Die Zielsetzung dieser Arbeit ist es, die Sensitivität von Preisschwankungen des Treibstoffs und des Wechselkurses auf die gesamten Treibstoff-Aufwendungen und das Unternehmensergebnis von Fluggesellschaften zu analysieren und darzustellen, welchen Effekt der Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten im Sinne des Hedgings auf die Treibstoffkosten und folglich auf das Unternehmensergebnis besitzt. Anhand der Analyse von Geschäftsberichten wird weiterhin das Ziel verfolgt zu erkennen, ob europäische und amerikanische Fluggesellschaften aufgrund des Rohöl-Handels in USD unterschiedliche Ansätze im Hedging von Treibstoff- und Währungsrisiken verfolgen.
Der Preis für Rohöl und Rohöl-Produkte ist seit vielen Jahren ein wichtiger Indikator für die wirtschaftliche Lage und die Entwicklung der globalen Märkte. Zahlreiche mikro- und makroökonomische Einflüsse sorgen dafür, dass Rohöl-Preise volatile Entwicklungen aufweisen. Kursschwankungen des Rohöls beeinflussen somit unmittelbar das Unternehmensergebnis von Fluggesellschaften aufgrund des durchschnittlichen 25%-Anteils an den Betriebskosten. Das Verhältnis der beiden wichtigsten Währungen der Welt, der EUR/USD-Wechselkurs, gibt als volkswirtschaftlicher Faktor Aufschluss über die internationale Wettbewerbsfähigkeit der beiden Währungsregionen. Der Handel des Rohöls in USD hat dabei zur Folge, dass Unternehmen, welche außerhalb der USD-Zone operieren, in Bezug auf Rohöl zusätzlich Wechselkursrisiken unterliegen. Sowohl der Rohöl-Preis als auch der EUR/USD-Wechselkurs besitzen für Fluggesellschaften einen existenzbedrohenden Charakter, weshalb eine Absicherung vor diesen finanzwirtschaftlichen Risiken elementar ist.
I Inhaltsverzeichnis
II Abbildungsverzeichnis
III Tabellenverzeichnis
IV Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Relevanz der Thematik & aktuelle Lage
1.2 Zielsetzung & Aufbau
2 Grundlagen des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements
2.1 Definition, Grundlagen & Bestandteile
2.1.1 Risiko
2.1.2 Risikoarten
2.1.3 Risikomanagement
2.2 Grundlagen der Risikoanalyse
2.2.1 Prozess der Risikoidentifikation
2.2.2 Risikomessung & -bewertung
2.2.2.1 Quantifizierung von Risiken
2.2.2.2 Sensitivitätsanalyse
2.2.3 Risikoklassifikation & -Steuerung
2.3 Finanzwirtschaftliche Risiken von Fluggesellschaften
2.3.1 Rohstoffpreisrisiken
2.3.2 Währungsrisiken
3 Grundlagen von Rohöl- & Devisenmärkten
3.1 Rohöl, Produkte & Benchmarks
3.1.1 Rohölmärkte
3.1.2 Einflussfaktoren aufdie Preisbildung
3.1.2.1 Langfristige Einflussfaktoren
3.1.2.2 Kurzfristige Einflussfaktoren
3.1.3 Historische Entwicklungen
3.1.4 Aktuelle Lage & Entwicklungen
3.1.5 Treibstoffrisiken von Fluggesellschaften
3.2 Wechselkurse, Währungen & Devisen
3.2.1 Devisenmarkt
3.2.2 Einflussfaktoren aufWechselkurse
3.2.3 Euro-Dollar-Wechselkurs
3.2.4 Wechselkursrisikenvon Fluggesellschaften
4 Derivative Finanzinstrumente & Hedging-Strategien
4.1 Grundlagen derivativer Finanzinstrumente
4.2 UnbedingteTermingeschäfte
4.2.1 Futures&Forwards
4.2.1.1 Funktionsweise
4.2.1.2 Bewertung & Preisunterschiede
4.2.1.3 Hedging-Strategien mit Rohöl-Futures &-Forwards
4.2.1.4 Hedging-Strategien mit Devisen-Futures &-Forwards
4.2.2 Swaps
4.2.2.1 Funktionsweise
4.2.2.3 Hedging-Strategien mit Commodity-Swaps
4.2.2.3 Hedging-Strategien mitWährungs-Swaps
4.3 BedingteTermingeschäfte
4.3.1 Grundlagen von Optionen
4.3.2 Handelsstrategien mit Optionen
4.3.2.1 Hedging-Strategien mitRohöl-Optionen
4.3.2.2 Hedging-Strategien mit Devisen-Optionen
5 Finanzwirtschaftliches Managementvon Fluggesellschaften
5.1 Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten bei Fluggesellschaften
5.2 Fuel Hedging bei europäischen und US-amerikanischen Airlines
5.2.1 LufthansaGroup
5.2.2 RyanairHoldings
5.2.3 Southwest Airlines
5.2.4 DeltaAirlines
5.2.5 Zusammenfassung & Vergleich
5.3 Sensitivität von Preisschwankungen bei Fluggesellschaften
5.3.1 Sensitivitätsanalyse ohne derivative Finanzinstrumente
5.3.2 Sensitivitätsanalyse mit derivativen Finanzinstrumenten
5.3.2 Zusammenfassung & kritische Würdigung des Sensitivitätsanalyse
6 Schlussbetrachtung
6.1 Zusammenfassung
6.2 Fazit
6.3 Ausblick
VI Literaturverzeichnis
VII Anhang
Executive Summary (DE)
Der Preis für Rohöl und Rohöl-Produkte ist seit vielen Jahren ein wichtiger Indikator für die wirtschaftliche Lage und die Entwicklung der globalen Märkte. Zahlreiche mikro- und makroökonomische Einflüsse sorgen dafür, dass Rohöl-Preise volatile Entwicklungen aufweisen. Kursschwankungen des Rohöls beeinflussen somit unmittelbar das Unternehmensergebnis von Fluggesellschaften aufgrund des durchschnittlichen 25%-Anteils an den Betriebskosten. Das Verhältnis der beiden wichtigsten Währungen der Welt, der EUR/USD-Wechselkurs, gibt als volkswirtschaftlicher Faktor Aufschluss über die internationale Wettbewerbsfähigkeit der beiden Währungsregionen. Der Handel des Rohöls in USD hat dabei zur Folge, dass Unternehmen, welche außerhalb der USD-Zone operieren, in Bezug auf Rohöl zusätzlich Wechselkursrisiken unterliegen. Sowohl der RohölPreis als auch der EUR/USD-Wechselkurs besitzen für Fluggesellschaften einen existenzbedrohenden Charakter, weshalb eine Absicherung vor diesen finanzwirtschaftlichen Risiken elementar ist.
Dadurch, dass Mineralöl-Konzerne keine Verhandlungen in Bezug auf langfristige Lieferverträge von Rohöl und Rohöl-Produkte eingehen, bedienen sich Fluggesellschaften kapitalmarktüblicher Finanzprodukte. Der Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten in Form von unbedingten (Forwards, Futures, Swaps) und bedingten Termingeschäften (Optionen) ermöglicht Fluggesellschaften bis zu einem gewissen Grad eine Absicherung vorPreisschwankungen, dem sogenannten Fuel-Hedging. Fluggesellschaften gehen dabei derivative Finanzkontrakte mit Mineralöl-Konzern oder Banken ein, wodurch eine ausgewählte Menge des jährlichen Treibstoffbedarfs preislich fixiert wird. Der Großteil des Fuel-Hedgings erfolgt durch den Einsatz von Fixed-for-Floating Commodity-Swaps. Die Fluggesellschaft zahlt dabei für einen festgelegten Zeitraum einen fixen Betrag, welcher sich aus dem vereinbarten Basispreis und dem vertraglich vereinbarten Volumen des Basiswertes ergibt. Im Gegenzug erhält die Fluggesellschaft von der Gegenpartei eine variable Zahlung, welche sich nicht aus dem vereinbarten Basispreis, sondern aus dem am Zahlungstermin geltenden Kassakurs ergibt.
Anhand einer Sensitivitätsanalyse konnte dargestellt werden, dass der Einsatz eines Fixed-for-Floating Commodity-Swaps einen grundlegend positiven Effekt für Fluggesellschaften zeigt. Der zusätzliche Aufwand, welcher bei einem Preisanstieg entstehen würde, kann durch den vereinbarten Basispreis für das bestimmte Volumen unter dem Aufwand gehalten werden, der ohne Absicherung entstanden wäre. Auf der Gegenseite kann die Fluggesellschaft an einem möglichen Preisverfall nur bedingt partizipieren, da nur das Volumen des Treibstoffbedarfs, welcher nicht durch Finanzkontrakte gesichert wurde, von einem Preisverfall profitieren kann. Die Schwankungsbreite der Treibstoffkosten wird in einem Korridor gehalten, wodurch Fluggesellschaften eine feste Kalkulationsbasis besitzen und eine verlässliche Finanzplanung vornehmen können.
Executive Summary (EN)
The price of crude oil and crude oil products has been an important indicator of the economic situation and the development of global markets for many years. Numerous micro- and macroeconomic influences ensure that crude oil prices show volatile developments. Fluctuations in the price of crude oil thus have a direct impact on the corporate results of airlines due to the average 25% share of operating costs. The ratio of the world's two most important currencies, the EUR/USD exchange rate, is an economic factor that provides information about the international competitiveness of the two currency regions. The trading of crude oil in USD means that companies operating outside the USD zone are additionally subject to exchange rate risks regarding crude oil. Both the price of crude oil and the EUR/USD exchange rate threaten the existence of airlines, which is why hedging against these financial risks is elementary.
As oil companies do not enter long-term supply contracts for crude oil and crude oil products, airlines use financial products that are customary on the capital market. The use of derivative financial instruments in the form of unconditional (forwards, futures, swaps) and conditional transactions (options) enables airlines to hedge against price fluctuations to a certain extent, so-called fuel hedging. Airlines enter derivative financial contracts with oil companies or banks, which fix and hedge a selected amount of their annual fuel requirements. Most fuel hedging is done using fixed-for-floating commodity swaps. The airline pays a fixed amount for a fixed period, which is derived from the agreed strike price and the contractually agreed volume of the underlying. In return, the airline receives a variable payment from the counterparty, which is not based on the agreed strike price but on the spot rate applicable on the payment date.
A sensitivity analysis showed that the use of a fixed-for-floating commodity swap has a fundamentally positive effect for airlines. The additional expense that would arise in the event of a price increase can be kept below the expense that would have arisen without hedging due to the agreed strike price for the specific volume. On the other hand, the airline can only participate to a limited extent in a possible price decline, since only the volume of fuel requirements that has not been hedged by financial contracts can profit from a price decline. The fluctuation range of the costs and the corporate results is kept within a narrower corridor, which gives the airline a firm basis for calculation and allows it to make reliable financial plans.
II Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 -Sensitivitätvon Rohölpreis-Schwankungen
Abbildung 2 - Kreislauf des Risikomanagements
Abbildung 3 - Brent-WTI-Spread von 2004 - 2015
Abbildung 4 - Chart des Brent Crude Oil von 2000 - 2022
Abbildung 5 - Chart des Brent Crude Oil & Jet Fuel von April 2015 - April 2022
Abbildung 6 - Geld- & Briefkurs bei Mengennotierung
Abbildung 7 - Bildung von Wechselkursen (EUR/USD)
Abbildung 8 - Chart des Wechselkurses EUR/USD von 2014 - 2022
Abbildung 9 - Gewinn-ZVerlust-Profil von Futures & Forwards
Abbildung 10 - Risiko-Profile von Rohöl-Anbietern & -Nachfragern
Abbildung 11 - Risiko-Profilevon Importeuren/Exporteuren bei Terminverkäufen
Abbildung 12 - Transaktionen eines Rohöl-Swaps
Abbildung 13 - Cashflows von Airline A beim Währungsswap
Abbildung 14 - Verteilung der Rechte & Pflichten bei Optionen
Abbildung 15 - Gewinn-ZVerlust-Profil von Kaufoptionen
Abbildung 16 - Gewinn-ZVerlust-Profil von Verkaufsoptionen
Abbildung 17 - Fiktive Preise eines FX-Optionsmarktes
III Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 - Vergleich des Hedgings ausgewählter Fluggesellschaften
Tabelle 2 - Fiktive Marktdaten des Jet Fuel-, Brent- & EUR/USD-Kurses
Tabelle 3 - Währungs- & Treibstoffexposure
Tabelle 4 - Betriebskostenrechnung von Global Airlines AG
Tabelle 5 - Sensitivitätsanalyse ohne derivative Finanzinstrumente (Jet Fuel)
Tabelle 6 - Sensitivitätsanalyse ohne Finanzderivate (USD/EUR)
Tabelle 7 - Sensitivitätsanalyse ohne Finanzderivate (Jet Fuel & USD/EUR)
Tabelle 8 - Swap-Confirmation des Commodity-Swaps (Fixed-For-Floating)
Tabelle 9 - Hedging-Effekt mittels Swap bei steigenden Treibstoffpreisen
Tabelle 10 - Hedging-Effekt mittels Swap bei fallenden Treibstoffpreisen
Tabelle 11 - Effekt des Hedgings mittels derivativer Finanzinstrumente (Swap)
Tabelle 12 - Auswirkung des Hedging-Effekts aufdas Unternehmensergebnis
Tabelle 13- Hedging-Effekt bei USD/EUR +1%
Tabelle 14 - Hedging-Effekt bei USD/EUR -1%
Tabelle 15 - Fiktive Spot-Kurse des Commodity-Swaps für Szenario A&B
Tabelle 16 - Transaktionen des Commodity-Swaps (Szenario A)
Tabelle 17 -Transaktionen des Commodity-Swaps (Szenario B)
Tabelle 18 - Swap-Confirmation des Währungsswaps (Fixed-For-Fixed)
Tabelle 19 - Transaktionen des Währungsswaps
IV Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
„If we do not hedge jet fuel price risk, we are speculating. It is our fiduciary duty to try and hedge the risk.’'1 Dieses Zitat von Scott Topping, Direktor Corporate Finance bei Southwest Airlines, verdeutlicht die elementare Bedeutung der Absicherung von Risiken wie Treibstoffpreis- und Wechselkursschwankungen, impliziert durch volatile Rohölpreise. Die treuhänderische Pflicht bezieht sich hierbei auf die Shareholder und Stakeholder von Fluggesellschaften, da eine steigende Volatilität des Rohölpreises die Betriebskosten deutlich erhöhen und somit das Unternehmensergebnis negativ beeinflussen kann. In der Folge können sich Unternehmenswert und Aktienkurs - entgegen der Erwartung der Investoren - verringern.2
1.1 Relevanz der Thematik & aktuelle Lage
Aufgrund des hohen Anteils der Treibstoffkosten an den Betriebskosten (ca. 30%) können Preisänderungen existenzbedrohend für Fluggesellschaften sein. Zusätzlich zu den erheblichen Risiken von Treibstoffpreisänderungen sind in erster Linie Fluggesellschaften, welche nicht primär in USD operieren, einem Wechselkursrisiko ausgesetzt. Der Handel von Rohöl und Rohöl-Produkten erfolgt in USD, wodurch sich Wechselkursschwankungen unmittelbar auf die Treibstoffkosten von Fluggesellschaften auswirken können. Das Risikomanagement der genannten Risikofaktoren erfolgt unter dem Einsatz verschiedener (derivativer) Finanzinstrumente. Ohne den Einsatz solcher Instrumente zur Preissicherung gehen Fluggesellschaften erhebliche Risiken ein, welche in einer Zahlungsunfähigkeit und in der Insolvenz resultieren kann.3
Die aktuellen Themen, welche sich unmittelbar auf die Entwicklung des Rohöls- und Treibstoffpreises auswirken, sind der Klimawandel, die COVID-19-Pandemie und der Russland-Ukraine-Konflikt. Diese makroökonomischen Ereignisse prägen die gesamtwirtschaftliche Lage und die globalen Märkte immens. Der Rohöl-/Treibstoff-Preis wird dabei zum einen durch die Forschung und Entwicklung von klimaneutralen Treibstoffen beeinflusst. Zum anderen birgt der unsichere Verlauf der COVID-19-Pandemie das Risiko eines erneuten wirtschaftlichen Stillstands, welcher sich auf Fluggesellschaften besonders stark auswirkt. Aktuell beeinflusst jedoch der Ukraine-Krieg den Rohöl-Preis gravierend. Der russisches Angriff auf die Ukraine und die Angst vor weiteren Eskalationen lassen den Rohöl-Preis aktuell steigen. Die Sorgen um einen möglichen Importstopp von russischem Öl verteuert die restlichen Rohöl-Sorten in der Folge zusätzlich.4
1.2 Zielsetzung & Aufbau
Die Zielsetzung dieser Arbeit ist es, die Sensitivität von Preisschwankungen des Treibstoffs und des Wechselkurses auf die gesamten Treibstoff-Aufwendungen und das Unternehmensergebnis von Fluggesellschaften zu analysieren und darzustellen, welchen Effekt der Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten im Sinne des Hedgings auf die Treibstoffkosten und folglich auf das Unternehmensergebnis besitzt. Anhand der Analyse von Geschäftsberichten wird weiterhin das Ziel verfolgt zu erkennen, ob europäische und amerikanische Fluggesellschaften aufgrund des Rohöl-Handels in USD unterschiedliche Ansätze im Hedging von Treibstoff- und Währungsrisiken verfolgen.
Im Sinne der Zielsetzung werden im zweiten Kapitel dieser Arbeit zunächst die Grundlagen des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements aufgeführt, da das Fuel-Hedging von Fluggesellschaften das Ziel der Risikominimierung verfolgt. An dieser Stelle werden daher die Grundlagen des Risikomanagements und die einzelnen Arten von Risiken vorgestellt. Der zweite Teil des Kapitels befasst sich mit den Grundlagen der Risikoanalyse, vom Prozess der Identifikation bis hin zur Klassifikation und Kontrolle. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Quantifizierung von Risiken und die Funktionsweise der Sensitivitätsanalyse gelegt, um Risiken ebenfalls ökonomisch messbar zu machen. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer Übersicht über die finanzwirtschaftlichen Risiken von Fluggesellschaften, bestehend aus allgemeinen Rohstoff- und Währungsrisiken.
Um ein grundlegendes Verständnis zu erlangen, weshalb Rohöl-Preise und Wechselkurse Wertänderungen unterliegen können, werden im dritten Kapitel die Grundlagen der Rohöl- und Devisenmärkte erläutert. An dieser Stelle stehen vor allem die kurz-, mittel- und langfristigen Einflussfaktoren auf die Preise bzw. Wechselkurse im Fokus. Ebenfalls wird in diesem Zuge aufdie historische und aktuelle Entwicklung der dementsprechenden Märkte eingegangen. Beide Teile dieses Kapitels werden jeweils im Sinne der Zielsetzung der Arbeit mit der Vorstellung der spezifischen Treibstoff- und Wechselkursrisiken von Fluggesellschaften abgeschlossen.
Nachdem im zweiten und dritten Kapitel die Grundlagen der Problemstellung dargestellt wurden, werden im vierten Kapitel die Bestandteile und Funktionsweisen von derivativen Finanzinstrumenten vorgestellt. Der erste Teil des Kapitels beinhaltet die Einführung und die Erläuterung von Begrifflichkeiten in Bezug aufdie derivativen Finanzkontrakte. Innerhalb von derivativen Instrumenten wird zwischen unbedingten und bedingten Termingeschäften unterschieden. Hierbei werden zunächst die Funktionsweisen und Gestaltungsmöglichkeiten der einzelnen Instrumente vorgestellt bevor sowohl für Rohstoff- als auch fürWährungsrisiken mögliche Hedging-Strategien erörtert werden.
Im fünften Kapitel, und somit im Hauptteil dieser Arbeit, wird sich mit dem Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten im Rahmen des finanzwirtschaftlichen Managements von Fluggesellschaften befasst. Anschließend an die Vorstellung der eingesetzten Finanzderivate von Fluggesellschaften im Allgemeinen werden die Geschäftsberichte bzw. Annual Reports in Bezug auf den Einsatz derivativer Finanzinstrumente hin analysiert. Dabei werden auf der europäischen Seite die Fluggesellschaften Lufthansa Group und Ryanair Holdings und auf der amerikanischen Seite Delta Airlines und Southwest Airlines vorgestellt. Das Ziel an dieser Stelle ist es zu untersuchen, ob aufgrund des RohölHandels in USD Unterschiede im Hedging von Treibstoff- und Währungsrisiken zu erkennen sind. Der dritte Teil dieses Kapitels präsentiert die Ergebnisse der Sensitivitätsanalyse. Im ersten Schritt werden dabei die einzelnen Sensitivitäten der Treibstoffkosten und des Unternehmensergebnisses ohne den Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten dargestellt. Im zweiten Schritt werden die genannten Risikopositionen unter dem Einsatz derivativer Finanzinstrumente auf ihre Sensitivität gegenüber Preisänderungen hin analysiert und es wird untersucht, inwiefern ein Effekt des Hedgings zu erkennen ist bzw. welche Auswirkungen der Einsatz von Finanzderivaten mit sich bringt. Die Sensitivitätsanalysen simulieren verschiedene Szenarien und werden mit Microsoft Excel durchgeführt.
