieten hatte. Im Energiesektor stellten auch der Abbau der Kohlevorkommen auf Spitzbergen in den 1970em und die Ausbeutung der Öl- und Gasreserven Alaskas äußerst lukrative Geschäfte dar.42 Den wirtschaftlichen Interessen standen mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs militärische Notwendigkeiten entgegen, da die Arktis als Nachschubgebiet für Waffen und Versorgungsgüter sowie für die Aufstellung von Wetterstationen und Kommunikationsinfrastruktur diente. Jedoch war das Nordpolargebiet neben der logistischen Nutzung auch Schauplatz von Kampfhandlungen: Beispielsweise wurden auf der Kola Halbinsel Rentiereinheiten aufgestellt, welche die Sowjetunion gegen deutsche Truppen verteidigen mussten.43 Im darauffolgenden Kalten Krieg wurde die Arktis zu einem wichtigen strategisch-militärischen Schauplatz, denn sie stellte die kürzeste Angriffsroute für beide Supermächte dar und wurde dadurch Operationsgebiet zahlreicher U-Booterkundungen und Nachrichtenabteilungen. Nach Ende des Kalten Krieges ebbte das politische Interesse am hohen Norden merklich ab.44
Die Arktis war in der Vergangenheit somit ein Gebiet, bei dessen Bezwingung die Menschen der Industrienationen regelmäßig an ihre Grenzen stießen. Auch wenn es letztendlich gelang, die beiden Hauptpassagen zu durchqueren und den Nordpol zu erreichen, so sind diese Erfolge meist nur für die Befriedigung des Entdeckergeistes von Bedeutung, sorgten jedoch nicht für dauerhafte Veränderungen der Nutzung der Arktis. Damals wie heute sind wissenschaftliche Erkenntnisse allerdings oftmals nicht die primäre Triebkraft arktischer Erkundungen; stattdessen steht die Entdeckung ökonomisch sinnvollerer Schifffahrtswege und die Ausbeutung arktischer Ressourcen im Vordergrund, was sich aufgrund der harten Klimaverhältnisse schwierig gestaltet. Und damals wie heute ist die Arktis kein ‘weißer Fleck’ auf der Landkarte, keine terra nullius - und wird es wohl erst recht in Zukunft nicht sein. Durch die klimatischen Veränderungen, welche später noch en detail behandelt werden, und neue technische Errungenschaften steigen die Nutzungsmöglichkeiten des Hohen Nordens, was neue Akteure, gerade auch aufstrebende Mächte wie die Volkrepublik China, auf den Plan ruft, welche die Arktis nicht den althergekommenen Weltmächten überlassen wollen. Diese Möglichkeiten eröffnen nach Carl Schmitt „neue Räume und unabsehbare Veränderungen der überkommenen Raumstrukturen [...]“, die neue Aktionsräume schaffen und veränderte Regeln erfordern.45 Bevor diese Veränderungen und daraus entstehender Handlungsoptionen näher betrachtet werden, soll im nächsten Kapitel jedoch zunächst eine geographische Einordnung des ehemals ‘weißen Flecks’ der Arktis erfolgen, welche auch heute noch nicht so allgemeingültig eingegrenzt ist wie dies vielleicht vermutet wird.
2.2 Konstruktion einer Weltregion - Definitionen der Arktis
Wie im vorhergehenden Kapitel gezeigt wurde, ist die Arktis längst nicht mehr nur ein weißer Fleck auf der Landkarte, welcher sich in unbekannten Dimensionen über den nördlichen Erdteil erstreckt. Andrew Thomson definierte die Arktis bereits 1950 anhand geographischer Breiten- und Längengrade auf 66° 30’N - eine Festlegung, welche die südliche Grenze des Gebiets darstellt, in dem mindestens einmal jährlich die Sonne für 24 Stunden nicht auf- bzw. untergeht. Diese Bestimmung grenzt auch heute noch - teils geringfügig abweichend festgelegt auf 66° 33’ 44”N46 - den sogenannten Arctic Circle (AC) ein, welcher zur einen Hälfte aus dem Arktischen Ozean und den arktischen Meeren, zur anderen aus ihn umgebenden Landmassen mit ihren vorgelagerten Inseln besteht. Er umfasst Territorien Kanadas, Dänemarks (durch Grönland), Norwegens, Russlands und der USA, welche als Anrainerstaaten allesamt Küsten am Arktischen Ozean besitzen, was ihnen gemäß der United Nations Convention on the Law of the Sea (UNCLOS) privilegierte Rechte an dessen Nutzung einräumt. Diese Staatengruppe wird als ‘Arctic 5’ bezeichnet. Weiterhin liegen Landgebiete Finnlands und Schwedens im Arctic Circle; zusammen mit dem ‘subarktischen Staat’ Island, von dessen Hoheitsgebiet lediglich eine vorgelagerte Insel und Teile seines Aquatoriums47 innerhalb des Arctic Circle liegen, und den Arctic 5 bilden sie die acht Mitglieder des Arctic Council (‘Arctic 8’).
Dennoch sind die Grenzen der Arktis nach wie vor nicht eindeutig festgelegt, da - wie auch Thomson anmerkt48 - die angeführte Definition lediglich eine mögliche Demarkation der Nordpolarregion darstellt. Auch eine Abgrenzung anhand der sogenannten Baumgrenze (treeline), d. h. der geographischen Grenze des Baumwachstums im Hohen Norden, und der +10°C Isotherme, welche das Gebiet mit einer durchschnittlichen Temperatur von über 10°C im wärmsten Monat Juli einschließt, sind gängig und orientieren sich im Gegensatz zu erstgenannter Definition an den klimatischen Verhältnissen der Region.49
Je nach wissenschaftlicher Disziplin und Verwendungszweck gibt es weitere Abgrenzungen: So ist beispielsweise in Abbildung 2 die CAFF boundary dargestellt, eine Abgrenzung besonders geschützter Naturreservate, welche im Rahmen der ‘Arbeits-
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Definitionen der Arktis.
