Im Zentrum dieser Arbeit steht die Fragestellung, durch welche arbeitsrechtlichen Instrumente ein CMS und die entsprechenden Compliance-Regelungen in eine Unternehmung integriert werden können und welche Pflichten und Aufgaben sich dadurch für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und den Betriebsrat ergeben. Die Analyse und explizite Auseinandersetzung mit den verschiedenen Berührungspunkten sowie Spannungsverhältnissen zwischen den Themenkomplexen Compliance und Arbeitsrecht sind ein weiteres Kernelement dieser Arbeit.
Die Beantwortung dieser Forschungsfragen erfolgt dabei unter der Beachtung und Analyse der geltenden nationalen Gesetze und Vorschriften. Die Erhebung der Daten erfolgt über eine systematische Literaturrecherche zur Thematik Compliance und bedient sich dabei an gegenwärtig bestehender wissenschaftlicher und rechtlicher Literatur. Die Datenbanken Haufe-Online, BeckOnline, Wolter Kluwer, ECONBIZ, Bund-Verlag sowie die Suchdienste Google und Google Scholar werden mit den Schlagwörtern "Compliance", "Compliance-Regelungen", "Rechtskonformität", "Regelkonformität", "Compliance in deutschen
Unternehmen", "Compliance-Officer", "Regelungen zu Compliance", "Implementierung von Compliance-Regelungen" und "Arbeitsrecht und Compliance" zur Quellensuche verwendet.
Durch die Verwendung der benannten Datenbanken und einer entsprechenden Stichwortsuche wird sichergestellt, dass durch verschiedene Quellen ein vollumfänglicher Überblick zur Funktion und Aufgabe des Arbeitsrechts bei der Implementierung von Compliance-Regelungen gegeben wird. Parallel zu den geltenden Gesetzen und Verordnungen wird weiterhin auf verschiedene Urteile und Entscheidungen, u.a. des BAG, LAG, BGH und EGMR, sowie auf weitere nationale als auch internationale Vorschriften, wie u.a. den DCGK, den FCPA und einzelne ISO-Normen, eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung in die Thematik
1.1 Problemstellung
1.2 Methodik
2 Begrifflichkeiten und Grundlagen
2.1 Der Compliance Begriff
2.2 Compliance-Management-System
2.3 Säulen der Compliance
2.4 Rechtliche Vorschriften und Standards
2.5 Inhalte einer Compliance-Regelung
3 Compliance-Officer und Betriebsrat
3.1 Aufgaben und Rechte des Compliance-Officers
3.2 Aufgaben und Mitbestimmung des Betriebsrates
4 Arbeitsrechtliche Implementierung von Compliance-Regelungen
4.1 Direktionsrecht gemäß § 106 GewO als rechtliche Basis
4.2 Individualvertragliche Vereinbarungen als rechtliche Basis
4.3 Kollektivvertragliche Vereinbarungen als rechtliche Basis
4.3.1 Betriebsvereinbarung
4.3.2 Tarifvertrag
5 Sonstige arbeitsrechtliche Berührungspunkte
5.1 Aspekte des Arbeitsschutzes und Arbeitszeitrechts
5.1.1 Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit
5.1.2 Arbeitszeitrecht
5.2 Aspekte des Datenschutzes
5.2.1 Anwendung und Bedeutung des Beschäftigtendatenschutzes
5.2.2 Zentrale Vorgaben der DSGVO und des BDSG
5.2.3 Rechtsfolgen unerlaubter Datenverarbeitung
5.2.4 Compliance-Maßnahmen außerhalb des Beschäftigtendatenschutzes
5.3 Meldesysteme und Whistleblowing
5.4 Arbeitnehmerüberlassung
6 Pflichten und Sanktionen
6.1 Arbeitnehmerseitige Pflichten und Folgen bei Verstößen
6.1.1 Pflichten
6.1.2 Sanktionen und Haftung
6.2 Arbeitgeberseitige Pflichten und Folgen bei Verstößen
6.2.1 Pflichten
6.2.2 Sanktionen und Haftung
7 Fazit
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung in die Thematik
1.1 Problemstellung
„If you think compliance is expensive, try non-compliance!”1
Dieses Statement aus dem Jahr 2009 von Paul McNulty, ehemaliger U.S. Deputy Attorney General, beschreibt kurz und präzise, die Notwendigkeit sowie die Relevanz einer Implementierung von Compliance-Regelungen. Neben finanziellen Schäden, die durch systematische Compliance-Verstöße ausgelöst werden können und oftmals kleinen und mittelständischen Unternehmen existenzielle Sorgen bereiten, sind Reputations- bzw. Imageverluste ebenfalls mögliche Folgen eines fehlenden CMS. Das Erfordernis eines solchen Systems und einhergehender Regelungen beruht vordergründig auf einer Fülle an branchenspezifischen Vorschriften, einem Dschungel aus Gesetzen, gesellschaftlichen Normen und Richtlinien. Gegenwärtig spielt Compliance eine entscheidende Rolle in deutschen Unternehmen. Denn Unternehmen sind in erster Linie bestrebt, straf- sowie zivilrechtliche Risiken zu minimieren, ggf. erhebliche Bußgelder und Schadensersatzansprüche gegenüber Dritten zu vermeiden und sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.2 Nicht nur große Konzerne und Aktiengesellschaften sind mit der Thematik vertraut, auch immer mehr kleine Unternehmen und der Mittelstand erkennen den Wert eines CMS.3 Das Einführen von Maßnahmen infolge einer Risikoanalyse ist hierbei der erste Schritt. Essentiell für alle Unternehmen ist darüber hinaus auch der richtige „tone from the top“ beim Thema Compliance, was anhand von Beispielen wie u.a. dem VW-Skandal deutlich wird.4 Denn erst wenn das rechtskonforme Verhalten von der Führungsebene selbst gelebt und konkret unternehmensweit kommuniziert wird, bekommt es die entsprechende Aufmerksamkeit. Das Ziel dieser Arbeit ist die Erstellung einer Analyse sowie eines Überblicks zu den gegenwärtig bestehenden arbeitsrechtlichen Vorschriften, welche bei der Implementierung von Compliance-Regelungen in deutschen Unternehmen zu beachten sind. Weitere zentrale Themen sind zum einen das Spannungsverhältnis zwischen Compliance und Arbeits- sowie Datenschutz und zum anderen die Grenzen der Mitarbeiterüberwachung. Darüber hinaus wird aus den verschiedenen arbeitsrechtlichen Anwendungsfeldern ein grobes Muster für eine sicherere und rechtskonformere Umsetzung dieser Normen vorgegeben und mögliche Inhalte einer Compliance-Regelung benannt.