Das sechste und letzte Kapitel fasst abschließend alle Ergebnisse des theoretischen und des praktischen Teils zusammen. Das Fazit ordnet in der Folge die erlangten Ergebnisse in den Kontext der Thematik dieser Arbeit ein. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieser Arbeit und einer genauen Zielrichtung wurden verschiedene Annahmen zur Vereinfachung und Relevanz der Thematik getroffen, welche in den jeweiligen Kapiteln aufgeführt sind. Im Ausblick werden einige Aspekte genannt, welche bei einem erweiterten Rahmen und einem tieferen Zugang zu Marktdaten erarbeitet und analysiert werden können. Zusätzlich wird auf die aktuellen Themen in der Luftfahrtbranche in Bezug auf Treibstoffrisiken eingegangen.5
2 Grundlagen des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements
Das erste theoretische und einleitende Kapitel dieser Abschlussarbeit stellt im ersten Teil die wesentlichen Grundlagen, Definitionen und Bestandteile des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements vor. Dazu gehören neben der Definition des Risikos ebenfalls die Risikoarten und das Risikomanagement als solches. Derzweite Teil dieses Kapitels befasst sich mit den Grundlagen der Risikoanalyse. Hierbei wird ein Überblick über die Funktionsweisen der Identifikation, Klassifizierung, Messung, Bewertung, Steuerung und Kontrolle von Risiken gegeben. Das besondere Augenmerk in diesem Teil des Kapitels liegt neben der Quantifizierung von Risiken vor allem auf der Vorstellung der Sensitivitätsanalyse als Instrument der Risikoanalyse. Der dritte Abschnitt dieses Kapitels befasst sich im Sinne der Zielsetzung dieser Abschlussarbeit mit den finanzwirtschaftlichen Risiken von Fluggesellschaften, wodurch die Risiken in Verbindung mit Rohstoffpreis- und Wechselkursschwankungen in den Vordergrund rücken.
2.1 Definition, Grundlagen & Bestandteile
Das vielfältige Instrumentarium des Risikomanagements und der Risikoanalyse setzt eine eindeutige inhaltliche Abgrenzung und eine strategische Ausrichtung des Risikomanagements voraus. Daher wird im folgenden Abschnitt zunächst der Begriff des Risikos definiert und folglich die einzelnen Risikoarten, die möglichen Interdependenzen zwischen Risiken und das Management dieser Risiken unter Berücksichtigung internationaler Normen vorgestellt, erläutert und eingeordnet.
2.1.1 Risiko
Zu Beginn muss sogleich erwähnt werden, dass in der betriebswirtschaftlichen Literatur keine allgemein anerkannte Definition des Risikos existiert. Sowohl in der Praxis als auch in der Literatur wird das Risiko grob als möglicher Verlust oder potenzieller Schaden einer oder mehrerer Vermögenspositionen betitelt.6 Vor allem im finanzwirtschaftlichen Bereich wird das Risiko als die mögliche Abweichung eines Wertes von einem vorher festgelegten Referenzwert deklariert. Das Risiko ist daher folglich die wahrscheinliche Abweichung des tatsächlichen Wertes vom erwarteten Referenzwert. Die damit verbundene Unsicherheit des tatsächlichen Ergebnisses bedeutet nicht nur eine große negative Abweichung (als Verlust), sondern ebenfalls eine große positive Abweichung (als Gewinn) vom erwarteten Referenzwert.7 Risikosituationen lassen sich mit statistischen bzw. objektiven Wahrscheinlichkeiten ausdrücken (z.B. Basis von Häufigkeiten), während Entscheidungssituationen und die damit zusammenhängende Ungewissheit durch subjektive Wahrscheinlichkeiten gekennzeichnet sind.8
2.1.2 Risikoarten
Die Risiken bzw. Risikoarten können von Unternehmen zu Unternehmen variieren, da je nach Branche und Sektor Unternehmen verschiedenen Risiken ausgesetzt sind. Zu unterscheiden sind zunächst die systemischen und die spezifischen Risiken. Bei systemischen Risiken handelt es sich um Risiken, welche die Funktion und langfristig gesehen das Fortbestehen einer Branche bzw. eines Systems beeinträchtigen und gefährden können. Der Ursprung eines systemischen Risikos ist meistens unerwartet. Dabei kann es sich auf der einen Seite um allgemeine Finanzmarktrisiken (z.B. Spekulationen, Kettenreaktionen, Zahlungsunfähigkeit) und rechtliche Risiken (Gesetzgebung, Regulatorik, politische Maßnahmen) handeln, auf der anderen Seite können systemische Risiken auch durch Kriege, Pandemien und Naturkatastrophen ausgelöst werden. Auf der Gegenseite der systemischen Risiken stehen die spezifischen Risiken. Hierbei beziehen sich die einzelnen Risiken nicht auf das gesamte System, sondern lediglich auf einzelne Marktteilnehmer aufgrund unternehmensspezifischer Gegebenheiten. Diese Risiken können sich zum einen in der strategischen Ausrichtung des Unternehmens verbergen (z.B. Unternehmensstrategie), zum anderen können spezifische Risiken auch im operativen Geschäft vorkommen (z.B. Produktion, IT, Management, Mitarbeiter). Ebenfalls kann das Unternehmen spezifischen Produkt- & Projektrisiken (z.B. sensibles Produkt oder Projekt im Ausland) unterliegen.9 Für die weitere Vertiefung der systemischen und spezifischen Risiken wird im Folgenden näher auf die finanzwirtschaftlichen und auf die operationalen bzw. operativen Risiken eingegangen.
Finanzwirtschaftliche Risiken betreffen in erster Linie den Finanzbereich eines Unternehmens und beeinflussen somit die finanzielle Lage und den Fortbestand des Unternehmens. Unterschieden wird hierbei zwischen Liquiditäts-, Markt- und Kreditrisiken. Liquiditätsrisiken entstehen in der Regel, wenn Unternehmen nicht ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen können, beispielsweise aufgrund mangelnder Fungibilität.10 Hierbei ist die Veräußerung einer Aktivposition (z.B. Finanztitel) durch eine Finanztransaktion unvorteilhaft, da der Buchwert nicht dem Marktwert entspricht und somit Preiszugeständnisse in Kauf genommen werden müssten, um den Finanztitel zu veräußern.11 Marktrisiken entstehen aufgrund von Preisschwankungen bei z.B. Aktien- & Wechselkursen oder auch Rohstoffen. Solche Risiken entstehen in der Wirtschaftspraxis häufig durch ein Schwanken von Angebot und Nachfrage und können wie bereits erwähnt von Unternehmen zu Unternehmen variieren. Das Schwankungsrisiko von Aktienkursen oder Indizes wirkt sich unmittelbar auf den Barwert der Aktiva und der Passiva des Unternehmens aus. Die Cashflows, die in direkter Verbindung mit Aktien, Anleihen oder derivative Finanzprodukte stehen, sind daher einem Aktienrisiko ausgesetzt. Wechselkursrisiken wirken sich ebenfalls auf die Aktiva und die Passiva eines Unternehmens aus, da Vermögensgegenstände in Fremdwährung, Devisengeschäfte, die dazugehörigen Derivate und die Cashflows, welche vom Wechselkurs abhängig sind (z.B. Kredit in Fremdwährung), dem Wechselkursrisiko ausgesetzt sind. Das Rohstoffpreisrisiko hingegen kann sich auf der einen Seite bei einem Unternehmen auf die hohen Produktpreise beziehen, sodass die Betriebs- & Produktionskosten stark ansteigen können. Auf der anderen Seite können Rohstoffpreisschwankungen auch den Wert von derivativen Finanzinstrumenten (siehe Kapitel 4) beeinflussen. Neben den aufgeführten Liquiditätsund Marktrisiken existieren im finanzwirtschaftlichen Bereich weiterhin die Kreditrisiken. Das Kreditrisiko beschreibt den möglichen Ausfall von Forderungen oder Zahlungsverzug eines Geschäftspartners und wird auch als Ausfallrisiko betitelt.12
Zusätzlich zu den finanzwirtschaftlichen Risiken sind Unternehmen ebenfalls operationellen bzw. operativen Risiken ausgesetzt. Diese Art von Risiken bezieht sich auf den Betrieb eines Unternehmens. Die potenziellen Verluste basieren dabei aufdem operativen Geschäft und haben ihre Ursache häufig in den internen Prozessen. Zu den wesentlichen internen Prozessen gehören beispielsweise IT-Risiken (z.B. Ausfall von Systemen), Fehlverhalten des Managements oder der Mitarbeiter (z.B. Verstoß gegen Richtlinien, Betrug oder Diebstahl) und auch Managementrisiken (z.B. schwacher Organisationsaufbau oder mangelhafte Qualifikation der Mitarbeiter). Jedoch können auch Betriebsunterbrechungen zu operationalen Risiken führen, wie unteranderem Lieferverzug oder Standortausfall (z.B. technische Defekte).13 Die Betriebsrisiken basieren somit zusammengefasst auf menschlichem Versagen, technischen Ausfällen, fehlerhaften Datenverarbeitungs-Systemen und mangelhaften Kontrollprozessen.14 Auch können Markt- und Absatzrisiken Unternehmen vor finanzielle Risiken stellen. Sollte sich die Markttendenz entgegen der Unternehmensstrategie entwickeln, so führen negative Abweichungen von der geplanten Verkaufszahl zu Umsatzeinbrüchen, beispielweise aufgrund von veränderten Kundenbedürfnissen oder veralteten Produkten.15
Es besteht ebenfalls die Möglichkeit von Interdependenzen zwischen den einzelnen Risikoarten. Ein systemisches Risiko wie z.B. eine Naturkatastrophe (naturwissenschaftliches Risiko) kann mit den wirtschaftlichen Risiken einer Versicherungsgesellschaft Zusammenhängen. Andererseits kann das volkwirtschaftliche Risiko (z.B. Konjunkturschwankungen) mit dem betriebswirtschaftlichen Risiko (z.B. Absatzrisiko) Zusammenhängen. Bezogen auf diese Arbeit hängen finanzwirtschaftliche und leistungswirtschaftliche Risiken unmittelbar zusammen. Unternehmen, welche aufgrund ihrer operativen Tätigkeiten vom Rohöl-Preis abhängig sind, unterliegen dem Risiko steigender RohölPreise (Beschaffungs- & Rohstoffpreisrisiko). Das Rohöl wird in USD gehandelt und muss demnach auch in USD bezahlt werden. Es ergeben sich in der Folge Rohstoffpreis- (steigende Rohöl-Preise) und Wechselkursrisiken (Auf-/Abwertung des USD)16, welche grundsätzlich negativ abhängig (schwächen sich gegenseitig in ihrer Wirkung ab), positiv abhängig (ergänzen sich in ihrer Wirkung) oder gänzlich unabhängig voneinander (keine gegenseitige Beeinflussung in ihrer Wirkung) sein können. Für verschiedene Risikoarten werden verschiedene Instrumente und Methoden angewendet, um den Risiken entgegenzutreten.17 Die Aufgaben und Funktionen des Risikomanagements werden daher im folgenden Abschnitt erläutert.