Quelle:
http://library.arcticportal.Org/1378/l/CAFF_Map_No_46_The_limits_of_the_Arctic_according_to_various_defmitions_2001.JPG gruppe
Biodiversität’ des Arktischen Rates (CAFF) zur Erhaltung der einzigartigen arktischen Umwelt beiträgt.50 Im Bereich der Sozialwissenschaften jedoch ist eine Abgrenzung der Arktis schwierig, da die politischen Zentren der Anrainerstaaten größtenteils zu weit südlich liegen, um zur Arktis zu zählen, andere Landesteile sich jedoch eindeutig innerhalb der arktischen Klimazone befinden. Somit erscheint eine Demarkation entlang geographischer Längen- und Breitengrade wenig sinnvoll, da eine Festlegung auf 60° N beispielsweise in Kanada mit dessen drei nördlichsten Territorien die Gebiete einschließen würde, für welche arktische Fragen von Belang sind, gleichzeitig aber in Skandinavien urbane Gebiete wie Helsinki und Oslo beinhaltet, für welche dies nicht zutrifft. Auch die biophysischen Kriterien wie Baumgrenze und +10°C Isotherme repräsentieren in keiner Weise die kulturellen, wirtschaftlichen oder politischen Grenzen des hohen Nordens. Daher wurden für die sozialwissenschaftliche Disziplin eigene Definitionen der Arktis entwickelt, wie beispielsweise die des Arctic Human Development Reports.51 Die verschiedenen Definitionen sorgen auch für Unklarheit in Bezug auf Fläche und Bevölkerung der Arktis. Je nach Quelle wird die Ausdehnung des Gebietes mit 2,5 bis 6% der Erdoberfläche angegeben, während die Einwohnerzahl zwischen 3,5 und knapp über 4 Mio. Einwohnern liegt.52 Die Bevölkerung besteht zu 10% aus Angehörigen der verschiedenen indigenen Gemeinschaften, welche in der Arktis beheimatet sind.53
Die divergierenden Ansätze machen besonders deutlich, dass eine Definition der Arktis grundsätzlich kontextbezogen erfolgt. Dies hat zur Folge, dass die Region und besonders die Ansprüche der verschiedenen Akteure durch diese selbst zu ihren Zwecken konstruiert werden. Eine eindeutige Definition der Arktis scheint (noch) ebenso wenig zu existieren wie eine finale Regelung der dortigen Mitspracherechte. Vor allem Staaten mit wenig bzw. ohne Einfluss in den existierenden arktischen Institutionen räumt dies Spielraum für Interpretationen in ihrem Sinne ein. Diese Auslegungsspanne macht sich auch die chinesische Regierung zu Nutze, um ihren Einfluss in der Arktis zu mehren, wie in Kapitel 3.2 erläutert werden wird. In vorliegender Arbeit wird - trotz Anerkennung der verschiedenen Definitionen und ihrer Legitimation - die Arktis grundsätzlich als Gebiet innerhalb des AC, d. h. nördlich von 66° 33’ 44”N, angesehen.
2.3 Auf dünnem Eis - Auswirkungen klimatischer Veränderungen
Die Bilder der ‘North Pole Environmental Observatory’-Kamera aus dem Jahr 2013 präsentieren ein ungewöhnliches Bild: Der Marker des Nordpols - der Region, die seit jeher den Inbegriff von Schnee, Eis und Kälte darstellt - umgeben von einem See aus eisigem Wasser.54 Der Anblick verdeutlicht die Auswirkungen des Klimawandels, auch wenn es seit langem kein Geheimnis mehr ist, dass dadurch Veränderungen in den Abläufen der Natur und den Gegebenheiten der Umwelt entstehen. Diese sind letztendlich auch für China von Bedeutung, da sie Chancen und Risiken mit sich bringen, die auch im Land der Mitte ihre Auswirkungen entfalten.
Die Arktis ist vom Klimawandel besonders betroffen, denn hier steigt die Temperatur doppelt so stark wie im globalen Mittel. Als Ursache für diese ungewöhnlich schnelle Erwärmung wird von vielen Wissenschaftlern eine Reihe von selbstverstärkenden Prozessen, wie eine steigende Aufnahme von Sonnenenergie durch getaute Eismassen, zunehmendes Pflanzenwachstum und Veränderungen in der Luftfeuchtigkeit, genannt.55 Weitere Faktoren sind der beim Einsatz fossiler Brennstoffe entstehende Rußausstoß, der für eine höhere Absorption der Sonnenenergie sorgt56, und die sich verändernde Wolkenbildung über dem Nordpol, welche das vermehrte Auftreffen energetischer Son- nenstrahlen auf die Arktis begünstigt.57 Des Weiteren beeinflussen Großwettersysteme und Meeresströmungen, welche Wärmeenergie zu den Polen transportieren58, und arktisimmanente Faktoren wie Luftfeuchtigkeit und Dicke der Atmosphärenschichten das Erwärmen des Hohen Nordens.