1.2 Methodik
Im Zentrum dieser Arbeit steht die Fragestellung, durch welche arbeitsrechtlichen Instrumente ein CMS und die entsprechenden Compliance-Regelungen in eine Unternehmung integriert werden können und welche Pflichten und Aufgaben sich dadurch für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und den Betriebsrat ergeben. Die Analyse und explizite Auseinandersetzung mit den verschiedenen Berührungspunkten sowie Spannungsverhältnissen zwischen den Themenkomplexen Compliance und Arbeitsrecht sind ein weiteres Kernelement dieser Arbeit. Die Beantwortung dieser Forschungsfragen erfolgt dabei unter der Beachtung und Analyse der geltenden nationalen Gesetze und Vorschriften. Die Erhebung der Daten erfolgt über eine systematische Literaturrecherche zur Thematik Compliance und bedient sich dabei an gegenwärtig bestehender wissenschaftlicher und rechtlicher Literatur. Die Datenbanken Haufe-Online, BeckOnline, Wolter Kluwer, ECONBIZ, Bund-Verlag sowie die Suchdienste Google und Google Scholar werden mit den Schlagwörtern „Compliance“, „Compliance- Regelungen“, „Rechtskonformität“, „Regelkonformität“, „Compliance in deutschen Unternehmen“, „Compliance-Officer“, „Regelungen zu Compliance“, „Implementierung von Compliance-Regelungen“ und „Arbeitsrecht und Compliance“ zur Quellensuche verwendet. Durch die Verwendung der benannten Datenbanken und einer entsprechenden Stichwortsuche wird sichergestellt, dass durch verschiedene Quellen ein vollumfänglicher Überblick zur Funktion und Aufgabe des Arbeitsrechts bei der Implementierung von Compliance-Regelungen gegeben wird. Parallel zu den geltenden Gesetzen und Verordnungen wird weiterhin auf verschiedene Urteile und Entscheidungen, u.a. des BAG, LAG, BGH und EGMR, sowie auf weitere nationale als auch internationale Vorschriften, wie u.a. den DCGK, den FCPA und einzelne ISONormen, eingegangen.
2 Begrifflichkeiten und Grundlagen
Compliance-Regelungen zielen darauf ab Wirtschaftskriminalität, Bußgelder sowie Haftungs- und Schadensersatzklagen zu vermeiden. Darüber hinaus zielt die Einführung von Compliance-Regelungen darauf ab, die Beziehungen zu Geschäftspartnern und die eigene Reputation zu wahren, um neue Kunden sowie Mitarbeiter zu gewinnen und sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.5
2.1 Der Compliance Begriff
Eine allgemeine, gesetzlich geltende Definition der Begrifflichkeit Compliance besteht in Deutschland gegenwärtig nicht.6 Jedoch gibt es je nach Branche sowohl international als auch national geltende Gesetze und Richtlinien des privaten und öffentlichen Rechts sowie des Strafrechts, welche den Begriff näher definieren. Beispielsweise gibt es im US- amerikanischen Raum den FCPA und in Großbritannien den sogenannten UK Bribery Act, welche zur Bekämpfung von Korruption dienen.7 National wird durch den DCGK, das juristisch korrekte Verhalten vorgeschrieben und definiert. Zentral beinhaltet dieser Kodex zum einen gesetzliche Vorschriften zur Kontrolle und Leitung börsennotierter Gesellschaften innerhalb Deutschlands und zum anderen finden sich darin auch Handlungsempfehlungen und Hinweise zur rechtskonformen Unternehmensführung.8 Seinen Ursprung hat der Begriff Compliance in den Vereinigten Staaten und Kanada. Der angloamerikanisch geprägte Begriff bedeutet in seiner Übersetzung so viel wie Regelkonformität bzw. Gesetzestreue. Diese bezieht sich in den Grundzügen auf die Pflicht des Vorstandes einer Unternehmung, die Einhaltung von Normen und verankerten Regelungen zu gewährleisten und zu überwachen. Anders ausgedrückt bedeutet Compliance die Erfüllung von Anforderungen und die Befolgung von Gesetz und Recht durch das Unternehmen und dessen Beschäftigte.9 Parallel zu den gesetzlichen Vorgaben sind ebenfalls intern definierte Standards sowie ungeschriebene Verhaltenskodizes einzuhalten.10 Compliance besteht demnach nicht lediglich aus der Geschäftsführungsund Vorstandsebene sondern beginnt bereits bei dem notwendigen rechtskonformen Mitarbeiterverhalten sowie einer gefestigten Compliance-Politik in allen Hierarchieebenen.11 Darüber hinaus sind neben einer unternehmensweit einheitlichen Compliance-Politik die benötigten Ressourcen zur Umsetzung der Ziele bereitzustellen.
2.2 Compliance-Management-System
Unter einem Managementsystem wird in erster Linie ein Führungssystem verstanden. Auf Grund einer fehlenden Legaldefinition wird es oftmals mit den Begriffen ERP oder IMS definiert bzw. darunter subsumiert. Ein Managementsystem besteht vordergründig aus standardisierten Leitlinien und Elementen wie u.a. der Aufbau- und Ablauforganisation mit dem Bestreben ein bestimmtes gefestigtes organisationsweites Ziel zu erreichen. Demnach lässt sich ein CMS als „Aufbau- und Ablauforganisation einer Institution mit interagierenden Komponenten und dem Ziel der Sicherstellung von Pflichtenkonformität im Hinblick auf externe und interne verbindliche Vorgaben“ definieren.12 Explizite Anforderungen an ein CMS sind näher in der Norm ISO 37301 definiert.13 Die Implementierung eines solchen Systems ist essentiell um eine erfolgreiche und strukturierte Umsetzung von festgelegten Compliance-Regelungen zu gewährleisten und ein intern einheitliches Vorgehen und Leitbild zu schaffen. Dennoch lohnt sich die Implementierung eines CMS oftmals erst bei Vorliegen verschiedener Parameter. Faktoren sind bspw. die jeweilige Branche, die Unternehmensgröße, das potenzielle Risiko oder die bestehende Unternehmenskultur.14 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Aufbau eines Compliance-Programms einen Vorteil für jede Unternehmung verspricht. Diese These wird durch das BGH-Urteil vom 09.05.2017 bekräftigt. Gemäß des vorgenannten Urteils kann eine strukturierte Compliance-Organisation und ein CMS die Bußgeldbemessung gemäß § 30 OWiG erheblich mindern.15 Weitere Vorteile, die sich durch die Einführung eines CMS ergeben können sind u.a. das Vermeiden von Gesetzesverstößen und einhergehenden strafrechtlichen Sanktionen sowie das Vermeiden von Verstößen gegen die internen Compliance-Ziele eines Unternehmens. Ebenso eine Stärkung der Unternehmenskultur, Organisationsstruktur und der Geschäftsbeziehungen.16 Die Gestaltungshoheit für ein CMS liegt dabei in der Aufgabe der Unternehmensführung. Ein Compliance-Officer kann, in dem er die Aufgaben hinsichtlich der Risikoerkennung und -minimierung und Maßnahmenergreifung systematisch ausführt und an die Führungsetage berichtet, der Unternehmensführung einen erheblichen, oftmals operativen Teil der Aufgaben abnehmen.17 Eine detailliertere Übersicht zum Tätigkeits- und Aufgabenbereich des Compliance-Officers und dessen Rechten wird in Gliederungsabschnitt 3.1 gegeben.