2.1.3 Risikomanagement
Grundsätzlich beschäftigt sich das Risikomanagement in Unternehmen mit der Messung und Steuerung der betriebswirtschaftlichen Risiken, welche sowohl interner als auch externer Natur sein können.18 Innerhalb des Risikomanagementsystems ist es zum einen die Aufgabe, unerwartete Risiken frühestmöglich zu erkennen und Maßnahmen einzuleiten, welche die Auswirkung der Risiken auf ein Minimum senken. Langfristig gesehen ist es jedoch die Aufgabe des Risikomanagements alle systemischen und spezifischen Unternehmensrisiken dauerhaft zu überwachen und entsprechend der einzelnen Risikoarten eine Bewertung der Risiken vorzunehmen. Aufgrund des Zusammenhangs von Chancen und Risiken hängt der Unternehmenserfolg von der kurzfristigen und langfristigen Behandlung von Risiken ab. Die Hauptaufgabe des Risikomanagements ist es demnach ein abgestimmtes Verhältnis zwischen Chancen-Nutzung und Risiko-Minimierung zu erzielen.19 Das Risikomanagement unterliegt zusätzlich einem rechtlichen Rahmen. Das „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz in Unternehmen“ (kurz: KonTraG) wurde 1998 als Erweiterung des Aktien- und GmbH-Gesetzes §91 Abs. 2 AktG und §43 GmbHG eingeführt. Hauptgrund dieser Artikel ist die Intensivierung der Sorgfaltspflichten in der Unternehmensführung. Unternehmen werden hierdurch aufgefordert, alle systemischen und spezifischen Unternehmensrisiken im Lagebericht aufzuführen. Diese Rechtsgrundlagen betreffen speziell Industrieunternehmen. Die rechtlichen Grundlagen des Risikomanagements von Banken werden in Basel III abgebildet, während Solvency II im Risikomanagement von Versicherungen im Vordergrund steht.20 Gerade für international agierende Unternehmen ist der internationale Standard ISO 31000 relevant. Ziel dieser Norm ist es, das Risikomanagement in aktuelle Managementsysteme zu integrieren und somit ein präventives Risikokontrollsystem einzurichten.21 Unter Berücksichtigung der Zielsetzung dieser Arbeit wird dieser Themenbereich nicht weiter ausgeführt.
2.2 Grundlagen der Risikoanalyse
Wie bereits in den vorherigen Abschnitten erwähnt fokussiert sich das Risikomanagement nicht nur auf kurzfristige, sondern ebenfalls auf langfristige Risiken. Aus diesem Grund wird das Risikomanagement sowohl in der Literatur als auch in der Praxis als dynamischer Prozess betrachtet. Der Prozess umfasst dabei die Risikoidentifikation, Risikomessung, -bewertung & -analyse und die Risikoklassifikation & -kontrolle, welche im Folgenden Abschnitt erläutert werden.22
2.2.1 Prozess der Risikoidentifikation
Der Prozess der Risikoidentifikation beginnt mit der Erhebung aller relevanten Risiken, welche im direkten Zusammenhang mit der Unternehmenstätigkeit stehen und die sich unmittelbar auf den Unternehmenserfolg auswirken. Zusätzlich kann eine Kategorisierung und Gruppierung der Risiken dabei helfen, dass Risiken leichter verfolgt und Maßnahmen einfacher und schneller eingeleitet werden können. So ist auch eine frühzeitige Erfassung von Risiken relevant, welche gegenwärtig noch keine Gefahr ausstrahlen (potenzielle Risiken).23 Innerhalb der Risikoidentifikation sollte die Identifizierung umfassend und ausführlich gestaltet werden, da alle nicht erfassten Risiken von den Folgeprozessen der Messung, Bewertung und Analyse ausgeschlossen sind. Zum einen gibt es Risiken, welche bei Eintritt angemessen behandelt werden können, zum anderen können Risiken jedoch auch bei Eintritt eine existenzbedrohende Wirkung besitzen. Durch immer weiter expandierende und komplexere Unternehmen ist der Erfolg häufig davon abhängig, wie Unternehmen auf die eintretenden Risiken und Gefahren reagieren.24 Für die Risikoidentifikation stehen zahlreiche Instrumente zur Verfügung, welche von Unternehmen zu Unternehmen und von Branche zu Branche unterschiedlich ausfallen. Frühwarnsysteme, Ausfalleffektanalysen oder auch Befragungen von Mitarbeitern und der Geschäftsführung können potenzielle Risiken identifizieren.25
Frühwarnsysteme haben die organisatorische Funktion einer laufenden Beobachtung und Analyse von vorher festgelegten Indikatoren. Das Ziel dahinter ist die frühzeitige Identifizierung von essenziellen Veränderungen, sodass Risiken rechtzeitig systematisch erfasst werden können. Wichtig bei Frühwarnsystemen ist vor allem die Verwendung von Werttreibern. Es sollten Werttreibergewähltwerden, welche relevante ökomi- sche Größen / Erfolgsfaktoren beeinflussen bzw. messen, sodass auch Systemmeldungen auftreten, wenn ein vorher festgelegter Schwellenwert über- bzw. unterschritten wird. Darauf aufbauend können Folgeschritte definiert werden, beispielsweise welcher Prozessschritt bei einer Abweichung des Schwellenwertes eintritt (z.B. Information des Vorstandes oder des verantwortlichen Mitarbeiters).26 In diesem Zuge kann auch eine ABC-Analyse hilfreich für die Klassifikation von Risiken sein. Aufgrund des begrenzten Rahmens und der Zielsetzung dieser Abschlussarbeit wird die Funktionsweise jedoch nicht weiter aufgeführt.27
Bei der Ausfalleffektanalysewerden, im Gegensatz zu Frühwarnsystemen, auf der einen Seite technische Systeme und Prozessabläufe analysiert, auf der anderen Seite werden durch diese Methodejedoch auch Ressourcenengpässe identifiziert. Durch dieAnalyse der einzelnen Komponenten werden potenzielle Störfaktoren ausfindig gemacht und mit Blick auf den möglichen Ausfall bzw. Schaden am Gesamtsystem hin bewertet. Mit Hilfe von detaillierten Abbildungen und Abhängigkeitsdiagrammen eignet sich diese Methode vor allem für die Identifikation kritischer Unternehmensabläufe und Engpässe.28
2.2.2 Risikomessung & -bewertung
Aufbauend auf der Identifikation von Risiken folgt die Messung und die Bewertung der einzelnen potenziellen Störfaktoren. Die gängigen Bewertungsparameter sind dabei in erster Linie die Eintrittswahrscheinlichkeit oder auch das Ausmaß des Schadens. Dabei spielt die Quantifizierung der messbaren Risiken eine wichtige Rolle, da in diesem Schritt den einzelnen Risiken ein numerischerWert zugeordnet wird. DieserWert kann sowohl in Prozent (z.B. Ausfall-ZEintrittswahrscheinlichkeit) als auch in einer monetären Größe (z.B. zusätzliche Kosten bei Eintritt) ausgedrückt werden. Wie bereits im vorherigen Abschnitt beschrieben können Interdependenzen zwischen einzelnen Risiken eine Gefahr darstellen. Die Risiken können sich hierbei zum einen gegenseitig neutralisieren, zum anderen können sie sich jedoch auch wie in Kapitel 2.2.1 erwähnt ergänzen und verstärken. Das Ziel der Risikobewertung ist daher die Aggregation der einzelnen Bewertungsschritte und die Erstellung eines Gesamtrisikostatus. Die Anforderungen an eine funktionierende Risikobewertung ist demnach die objektive Messung, die monetäre Quantifizierbarkeit, die Analyse von Interdependenzen und die Erstellung eines Gesamtrisikostatus.29
In der Literatur wird bei der Bewertung von Risiken auf der einen Seite zwischen quantitativer und qualitativer Risikobewertung unterschieden, auf der anderen Seite werden Einzel- und Portfoliorisiken differenziert. Quantitative Bewertungsmethoden verfolgen das Ziel, Risiken zu quantifizieren und anhand von Risikomaßen zu bewerten. Untersucht werden dabei die monetären Auswirkungen der Risiken auf die Unternehmensziele. Voraussetzung hierfür sind folglich quantitativ messbare Unternehmensziele (z.B. Umsatz oder Gewinn). Qualitative Bewertungsmethoden basieren auf der Gegenseite auf subjektiven bzw. verbalen Risikoeinschätzungen (z.B. durch Manager). Diese Form der Bewertung wird in der Literatur als sehr kritisch beurteilt, da gerade eine quantitative Bewertung einen intensiven Diskurs im Management herbeiruft und Risikomessmodelle oder mögliche Risikosteuerungsmaßnahmen entwickelt werden können (Kombination von quantitativer und qualitativer Bewertung). Die Auswahl der entsprechenden Instrumente erfolgt nach dem Aggregationsgrad der Risiken. Für Einzelrisiken eignen sich besonders Sensitivitätsanalysen, während sich für Portfoliorisiken beispielsweise die Monte-Carlo-Simulation eignet. Um den Bereich der Risikobewertung im Hinblick auf die Zielsetzung dieser Abschlussarbeit weiter zu vertiefen, wird im Folgenden sowohl auf die Quantifizierung von Risiken als auch auf die Funktionsweise der Sensitivitätsanalyse eingegangen.30
2.2.2.1 Quantifizierungvon Risiken
Basierend auf der Erkenntnis, dass die Quantifizierung von Risiken und die damit einhergehende Zuordnung eines numerischen Wertes von elementarer Bedeutung sind, wird sich zunächst auf die gängigsten und verbreitetsten Risikomaße fokussiert. Bevor Risiken anhand von komplexen finanzmathematischen Modellen analysiert und bewertet werden können, müssen diese zunächst durch den maximalen oder den erwarteten Verlust quantifiziert werden. Wie der Name bereits vermuten lässt, drückt der Maximalverlust den größtmöglichen Schaden bzw. Verlust aus (z.B. einer bestimmten Vermögens- position). Der Maximalverlust dient als erste Orientierung, jedoch bringt der Maximalverlust viele Nachteile mit sich. Durch die Annahme des maximalen Verlustes findet keine qualitative Bewertung statt, d.h., dass ein Szenario A mit einem Maximalverlust von 10.000 EUR nicht unbedingt riskanter ist als ein Szenario B mit einem Maximalverlust von 5.000 EUR. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts spielt in diesem Fall keine Rolle. Der erwartete Verlust hingegen berücksichtigt die Eintrittswahrscheinlichkeit. So würde das Szenario A bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 10% einen erwarteten Verlust von 1.000 € mit sich bringen, während Szenario B bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 25% einen erwarteten Verlust von 1.250 € ergeben würde.31
Im Finanzsektor sind die Kennzahlen Volatilität, Varianz und Standardabweichung die am meist verbreitetsten Risikomaße. Die Volatilität basiert dabei auf dem statistischen Konzept der Varianz und bezieht sich thematisch auf die annualisierte Standardabweichung.32 Die Varianz misst dabei als arithmetisches Mittel die durchschnittliche quadrierte Abweichung des tatsächlichen Wertes von dem erwarteten Referenzwert. Je größer die Varianz ist, desto größer ist folglich die Streubreite und somit erhöht sich gleichzeitig das Risiko bzw. die Verlustgefahr. Die Quadrierung der Werte ist dabei notwendig, da alle Abweichungen von dem erwarteten Referenzwert sowohl positiv als auch negativ ausfallen können und theoretisch eine Varianz von Null als Folge möglich wäre, was jedoch nicht den Schwankungen um den Erwartungswert entspricht. Die Quadrierung der Abweichungen bzw. der Streubreiten führt so zu positiven Werten. Da die Varianz aufgrund der Quadrierung der durchschnittlichen Abweichungen nicht die gleiche Einheit wie der Referenzwert aufweist, wird die Varianz in die Standardabweichung umgerechnet (Wurzel der Varianz), welche auf dem Finanzmarkt als Volatilität bezeichnet wird und als meist verbreitetstes Risikomaß für Finanzmarktrisiken verwendet wird.33