Einer der größten rückkoppelnden Effekte ist jedoch das Auftauen der Permafrostböden. Diese könnten durch steigende Temperaturen bis Ende des 21. Jahrhunderts nahe der Erdoberfläche um 37-81% abnehmen.59 Das Auftauen ermöglicht den Mikroben innerhalb der sonst gefrorenen Erdschichten den Abbau organischen Kohlenstoffs, welcher sich dort aufgrund einzigartiger Charakteristika der Arktis über Jahrtausende in großen Mengen angesammelt hat. Die nördlichen Permafrostböden enthalten mit 1.330- 1.580 Mrd. Tonnen ungefähr zweimal so viel Kohlenstoff wie gegenwärtig in der Atmosphäre vorhanden ist; bereits die oberen drei Meter der arktischen Erdschicht umschließen halb so viel Kohlenstoff wie die gesamte restliche Erdoberfläche bis zu dieser Tiefe, obwohl sie nur 15% ihrer festen Oberfläche darstellen. Daher könnte bereits die Freisetzung eines Bruchteils davon in ihrer umgewandelten Form, sprich als Treibhausgase Kohlenstoffdioxid und Methan, die Erderwärmung drastisch erhöhen.60 Dieser Freisetzung steht zwar ein gesteigertes Wachstum von Pflanzen gegenüber61, deren Umwandlung von CO2 während der Sommermonaten die Freisetzung des Treibhausgases in den letzten Jahrzehnten jedoch nicht vollständig kompensieren konnte.62 Durch diesen Vorgang, zusammen mit Folgen eventueller zusätzlicher Störprozesse wie Brände oder abrupte Thermokarste, und den bereits angesprochenen Effekt der verminderten Strahlungsreflexion durch Pflanzen, könnte der ‘Tipping Point’ unwiederbringlich überschritten werden, was zu einer augenblicklichen Verschlechterung des globalen Klimas fiihren würde.63
Die Summe der genannten Faktoren sorgt dafür, dass die Temperatur alleine im Zeitraum von Oktober 2015 bis September 2016 um 2°C gegenüber der Basislinie von 1981-2010 stieg, was einen neuen Rekord seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1900 darstellte, und damit das Maximum der bereits seit 1988 durchgehend auftretenden Anomalien gegenüber der Durchschnittstemperatur des Jahrhunderts markiert (siehe Abbildung 3). Insgesamt stieg die Temperatur seit Beginn des letzten Jahrhunderts um 3,5°C und lag im März 2016 2,72°C über dessen Durchschnittstemperatur.64
Neben allen bereits erwähnten Entwicklungen in Folge des Klimawandels stellen der
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Temperaturanomalien in der Arktis im März, 1900-2016.
Quelle: http://blogs.discovermagazine.com/imageo/files/2016/02/Screenshot_2_5_16_3_32_PM.jpg
Rückgang des arktischen Eises und auf Land gelegener Gletscher wohl dessen markanteste Konsequenzen dar. Obwohl die relativ kühlen Lufttemperaturen im vorhergegangenen Sommer zunächst ein massives Abschmelzen arktischen Seeeises verhindert hatten, wurde im März 2016 die geringste Ausdehnung seit Beginn der Sattelitenaufzeichnungen im Jahre 1979 verzeichnet, die 7% unter dem Durchschnittswert von 1981-2010 lag. Auch wenn im darauffolgenden Sommer kein neuer Negativrekord erreicht wurde, so lag die Ausdehnung doch mit 33% unter dem Durchschnitt von 1981-2010 auf Negativplatz zwei hinter dem Jahr 2007. Während Abbildung 4 die Abnahme des Eises im März bzw. September veranschaulich, stellt Abbildung 5 dar, dass es sich bei diesem Problem um ein kontinuierlich fortschreitendes handelt, welches sich vor allem in den Sommermonaten bemerkbar macht.65 Analog zur Verringerung der Ausdehnung des Eises schwindet auch dessen Dicke, welche in großen Teilen der Arktis zwischen 2011
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Ausdehnung des arktischen Eises im März und September 2016.
Durchschnittliche Eisausdehnung im März 2016 (links) und September 2016 (rechts). Die farbige Linie zeigt die mittlere Eisausdehnung der Jahre 1981-2010.
Quelle: Perovich et. al., Sea Ice, 2016, S. 41 und 2015 um 0,5-1 Meter abgenommen hat.66
Außerdem spielt das Alter der Eisschichten eine bedeutende Rolle, da es einen entscheidenden Indikator für deren Robustheit des nordpolaren Eises darstellt. Während im März 1985 noch 16% des Eises über vier Jahre alt waren, stellt das Eis dieser Altersklasse in derselben Saison 2016 nur noch 1,2% des Gesamtbestands dar. Stattdessen wird die Arktis nun von einjährigem Eis dominiert, welches im März 2016 78% des Gesamtbestands darstellte, was 55% in den 1980er Jahren gegenübersteht. Dieser Übergang ist verantwortlich für eine fragilere Arktis, da das jüngere Eis anfälliger gegenüber dem Abtauen durch höhere Temperaturen ist.67 Im Einklang mit diesen Entwicklungen wird prognostiziert, dass sich die polare Eisdecke im Zeitraum 2030-2050 in eine nur noch temporäre Schicht verwandeln wird, wenng leich einige Forscher dies sogar schon für die 2020er Jahre voraussagen.68
Der Temperaturanstieg ist vor allem problematisch für die Eisdecke Grönlands, welche das größte Süßwasserreservoir der Erde darstellt. Auch hier wurde 2016 die zweitgrößte Schmelze innerhalb der 37-jährigen Beobachtungsperiode gemessen. Somit setzt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Anomalien der Eisausdehnung im Vergleich zu 1981-2010.
Zeitreihe der Anomalien der Eisausdehnung im März und September in Prozent, verglichen mit der
Periode von 1981-2010. Die schwarze und rote Linie stellen die lineare Regression dar und zeigen einen Ausdehnungsverlust von 2.7% (März) und 13.3% (September).
Quelle: PEROVICH ET. AL., Sea Ice, 2016, S. 42. das Jahr die Tradition des Beobachtungszeitraums fort, in dem durchschnittlich zusätzliche 15 824 km[2]/Jahr abschmolzen. Dieses enorme Volumen fließt ins Meer und sorgt dort - im Gegensatz zu den bereits im Meer treibenden Eismassen69 - für einen Anstieg des Meeresspiegels. Dieser steigt zurzeit um 3.1 ± 0.7 Millimeter pro Jahr, von welchen nahezu 30% auf das Abschmelzen des Grönlandeises zurückzuführen sind.70 Das restliche zusätzliche Süßwasser wird durch das Abschmelzen von Gletschern bereitgestellt, welche sich ebenfalls seit 1960 im Rückgang befinden und für ungefähr 65% des Meeresspiegelanstiegs verantwortlich sind. Abbildung 6 zeigt die prognostizierten Beiträge der verschiedenen Eisflächen zum Anstieg des Meeresspiegels bis 2100.71
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Prognostizierte Beiträge arktischen Landeises zum Anstieg des Meeresspiegels.