2.3 Säulen der Compliance
Die Einhaltung und Wahrung der unternehmensweit getroffenen Compliance- Regelungen sowie sämtlicher Inhalte des CMS sind im Rahmen der Führungsaufgabe des Managements durchzusetzen und zu kontrollieren. Grundlage für eine bessere Kontrolle und Durchsetzung von Vorschriften und Normen ist die Einteilung in zentrale Säulen. Durch ein Drei-Schritte-System, bestehend aus Prävention, Kontrolle und Sanktionen, wird ein zielführendes und sicheres Compliance-Konzept übersichtlicher und besser umsetzbar.
Die Prävention, als erster Schritt im Rahmen der Implementierung zielt darauf ab, dass eine Unternehmung zunächst eine Compliance-Organisation errichtet. Hierzu sind die benötigten sachlichen und personellen Ressourcen, nach Durchführung einer internen Risikoanalyse, bereitzustellen und die Regelungen an die bestehende Unternehmenskultur anzupassen. In diesem ersten Schritt wird ebenfalls darauf abgezielt nicht nur die internen Prozesse anzugleichen und Mitarbeiter zu sensibilisieren, sondern auch extern die Zusammenarbeit mit den Stake-Holdern wie Lieferanten, Subunternehmern und Kunden rechtskonform zu gestalten.18 Ergänzend dazu sind ebenso ein Compliance-Regelwerk zu erstellen, Schulungen zum entsprechenden Verhalten anzubieten und eine direkte Kommunikation der Thematik notwendig. Zur Umsetzung der präventiven Maßnahmen ist die Bestellung eines Compliance-Officers und ggf. der Aufbau einer Compliance-Abteilung, in Abhängigkeit von der Größe der Unternehmung, notwendig.19
Die zweite Säule „Kontrolle“ beschreibt einen Überwachungsprozess zur Einhaltung der definierten Regelungen innerhalb der Organisation. Die Verantwortung hierüber hat die Unternehmensführung, leitende Angestellte sowie der Compliance-Officer. Es handelt sich hierbei um einen dauerhaften und kontinuierlichen Prozess, da sowohl Anpassungen innerhalb des Regelwerks als auch in der Organisation vorgenommen werden müssen, wenn sich gesetzliche und rechtliche Änderungen ergeben. Weiterhin sind die Mitarbeiter im gewissen Ausmaß ebenfalls zur Selbstkontrolle verpflichtet und der Betriebsrat in verschiedenen Fällen zur Mitsprache berechtigt, um die Interessen der Mitarbeiter zu vertreten.20 Zu den genauen Aufgaben und der Mitbestimmung des Betriebsrates wird gesondert in Gliederungsabschnitt 3.2 Stellung genommen.
Die Sanktionen stellen die letzte, zentrale Säule bei der Thematik Compliance dar. Als Reaktion auf einen Verstoß gegen eine festgelegte Regelung sind strenge und klare Ahndungen und Maßnahmen gegen die verursachenden Mitarbeiter vorzunehmen. Eine Signalwirkung ist notwendig und unverzichtbar für eine rechtssichere und nachhaltige Compliance-Organisation.21 Mögliche Sanktionen könnten zum einen die einfache Ermahnung der jeweiligen Person sein und zum anderen eine Abmahnung, gefolgt von einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung und dementsprechender Beendigung des Arbeitsverhältnisses.22 Weiterhin sind im Rahmen der Sanktionierung gegenüber Mitarbeitern die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung zu beachten.23 Auf die Pflichten der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers, sowie auf die konkreten arbeits- und zivilrechtlichen Sanktionen wird in Gliederungsabschnitt 6 explizit eingegangen.
