Der Einfluss politischer Schocks wurde auf die europäische Realwirtschaft untersucht. Dabei stellen politische Schocks eine neue Kategorie zu Angebots-, Nachfrage- und Geldmengenschocks dar. Hervorzuheben ist, dass der Einfluss der Politik auf die Wirtschaft beobachtet wurde und nicht umgekehrt. Somit ergibt sich folgende Kausalordnung: Der Schock wird im politischen System verursacht und wirkt sich auf die Realwirtschaft aus. Dabei können sowohl inländische als auch ausländische Schocks auf die Wirtschaft einwirken.
Auf die Stärke der Schockübertragung haben Institutionen einen Einfluss. Von der Ausbildung der Institutionen hängt ab, ob ein Schock gedämpft werden kann, oder ob sich Schocks stark auf die Realwirtschaft auswirken können. Hier spielen insbesondere die Institutionen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) eine wichtige Rolle. Hierzu gehören die einheitliche Geldpolitik der EZB, der normative Rahmen für die nationale Fiskalpolitik und die Grundzüge einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik (Lissabonagenda). Zusätzlich hat der wirtschaftspolitische Rahmen der EWWU dazu beigetragen, dass sich die Märkte des Eurosystems in einen gemeinsamen Markt integrieren konnten.
Die Bestimmung zentraler wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen durch die EWWU hat zu einem starken Autonomieverlust auf nationaler Ebene geführt. Was bedeutet dies nun für die Stabilität der Realwirtschaft? Wenn die Institutionen der EWWU besser als die nationalen Institutionen ausgestaltet sind, dann haben politische Schocks einen geringeren Einfluss auf die Realwirtschaft. Dies wird durch die Integration der Märkte noch zusätzlich unterstützt.
- Inhaltsverzeichnis -
Anlagenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Politische Schocks
2.1 Was ein Schock ist
2.2 Besonderheit politischer Schocks
2.3 Political Economy Channel: Die Übertragung politischer Schocks
3. Der empirisch-ökonometrische Modellansatz von M. Fratzscher und L. Stracca
3.1 Kategorisierung und Gewichtung der politischen Schocks
3.2 Datengrundlage
3.3 Untersuchungs- und Vergleichsgruppe
3.4 Kurze Beschreibung des Modells
4. Zentrale Ergebnisse der Forschungsarbeit von M. Fratzscher und L. Stracca
4.1 Ergebnisse in der Untersuchungsgruppe
4.2 Verarbeitung politischer Schocks in der Vergleichsgruppe
5. Institutioneller Erklärungsansatz nach M. Fratzscher und L. Stracca
5.1 Qualität der Geldpolitik
5.2 Qualität der Fiskalpolitik
5.3 Änderung institutionaler Rahmenbedingungen außerhalb des Eurosystems
6. Profiteure des Eurosystems und Moral-Hazard-Verhalten der politischen Akteure
7. Resümee
Literatur- und Quellenverzeichnis
- Anlagenverzeichnis -
Anlage 1: Untersuchte Länder
Anlage 2: Reaktion der Kapitalmärkte auf nationale Schocks in den Ländern des Eurosystems
Anlage 3: Reaktion der Kapitalmärkte auf Schocks aus Ländern des Eurosystems
Anlage 4: Zeitabhängige Heterogenität der Kapitalmarktreaktionen auf Schocks in Ländern des Eurosystems
Anlage 5: Reaktion der Kapitalmärkte auf nationale Schocks in allen Ländern
Anlage 6: Mittelwert und Streuung der Inflationsraten in den Ländern des Eurosystems
Anlage 7: Mittelwert und Streuung der Defizitquoten und der Staatsschulden- quoten der Länder des Eurosystems
Anlage 8: Indikator der Weltbank für politische Stabilität
- Abkürzungsverzeichnis -
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Rahmenbedingungen bestimmen das Ob und das Wie des Wirtschaftens. Stabile Rahmenbedingungen sorgen darüber hinaus für ein effizienteres Wirtschaften. Hierdurch ist es für die Wirtschaftssubjekte einfacher sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens zu bewegen. Unsicherheiten und Kosten der Anpassung, die jede Veränderung in den Rahmenbedingungen mit sich bringt, kommen in einem stabilen Umfeld nur reduziert vor. Die Wirtschaftssubjekte können sich auf das beschränken, was ihr primäres Ziel ist: zu wirtschaften.
Die Rahmenbedingungen der Wirtschaft werden insbesondere durch die Politik vorgegeben. Somit besteht zwischen der Politik und der Wirtschaft eine Interaktion. Mit diesem Wechselspiel befasst sich die Arbeit. Dabei wird einerseits der Einfluss unvorhergesehener politischer Ereignisse auf das Wirtschaftssystem in einem engen zeitlichen Wirkungszusammenhang betrachtet. Andererseits wird im Zeitverlauf beobachtet, inwieweit es zu einer Veränderung dieser Interaktionen kam.