Quelle: HASSOL, Impacts of a warming Arctic, 2004, S. 43.
3 „Sinae ad Arcticum“ - Akteure und Legitimation eines chinesischen Arktisengagmenets
3.1 Die Akteure - Wer spielt das chinesische Spiel um die Arktis?
„Through many millennia of Chinese civilization, China was never obliged to deal with other countries or civilizations that were comparable to it in scale and sophistication.”74 75 Henry Kissinger drückt durch dieses Zitat aus, weshalb China für Außenstehende oft so schwer zu verstehen ist: Trotz erzwungener Beendigung der Isolation ab Ende des 18. Jahrhunderts und heutigen Großmachtambitionen ist die Kultur des Reichs der Mitte aufgrund der langen Abgeschiedenheit auch heute im Detail oft noch unbekannt. Dies gilt insbesondere auch für das politische-gesellschaftlich, akademische und wirtschaftliche System, in welchen die Äußerungen und Interessensbekundungen der PRC entstehen. Dieses Kapitel soll daher einen Überblick über die Akteure geben, welche für die chinesischen Handlungen in Bezug auf die Arktis von Bedeutung sind.7273
3.1.1 Politische Akteure
Um sich der Frage anzunähem, woher die politische Komponente des arktisbezogenen Geschehens in China kommt, muss zunächst geklärt werden, wie die chinesische Politik im Allgemeinen und die Außenpolitik im Speziellen entsteht. Schon die chinesische Verfassung stellt fest, dass „Under the leadership of the Communist Party of China [...], the Chinese people of all nationalities will continue to adhere to the people's democratic dictatorship." [15] (Hervorhebung hinzugefügt). Dies stellt eindeutig die Kommunistische Partei Chinas (CPC) an die Spitze der Volksrepublik (PRC). Gleichzeitig räumt dieser Auszug aus der Verfassung der CPC die Stellung eines ‘paramount dictator’76 ein, an deren Parteilinie die Handlungen öffentlicher Entitäten ausgerichtet und - soweit möglich - kontrolliert werden.77 Dies gilt somit auch für den außenpolitischen Entscheidungsprozess. Dabei steht die CPC in der Rangfolge in jedem Fall höher als alle anderen Sektoren des Staatsapparats, inklusive der Regierung, welche eigene Entscheidungsprozesse besitzt, auch wenn sich beide funktional und personell oft überschneiden. Das wesentliche Organ der CPC ist das Central Committee (CPCCC), deren Aufgabe die Leitung der Parteikoordination ist. Da dieses nur einmal jährlich tagt, überträgt es die tagesgeschäftlichen administrativen Aufgaben an den State Council (SC) - das Kabinett der PRC - welches wiederum rangniedrigeren Institutionen wie Kommissionen, Ministerien, Administration und verschiedenen Zentralorganisationen vorsteht. Die Entscheidungsbefugnis des SC wird an das Politbüro delegiert, in welchem wiederum das wöchentlich tagende Standing Committee (PBSC), dem neben dem Vorsitzenden und Paramount Leader Xi Jinping sechs weitere Politiker angehören, die eigentliche Richtung der Politik vorgibt. Sogenannte Leading Small Groups, welche je nach Bedarf errichtet werden können, beraten die Politiker und setzen die Entscheidungen um.
[...]
1 Aufgrund der hauptsächlich englischsprachigen Quellenlage werden in dieser Arbeit die entsprechenden englischen Abkürzungen verwendet. Für Abkürzungen, die sich im Deutschen und Englischen entsprechen, wird die deutsche Vollbezeichnung genannt.
2 Li Zhenfu China’s Participation in International Arctic Route Mechanisms, 2009, S. 101. Übersetzung zitiert in WRIGHT, The Dragon eyes the Top of the World, 2011, S. 22. Hervorhebung hinzugefiigt.
3 Li Zhenfu ist ein führender chinesischer Wissenschaftler im Bereich der arktischen Schifffahrt, Logistik und Geopolitik. Er lehrt an der Dalian Maritime University.
4 Als ‘Großer Sprung nach vorne“ (Englisch: ‘Great Leap Forward’; Chinesisch: Pinyin: Da yuè jin) der Volksrepublik China (PRC) wird der zweite Fünfjahresplan (1958 - 1962) unter Führung Mao Zedongs bezeichnet, welcher in Form einer Wirtschafts- und Sozialkampagne der Kommunistischen Partei Chinas (CPC) eine schnelle Transformation des Landes von einer Agrarwirtschaft hin zu einer sozialistischen Gesellschaft erreichen sollte. Getreu dem Mantra “greater, faster, better and more economical results” wollte Mao eine kontinuierliche, langsame wirtschaftliche Entwicklung nach russischem Vorbild überspringen und sein Ziel durch Kollektivierung der chinesischen Gesellschaft schneller erreichen (Mao, Speech at the Conference of Heads of Delegations to the Second Session of the 8th Party Congress, 1958, S. 100). Damit sollte außerdem die Bildung einer für seinen Machterhalt potentiell gefährlichen Wirtschaftselite verhindert werden. Übergeordnete Absicht des ‘Großen Sprung nach vome’ war es dabei, den Westen in der wirtschaftlichen Produktionsfähigkeit einzuholen. Nach anfänglichen Erfolgen, vor allem in Form einer Steigerung bei der für die Industrialisierung so wichtigen Stahlproduktion, stellte sich die Kampagne jedoch als Desaster heraus: Statt ihre Felder zu bewirtschaften, kochten die Bauern nur noch in den in ihren Hinterhöfen aufgestellten Schmelztiegeln Stahl - welcher aufgrund fehlenden Knowhows allerdings nur geringe Qualität besaß - und ließen die Ernten verderben. Daraus resultierte, in Kombination mit für den Getreideanbau ungünstigen Wetterlagen vom Jahre 1959 an, ein enormer Mangel an Nahrung, welcher zu Hungersnöten führte. Diesen fielen bis zum Jahr 1962 ca. 20 Millionen Menschen zum Opfer, obwohl der ‘Große Sprung nach vome’ bereits 1959 von Mao für gescheitert erklärt und im Jahr darauf beendet worden war (MacFarquhar/FAIRBANK, The People’s Republic, 1995, Kap. 7).