2.4 Rechtliche Vorschriften und Standards
Parallel zu dem in Abschnitt 2.1 benannten DCGK bestehen innerhalb Deutschlands weitere sowohl branchenspezifische als auch allgemein geltende gesetzliche Vorschriften und Rechtsprechungen zur Thematik Compliance. Für Wertpapierdienstleister wird beispielsweise gemäß § 25a Abs. 1 Nr. 3 Bst. c KWG und § 80 WpHG die Einführung einer Compliance-Funktion gesetzlich vorgeschrieben. Der § 91 Abs. 2 AktG hingegen definiert allgemeiner, dass u.a. eine der Aufgaben des Vorstands von deutschen Aktiengesellschaften die Einführung eines Systems zur Früherkennung gesellschaftsgefährdender Entwicklungen ist. Darüber hinaus findet § 130 OWiG für alle Unternehmen Anwendung. Diese strafrechtliche Regelung führt zu einem Bußgeld, wenn im Unternehmen eine Straftat oder eine Ordnungswidrigkeit in Folge einer schuldhaft unterlassenen Aufsichtspflicht der Unternehmensleitung vorliegt.24 Ebenso ergibt sich aus der in § 43 Abs. 1 GmbHG definierten Legalitätspflicht des Geschäftsführers einer GmbH eine indirekte Compliance-Pflicht im Verhältnis zur Gesellschaft.25 Neben den gesetzlichen Vorschriften gibt es auch Zertifizierungen, welche Unternehmen infolge der Erfüllung bestimmter Anforderungen und Standards für dessen Compliance-Politik erhalten können. Der IDW Prüfungsstandard 980 vom Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. oder auch die von der ISO veröffentlichte Norm ISO 37001 legen darüber hinaus Vorgaben für Systeme wie ein CMS fest und definieren Handlungsempfehlungen und einhergehende Leitlinien. Der Anwendungsbereich der Norm ISO 37001 erstreckt sich als Standard auf jegliche Organisationen und umfasst nicht nur Unternehmen sondern auch öffentliche und gemeinnützige Organisationen. Zentrale Inhalte der Compliance- Anforderungen die sich aus dieser Norm ergeben sind u.a. die Compliance- Risikobeurteilung, die Compliance-Politik, Schulungspläne, die korrekte Kommunikation an die Belegschaft und die Leistungsbewertung.26
2.5 Inhalte einer Compliance-Regelung
Ziel eines jeden Verhaltenskodizes sollte die Festlegung von verbindlichen Standards für alle Mitarbeiter sein, welche die individuellen Werte der einzelnen Unternehmen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen definiert.27 Unerlässlich für einen Verhaltenskodex und eine Compliance-Richtlinie sind dabei Regelungen zum Daten- und Arbeitsschutz, unter Beachtung der geltenden Gesetze und Verordnungen, ebenso wie die Grenzen der Mitarbeiterüberwachung. Explizit ist der Datenschutz bei der Kontrolle der Arbeitsleistung arbeitsrechtlich zu betrachten sowie beim Arbeitsschutzrecht auch das ArbZG und die Gewährung einer gerechten Urlaubsaufteilung. Ebenso wichtig ist das Thema der Aufklärung von Verstößen - hierbei ist der Aufbau von internen Anlaufstellen empfehlenswert sowie der Umgang mit Whistleblowing näher zu definieren. Darüber hinaus sind Themen zur Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen festzuhalten. Unter anderem die Vorschriften des AGG sind dabei essentiell, nämlich zum einen bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen und andererseits im Zuge der Beendigung, u.a. bei Regelungen zur Abgabe von firmeneigenen Geräten sowie bei der Abgabe von Zugängen zu betrieblichen Systemen. Eine allgemeine Aufklärung über mögliche Sanktionen in Folge von Compliance-Verstößen kann weiterhin sinnvoll sein. Ebenso wichtig ist die Handhabung von sensiblen Daten, Geschäftsgeheimnissen, die Bearbeitung von geheimen Unterlagen oder Vorgängen sowie die Wahrung von Geheimhaltungsklauseln.28 Darüber hinaus wurden im Rahmen der Analyse zu den Inhalten einer Compliance-Regelung weiterhin verschiedene Verhaltenskodizes von u.a. BASF, Bertelsmann, der Rosenberger Group sowie der Telekom gegenübergestellt und zentrale Schnittpunkte festgestellt. Unter anderem Themen wie die allgemeine Einhaltung von Recht und Gesetz, Korruption, die Annahme von Geschenken und der Umgang mit Geschäftspartnern sowie ein fairer Wettbewerb spielen in jedem der benannten Verhaltenskodizes eine wichtige Rolle. Auch die Wahrung der Menschenrechte und Sozialstandards oder die Themenkomplexe, Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Vertraulichkeit und die korrekte Kommunikation sind ebenfalls zu erwähnen und werden von Sonderthemen wie der Außenhandels-Compliance, welche exportkontroll- und zollrechtliche Fragen beantwortet, abgerundet.
3 Compliance-Officer und Betriebsrat
3.1 Aufgaben und Rechte des Compliance-Officers
Einer der ersten Schritte eines Unternehmens beim Aufbau einer einheitlichen Compliance-Organisation sollte die Bestellung eines Compliance-Beauftragten bzw. eines Compliance-Officers sein. Dieser ist allgemein ausgedrückt für die Regeleinhaltung und -kontrolle sowie für die Minimierung von Risiken zuständig. Als ComplianceOfficer können einerseits Mitarbeiter des eigenen Unternehmens bestellt oder die Stelle auf Externe ausgelagert werden. In Abhängigkeit vom Aufgabenspektrum des Unternehmens besteht die Möglichkeit im Rahmen der internen Bestellung die Position als Hauptaufgabe oder als zusätzliche Aufgabe für den bestellten Mitarbeiter zu definieren.29 Hintergrund der Bestellung eines Compliance-Officers durch die Geschäftsführung ist vordergründig sich selbst von den operativen Tätigkeiten im Unternehmen zu befreien und die mit Compliance verbundenen Aufgaben teilweise an einen Beauftragten zu delegieren.30 Eine vollständige Übertragung der Aufgaben ist jedoch nicht möglich, die Unternehmensführung ist weiterhin für die sorgfältige Auswahl, Ressourcen-Beschaffung und Überwachung des Compliance-Officers verantwortlich.31