Seit Mitte der 90er Jahre erfolgte in der nationalen Wirtschaftspolitik ein enormer Autonomieverlust, wodurch nationale Institutionen durch supranationale Institutionen des Eurosystems ersetzt wurden. Gibt es zwischen dem Autonomieverlust und der Entwicklung bei der Schockübertragung auf die Realwirtschaft einen Zusammenhang? Diese Fragestellung soll anhand einer Reflexion des Arbeitspapiers „The political economy under monetary union – has the Euro made a difference?“ von M. Fratzscher und L. Stracca untersucht werden.
2. Politische Schocks
Das Arbeitspapier von M. Fratzscher und L. Stracca befasst sich zentral mit dem Einfluss politischer Schocks auf das Wirtschaftssystem ohne eine nähere Erläuterung zu bringen, was politische Schocks sind.
2.1 Was ein Schock ist
Der Begriff „Schock“ findet in der Volkswirtschaftslehre häufig Verwendung. Befasst man sich mit diesem Begriff jedoch näher, muss man feststellen, dass in der Fachliteratur der Begriff „Schock“ nicht definiert ist. In der Regel werden Angebots-, Nachfrage- und Geldmengenschocks unterschieden.[1] Doch was haben diese unterschiedlichen Schocks gemein? Der Begriff „Schock“ – aus dem französischen „choc“ kommend – bedeutet Stoß oder Schlag.[2] Als Metapher kann man diese Beschreibung übertragen auf die Begrifflichkeit „Schock“ in der Volkswirtschaftslehre: Schocks werden in Modellen beobachtet und haben den Zweck Ereignisse widerzuspiegeln, die exogen auftreten und dann in die Modellwelt „hineinstoßen“. Herauszuheben ist, dass die Ursachen von Schocks nicht durch das Modell erklärt werden können, sondern nur die Wirkung der Schocks innerhalb des Modells. Aus dem Modell betrachtet, ereignen sich Schocks überraschend und sind im Gegensatz zu den endogenen Ereignissen und Abläufen in einem Modell nicht prognostizierbar. Sie fließen somit nicht in die Erwartungsbildung der einzelnen Subjekte ein.
2.2 Besonderheit politischer Schocks
Dass politische Schocks existieren können, impliziert folgende Überlegung: Politisches System wie auch Wirtschaftssystem sind als zwei bedingt abhängige (Teil-) Systeme[3] zu verstehen, wobei die Kommunikation zwischen beiden Teilsystemen nicht uneingeschränkt erfolgt sondern reduziert.[4] Eine gewisse Interaktion ist somit möglich. Bestimmte Ereignisse, die eine das Teilsystem übergreifende Bedeutung haben, werden nicht nur im anderen Teilsystem wahrgenommen, sondern auch in der Handlung der einzelnen Akteure berücksichtigt.
Da aber die Kommunikation zwischen den Teilsystemen nicht vollständig ist und folglich Informationsasymmetrie zwischen den Teilsystemen herrscht, werden in der Erwartungsbildung der einzelnen Akteure nicht alle zukünftigen Ereignisse des anderen Teilsystems berücksichtigt. Zum Zeitpunkt der Erwartungsbildung liegen somit nicht alle Informationen über das Eintreten künftiger Ereignisse vor. Kommt es nun zu unberücksichtigten Sachverhalte mit einem für das andere Teilsystem bedeutenden Inhalt, so werden dessen Akteure das Geschehen als unvorhergesehen und exogen – also als einen Schock – betrachten und entsprechend ihre Handlungsabsichten anpassen.
Der politische Schock beschreibt also ein aus Sicht der Wirtschaft unvorhergesehenes Ereignis im politischen Teilsystem, dass für die Akteure der Wirtschaft ab Bekanntwerden eine Bedeutung hat. Die Ursache des Ereignisses liegt im politischen Teilsystem, hat aber Folgen für das Wirtschaftssystem.
2.3 Political Economy Channel: Die Übertragung politischer Schocks
M. Fratzscher und L. Stracca fassen in der Zusammenfassung ihrer Arbeit eine Kernaussage wie folgt zusammen: „This paper identifies a poltical economy channel of EMU“.[5] Hier ist natürlich im ersten Moment unklar, was die beiden Autoren unter dem Ausdruck „political economy channel“ verstehen. Unter Berücksichtigung des bereits unter 2.1 und 2.2 ausgearbeiteten, beschreibt der „political economy channel“ ob und wie Schocks übertragen werden.