5 Mao, Speech at the Conference of Heads of Delegations to the Second Session of the 8th Party Congress, 1958, S. 103. In seiner Rede betont Mao besonders die Macht der einfachen Bauern gegenüber hochgebildeter, aber arroganter und ignoranter Eliten. Erstere sollten die Rolle der Arbeiter in der russischen Revolution einnehmen und die Industrialisierung tragen, da sie diese in ihrer Zahl um ein Vielfaches überstiegen. Gegenüber den alten Supermächten greift er auf kultureller Ebene auf das alte Konzept der 'hua-yV- Dichotomie zurück, welche die Chinesen von den außerhalb des Landes lebenden Barbaren abgrenzt („the Chinese people have never respected the foreigners, calling them barbarians“, Ebd).
6 In Anlehnung an Steinicke, Germany’s Arctic Engagement, 2017, S. 1.
7 So widersprechen inzwischen auch amerikanische Beamte dem US-Präsidenten Trump, welcher der Auffassung ist, „The concept of global warming was created by and for the Chinese in order to make U.S. manufacturing non-competitive.“ (Trump, Twittemachricht @realDonaldTrump, 2012. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, bescheinigten ihm Wissenschaftler aus 13 US-Behörden in einem kürzlich vorgelegten Klimareport, dass er mit seiner Einschätzung falsch liege {Süddeutsche Zeitung: Klimaforscher stellen Trump bloß, 09.08.2017).
8 Hierauf wird in den Kapiteln 2.3 und 4.1 genauer eingegangen.
9 Ein Einblick in die Zerstörung der Umwelt zum Zwecke des Getreideanbaus während des ‘Großen Sprung nach vome’ findet sich in Ho, Mao’s War against Nature?, 2003.
10 Im Südchinesischen Meer (SCS) besitzen China, Taiwan, Vietnam, Malaysia, Brunei und die Philippinen konkurrierende Gebietsansprüche, welche hauptsächlich auf der Ausbeutung möglicherweise in großer Menge vorhandener Öl und Gas Reserven, aber auch wichtiger Fischgründe, der Sicherung militärstrategisch bedeutender Inseln und durch das SCS verlaufender Handelswegen beruhen. Die Freiheit der Schifffahrt ist weiterhin auch ein Streitpunkt im Konflikt zwischen China und den USA über die Nutzung der chinesischen Ausschließlichen Wirtschaftszone (EEZ) durch amerikanische Kriegsschiffe. China versucht in dem Gebiet massiv, seine Ansprüche durchzusetzen und hatte im vergangenen Jahr den Richterspruch eines UN-Schiedsgerichts als „null und nichtig“ zurückgewiesen (Die Welt: Den Haag weist Chinas Gebietsansprüche zurück, 12.07.2016). Der SCS-Streit stellt insgesamt eine der Top-Prioritäten chinesischer Interessen dar.
11 Die Bezeichnung ‘Reich der Mitte’ oder ‘Land der Mitte’ stellt die wörtliche Übersetzung der chinesische Bezeichnung 41 IS (P inj in: Zhöngguo) dar, welche seit dem 19. Jahrhundert als Bezeichnung für das China als Land gebräuchlich ist und unter anderem für die kulturelle Abgrenzung zwischen den Barbaren und den Huaxia (Han-Chinesen) steht (WILKINSON, Chinese history, 2000, S. 132. Siehe dazu auch die ‘Äua-yi’-Dichotomie in Fn 5).
12 Statista, Top 20 Export Countries Worldwide in 2016, 2017.
13 RealClear Defense: The China Threat & What the U.S. Should Do About It, 01.08.2017. Der Artikel beschreibt China deutlich als Bedrohung fur die USA, vor allem in wirtschaftlichem und militärischem Sinne, jedoch auch als problematisch in Bezug auf die freiheitlich-demokratische Leitkultur, welche bisher durch die USA propagiert wurde, und nun zugunsten einer autoritärnationalistischen verdrängt werden könnte. Damit greift er - wenn auch in auffallend harscher Weise - die Meinungen einer Vielzahl von Akademikern und Journalisten auf (vgl. The Atlantic: China’s Great Leap Backward, 12.2016; The National Interest: Can China Rise Peacefully?, 25.10.2014).
14 Die Sorge um eine wirtschaftliche Bedrohung Deutschlands durch China spiegelt sich auch in der öffentlichen Meinung wieder. Wie die Wirtschaftswoche in einer Umfrage herausfand, empfinden „59 Prozent der Deutschen [...] Chinas starke Wirtschaft [...] als Bedrohung“{Wirtschaftswoche: Deutsche sehen China als Bedrohung, 17.02.2014).
15 So stellt das 2013 durch das Auswärtige Amt Papier veröffentlichte Papier „Leitlinien deutscher Arktispolitik“ ein erstes umfassendes Papier zur deutschen Politik im Hohen Norden dar (Auswärtiges Amt, Leitlinien deutscher Arktispolitik, 2013).