Die Aufgaben des Compliance-Officers sind im Grunde angepasst an die drei bereits benannten Säulen der Compliance, die Prävention, die Kontrolle bzw. Aufdeckung und die dritte Säule, die Sanktionen.32 Die Tätigkeiten umfassen u.a. die Überwachung der Befolgung sämtlicher interner Richtlinien, Gesetze, ISO-Normen sowie innerbetrieblicher Prozesse. Die Implementierung, Aufrechterhaltung und Aktualisierung eines CMS sowie das Abhalten von Schulungen und die Zuweisung compliance- relevanter Funktionen an die entsprechenden Bereiche im Unternehmen. Im Rahmen der Kontrolle gehört weiterhin zu dem Aufgabengebiet des Compliance-Officers, das Erkennen und die Analyse des Umfangs von Verstößen sowie das Berichten über den gegenwärtigen Compliance-Status an die Unternehmensführung. Weiterhin fungiert der Compliance-Officer als Beschwerdestelle und als Ansprechpartner für sämtliche Fragen rund um die Thematik.33 Regelmäßig bildet der Compliance-Officer die Schnittstelle zwischen den Fachbereichen und der Geschäftsführung und benötigt im Rahmen dieser Stelle entsprechende finanzielle, personelle als auch technische Ressourcen zur Umsetzung. In großen Unternehmen wird neben einem Compliance-Officer ebenfalls der Aufbau einer Compliance-Abteilung empfohlen, da Themen der Rechtskonformität alle Unternehmensbereiche betreffen. Die Fülle an internen Vorgaben, Vorschriften und Gesetzen bestärkt die Notwendigkeit einer solchen Abteilung.34 Zur Umsetzung seiner Aufgaben benötigt der Compliance-Officer darüber hinaus bestimmte Rechte, welche ihn für interne Ermittlungen und die Überwachung von Prozessen legitimieren. Diese umfassen in erster Linie Zugangsrechte für sensible und personenbezogene Daten, bspw. für die Durchsicht von Personalakten oder für die Durchführung von Interviews.35 Es bedarf jedoch einer scharfen Abgrenzung hinsichtlich der Befugnisse des ComplianceOfficers, da die Unternehmensführung weiterhin bei Führungsaufgaben und grundlegenden Entscheidungen das letzte Wort behalten sollte.36 Eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten, welche gemäß Art. 4 DSGVO definiert sind, ergibt sich aus § 26 Abs. 4 BDSG. Dieser besagt, dass personenbezogene Daten, einschließlich besonderer Kategorien personenbezogener Daten auf Basis von kollektivvertraglichen Vereinbarungen verarbeitet werden können. Demnach kann durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag die Tätigkeit des Compliance-Officers niedergeschrieben werden, sodass die Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig ist.37 Darüber hinaus benötigt der Compliance-Officer weitere Informationsrechte, um die Unternehmung zu beraten und um ein gewisses Maß an Rechtssicherheit sicherzustellen. Im Rahmen seiner Tätigkeit muss der Bestellte nicht in alle Einzelheiten und betrieblichen Geheimnisse eingeweiht sein, jedoch sollte die Rechtmäßigkeit der Geheimnisse vom Compliance-Officer überprüfbar sein. Der unbeschränkte Zugang zu Dokumenten und Daten zu allen Betriebsstätten, Führungskräften sowie Personal sollte bestehen. Parallel dazu hat der Compliance-Officer auf Grund seiner Beratungsfunktion ebenfalls ein Vorschlags- und Eskalationsrecht gegenüber der Unternehmensführung. Ein Interventions- bzw. Veto-Recht wird dem Compliance-Officer eher selten zugesprochen.38
3.2 Aufgaben und Mitbestimmung des Betriebsrates
Die Zuständigkeit des Betriebsrates bezieht sich lediglich auf Arbeitnehmer und Leiharbeitnehmer. Ausgenommen davon sind leitende Angestellte, freie Mitarbeiter, Subunternehmer oder Mitarbeiter eines anderen Betriebes. Das bedeutet, dass dem Betriebsrat ausschließlich Informations- sowie Mitbestimmungsrechte zu den Arbeitnehmern und Leiharbeitnehmern des eigenen Betriebes zustehen.39
Eine der wesentlichen Aufgaben des Betriebsrates gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist darüber zu wachen, dass sämtliche Rechtsvorschriften zum Schutz bzw. zu Gunsten des Arbeitnehmers durchgeführt werden. Der Betriebsrat ist demnach legitimiert zu kontrollieren, ob im Rahmen der Aufgabe der Compliance-Funktion die Rechte des Arbeitnehmers gewahrt werden. Zur ordentlichen Wahrnehmung seiner Aufgabe kann der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG von der Geschäftsführung und dem Compliance-Officer eine zeitnahe und umfassende Unterrichtung über die betreffenden Sachverhalte verlangen. Weiterhin ergibt sich daraus die Aufgabe des Betriebsrates, bei der Ausführung der Kontrollmaßnahmen des Compliance-Officers auf die Einhaltung der Vorgaben des Datenschutzes zu achten. Die Vorschriften der DSGVO und des BDSG sind hier einschlägig. Aus seinem Schutzauftrag für die Einhaltung der Rechte der Arbeitnehmer ergibt sich für den Betriebsrat darüber hinaus hinsichtlich Aufklärungsund Kontrollmaßnahmen ein Informationsrecht.40 Weiterhin stehen dem Betriebsrat zur Durchführung seiner zentralen Aufgabe, der Wahrung der Arbeitnehmerrechte, bestimmte Beteiligungsrechte zu. Diese Beteiligungsrechte bestehen aus Mitbestimmungs-, Zustimmungsverweigerungs- und Mitwirkungsrechten.41 Im Zuge der Implementierung von Compliance-Regelungen und einer Compliance-Organisation werden neben dem geltenden Recht und Gesetz interne Verhaltensregeln, der sogenannte Code of Conduct, verabschiedet. Bei diesen internen Regelungen kann der Betriebsrat grundsätzlich ein solches Mitbestimmungsrecht, über das Weisungsrecht des Arbeitsgebers hinaus, geltend machen.42 Jedoch sind hier ebenfalls die Grenzen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates zu beachten. Dieses bezieht sich ausschließlich auf Regelungen des Arbeitgebers zum Ordnungsverhalten der Mitarbeiter im Betrieb und nicht auf das Verhalten der Arbeitnehmer bei der Wahrung gesetzlicher Vorschriften gemäß § 87 Abs. 1 BetrVG.43 Im engeren Sinne bedeutet das, dass der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 BetrVG keine Mitbestimmung auf Teile des CMS geltend machen kann, welche das Arbeitsverhalten und Vorgaben, die das Gesetz wiederholen, definieren. Der Arbeitgeber ist demnach frei in seiner Entscheidung.44 Darüber hinaus sind der Vorstand und die Geschäftsführung nach § 43 Abs. 1 GmbHG zur Einhaltung der Legalitätspflicht und zur Wahrung der gesetzlichen Rechtspflichten des Arbeitnehmers sowie zur Sicherung von Beweisen über die durchgeführten Kontrollen im Unternehmen gemäß § 93 Abs. 1 AktG verpflichtet.45 Zusätzlich zu Fragen der Ordnung und des Arbeitnehmerverhaltens bei internen Regelungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, ergibt sich ein weiteres Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Hiernach ist der Betriebsrat beim Aufbau und der Anwendung von technischen Einrichtungen mitbestimmungsberechtigt, soweit die technischen Einrichtungen bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung des Mitarbeiters zu überwachen. Im Zentrum stehen hier die Überwachung und interne Ermittlung zur Analyse von elektronischen Dokumenten der Mitarbeiter. Beispielsweise die Überwachung von E-Mail-Postfächern, Programme zum Mithören von Telefongesprächen oder sogar automatisierte