Im Zentrum dieses Unterrichtsentwurfs für das Fach Latein (Gymansium, 11. Klasse) stehen die Texterschließung und Übersetzung der physischen Verwandlung der lykischen Bauern (Ov. VI 376-381), die der dürstenden Göttin Latona verboten, für sich und ihre neugeborenen Zwillinge Wasser zu schöpfen, und dieses sogar verunreinigten. Der Gehalt dieser Metamorphose des augusteischen Dichters Publius Ovidius Naso wird unter der Fragestellung "Wie werden die lykischen Bauern durch die Göttin Latona bestraft?" betrachtet. Die Schülerinnen und Schüler können durch die Hilfe von Texterschließungsverfahren die betreffende Textstelle der Metamorphose dekodieren und anschließend rekodieren.
In dieser Stunde wird vorrangig die Textkompetenz in den Bereichen Texterschließung, Übersetzung und Interpretation gefördert. Durch den Transfer zur künstlerischen Darstellung der Rezeption der Renaissance wird zudem die kulturelle Kompetenz gefördert.
1. Didaktisches Zentrum
Im Zentrum der heutigen Stunde steht die Texterschließung und Übersetzung der physischen Verwandlung der lykischen Bauern (Ov. VI 376-381), die der dürstenden Göttin Latona verboten, für sich und ihre neugeborenen Zwillinge Wasser zu schöpfen, und dieses sogar verunreinigten. Der Gehalt dieser Metamorphose des augusteischen Dichters Publius Ovidius Naso wird unter der Fragestellung: Wie werden die lykischen Bauern durch die Göttin Latona bestraft? betrachtet werden. Die Schülerinnen und Schüler1 können durch die Hilfe von Texterschließungsverfahren die betreffende Textstelle der Metamorphose dekodieren und anschließend rekodieren.
Dies wird daran erkennbar,
.dass die SuS anhand eines Bildeinstiegs und durch die Vergegenwärtigung des bisherigen Verlaufs der Metamorphose Hypothesen zum weiteren Verlauf der Metamorphose, der abschließenden Verwandlung, entwickeln und formulieren können.
.dass die SuS die Verse 376-381 der Originallektüre durch das Einstiegsbild und das Markieren der den Wortfeldern „Körperteile“ und „Frösche“ zugehörigen Begriffe inhaltlichen (vor-) erschließen können.
.dass die SuS mithilfe ihrer Lexik- und Grammatikkenntnisse die Verse der Metamorphose angemessen dekodieren und anschließend rekodieren können.
.dass die SuS die angegebenen Hilfestellungen angemessen nutzen können, indem sie auf diese zurückgreifen und sie für ihre Übersetzungen berücksichtigen.
.dass die SuS ihr globales Textverständnis einbeziehend interpretieren, inwiefern die Bestrafung der lykischen Bauern eine angemessene Bestrafung darstellt (Reserve).
In dieser Stunde wird vorrangig die Textkompetenz in den Bereichen Texterschließung, Übersetzung und Interpretation gefördert. Durch den Transfer zur künstlerischen Darstellung der Rezeption der Renaissance wird zudem die kulturelle Kompetenz gefördert.
2. Analyse der Lerngruppe und der Lernausgangslage
Seit Beginn des Schuljahres 2021/22 unterrichte ich die Lerngruppe Latein der E-Phase, die sich insgesamt aus 27 SuS zu 14 Schülerinnen und 13 Schülern zusammensetzt, drei Stunden pro Woche eigenverantwortlich. Zu Beginn des Schuljahres habe ich eine Lernstandsdiagnose mittels Selbsteinschätzungs- und Fragebogen erhoben. Hiervon ausgehend zeigte sich bereits zur Kursarbeit am 07.10., durch die mündliche Beteiligung sowie bei der Selbsteinschätzung der SuS nach den Herbstferien ein umfassender Kompetenzzuwachs ab:
Die Lerngruppe weist hinsichtlich der Sprachkompetenz eine starke vertikale Heterogenität2 auf. Während SuS wie S7 und S8 durch ihr korrektes deklaratives Wissen brillieren, tut sich die breite Masse des Kurses schwer und benötigt kontinuierlich Hilfen zur Reaktivierung einst erlernter Formen. Darunter fällt insbesondere die Formenlehre der u- Deklination, der verba deponentia und des Konjunktivs sowie dessen Verwendungsweise,3 deren Auffrischung als Erstes durchgeführt wird. Die notwendige Motivation zur Aufarbeitung ist glücklicherweise mehrheitlich vorhanden,4 was sich in Einzelgesprächen und nicht zuletzt bei beiden Umfragen offenbarte.5 Hieraus ergeben sich zwangsläufig unterschiedliche Lern tempi: Nur wenige SuS erfassen und bearbeiten die Arbeitsaufträge recht zügig, wohingegen die breite Mehrheit aufgrund der vorhandenen Rückstände deutlich mehr Zeit benötigt. Dieser Gegebenheit begegne ich mit binnendifferenziert konzipierten Arbeitsmaterialien, dem Angebot von Hilfestellungen oder Zusatzaufgaben.6 Daran zeichnet sich eine „zunehmend eigenverantwortliche Gestaltung des Sprachlernprozesses“7 ab.