16 China wird zwar in vielen deutschsprachigen Studien zur Arktis als neuer Akteur im Hohen Norden erwähnt und seine Ambitionen angeschnitten, jedoch existieren nur wenige Arbeiten, welche das Land im Fokus ihrer Studien haben. Als Ausnahmen sind beispielsweise der Beitrag von Sybille Reinke de Buitrago zu nennen, welcher jedoch aufgrund seiner Kürze lediglich einen sehr groben Überblick über die Thematik gibt (Buitrago, China und seine Ambitionen in der Arktis, 2017). Wesentlich umfangreicher ist dagegen die geostrategische Analyse des Doktoranden Dennis Abel, die sowohl die chinesischen Ansprüche an die arktischen Ressourcen, Schifffahrtswege und Governance behandelt (Dennis Abel, Chinas Geostrategie in der Arktis, 2012). Umgekehrt wird die Arktis in Studien zu chinesischer Politik ebenfalls meist nur am Rande behandelt.
17 Vereinzelt konnte - aufgrund fehlenden Sprachniveaus mithilfe des Google Translator - auch auf chinesische Primärquellen zurückgegriffen werden.
18 Jakobson, China prepares for an Ice-Free Arctic, 2010; Jakobson/Peng, China’s Arctic aspirations, 2012. Jakobson ist im Moment einer der gefragtesten Experten auf dem Gebiet der chinesischen Ambitionen in der Arktis. So
19 Alexeeva/Lasserre, The Snow Dragon. China’s Strategies in the Arctic, 2012; Alexeeva/Lasserre, China and the Arctic, 2012.Lasserre, Arctic shipping, 2015.
20 Byers, Who owns the Arctic?, 2009; Byers/Baker, International Law and the Arctic, 2013.
21 Wright, The Dragon eyes the Top of the World, 2011.
22 Bennett, How China Sees the Arctic, 2015.
23 Auch wenn der Begriff des ‘High North’, abgeleitet vom norwegischen ‘nordomrâdene’, in Norwegen nicht mit dem Begriff ‘Arktis’ gleichgesetzt wird, sondern ein politisches Konzept sowie ein von den gängigen Definitionen der Arktis abweichendes geographisches Gebiet beschreibt, so wird für vorliegende Arbeit der ‘Hohe Norden’ bedeutungsmäßig mit der Arktis gleichgesetzt (Skagestad, The ‘High North’, 2010.). Die sinngemäß einheitliche Begriffsbestimmung in dieser Arbeit gilt weiterhin auch für den Begriff des ‘Nordpolargebiets’.
24 Thomson, The Unknown Country, 1950, S. 41. Dass die Arktis auch zu dieser Zeit zu großen Teilen noch nicht kartographiert war zeigt das Beispiel Prince Charles Islands. Trotz ihrer immensen Größe von 100 km Durchmesser wurde die Insel erst im Jahre 1947, drei Jahre vor Thomsons Aufsatz, entdeckt (Thomson, The Unknown Country, 1950, S.41).
25 POGNON, Cosmology and Cartography, 1984, S. 339.
26 Pitulko et. al., Early human presence in the Arctic, 2016; Bartsch, Zukunftsraum Arktis, 2015, S. 2.
27 VAUGHAN, The Arctic, 2007, S. 4Iff.
28 Besonders zu erwähnen ist hier die Kolonisierung Grönlands durch eine Gruppe von Wikingern um Erik Thorvaldsson, genannt Erik der Rote. Dies liegt zum einen daran, dass die Insel diesem Verband seinen heutigen Namen verdankt, zum anderen an der detailreichen Überlieferung der Wikingerkolonisation, welche durch isländische Sagen gewonnen werden konnten. Siehe hierzu beispielsweise „Die Sage von Erik dem Roten“ (Sephton, Eirik the Red’s Saga, 1880).
29 Michell/Fobres, The Chronicle of Novgorod, 1914, S. v ff.
30 So schreibt beispielsweise Motley: “For the sea-kings of the sixteenth century - the Drakes, Hawkinses, Frobishers, Raleighs, Cavendishes - the De Moors, Heemskerks, Barendts - all sprung of the old pirate-lineage, whether called Englanders or Hollanders, and instinct with the same hereditary love of adventure [...] to explore the most inaccessible regions, and to establish new commonwealths in worlds undreamed of by their ancestors [...]” (Motley, History of the United Netherlands, 1888, S. 363). Auch Bartsch formuliert in ähnlicher Weise: „Ab dem 15. Jahrhundert verstärkte sich das Interesse der christlichen Seefahrt an der Passage der arktischen Gewässer. Es begann eine Zeit der Entdecker [...]“ (Bartsch, Zukunftsraum Arktis, 2015). Zweifelsohne brauchte man ein gewisses Maß an Entdeckergeist, um sich auf eine Reise in die Arktis zu begeben, von der man eventuell nicht mehr lebend zurückkehrte. Dennoch haben wohl die ökonomischen Interessen der profitorientierten Auftraggeber überwogen.
31 Davenport, European Treaties bearing on the History of the United States and its Dependencies to 1648,1917, S. 84—100.
32 Die verschiedenen transarktischen Routen werden in Kapitel 4.4 ausführlicher erläutert.
33 Vaughan, The Arctic, 2007, S. 55.
34 Grotius, The Freedom of the Seas, 1916, S. 28.
35 Dies geschah beispielsweise in Russland, wo immer weitere Gebiete indigener Stämme erobert wurden, um zum einen die dort lebenden Tierbestände auszubeuten, zum anderen aber auch die Ureinwohner zu unterwerfen und ihnen anschließend als eine Art Steuer die von ihnen eijagte Pelze abzunehmen.
36 Greenberg, The Arctic in World Environmental History, 2009, S. 1340ff.
37 Kish, Discovery of the Northeast Passage, 1979, S. 388. Für Nordenskjölds eigene Reisebeschreibungen siehe Nordenskjöld, The Voyage of the Vega round Asia and Europe, 1881.