Risiken können dabei auf verschiedene Arten quantifiziert werden. Zum einen lassen sich Risiken analytisch durch finanzmathematische Methoden und Formeln quantifizieren, zum anderen können Risiken auch durch Szenario- und Simulationsmodelle bewertet werden. Im Folgenden wird daher auf die Funktionsweise der Sensitivitätsanalyse eingegangen.34
2.2.2.2 Sensitivitätsanalyse
Der Begriff der Sensitivität beschreibt, wie sensibel eine Erfolgsgröße (z.B. Vermögensposition) auf verschiedene Veränderungen von Einflussfaktoren (z.B. Marktrisiken) reagiert. Dabei können sowohl einzelne als auch mehrere Einflussfaktoren eine direkte Auswirkung auf die Erfolgsgröße besitzen.35 Innerhalb der Sensitivitätsanalyse wird zunächst zwischen Szenario-Rechnungen und Zielgrößen-Änderungsrechnungen unterschieden. Die Szenario-Rechnungen analysieren unterschiedliche Szenarien. In der Regel werden dabei der ungünstigste, der wahrscheinlichste und der beste Fall unter verschiedenen Bedingungen durchgegangen bzw. simuliert. Bei der Zielgrößen-Änderungs- rechnung hingegen erfolgt eine Gegenüberstellung der prozentualen Änderung von Inputgrößen und der prozentualen Änderung des Gesamtergebnisses. Hierdurch kann untersucht werden, wie stark sich eine Inputgröße (z.B. Preis des Rohöls) verändern darf, damit sich beispielsweise das Unternehmensergebnis im Rahmen der Planung bzw. in einem festgelegten Korridor bewegt.36
Im Bereich der statistischen Versuchsplanung wird die Sensitivitätsanalyse in weitere drei Teile untergliedert, dem Faktor Screening sowie der lokalen und der globalen Sensitivitätsanalyse. Beim Faktor Screening werden zunächst die Einflüsse von Faktoren bzw. Eingangsvariablen auf eine Ausgansvariable (z.B. Auswirkung höherer Ölpreise auf die Betriebskosten) festgestellt. Dieser Vorgang behandelt qualitative Faktoren (keine quantitativen bzw. numerischen Kenngrößen) und grenzt relevante von irrelevanten Faktoren ab. Die lokale Sensitivitätsanalyse ermittelt in der Folge den Einfluss von Faktoren in Bezug auf einen bestimmten Funktionswert der Ausgansvariable (z.B. Einfluss höherer Rohstoffpreise auf die Betriebskosten). Ziel dieses Vorgehens ist die Untersuchung der Auswirkungen kleinerer Änderungen an den Faktoreinstellungen in Bezug auf die Ausgangsvariable. Somit werden unter anderem die Robustheit und die Stabilität einzelner Komponenten innerhalb des Systems getestet. Die globale Sensitivitätsanalyse erweitert die Untersuchung der Einflüsse der verschiedenen Faktoren auf das gesamte System (z.B. Unternehmensergebnis). Durch dieses Verfahren wird ein Überblick über die Gewichtung und Bedeutung der einzelnen Faktoren in einem System bzw. Modell verschafft. So können die Faktoren ebenfalls miteinander verglichen und ausgewertet werden.37
Die Sensitivitätsanalyse kann hier anhand eines stark vereinfachten Beispiels verdeutlicht werden. Eine amerikanische Fluggesellschaft hat einen jährlichen Bedarf von 10 Mio. Barrel Treibstoff. Nach Abzug aller Betriebskosten bleibt der Fluggesellschaft ein Jahresumsatz von 1 Mrd. USD. Das Jahresergebnis ist demnach abhängig von der Entwicklung des Rohöl- bzw. Treibstoff-Preises. Entscheidet sich die Fluggesellschaft beispielsweise für den Kauf bzw. die Sicherung des jährlichen Bedarfs im Februar 2022, so würde diese einen Gewinn von 100 Mio. USD erzielen bei einem Treibstoff-Kurs von 90 USD. Würde die Fluggesellschaft jedoch abwarten und den jährlichen Bedarf im Juni 2022 einkaufen bzw. sichern, würde der höhere Treibstoff-Kurs von 110 USD einen Verlust in Höhe von 100 Mio. USD bedeuten. Der kritische Wert für die Fluggesellschaft liegt in diesem Beispiel bei 100 USD/Barell, da dieser ein Ergebnis von Null ergeben würde.38
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 -Sensitivitätvon Rohölpreis-Schwankungen (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kausche 2018, S. 75 ff.)
Der große Vorteil der Sensitivitätsanalyse ist, dass durch diese die möglichen Auswirkungen der einzelnen Risiken zeitnah bewertet werden können (Bedeutung einzelner Inputgrößen), um die Grundlage für eine Entscheidung zu bilden. Allerdings stellt eine Sensitivitätsanalyse keine Entscheidungsregel, sodass für das Entscheidungsproblem selbst keine Lösungsvorschläge geliefert werden können.39 Die Analyse der möglichen Maßnahmen und die Ausführung dieser erfolgt im vierten und fünften Kapitel.
2.2.3 Risikoklassifikation & -Steuerung
Die vorherigen Abschnitte haben bereits die Bedeutung der Quantifizierung von Risiken verdeutlicht. Allerdings ist die Quantifizierung eines Gesamtrisikos aufgrund der verschiedenen Risikoarten nur schwer durchführbar. Weiterhin ist auch die Gesamtsteuerung der Risiken komplex, da nicht jede Risikoart mit demselben Instrumentarium gesteuertwerden kann. Bevor jedoch Steuerungsmechanismen zum Einsatz kommen können, müssen die Risiken gemäß ihrer Bedrohung klassifiziert werden:40
- Höchstes Risiko Absicherung unerlässlich (hohe Verlustbeträge - existenzbedrohend)
- Mittleres Risiko Absicherung individuell zu bewerten (Rendite-ZRisiko-Verhältnis)
- Kleines Risiko Absicherung nicht notwendig (kostenintensiver Risikotransfer)
Innerhalb dieser Risikoklassen stehen Unternehmen vorder Herausforderung bzw. Entscheidung, ob die Risiken vermieden, reduziert, begrenzt, versichert oder selbst getragen werden sollen bzw. müssen. Abbildung 2 zeigt zur Verdeutlichung den Kreislauf des Risikomanagements mit dem Fokus auf die Risikoklassifikation bzw. -Steuerung.41
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 - Kreislaufdes Risikomanagements (Quelle: Wengert/Schittenhelm 2013, S. 80)
Durch die Vermeidung von Risiken entscheiden sich Unternehmen aktiv gegen eine mögliche Gewinnchance, da bewusst keine Risiken eingegangen werden, welche sich negativ auf das Unternehmen auswirken und nicht selbst getragen werden können. Durch die Reduktion von Risiken kann die Gesamtrisikoposition eines Unternehmens verringert werden, gleichzeitig können auch Ertragschancen wahrgenommen werden (z.B. bei Diversifikation). Bei der Begrenzung hingegen wird das Ziel verfolgt, dass eine bestimmte Risikoschwelle bzw. ein festgelegter Schwellenwert nicht überschritten wird. Besonders im Finanzbereich kommt ein solcher Schwellenwert zum Einsatz (z.B. Budgetierung). Die Absicherung von Risiken kann zum einen Überversicherungen abgewickelt werden (Gewährleistung nicht immer garantiert), zum anderen können Unternehmen gerade bei finanzwirtschaftlichen Risiken auch auf Finanzderivate zur Absicherung zurückgreifen (z.B. bei Rohstoffpreisschwankungen). Dieser Bereich ist Teil des thematischen Mittelpunkts dieser Arbeit und wird im vierten und fünften Kapitel weiter ausgeführt. Die Versicherung von Risiken findet im vierten Schritt ihre Anwendung. Dies geschieht in der Regel bei operationalen Risiken (z.B. Sicherheitsdienste oder langfristige Lieferverträge zu bestimmten Konditionen). Zuletzt stehen die Akzeptanz und das aktive Eingehen von Risiken. Das bewusste Eingehen von Risiken gilt somit als Kernkriterium für den unternehmerischen Erfolg.42
2.3 Finanzwirtschaftliche Risiken von Fluggesellschaften
In jedem Unternehmen, ganz unabhängig von der Größenordnung, können zahlreiche Szenarien eintreten, welche zu einem finanziellen bzw. monetären Verlust führen können. Unternehmen und somit auch Fluggesellschaften sind daher sowohl gegenüber den Mitarbeitern als auch den Investoren verpflichtet, die Risiken zu melden und so gut wie möglich zu bewältigen. Fluggesellschaften müssen sich mit zahlreichen Risiken auseinandersetzen, dementsprechend auch mit finanzwirtschaftlichen Risiken, welche besonders durch den Vorstand überwacht werden sollten. Die finanzwirtschaftlichen Risikopositionen von Fluggesellschaften beziehen sich zum einen auf Rohstoffe (z.B. Treibstoff) und zum anderen auf Finanzgrößen (z.B. Wechselkurs-, Zins-, Kreditrisiken).43 Gerade für europäische Fluggesellschaften haben diese beiden Risiken eine signifikante Interdependenz, da der Kerosin- bzw. Treibstoffpreis an den Rohölpreis gekoppelt ist und dieser in US-Dollar/Barrel (1 Barrel = 158,98 Liter)44 gehandelt wird und somit zuzüglich zu den Rohstoffpreisrisiken Wechselkursrisiken entstehen. Da Fluggesellschaften bei Preisverhandlungen mit Mineralölkonzernen nur einen sehr geringen bis keinen Einfluss haben, erfolgt das sogenannte „Hedging“ (Absicherung von Preisschwankungen) mit Hilfe von Termingeschäften in Form von Finanzderivaten.45 Das Management dieser Risiken erfordert eine Kooperation zwischen verschiedenen Fachabteilungen innerhalb von Fluggesellschaften, da sowohl das Bereitstellen von Information als auch das operative Management bzw. die Umsetzung der Maßnahmen in Einklang gebracht werden muss. Hierfür sitzen in den Finanzabteilungen der Fluggesellschaften Mitarbeiter, welche über das notwendige Fachwissen verfügen und eine entsprechende Erfahrung auf den Finanzmärkten besitzen, da das Management von Rohstoff- und Währungsrisiken, wie bereits erwähnt, über Terminbörsen in Form von derivativen Finanzinstrumenten abgewickelt wird (siehe Kapitel 4). Die Aufgabe des Risikomanagements von Fluggesellschaften demnach ist, dass alle finanzwirtschaftlichen Risiken so bewertet und gesteuert werden, dass das Risiko akzeptiert werden kann. Bevor im dritten Kapitel dieser Arbeit Rohstoff- bzw. Öl-Märkte und Devisenmärkte ausführlich erläutert werden, werden in den folgenden Abschnitten die finanzwirtschaftlichen Risiken von Fluggesellschaften vorgestellt, welche in erster Linie aus Rohstoffpreis- & Währungsrisiken bestehen. Zusätzlich gehören Zins- und Kreditrisiken ebenfalls zu den wichtigsten finanzwirtschaftlichen Risiken von Fluggesellschaften. Unter Anbetracht der Zielsetzung und des Rahmens dieserAbschlussarbeit werden diese an dieser Stelle allerdings vernachlässigt.46
2.3.1 Rohstoffpreisrisiken
Grundsätzlich sind alle herstellenden und handelnden Unternehmen, welche Rohstoffe in ihrem Produkt verarbeiten oder Rohstoffen in ihrem Portfolio besitzen, von Rohstoffpreisschwankungen bzw. -risiken betroffen. Rohstoffpreise sind gewohnheitsmäßig volatil, da sich die Preise auf den Märkten (u.a. Börsen) von Tag zu Tag minütlich ändern können. Dadurch, dass die Preise von Rohstoffen zwischen dem Zeitpunkt des Kaufs und dem Zeitpunkt der Lieferung variieren können, unterliegen Unternehmen einem erheblichen Risiko, welches zu deutlich höheren Kosten als kalkuliert führen kann.47 Aufgrund der immer weiter zunehmenden Globalisierung, der Vernetzung derglobalen Rohstoffmärkte und dem erhöhten Fokus auf neue Technologien und Innovationen sind Rohstoffpreise oftmals starken Schwankungen ausgesetzt. Gerade wenn herstellende Unternehmen große Mengen an Rohstoffen für das Endprodukt verarbeiten und verschiedene Rohstoffe einen großen Anteil an dem Produktionsprozess besitzen, können Preisschwankungen dieser Rohstoffe eine erhebliche negative Auswirkung aufdas Betriebsund Unternehmensergebnis aufweisen.48 In Kapitel 3.1 wird näher auf die Entstehung und Auswirkung von Rohstoffpreisrisiken eingegangen.