Mitarbeiterkontrollen.46 Weiterhin könnte ein Anspruch des Betriebsrats auf Mitbestimmung gemäß § 99 BetrVG, bei der Bestellung des Compliance-Officers geltend gemacht werden. Laut § 99 Abs. 1 BetrVG ist in einem Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung, der Betriebsrat zu unterrichten und dessen Zustimmung einzuholen. Handelt es sich bei dem ComplianceOfficer um einen leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG oder sogar um ein Organmitglied, scheidet das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus.47 Ergänzend dazu besteht ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei der Durchführung von Compliance-Schulungen.48 Dieses Recht ergibt sich aus § 98 Abs. 1 und Abs. 6 BetrVG. Demnach ist der Betriebsrat bei Maßnahmen zur betrieblichen Berufsbildung und sonstigen Bildungsmaßnahmen im Betrieb mitbestimmungsberechtigt. Daraus ergibt sich eine Möglichkeit für den Betriebsrat die Rahmenbedingungen und Inhalte von Compliance-Schulungen mitzugestalten.49 Wie bereits anfangs erwähnt umfassen die Beteiligungsrechte des Betriebsrats auch das Zustimmungsverweigerungsrecht und das Mitwirkungsrecht. Das Zustimmungsverweigerungsrecht kann ein sogenanntes Vetorecht des Betriebsrats darstellen, welches diesem erlaubt eine geplante Maßnahme des Arbeitgebers zu verhindern. Mitwirkungsrechte sind u.a. das Anhörungs- und Unterrichtungsrecht.50
Auf Grundlage dessen, dass das Mitbestimmungsrecht nur das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betrifft, ist zu empfehlen, dass eine strikte Trennung von mitbestimmungspflichtigen und mitbestimmungsfreien Regelungen im Rahmen des Aufbaus der Compliance-Organisation vorgenommen wird. Bei dieser Trennung ist besonders zwischen gesetzlich festgelegten und intern getroffenen Regelungen zu unterscheiden.51
4 Arbeitsrechtliche Implementierung von Compliance-Regelungen
Die wohl primäre Aufgabe des Arbeitsrechts bzw. arbeitsrechtlicher Vorschriften mit Bezug zur Thematik Compliance ist die arbeitsrechtliche Implementierung für deutsche Unternehmen.52 In den folgenden Gliederungsunterabschnitten wird auf die verschiedenen Möglichkeiten zur arbeitsrechtlichen Implementierung von Compliance- Regelungen näher eingegangen. Inhaltlich wird in diesem Abschnitt der Frage nachgegangen, durch welche arbeitsrechtlichen Mittel, der Arbeitgeber den Arbeitnehmer an arbeitsrechtliche Pflichten zum rechtskonformen Verhalten binden kann.
4.1 Direktionsrecht gemäß § 106 GewO als rechtliche Basis
Eine Möglichkeit zur Implementierung von Compliance-Regelungen stellt das gesetzlich definierte Direktions- bzw. Weisungsrecht des Arbeitgebers dar. Entscheidend ist, dass das Weisungsrecht nicht ermöglicht neue arbeitsvertragliche Pflichten zu begründen, sondern diese lediglich konkretisiert.53 Im Sinne des § 106 GewO i.V.m. § 315 BGB kann der Arbeitgeber das Verhalten des Arbeitnehmers und die Ordnung im Betrieb nach billigem Ermessen näher bestimmen soweit diese Bedingungen nicht durch einen Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung, einen Tarifvertrag oder eine gesetzliche Vorschrift geregelt sind. Ein Vorteil des Arbeitgebers ist dabei, dass es keinerlei Zustimmung des Arbeitnehmers bei der Ausübung des Weisungsrechts bedarf. Ein Rundschreiben, eine Meldung im Intranet oder ein Aushang an alle Mitarbeiter stellen eine Möglichkeit zur Übermittlung der Informationen zu den definierten Compliance- Regelungen dar.54 Inhaltlich muss jedoch deutlich hervorgehen, dass die getroffenen Vorgaben für jeden Arbeitnehmer bindend sind und sich daraus eine Verpflichtung sowie Verantwortung zur Einhaltung ergibt. Ein solches Schreiben im E-Mail-Format ist ebenfalls ausreichend sowie rechtlich bindend.55 Entscheidend ist die Verbindlichkeit für die Arbeitnehmer, denn nur so kann das Unternehmen den bestehenden gesetzlichen Pflichten nachkommen und Sanktionen verhängen. Darüber hinaus sind die Grenzen des Weisungsrechts zu beachten.56 Denn dieses bezieht sich gemäß § 106 Abs. 2 GewO grundsätzlich nur auf das Verhalten des Mitarbeiters im Betrieb und auf dessen Arbeitszeit. Die sogenannte „fachliche Compliance“ geht mit dem einher und besagt, dass der Arbeitgeber nur Vorgaben und Regelungen mit ausschließlichem Tätigkeitsbezug aussprechen darf.57 Im Umkehrschluss bedeutet das, dass arbeitgeberseitige Regelungen sowie das Weisungsrecht sich nicht auf den Bereich der privaten Lebensführung erstrecken dürfen und das außerdienstliche Verhalten unberührt bleibt.58 Eine Ausnahme besteht, wenn das außerdienstliche Arbeitnehmerverhalten eine Auswirkung auf die Ordnung im Betrieb zur Folge hat oder zu einer Störung führt.59 Weiterhin ist es erforderlich, dass eine arbeitnehmerseitige Nebenpflicht besteht, welche aussagt, dass eine nachteilige Störung bzw. negative Auswirkung infolge eines außerdienstlichen Verhaltens eines Mitarbeiters zu vermeiden ist. Bei Vorliegen einer Nebenpflicht kann diese durch das Weisungsrecht näher definiert werden.60 Beispiele für eine solche Nebenpflicht sind in Abhängigkeit der Tätigkeit, die Verschwiegenheitspflicht, Wettbewerbsverbote, das Verbot zur Annahme von Schmiergeldern und die Vermeidung von Interessenkonflikten sowie im Allgemeinen die Treupflicht und die Pflicht zur Wahrung der betrieblichen Ordnung.61 Das Erfordernis besteht, da aus dem Weisungsrecht gemäß § 106 GewO keine neuen Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer begründet werden können. Darüber hinaus ist bei der Ausübung des Weisungsrechts der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Die Prüfung der Geeignetheit, Angemessenheit und Erforderlichkeit einer getroffenen Compliance-Regelung hat dabei zu erfolgen. Entscheidend hierbei ist vor allem, dass eine sogenannte Grundrechtsabwägung erfolgt.62 Im Rahmen der Grundrechtsabwägung sind die
Interessen des Arbeitgebers an der Implementierung der Regelungen mit den entgegenstehenden arbeitnehmerseitigen Interessen gegenüberzustellen.63
Arbeitnehmerseitige Interessen sind in erster Linie die verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte des Arbeitnehmers wie u.a. das Persönlichkeitsrecht sowie die allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG.64
4.2 Individualvertragliche Vereinbarungen als rechtliche Basis