38 Das Durchqueren der Nordwestpassage auf dem umgebauten Fischerboot Gjöa beschreibt Amundsen selbst in seinem Buch „The North West Passage. Being the Record of a Voyage of Exploration of the Ship "Gjöa" 1903-1907” (Amundsen, The „Gjöa“ expedition, 1903-1907,1908).
39 In seinem Werk „The North Pole“, welches zwei Jahre nach seiner dritten und letztlich erfolgreichen Expedition zum Nordpol erschien, veröffentlichte Peary die Geschichte seiner Unternehmung (Peary, The North Pole, 1910).
40 Der Disput um die Ersterreichung des Nordpols wird von Cook auch in seinen Memoiren „My attainment of the Pole“ thematisiert, in welchem er versucht, Peary zu diskreditieren, unter anderem indem er einen seiner Captain zitiert, „[which] has said ‘that he knew, but never would admit, that Peary did not reach the Pole“1 (COOK, My attainment of the Pole, 1911, S. x).
41 Vaughan, The Arctic, 2007, S. 198ff.
42 Ebd., S. 247ff.
43 Ebd., S. 234ff.
44 Le Mière/Mazo, Arctic opening, 2013, S. 78ff.
45 Schmitt, Theorie des Partisanen, 1995, S. 71f.
46 Die Encyclopaedia Britannica definiert die Arktisgrenze auf 66° 30’N, während sie beispielsweise Hund auf 66° 33’ 44”N festlegt. Die Divergenz ist laut Hund auf die Fluktuation der Erdachse aufgrund der Mondumlaufbahn und deren Einfluss auf die irdischen Tidenkräfte zurückzufuhren, welche den Arctic Circle zurzeit um 15 Meter pro Jähr nach Norden verschieben (Don E. Dumond et. al., Arctic, 2017; Hund, Antarctica and the arctic circle, 2014, S. 54).
47 Die hoheitlichen Rechte eines Staates über sein vorgelagertes Meeresgebiet werden in Kapitel 4.2.1 erläutert.
48 Thomson, The Unknown Country, 1950, S. 41.
49 Hund, Antarctica and the arctic circle, 2014, S. 54.
50 Der Arctic Biodiversity Data Service der CAFF Arbeitsgruppe definiert die Grenze selbst als „the area covered by the the Conservation of Arctic Flora and Fauna (CAFF) working group of the Arctic Council.” Damit legt die Begrenzung den räumlichen Handlungsbereich der Arbeitsgruppe fest, in welchem der Schutz der arktischen Flora und Fauna umgesetzt werden soll (Arctic Biodiversity Data Service, Boundary for CAFF working group, 2017).
51 Einarsson, Arctic human development report, 2004, S. 17f.
52 Larsen/Fondahl, Arctic human development report, 2014, S. 53; Einarsson, Arctic human develo pment report, 2004, S. 27;
53Morteani, Die Bodenschätze der Arktis, 2010, S. lOf.
54 Daily Mail Online: The North Pole turns into a Lake. Webcam captures melting ice following a spell of warm weather, 25.07.2013.
55 Durch das Abschmelzen von Schnee und Eis, welche das eintreffende Sonnenlicht unter normalen Umständen durch ihre hohe Reflexionsfahigkeit zu 85-90% wieder ins All zurückwerfen würden, werden immer mehr dunkle Erd- und Wasserflächen freigelegt, welche die Energie nur zu 20 bzw. 10% reflektieren und durch die daraus folgende Erderwärmung das Abschmelzen des Eises weiter beschleunigen (sog. Albedo-Effekt). Das zunehmende Pflanzenwachstum aufgrund auftauender Permafrostböden trägt zusätzlich zur Abschwächung dieses Effekts bei, da die Vegetation ebenfalls lediglich 20% der Sonnenstrahlung zurückspiegelt. Temporär eisfreie Flächen bleiben durch die Erwärmung länger freigelegt, wodurch der Effekt noch einmal gesteigert wird.
56 Die Partikel entstehen nicht nur durch die Nutzung von Öl und Gas in der Arktis selbst, sondern können von den Orten der Verbrennung durch Winde an den Nordpol gelangen, wo sie sich auf dem Eis absetzen oder durch Verbleiben in der Atmosphäre die Aufnahme des solaren Lichts fordern. Diese Erkenntnis ist besonders folgenreich für China, welches den Hauptteil seiner Energie aus der Verbrennung von Kohle gewinnt.
57 Im Sommer ist eine Abnahme der Wolkenvorkommen zu beobachten ist, während deren Häufigkeit im Winter zunimmt. Dies sorgt für eine weitere Zuführung von Sonnenenergie in der bereits wärmeren Sommerperiode.
58 Der Golfstrom, welcher die Arktis mit den tropischen Gebieten der Erde verbindet, sorgt für einen Austausch großer Mengen Wasser zwischen den beiden Weltregionen, was einer Überhitzung der tropischen Gefilde und tieferer Temperaturen an den Polen entgegenwirkt. Dieser Prozess, welcher unter anderem vom Salzgehalt des Wassers abhängt (thermohaline Zirkulation), ist fein balanciert, weshalb bereits eine geringe Veränderung des Salzgehalts - durch Zugabe abgeschmolzenen Süßwassers von Meereis und Gletschern, oder vermehrter Regenhäufigkeit aufgrund höherer Verdunstung durch gestiegene Temperaturen - zu weniger Wärmetransport aus den Tropen in die Arktis führen würde. Diese Entwicklung würde zwar zunächst einer weiteren Erwärmung des Hohen Nordes entgegenwirken; jedoch wird durch eine Abnahme des Stromes auch der Transport von Kohlenstoffdioxid in die Tiefsee verringert, was die Ansammlung des Gases in der Atmosphäre beschleunigt und so den Klimawandel weiter vorantreibt. Gleichzeitig würde ein schwächerer Golfstrom das Hinaufspülen von wärmerem Wasser an die Oberfläche unterbinden, wo es im Normalfall abkühlen kann. Aufgrund größerer thermischer Ausdehnung des Wassers hätte dies einen stärkeren Anstieg des Meeresspiegels zur Folge (Hassol, Impacts of a warming Arctic, 2004, S. 29, 32, 36f).