2.3.2 Währungsrisiken
Neben den Treibstoffrisiken setzen sich international agierende Unternehmen, wie auch Fluggesellschaften, ebenfalls einem Wechselkursrisiko aus, vor allem europäische Airlines. Wie im Kapitel 2.3 beschrieben wurde, wird Rohöl in USD gehandelt, wodurch europäische Fluggesellschaften von unsicheren zukünftigen Entwicklungen der Wechselkurse betroffen sind.49 Wechselkursschwankungen können je nach Währung stärker oder schwächer ausfallen, dabei kann sich die Schwankung sowohl negativ als auch positiv auf eine der beiden Parteien auswirken. Während Forderungen und Verbindlichkeiten in derselben Währung mit derselben Fälligkeit miteinander verrechnet werden können, ist dies bei Forderungen und Verbindlichkeiten in unterschiedlichen Währungen nicht möglich (siehe Kapitel 4.1 - Natural Hedging). Betrachtet wird dabei in erster Linie das Gesamtrisiko bzw. die .Exposure' (Risikoposition) eines Unternehmens, welches es in der entsprechenden Währung besitzt. Innerhalb von Wechselkursrisiken werden drei verschiedene Arten von Risiken unterschieden: Transaktionsrisiko, Operationsrisiko und Bilanzrisiko.50
Das Transaktionsrisiko ist das Risiko, welches entsteht, wenn Forderungen und Verbindlichkeiten in einer ausländischen Währung von einer Wechselkursänderung betroffen sind. Da dieses Risiko am einfachsten und unmittelbarsten zu erkennen ist, können an dieser Stelle ungünstige Entscheidungen im Risikomanagement identifiziert werden.51 Ein Beispiel für ein Transaktionsrisiko ist der Verkauf von einer in Deutschland hergestellten Maschine in die USA. Der Verkaufspreis der Maschine liege bei 20.000 EUR mit Kosten von 17.000 EUR und dementsprechend einer Gewinnmarge von 3.000 EUR. Der tagesaktuelle Wechselkurs EUR/USD betrage dabei 1,1500, sodass der Verkaufspreis der Maschine in den USA 23.000 USD (20.000 x 1,15) beträgt. Sollte der Wechselkurs schwanken und auf beispielsweise 1,3000 EUR/USD ansteigen, so würde sich die Gewinnmarge des deutschen Unternehmens verringern. Der Verkaufspreis von 23.000 USD würde demnach nur noch 17.692,31 EUR entsprechen (23.000$ : 1,30), wodurch sich die Gewinnmarge von 3.000 EUR (20.000 - 17.000) auf 692,31 EUR (17.692,31 - 17.000) verringern würde.52
Das Operationsrisiko hingegen befasst sich mit zukünftigen Risiken, welche durch Wechselkursschwankungen entstehen können. Konkrete Risikopositionen sind zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht entstanden. Ein Beispiel für Operationsrisiken sind Investitionen in ausländische Projekte. Die Investition in das Projekt sei dabei in Zeiten von günstigen Wechselkursen getätigt worden, die Auszahlung des Projekts erfolgte hingegen in Zeiten eines ungünstigen Wechselkurses. Je nach Renditeerwartung kann sich die Profitabilität des Projekts durch das Operationsrisiko als ungünstig erweisen.53
Die dritte Art von Währungsrisiken ist das Bilanzrisiko. Dieses Risiko entsteht, wenn die Bilanzen von Tochterunternehmen, welche im Ausland agieren und daher in einer ausländischen Währung bilanzieren, in den Jahresabschluss des Konzerns übernommen werden müssen. Ein solches Risiko kommt vor allem bei plötzlichen Wechselkursschwankungen vor. Betreibt ein deutscher Konzern beispielsweise eine Fabrik in den USA und der Wechselkurs EUR/USD würde von 1,2000 EUR/USD auf 1,1000 EUR/USD fallen, so würde der bilanzielle Wert einer Maschine geringer sein, obwohl die Maschine materiell dieselbe wie vorher ist.54
3 Grundlagen von Rohöl- & Devisenmärkten
Unter Berücksichtigung der Zielsetzung dieser Arbeit werden im folgenden Kapitel zunächst die Grundlagen und Bestandteile von Rohölmärkten erläutert. Dabei wird zunächst auf Rohöl- und Rohölprodukte als physische Güter im Allgemeinen eingegangen, bevor die Rohölmärkte und deren Teilnehmer vorgestellt werden. Ein wesentlicher Bestandteil des Kapitels 3.1 sind die kurz- und langfristigen Einflussfaktoren auf die Preisbildung von Rohöl-Preisen. Nachdem die historischen und aktuellen Entwicklung von Rohöl-Preisen erläutert wurden, werden zielgerichtet die Treibstoffrisiken von Fluggesellschaften aufgeführt. Der zweite Teil des dritten Kapitels besteht aus den Grundlagen und Bestandteilen von Devisenmärkten. Wie bereits in Kapitel 2.3.2 erwähnt, hängen Treibstoffrisiken und Währungsrisiken zusammen, wodurch eine genaue Betrachtung dieser Risiken elementar ist. Bevor auf den Devisenmarkt selbst eingegangen wird, sind die wichtigsten Begrifflichkeiten und Funktionsweisen zu erläutern. Nachdem die Funktionsweisen und die Zusammensetzung von Wechselkursen erörtert wurden rücken die Einflussfaktoren auf Wechselkurse in den Fokus. Auf die Entwicklung des Wechselkurses EUR/USD wird dabei unter Berücksichtigung der Zielsetzung dieser Arbeit gesondert eingegangen. Abschluss findet das Kapitel in der Betrachtung der Wechselkursrisiken in Bezug auf Fluggesellschaften.
3.1 Rohöl, Produkte & Benchmarks
Das Rohöl (Petroleum) ist der wichtigste fossile Brennstoff auf Kohlenwasserstoffbasis, welcher entstand, als eine hohe Menge an toten Organismen unter Sedimentgestein begraben wurde. Dabei waren diese Organismen mehrere Millionen Jahre extremen Temperaturen und einem enormen Druck ausgesetzt. Das natürliche Vorkommen des Rohöls wird in der Regel durch aufwändige Bohrungen in verschiedenen Teilen der Welt gewonnen. Das unverarbeitete Rohöl an sich ist kaum einsetzbar. Es muss daher für die meisten Einsatzmöglichkeiten in Raffinerien verarbeitet werden, weshalb sich der Preis des Rohöls aus dem Wert des zugrundeliegenden Rohöl-Produkts (z.B. Benzin, Kerosin, Heizöl etc.) ableiten lässt. Allerdings wird der Wert der Rohöl-Produkte wiederum über Qualität der physikalischen Eigenschaften der Rohöl-Sorte bestimmt. Die wichtigsten Merkmale, welche in Verträgen als relevante Bewertungskriterien aufgeführt werden, sind:55
- Dichte Schweregrad des Rohöls im Vergleich zu Wasser
- Schwefelgehalt Verunreinigungsgrad des Rohöls (Entfernung bei Raffinerie)
- Viskosität & Stockpunkt Niedrigste Temperatur, bei der das Rohöl die Fließeigenschaft beibehält essenziell für die Lagerung und den Transport
- Flüchtigkeit Dampfdruck, welcher sich während des Gebrauchs des Rohöls entwickelt Wert der Flüchtigkeit gibt Hinweis, wie aufwändig die Entfernung der Verunreinigung ist
Aus chemischer Sicht gibt es keine einhundertprozentig übereinstimmenden Rohöl-Sorten, da Rohöle Gemische aus zahlreichen verschiedenartigen Kohlenwasserstoffarten sind, welche unterschiedlich lange Kohlenstoffketten aufweisen und erst durch den Raffinerie-Prozess ausgeglichen werden, welcher jedoch aufgrund der Thematik und Zielsetzung dieser Abschlussarbeit nicht weiter ausgeführt wird.56
Neben zahlreichen Benchmarks für Rohöl werden die Benchmarks West Texas Intermediate Crude Oil (WTI; US-amerikanisches Rohöl) und Brent Crude Oil (Nordsee- bzw. europäisches Rohöl) (u.a. auch Dubai Crude Oil - asiatisch-pazifisches Rohöl) sowohl in der Literatur als auch in der Praxis als die wichtigsten bezeichnet.57 Beide Rohölsorten besitzen ähnliche chemische Eigenschaften, allerdings unterscheiden sie sich in einigen Aspekten (z.B. Herstellungsort, Transportweg, Handel etc.). Aufgrund dieser und weiterer Unterschiede (welche hier nicht weiter aufgeführt werden) erfolgt die Bewertung der beiden Rohölsorten durch die Finanzmärkte unterschiedlich, wodurch Preisdiskrepanzen (Brent-WTI-Spread) zwischen den Rohölsorten entstehen, da diese unterschiedlich auf Marktrisiken (wie z.B. die C0VID-19-Pandemie) reagieren und somit der genannte Spread entsteht. Dadurch, dass Brent auf dem Meer oder in meeresnähe gefördert und hergestellt wird, können die Transportziele nach Übersee besser erreicht werden als bei WTI. Der Transport von WTI über Pipelines wird weiterhin ausgebaut, was sich auf die WTI-Nachfrage und somit auch auf den Preis von WTI pro Barrel auswirkt.58 Auf historische und aktuelle Entwicklungen des Rohölmarktes wird in Kapitel 3.1.3 eingegangen.