In der Regel handelt es sich hier um eine arbeitsvertraglich getroffene Regelung. Diese Implementierungsmöglichkeit ist besonders sinnvoll, wenn die geplanten Compliance- Regelungen eine Erweiterung der bereits bestehenden arbeitsvertraglichen Pflichten darstellen. Gegensätzlich zum bereits analysierten Direktionsrecht des Arbeitgebers, kann durch eine individualvertragliche Vereinbarung eine neue Pflicht gegenüber dem Mitarbeiter vertraglich begründet werden.65 Grundsätzlich unterliegt ein Arbeitsvertrag keiner konkreten Form, das bedeutet es besteht eine sogenannte Formfreiheit. Ein schriftlicher, mündlicher, als auch durch konkludentes Handeln abgeschlossener Vertrag ist bindend. Besteht jedoch eine kollektivvertraglich geschlossene Norm, die die Schriftform vorgibt, so ist diese maßgeblich. Die damit verbundenen Anforderungen zur Wahrung dieses Erfordernisses ergeben sich aus § 126 BGB. Die Folge der Nichtachtung einer solchen kollektivvertraglichen Vorgabe führt zur Nichtigkeit des Vertrags gemäß §125 BGB.66 Darüber hinaus erfordert die Einführung von Compliance-Regelungen oder eines Verhaltenskodizes im Rahmen einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung weiterhin zwingend die Einwilligung aller Arbeitnehmer.67 Eine stillschweigende Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, nach Ergänzung bzw. Konkretisierung durch eine Compliance- Regelung, wird in der Regel nicht als arbeitnehmerseitige Annahme der arbeitsvertraglichen Änderungen angesehen.68 Der Grund dafür beruht auf der Tatsache, dass eine Missachtung oder ein Verstoß des Arbeitnehmers gegen eine individualvertraglich getroffene Compliance-Regelung zwingend zu Sanktionen und erheblichen Nachteilen für diesen führt. Demnach ist eine Zustimmung des Arbeitnehmers für eine Änderung des bestehenden Pflichtenverhältnisses erforderlich, aber führt grundsätzlich nicht zu einer Pflicht des Arbeitnehmers dieser zuzustimmen.69 Parallel zu dem Erfordernis einer arbeitnehmerseitigen Einwilligung, sind weiterhin die inhaltlichen Grenzen des AGB-Rechts, konkret die des § 305 BGB bei der Implementierung von neuen Regelungen einschlägig.70 Daraus ergibt sich, dass eine Compliance-Regelung keine unangemessene Benachteiligung fördern und nicht überraschend sein darf.71 Ausgenommen davon sind jedoch Klauseln, welche nur Inhalte des Gesetzes wiederspiegeln. Eine AGB-Prüfung ist in einem solchen Fall obsolet.72 Ebenso relevant ist die Grenze hinsichtlich des Eingriffs in den privaten Bereich und damit verbunden in das Persönlichkeitsrecht der einzelnen Arbeitnehmer entsprechend des Art. 2 GG, welche eng mit der Mitbestimmung des Betriebsrats verknüpft ist.73 Eine Ergänzung einer Verweis-Klausel im Arbeitsvertrag durch den Arbeitgeber stellt eine weitere Möglichkeit zur Einführung neu getroffener, interner Regelungen dar. Durch die Ergänzung einer auf die Compliance-Regelungen verweisende Klausel findet so grundsätzlich eine formale Trennung vom Arbeitsvertrag statt. Demnach sind die Regelungen nicht Bestandteil des Arbeitsvertrags, jedoch zwingend vom Arbeitnehmer einzuhalten und nur schwer arbeitgeberseitig abänderbar.74 „Darüber hinaus könnte die Einbeziehung der Compliance-Richtlinien auf Grund von Flexibilisierungsklauseln im Wege der Inhaltskontrolle gemäß § 305 ff. BGB unwirksam sein.“75 Durch eine Flexibilisierungsklausel wäre der Arbeitgeber regelmäßig berechtigt uneingeschränkt Änderungen am Vertrag vorzunehmen, so dass diese in der Regel nicht ohne weiteres zulässig sind. Weiterhin ist auf Grund der damit verbundenen Intransparenz gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, ein Änderungsvorbehalt des Arbeitgebers hinsichtlich der getroffenen Compliance-Regelungen nicht möglich.76 Der Schutz vor überraschenden und mehrdeutigen Klauseln gemäß § 305 c Abs.1 BGB, der Änderungsvorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB und das Gebot der inhaltlichen Angemessenheit, stützen diese These und führen dazu, dass eine Flexibilisierungsklausel arbeitgeberseitig schwer durchsetzbar ist.77 Beim tatsächlichen Einsatz einer dynamischen Verweisungsklausel sind weiterhin zwingende Anforderungen hinsichtlich des Inhalts der Klausel vom Arbeitgeber zu beachten. Zum einen ist in der Verweisungsklausel festzuhalten, dass der Arbeitgeber sicherstellt die Arbeitnehmer über die veränderten Inhalte rechtzeitig zu informieren und andererseits den entsprechenden Änderungsgrund den Arbeitnehmern erklärt. Darüber hinaus sind inhaltliche Schranken für arbeitgeberseitige Änderungen zu setzen, so dass der Arbeitnehmer vor unkalkulierbaren Änderungen geschützt ist.78 Die Verwendung einer statischen Verweisungsklausel stellt eine weitere Möglichkeit dar. Im Gegensatz zur dynamischen Verweisungsklausel, ist die statische Verweisungsklausel übersichtlicher und besser nachvollziehbar für die Arbeitnehmer. Der Grund dafür ist, dass durch einen statischen Verweis lediglich auf die getroffenen Compliance- Regelungen zu einem bestimmten Zeitpunkt Bezug genommen wird und der Verweis nicht dynamisch mit entsprechenden Veränderungen der Compliance-Regelungen einhergeht.79 Weiterhin kommt im Rahmen einer individualvertraglichen Vereinbarung, eine Änderungskündigung als Implementierungsmöglichkeit in Betracht. Gegensätzlich zum Weisungsrecht des Arbeitgebers, richtet sich der Fokus bei einer Änderungskündigung auf eine Veränderung der arbeitsvertraglichen Bedingungen und nicht auf die Zulässigkeit innerhalb der Grenzen des Arbeitsvertrags.80 Bei Ausübung des Änderungskündigungsrechts kann jedoch ausschließlich auf eine betriebsbedingte Kündigung abgestellt werden. Eine verhaltensbedingte Kündigung findet keine Anwendung, da ein verhaltensbedingter Grund regelmäßig keine Änderungskündigung rechtfertigt.81 Für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung muss die Weiterbeschäftigung unter den bisher bestehenden Bedingungen nicht möglich bzw. entfallen sein.82 Ein Grund dafür könnte die Umstrukturierung des Betriebs darstellen, welche auf einem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers an einer Implementierung von Compliance-Regelungen beruht. Die Änderung des Anforderungsprofils an eine Stelle stellt einen weiteren möglichen Grund für eine betriebsbedingte Kündigung dar.83 Gegenstand eines solchen Anforderungsprofils könnte u.a. die Wahrung der Compliance- Regelungen oder eine kontinuierliche Teilnahme an Compliance-Schulungen darstellen.