59 Europäische Kommission, JOIN(2016) 21 final, 2016, S. 5.
60 Teils werden aus dem tauenden Boden auch krankheitserregende Bakterien freigesetzt. So berichtet der Guardian über einen sibirischen Jungen, welcher infolge freiwerdender Bakterien an Milzbrand verstarb (The Guardian-. Slow-motion wrecks. How thawing permafrost is destroying Arctic cities, 14.10.2016).
61 Das höhere Pflanzenwachstum wird aufgrund von höheren Temperaturen, höherem CO2-Gehalt der Atmosphäre und vermehrter Freilegung von Nährstoffen möglich.
62 Schuur/Hugelius, Terrestrial Carbon Cycle, 2016, S. 72f.
63 UNEP Newscentre: Thawing of Permafrost Expected to Cause Significant Additional Global Warming, Not yet Accounted for in Climate Predictions, 27.11.2012; HASSOL, Impacts of a warming Arctic, 2004, S. 32f). Ein weiteres Problem, welches durch die tauenden Permafrostböden entsteht, ist die Zerstörung von Infrastruktur. Das Auftauen des Untergrunds destabilisiert Verkehrsstrukturen, was die Mobilität in der Arktis beeinträchtigt, und Wohngebäude {The Guardian: Slow-motion wrecks. How thawing permafrost is destroying Arctic cities, 14.10.2016).
64 Die Monate März und September sind deshalb so wichtige Anhaltspunkte, weil sie den kältesten bzw. wärmsten Monat in der Arktis markieren.
65Richter-Menge et. al., Executive Summary, 2016, S. 6.
66 Perovich et. al., Sea Ice, 2016, S. 44.
67 Ebd., S. 42f.
68 Planungsamt der Bundeswehr/Bartsch, Klimawandel und Sicherheit in der Arktis nach 2014, 2014, S. 8.
69 Das im Arktischen Ozean treibende Eis verdrängt dieselbe Menge an Wasser, welche es nach Schmelze auch im flüssigen Zustand einnimmt. Daher sorgen lediglich auf Land lagernde Eismassen für einen Anstieg des Meeresspiegels, da das flüssige Wasser nach Schmelze zusätzlich in den Ozeanen vorhanden ist (U.S. National Aeronautics and Space Administration, What’s causing Sea-Level Rise? Land Ice vs. Sea Ice, 2017).
70 Meieret, al., Glaciers Dominate Eustatic Sea-Level Rise in the 21st Century, 2007, S. 1065f.
71 Weitere Faktoren für den Anstieg des Meeresspiegels sind das Abschmelzen südpolaren Eises und die sogenannte thermale Ausdehnung des Wassers, dessen Volumen durch Erwärmung steigt.
72 Sinae war der antike römische und griechische Begriff für China. Er bezeichnete das am Ostrand der bewohnbaren Welt lebende Volk, welches nur über den Seeweg erreichbar war, im Gegensatz zu den Seres, die am Ende der landwärtigen Seidenstraße beheimatet waren. Ethymologisch ist es, ebenso wie China, wohl ein Derivat des Namens des westlichsten Staates des damaligen Chinas, Qin, aus welchem die gleichnamige Dynastie hervorging (Williams, The Middle Kingdom, 2005, S. 408).
73 Dieses Kapitel basiert auf Jakobson/Manuel, How are Foreign Policy Decisions Made in China?, 2016; Jakobson/Peng, China’s Arctic aspirations, 2012, S. 3f.; und Sun, Chinese National Security Decision-Making, 2013). Für eine Übersicht über die strukturelle und personelle Zusammensetzung der chinesischen Staatsführung siehe außerdem Lawrence, China’s Political Institutions and Leaders in Charts, 2013.
74 Kissinger, On China, 2011, S. 8.
75 The National People’s Congress of the People’s Republic of China, Constitution of the People’s Republic of China, 1982.
76 Der Begriff wird in Anlehnung an die Bezeichnung ‘paramount leader’ verwendet, welcher dem politischen Oberhaupt Chinas als informeller Titel gegeben wird. Durch Bekleidung der drei wichtigsten Ämter des Landes - in nach Wichtigkeit absteigender Reihenfolge: Generalsekretär der CPC, Vorsitzender der Militärkommission (chinesisches Militäroberkommando) und Präsident der PRC - wird ihm heutzutage eine nahezu allumfassende Position eingeräumt. Da die CPC aufgrund der Festlegung in der Verfassung dem ‘leadership of the Communist Party of China’ untersteht, gilt diese absolute Machtposition auch für die Partei.
77 Das diese absolute Kontrolle im Zeitalter digitaler Medien gerade in einem Land mit 731 Millionen Intemetnutzem (=53,1 der Gesamtbevölkerung) nicht mehr wie in früheren Zeiten möglich ist, liegt auf der Hand {Tech In Asia: China now has 731 million internet users, 95% access from their phones, 23.01.2017). Umfangreiche Zensurmaßnahmen sorgen jedoch dafür, dass private Meinungsäußerungen weitgehend eingeschränkt und zumindest die offiziellen Verlautbarungen möglichst getreu der Parteilinie getätigt werden {Süddeutsche Zeitung: Alles auf Staat, 05.07.2017).
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- Anonym,, 2017, Chinesische Ambitionen in der Arktis vor dem Hintergrund der Veränderungen durch den Klimawandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1320770
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