3.1.1 Rohölmärkte
Der Preis von Rohöl und Rohölprodukten ist im 21. Jahrhundert zu einem der wichtigsten Indikatoren für die wirtschaftliche Lage auf den Weltmärkten geworden. Bei Vorhersagen bezüglich der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung wird ebenfalls eine Prognose über die Entwicklung des Rohöl-Preises getroffen. Seitdem Rohstoffe immer häufiger als eigene Finanz- und Assetklasse akzeptiert wurden, stieg auch das Handelsvolumen die- serAnlageklasse, da die Vielfalt der Finanzinstrumente in Bezug auf Rohöl in Form von Absicherungs-, Risikomanagement- und Anlageprodukten weiter zunahm.59 Auf Rohölmärkten treten sich in der Regel Spekulanten, Händler und Risikomanager gegenüber. Während das Risikomanagement von Unternehmen versucht, die Kostenstruktur durch geeignete Absicherungsstrategien kalkulierbar zu machen und die Risiken von Rohölpreisschwankungen zu minimieren, gehen sowohl Händler (mittel- bis langfristig) als auch Spekulanten (kurzfristig) mit dem Ziel in den Markt, von möglichen Preisschwankungen zu profitieren. Dadurch, dass nicht direkt in einen Rohöl-Index investiert werden kann, nutzen Spekulanten, Händler und Risikomanager derivative Finanzinstrumente in Form von Futures, Forwards, Swaps und Optionen. Durch solche Finanzderivate lassen sich die Risiken von Preisschwankungen kontrollieren und aktiv steuern. Mit dem gezielten Einsatz dieser Instrumente kann das Risikomanagement von Unternehmen höhere Kosten aufgrund von Preisschwankungen begrenzen. Die Funktionsweise der derivativen Finanzinstrumente wird im vierten Kapitel ausführlich erläutert. Damit Unternehmen, welche dem Risiko von Preisschwankungen des Rohöls ausgesetzt sind, geeignete Risikomanagementstrategien für die Preissicherung einleiten können, ist zunächst das Verständnis von Rohölmärkten in Bezug auf die Einflüsse und Preisbildung von elementarer Bedeutung.60
3.1.2 Einflussfaktoren auf die Preisbildung
Die Marktpreise für physische Güter werden von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Die Preisbildung auf Rohölmärkten erfolgt, wie auch auf anderen Märkten, zu einem Großteil aus dem Verhältnis von Angebot zu Nachfrage. Doch nicht nur Angebot und Nachfrage spielen eine Rolle bei der Preisbildung, sondern auch marktpsychologische Faktoren besitzen einen direkten Einfluss. Marktpreise hängen weiterhin davon ab, wie die Marktteilnehmer die kurz- und mittelfristige Entwicklung der Märkte (besonders bei Rohöl) einschätzen und beurteilen. Beispielsweise kann die Sorge vor politischen Reformen den Preis von Rohöl anheben, obwohl sich die realen Versorgungsbedingungen nicht verändert haben.61 Einer der größten Einflussfaktoren auf den Rohöl-Preis sind geopolitische Entwicklungen. Rohöl-Preise schwanken besonders bei Ereignissen wie Krieg, Terror, internen politischen Unruhen (z.B. Bürgerkrieg) oder auch Naturkatastrophen in erdölproduzierenden Ländern. Treten solche Ereignisse ein, so werden Rohöl-Preise in der Regel mit einem Aufschlag gehandelt, welcher sich aus dem Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ergibt. Dadurch, dass der Rohöl-Transport zu 60% auf dem Seeweg abgewickelt wird, ist die Seemacht ein wesentlicher Faktor im Rahmen der Rohölversorgung und der Sicherung dieser. Die USA bilden die größte Seemacht der Welt und haben im sogenannten .geopolitischen Schachbrett' die Oberhand. Andere große Nationen wie China haben sich in den vergangenen Jahren auf den Seetransport der USA verlassen. Somit konnte China durch die dauerhafte Energieversorgung die Entwicklung des Industriekomplexes und das Wirtschaftswachstum weiter beschleunigen. Diese Nationen haben jedoch die zunehmende Abhängigkeit von den amerikanischen Energie-See-Transporten bemerkt, weshalb viele Nationen begonnen haben eigene Transport-Wege mit ihren Nachbarländern zu entwickeln.62 Neben den genannten geopolitischen Faktoren sind vor allem die langfristigen und kurzfristigen Einflussfaktoren auf Rohölmärkte voneinander abzugrenzen und zu erläutern.
3.1.2.1 Langfristige Einflussfaktoren
Zu den langfristigen Einflussfaktoren gehören zunächst die Produktion und die Reserven. Das damit zusammenhängende Angebot an Rohöl lässt dich dabei anhand von drei Indikatoren bestimmten:63
- Rohölproduktion (Messung in Millionen Barrel/Tag)
- Höhe der Rohölreserven (nachgewiesene Reserven)
- Verhältnis zwischen Reserven und Produktion
Schätzung derJahre, wo die Reserven noch ausreichen Bei einer höheren Rohölproduktion und einem einhergehenden höheren Angebot von Rohöl sind die Preise erwartungsgemäß allgemein niedriger. Das Nachfragewachstum ist im Vergleich zum Angebotswachstum höher, wodurch der Durchschnittspreis für Rohöl in den vergangenen zwei Jahrzehnten angestiegen ist. Langfristige Preise werden vor allem durch die Höhe der übrigen Reserven bestimmt. Hierbei wird eine Kategorisierung in die ,3 P’s' vorgenommen (proved, probable, possible). 1P (proved) sind nachgewiesene Rohölreserven, welche mit einer Sicherheit von mindestens 90% unter aktuellen wirtschaftlichen und betrieblichen Bedingungen künftig aus geprüften Lagerstätten gefördert werden können. 2P (proved + probable) sind nachgewiesene Rohölreserven, welche mit einer Sicherheit von mindestens 50% unter aktuellen wirtschaftlichen und betrieblichen Bedingungen künftig aus geprüften Lagerstätten gefördert werden können. 3P (proved + probable + possible) sind nachgewiesene Rohölreserven, welche mit einer Sicherheit von mindestens 10% unter aktuellen wirtschaftlichen und betrieblichen Bedingungen künftig aus geprüften Lagerstätten gefördert werden können. Einen Einfluss auf den Rohölpreis nehmen auch Vorhersagen über das Wachstum der Reserven. Hierbei stehen vor allem die technologischen Entwicklungen im Vordergrund. 1970 wurde davon ausgegangen, dass die USA in diesem Jahre den Höhepunkt der Ölförderung erreicht habe und die weltweite Ölförderung im Jahre 1995 den Höhepunkt erreichen wird, wodurch man von weitersteigenden Preisen für Rohöl ausging. Zahlreiche Innovationen und neue Technologien wie das, Hydraulic Fracturing' (auch bekannt als „Fracking“) oder der rentablen Erschließung schwierig förderbarer Reserven haben jedoch für eine weiterwachsende Rohöl-Förderung gesorgt. Des Weiteren sind .nicht verbrennbare Reserven' zu berücksichtigen, da die Verbrennung einer bestimmten Menge an Reserven nicht mit den globalen Klimazielen vereinbar ist.64
Die Raffinierung und Verbrauch gibt neben der geografischen Verteilung von Angebot und Nachfrage auch Aufschluss über die Energiesicherheit einzelner Regionen und Nationen. Die Raffineriekapazität kann dabei als Indikator eingesetzt werden, wie hoch das maximale Angebot an Rohölprodukten aktuell ist. Die Nachfrage einzelner Regionen und Nationen kann am Verbrauch von Rohöl und am Verbrauch von Raffinerieprodukten gemessen werden. Abschließend kann auch die Kapazitätsauslastung einer Nation Auskunft darüber geben, welche Mengen in Zukunft nachgefragt werden können.65 Sollten die freien Kapazitäten eines globalen Raffineriesystems künftig begrenzt sein, so würde ein Anstieg der Nachfrage mit einem Anstieg der Rohölpreise wahrscheinlich einhergehen.66
Der bereits erwähnte technologische Fortschritt wirkt sich in erster Linie auf Erwartungen in Bezug auf das zukünftige bzw. langfristige Verhältnis von Angebot und Nachfrage aus. Die tendenziell weiter steigenden Rohöl-Preise machen es für Unternehmen attraktiv, die Produktion weiter auszudehnen und neue hochtechnologische Förderanlagen zu entwickeln, wodurch auch die künftigen Reserven erhöht werden. Andererseits fördern steigende Rohöl-Preise ein zunehmendes Interesse an Investitionen in alternative Energiequellen, was sich wiederum auf die zukünftige Nachfrage auswirkt. Alternative Energiequellen wie Wasser-, Wind-, Solarenergie oder auch die Verwendung von Biokraftstoffen basieren auf den Folgen steigender Rohöl-Preise. Auch das stark gestiegene öffentliche Bewusstsein für die Umwelt und die damit einhergehende gestiegene Nachfrage nach Elektro- und Hybridfahrzeugen sind das Resultat hoher Rohölpreise.67
Bei der Prognose künftiger Rohöl-Preise müssen zusätzlich die Trends in der Wirtschaftstätigkeit betrachtet werden. So kann die Geschwindigkeit des Wirtschaftswachstums einer Volkswirtschaft an dem Verbrauch von Rohstoffen gemessen werden. Hohe BIP-Wachstumsraten basieren auf einem erhöhten Verbrauch von Rohöl und anderen Rohstoffen. Dies hat zur Folge, dass höhere Preise entstehen aufgrund des Aufwärtstrends im Wirtschaftszyklus. Andererseits kann ein Preisverfall im Rohstoffsektor durch einen Rückgang der Wirtschaftsleistung entstehen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Preisverfall aufgrund der Finanzkrise im Herbst 2008. Der Höchststand des Rohöl-Preises von 140 USD/Barrel erreichte kurze Zeit späterden Tiefststand von 40 USD/Barrel.68
3.1.2.2 Kurzfristige Einflussfaktoren