[...]
1 McNulty, 2009.
2 Vgl. Birker,2018.
3 Vgl. Rödl & Partner, 2017.
4 Vgl. Birker, 2018.
5 Vgl. Handelskammer Hamburg, 2022.
6 Vgl. Rödl & Partner, 2022a.
7 Vgl. Mengel, Peters, 2022a.
8 Vgl. Validatis Online, 2022.
9 Vgl. Birker, 2018.
10 Vgl. Handelskammer Hamburg, 2022.
11 Vgl. Birker, 2018.
12 Vgl. Szabo, 2018.
13 Vgl. Galster, 2018.
14 Vgl. Austrian Standards Online, 2022.
15 Vgl. Szabo, 2018.
16 Vgl. Buse Online, 2021.
17 Vgl. Galster, 2018.
18 Vgl. Sedlatzek Online, 2020.
19 Vgl. Moosmeyer, 2021, S. 39.
20 Vgl. Sedlatzek Online, 2020.
21 Vgl. Bauermann, 2018.
22 Vgl. Sedlatzek Online, 2020.
23 Vgl. Bauermann, 2018.
24 Vgl. Mengel, Peters, 2022a.
25 Vgl BGH Urteil v. 07.05.2019 - VI ZR 512/17.
26 Vgl. Birker, 2018.
27 Vgl. Leisering, 2022.
28 Vgl. Heinzelmann, 2018.
29 Vgl. Haufe Online, 2020b.
30 Vgl. Ettwig, 2021.
31 Vgl. Galster, 2021.
32 Vgl. Moosmayer, 2021, S. 40.
33 Vgl. Ries, 2021.
34 Vgl. EQS Group, 2021.
35 Vgl. Ettwig, 2021.
36 Vgl. Galster, 2018.
37 Vgl. Ettwig, 2021.
38 Vgl. Galster, 2018.
39 Vgl. Wybitul, 2015, S. 79.
40 Vgl. Wybitul, 2015, S. 80.
41 Vgl. Wybitul, 2015, S. 79.
42 Vgl. Donath, 2013.
43 Vgl. Rack, 2018, S. 1.
44 Vgl. Moosmayer, 2021, S. 64.
45 Vgl. Rack, 2018, S. 1.
46 Vgl. Seifert, 2014, § 32, Rn. 160; Vgl. Wybitul, 2015, S. 81.
47 Vgl. Grambow, 2016, S. 246.
48 Vgl. Donath, 2013.
49 Vgl. Wybitul, 2015, S. 81.
50 Vgl. Wybitul, 2015, S. 80.
51 Vgl. Rack, 2018, S. 6.
52 Vgl. Hauschka/Moosmayer/Lösler, 2016, Rn. 1.
53 Vgl. Schreiber, 2010, S. 619.
54 Vgl. Mengel, 2012, Rn. 8; Vgl. Kempter/Steinat, 2017, S. 1510.
55 Vgl. LAG Hessen Urteil v. 25.01.2010 - 17 Sa 21/09; Vgl. Kempter/Steinat, 2017, S. 1510.
56 Vgl. Straube/Rasche, 2017, Rn. 37, 38.
57 Vgl. Mengel, 2009 , Kapitel 1, Rn. 8; Vgl. Straube/Rasche, 2017, Rn. 40.
58 Vgl. BAG Urteil v. 23.08.2012 - 8 AZR 804/11; Vgl. Straube/Rasche, 2017, Rn. 41.
59 Vgl. Mengel, 2009, Kapitel 1, Rn. 18; Vgl. Straube/Rasche, 2017, Rn. 42.
60 Vgl. Schreiber, 2010, S. 617, 619.
61 Vgl. ErfK Preis, 2011, § 611, Rn. 710 ff.; Vgl. Straube/Rasche, 2017, Rn. 44.
62 Vgl. Mengel, 2009, Kapitel 1, Rn. 18; Vgl. Straube/Rasche, 2017, Rn. 42.
63 Vgl. Schreiber, 2010, S. 618.
64 Vgl. Fischer/ Zerres, 2017, S. 3.
65 Vgl. Fischer/ Zerres, 2017, S. 4.
66 Vgl. Hanreich, 2021a.
67 Vgl. Fischer/ Zerres, 2017, S. 4.
68 Vgl. ErfK/ Preis, 2011, § 611 BGB, Rn. 375; Vgl. Schreiber, 2010, S. 619.
69 Vgl. Schreiber, 2010, S. 619.
70 Vgl. Steffen/Stöhr, 2017, S. 43, 45; Vgl. Kempter/Steinat, 2017, S. 1510.
71 Vgl. Kreitner, 2016, Rn. 18; Vgl. Kempter/Steinat, 2017, S. 1510.
72 Vgl. Dzida/Klopp, 2017, S. 257, 258; Vgl. Kempter/Steinat, 2017, S. 1510.
73 Vgl. BAG Beschluss v. 22.07.2008 - 1 ABR 40/07.
74 Vgl. Hohmuth, 2014, S. 3061; Vgl. Fischer/ Zerres, 2017, S. 5.
75 Fischer/ Zerres, 2017, S. 5.
76 Vgl. Mengel, 2009, S. 34; Vgl. Fischer/ Zerres, 2017, S. 5.
77 Vgl. Fischer/ Zerres, 2017, S. 5.
78 Vgl. Schreiber, 2010, S. 619.
79 Vgl. Schreiber, 2010, S. 619.
80 Vgl. BAG Urteil v. 17.12.2015 - 2 AZR 304/15.
81 Vgl. Schreiber, 2010, S. 621.
82 Vgl. BAG Urteil v. 23.06.2005 - 2 AZR 642/04.
83 Vgl. BAG Urteil v. 20.06.2013 - 2 AZR 295/12.
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- Adrian Sommer (Author), 2022, Wie funktioniert arbeitsrechtliche Compliance? Rechtliche Vorschriften und ihre Implementierung in deutschen Unternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1319120
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