Bisher wurde festgehalten, dass sich Schocks vom politischen Teilsystem in das wirtschaftliche übertragen lassen, wenn diese bedeutend sind. Was ist nun ein bedeutender politischer Schock? Nebensächlich ist bei der Bewertung, wie der Schock im politischen Teilsystem gewichtet ist, da die beiden Teilsysteme – wie bereits beschrieben – nur bedingt voneinander abhängig sind. Es kommt also auf die Bewertung des Ereignisses durch die Akteure in der Wirtschaft an. Als bedeutend wird ein politisches Ereignis dann wahrgenommen, wenn die Akteure der Wirtschaft davon ausgehen, dass das Ereignis einen Einfluss auf ihr künftiges Handeln hat. Oder anders ausgedrückt: Wenn erwartet wird, dass das künftige Handeln entweder erweitert, eingeschränkt, verboten oder wenn sich sogar neue Handlungsfelder ergeben, so wird sich die Erwartungsbildung der einzelnen Akteure anpassen. Der Schock führt also dazu, dass sich die Rahmenbedingungen des Wirtschaftssystems unerwartet ändern, was dann Einfluss auf die einzelnen Wirtschaftssubjekte hat.
In diesem Abschnitt wurde abstrakt erklärt, dass politische Schocks existieren. Im nun Folgenden soll mittels eines empirischen, ökonometrischen Modells erläutert werden, wie sich Schocks übertragen.
3. Der empirisch-ökonometrische Modellansatz von M. Fratzscher und L. Stracca
3.1 Kategorisierung und Gewichtung der politischen Schocks
Im Arbeitspapier von M. Fratzscher und L. Stracca werden politische Schocks in folgende beiden Kategorien aufgeteilt:[6]
- Zentrale politische Ereignisse:
Dies sind Ereignisse, die aus dem politischen Teilsystem heraus entstehen, wie Wahlen, Regierungszusammenbrüche. Hierbei erfolgte eine umfassende, abschließende Datensammlung.
- Ereignisse, die auf das politische System einen Einfluss haben können:
Hierunter wurden Ereignisse wie politische Skandale, Naturkatastrophen, größere Unfälle oder Angriffe von Terroristen gesammelt, die auf das politische Teilsystem von Außen eine Wirkung haben könnten. Bei der Auswahl wurde nicht darauf geachtet, ob ein Zusammenhang zum Kapitalmarkt besteht. Die Datensammlung ist weder erschöpfend, noch war ein objektiver Ansatz möglich. Des Weiteren wurde versucht – was auch als Kritikpunkt anzumerken ist – die Zahl der Ereignisse in allen untersuchten Ländern ungefähr konstant zu halten.
Auffallend bei der Kategorisierung ist, dass bedeutende Gesetzesänderungen – insbesondere von Gesetzen, die den wirtschaftlichen Handlungsrahmen festlegen – in die Datensammlung nicht aufgenommen wurden. Gegen die Aufnahme spricht – was sehr überzeugend ist – dass der Gesetzgebungsprozess in der Regel lange andauert und daher die betroffenen Akteure sich rechtzeitig auf neue/ geänderte Gesetze einstellen können und dies in ihrer Erwartungsbildung frühzeitig berücksichtigen.
Diese Thematik ist insgesamt ein Problem des Arbeitspapiers, was die Autoren auch erkennen. So schreiben sie selbst, dass viele politische Ereignisse bereits vor dem Auftreten erwartet werden und so in der Erwartungsbildung frühzeitig berücksichtigt werden. Als Beispiel führen Sie Wahlen auf, deren Ausgang oft schon im Voraus bekannt ist.[7] Eine Verbesserung des empirischen Ansatzes zur Reduzierung dieses Problems erfolgt im Arbeitspapier jedoch nicht.
Bei der Gewichtung der Schocks für die empirische Auswertung kam es vereinfachend zu einer Äqui-Distanz-Annahme. Wobei die Bewertung nach positivem, negativem, neutralem und unbestimmtem Einfluss auf die Wirtschaft durch die beiden Autoren erfolgte.[8] Hinter dieser Einteilung steht jedoch kein theoretischer Ansatz, der die Zuteilung objektiviert.
[...]
[1] So z. B. Bofinger, P./ Reischle J. / Schächter A. (1996), S. 100 ff.
[2] Kluge F./ Seebold M. (1999), S. 739.
[3] Unter 2.1 wurde der Zusammenhang Modell und Schock erläutert. Da Modelle Vereinfachungen von komplexen Systemen sind, wird im weiteren Verlauf der Arbeit für die Erklärung politischer Schocks vereinfachend davon ausgegangen, dass Modelle und Systeme deckungsgleich sind.
[4] Luhmann, N. (1998), S. 78 ff.
[5] Fratzscher M./ Stracca L. (2008), S. 4.
[6] Fratzscher M./ Stracca L. (2008), S. 11 f.
[7] Fratzscher M./ Stracca L. (2008), S. 12.
[8] Fratzscher M./ Stracca L. (2008), S. 12.
- Quote paper
- Diplom-Verwaltungswirt (FH) Matthias Will (Author), 2009, Einfluss politischer Schocks auf Wirtschaftssysteme unter Berücksichtigung der Institutionen des Eurosystems, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132049
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