Kurzfristige Einflüsse auf die Rohöl-Preise basieren vor allem auf Unterbrechungen innerhalb der Lieferkette.69 Gerade sensible Schifffahrtswege bilden ein großes Risiko, da eine Sperrung oder ein Ausfall dieser Wege zu einem erheblichen Lieferverzug führen könnte. Störungen innerhalb der Versorgungskette (Versorgungsrisiko) können einen Engpass herbeiführen, wodurch eine begrenzte Verfügbarkeit entsteht und somit die Preise ansteigen können.70 Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit ist die Blockade des Suezkanals im März 2021. Die wichtige Schifffahrtsstraße zwischen Europa und Asien wurde durch einen Frachter blockiert, welcher auf Grund gelaufen war und den Kanal dadurch vollständig versperrte. Der Suezkanal wird für einen Großteil der Energietransporte genutzt, insbesondere für die Routen vom mittleren Osten nach Europa und USA. Die Blockade des Kanals hatte zur Folge, dass am Rohölmarkt Sorgen über das künftige Angebot aufkamen, wodurch die Preise in die Höhe getrieben wurden.71
Speziell auf dem Ölmarkt ist zwischen den vorgelagerten Bereichen (Upstream) und den nachgelagerten Bereichen (Downstream bzw. Raffination) zu unterscheiden. Der vorgelagerte Bereich bezieht sich in erster Linie auf die Produktionskapazitäten und die Kapazitätsreserven. Hierbei steht die Organization of the Petroleum Exporting Countries (kurz OPEC) im Vordergrund. Ziel dieser internationalen Organisation ist die Koordination der Rohöl-Politik aller Mitgliedsländer und die Gewährleistung stabiler Ölmärkte. Auf die Mitglieder der OPEC (Algerien, Angola, Ecuador, Iran, Irak, Kuwait, Lybien, Nigeria, Katar, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabischen Emirate, Venezuela) entfallen in etwa 81% der globalen Rohöl-Reserven. Zusätzlich zu diesem hohen Anteil an Reserven produzieren die Mitglieder der OPEC ca. 1/3 der globalen Rohöl-Förderung, wodurch diese internationale Organisation die Rohöl-Preise erheblich beeinflusst. Im nachgelagerten Bereich hingegen werden die Rohöl-Preise zum einen durch die Verwendbarkeit des Rohöls in Raffinerien und zum anderen durch die Raffineriekapazität beeinflusst. Raffinerien werden vorwiegend für die Verarbeitung einer ausgewählten Rohölsorte erbaut und konzipiert. Der Bau dieser großen Anlagen ist kostenintensiv und erfordert lange Bauzeiten, wodurch die Raffineriekapazität sowohl endlich als auch unelastisch ist. Der Preis des Rohöls wird somit auch durch die Kapazität einer Raffinerie für eine bestimmte RohölSorte beeinflusst. Sollte es beispielsweise aktuell rentabler sein, schweres Rohöl zu verarbeiten, so werden die verfügbaren Kapazitäten von Raffinerien für die Verarbeitung des schweren Rohöls verwendet. Somit würde der Aufschlag für leichtes Rohöl sinken. Für die Beurteilung der Rentabilität wird der Preisunterschied zwischen dem Rohöl und den verschiedenen Rohöl-Produkten betrachtet, welcher als .Crackspread' oder Raffineriemarge bezeichnet wird. Kurzfristige Preisschwankungen lassen sich demnach auch über die Höhe der Gewinnspannen der Raffinerien erklären.72 Ein Anstieg der Nachfrage nach Rohöl-Produkten würde somit wahrscheinlich zu steigenden Rohöl-Preisen führen.73
Wie bereits erwähnt werden Rohöl-Preise kurzfristig durch Unterbrechungen innerhalb der Lieferkette beeinflusst. Die Lagerung und der Transport des Rohöls wirken sich somit ebenfalls auf den Rohöl-Preis aus und müssen daher beachtet werden. Lagerkapazitäten besitzen dabei die Funktion auf der einen Seite das Angebot zu glätten und auf der anderen Seite die Preise zu stabilisieren. Mit strategischen Rohöl-Reserven können kurzfristige Preispeaks (z.B. durch Unterbrechungen der Lieferkette) ausgeglichen werden. Preisschwankungen lassen sich jedoch auch auf volle Lagerzurückführen. Sind die Lagerkapazitäten ausgeschöpft, so müssen die Rohöl-Produzenten die Förderung herunterfahren bzw. drosseln, da es sonst zu einem Überangebot und zu sinkenden Preisen kommen könnte. Besteht jedoch die Möglichkeit einer kostengünstigen Lagerung des Rohöls, so können zusätzliche Rohöl-Reserven aufgebaut werden, welche zu einem späteren Zeitpunkt zu höheren Preisen verkauft werden können. Die Transportinfrastruktur im Folgeschritt verbindet die globalen Rohöl-Preise miteinander, wodurch die Preise fürverschiedene Rohöl-Sorten beeinflusst werden können. Ein Indikatorfürdas relative Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage im europäischen und im asiatisch-pazifischen Raum ist beispielsweise die Differenz zwischen dem Brent Crude Oil und dem Dubai Crude Oil. Die Kosten für eine potenzielle Lieferung zwischen den beiden Orten muss vor allem beim Arbitragegeschäft berücksichtigt werden. Händler können bei größeren Spreads bzw. Preisunterschieden auf unterschiedlichen Rohöl-Märkten Schiffe einsetzen, um das Rohöl an den entsprechend profitableren Ort zu liefern, wodurch sie einen risikolosen Gewinn (nach Abzug aller Kosten) einfahren können (Arbitrage).74
Rohölpreise werden des Weiteren auch durch Steuern und Vorschriften beeinflusst. Im Gegensatz zu anderen Nationen wares in den USA bis 2015 gesetzlich verboten, Rohöl zu exportieren. Die weiter ansteigende inländische Produktion der USA hat dazu geführt, dass sich die Rohöl-Benchmark WTI für den Zeitraum zwischen 2011 und 2014 von den globalen Rohöl-Preisen abgekoppelt hat. Abbildung 3 zeigt, dass WTI gegenüber der Benchmark Brent Crude Oil bis 2010 mit einem leichten Aufschlag gehandelt wurde. Das steigende nordamerikanische Angebot und das Export-Verbot der USA führte jedoch dazu, dass das WTI-Rohöl mit einem erheblichen Abschlag zwischen 2011 und 2014 gegenüber dem Brent Crude Oil gehandelt wurde.75
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 - Brent-WTI-Spread von 2004 - 2015 (Quelle: Dafir/Gajjala 2016, S. 18)
Die Steuerpolitik beeinflusst die Rohöl-Preise besonders im vorgelagerten Bereich in Form von Lizenzgebühren oder Mineralsteuern, welche dabei einen direkten Einfluss auf die Rentabilität der Rohölförderung besitzen. Im nachgelagerten Bereich hingegen entstehen Preisschwankungen durch die unterschiedliche Besteuerung von Rohöl-Produkten. Beispielsweise werden Dieselfahrzeuge in bestimmten Ländern steuerlich unterschiedlich behandelt als Benzinfahrzeuge.76
[...]
1 Morrell 2021, S. 245.
2 Vgl. Morrel 2021, S. 239ff.
3 Vgl. Hughes 2020, S. 38 ff.
4 Vgl. IATA 2022, S. 5 ff.
5 Die Begriffe derivative Finanzinstrumente, Finanzderivate, Finanzkontrakte, derivative Kontrakte und Derivate werden in dieserArbeit synonym verwendet.
6 Vgl. Wolke 2016, S. 1 f.
7 Vgl. Lee 2021, S.4f.
8 Vgl. Oehler/Unser 2002, S.10f.
9 Vgl. Deutsche Aktuarvereinigung 2018, S. 35.
10 Vgl. ebd.
11 Vgl. Bühler 1998 zitiert nach Oehler/Unser 2002, S. 14.
12 Vgl. Lee 2021, S.6f.
13 Vgl. Deutsche Aktuarvereinigung 2018, S. 34.
14 Vgl. Bühler 1998 zitiert nach Oehler/Unser 2002, S. 14 f.
15 Vgl. Wengert/Schittenhelm 2013, S. 32.
16 Vgl.Wolke2016,S.7f.
17 Vgl. Burger/Buchart [20021 u. Kremers [20021 zitiert nach Vanini/Rieg [20211, S. 233.
18 Vgl.Wolke2016,S. 1.
19 Vgl. Bodenmann 2005 zitiert nach Brauweiler 2019, S. 5.
20 Vgl. Wolke 2016, S. 2.
21 Vgl. Romeike 2018, S. 20.
22 Vgl. Wolke 2016, S.5f.
23 Vgl. Denk/Exner-Merkelt/Ruthner 2008, S. 82 f.
24 Vgl. Lee 2021, S. 63.
25 Vgl. Denk/Exner-Merkelt/Ruthner 2008, S. 93 f.
26 Vgl. Denk/Exner-Merkelt/Ruthner 2008, S. 94 f.
27 Vgl. Preißler 2020, S. 232 f.
28 Vgl. Denk/Exner-Merkelt/Ruthner 2008, S. 95.
29 Vgl. Vanini/Rieg 2021, S. 231 ff.
30 Vgl. Vanini/Rieg 2021, S. 235 f.
31 Vgl. Wolke 2016, S. 14 ff.
32 Vgl. Bruns/Meyer-Bullerdiek 2020, S. 10.
33 Vgl. Mondello 2018, S. 24 f.
34 Vgl. Deutsche Aktuarvereinigung 2018, S. 36.
35 Vgl. Wolke 2016, S. 29.
36 Vgl. Wengert/Schittenhelm 2013, S. 38 ff.
37 Vgl. Siebertz 2010, S. 247 f.
38 Eigenes Beispiel in Anlehnung an Kausche 2018, S. 75 ff.
39 Vgl. Brügger 2009, S. 346.
40 Vgl. Wengert/Schittenhelm 2013, S. 78 f.
41 Vgl. Wengert/Schittenhelm 2013, S. 78 f.
42 Vgl. ebd.
43 Vgl. Hughes 2020, S. 37.
44 Vgl. Schofield 2021, S. 190.
45 Vgl. Conrady/Fichert/Sterzenbach 2019, S. 394 f.
46 Vgl. Hughes 2020, S. 37.
47 Vgl. Larson/Varangis/Yakubi 1998, S. 1 ff.
48 Vgl. Eller/Heinrich/Perrot/Reif 2010, S. 24 ff.
49 Vgl. Wolke 2016, S. 152.
50 Vgl. Stocker 2013, S. 25f.
51 Vgl. Stocker2013, S. 26.
52 Vgl. Wolke 2016, S. 154 f.
53 Vgl. Stocker 2013, S. 26ff.
54 Vgl. ebd.
55 Vgl. Dafir/Gajjala 2016, S. 5 ff.
56 Vgl. Schofield 2021, S. 165 ff.
57 Vgl. Dafir/Gajjala 2016, S. 7.
58 Vgl. Tahir 2020, o.S.
59 Vgl. Roncoroni/Fusai/Cummins 2015, S. 3.
60 Vgl. Roncoroni/Fusai/Cummins 2015, S. 41 f.
61 Vgl. Erdöl-Vereinigung 2005, S. 10.
62 Vgl. Dafir/Gajjala 2016, S.12f.
63 Vgl. Dafir/Gajjala 2016, S. 15.
64 Vgl. Dafir/Gajjala 2016, S. 15ff.
65 Vgl. ebd.
66 Vgl. Roncoroni/Fusai/Cummins 2015, S. 5.
67 Vgl. Dafir/Gajjala 2016, S. 17.
68 Vgl. Dafir/Gajjala [20161, S. 17.
69 Vgl. ebd.
70 Vgl. Deutsche Rohstoffagentur 2019, S. 31.
71 Vgl. Handelsblatt 2021, o. S.
72 Vgl. Dafir/Gajjala 2016, S.17f.
73 Vgl. Roncoroni/Fusai/Cummins 2015, S. 5.
74 Vgl. Dafir/Gajjala 2016, S. 18.
75 Vgl. ebd.
76 Vgl. Roncoroni/Fusai/Cummins 2015, S. 5.
- Citation du texte
- Carlos Schaeuble (Auteur), 2022, Finanzwirtschaftliches Management von Rohstoff- und Währungsrisiken. Grundlagen und Herausforderungen anhand einer Sensitivitätsanalyse von Fluggesellschaften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1319627
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