Da die mündliche Beteiligung am Unterrichtsgeschehen der SuS sowohl quantitativ als auch qualitativ stark schwankt8 und SuS vereinzelt aus Schüchternheit etwas zögerlich scheinen, bin ich stets bemüht, durch Fragen und Impulse alle einzubeziehen.9 Die sprachlich leistungsschwächere Mehrheit kann über Inhalte zur Mitarbeit motiviert und eingebunden werden, auch wenn individuelle Grenzen in der Sprachkompetenz die textimmanenten Interpretationen zuweilen ausbremsen. Ferner beziehe ich sie zugunsten einer höheren Partizipation in die Themenwahl mit ein, wobei ich mittels Vorauswahl darauf achte, dass ein ganzheitliches Erfassen der behandelten Lektüren möglichst leistbar ist.10
Aus diesen Gründen sowie dem Bedürfnis der SuS, sich in einer Art Schonraum für eine folglich gelingende Mitarbeit abzusichern und Hemmungen abzulegen, bevorzugen sie schülerzentriert kooperative Lernmethoden wie Gruppen- und Partnerarbeit, wodurch sich insgesamt eine größere Beteiligung und Streuung der SuS-Meldungen ergibt.
Bezüglich der Textkompetenz der Lerngruppe hatte die Lernstandesdiagnose zu Schuljahresbeginn noch großenteils beträchtliche Lücken aufgewiesen. Damit die Lerngruppe nicht weiter in die Kluft zwischen dem Anspruch des Kerncurriculums nach Originallektüre und ihrem Textverständnis geriet, war ich bemüht, Routinen zu entwickeln, Verfahren zu Texterschließung einzuüben und den SuS durch die Behandlung der Fabeln des Phaedrus als leichtere Lektüre einen motivierenden Einstieg in die Lektürephase zu ermöglichen. Die Qualität der Unterrichtsmitarbeit sowie die Ergebnisse der letzten Klausur zeigen eine deutliche Progression der Kompetenz der SuS auf, wofür die Ergebnisse der letzten Umfrage zur Selbsteinschätzung auch sprechen: 0 SuS (zuvor 10 SuS) gaben an, keine Kenntnis über Texterschließungsverfahren zu haben; 13 SuS (zuvor 12 SuS) schätzten ihre Übersetzungskompetenz als „mittelmäßig“, 5 SuS (zuvor 7 SuS) als „nicht so gut“ und 2 SuS (zuvor 4 SuS) als „nicht vorhanden“ ein, wohingegen sich 5 SuS (zuvor 4 SuS) als „gut“, 2 SuS (zuvor 0 SuS) jedoch als „sehr gut“ sahen.
Insgesamt zeichnet sich aber ab, dass der Mehrheit die Dekodierung (besonders wenn angeleitet) erheblich leichter fällt, als die sich anschließende Rekodierung11 ins Deutsche. Daraus und nicht zuletzt, weil „Textualität“ den „Kern des Faches“ bildet,12 ergibt sich für mich die Notwendigkeit, den SuS gerade bei diesem Vorgang Hilfestellungen anzubieten.13 Die SuS partizipieren bei grundlegender textimmanenter Interpretationsarbeit wie der Erschließung von Texten14, der Benennung von Wortfeldern oder Stilmitteln sowie der Deutung von deren Funktion15 deutlich reger als noch zu Beginn des Schuljahres. Vereinzelt sind auch Arbeitsphasen der textübergreifenden Interpretation möglich; insbesondere, wenn es um „Grundfragen menschlicher Existenz“16 geht. Die textüberschreitende Interpretation mit Rezeptionsdokumenten17 jedoch bereitet einigen SuS Schwierigkeiten, die historisch-pragmatische Interpretation18, die politikgeschichtliche und autorenbiographische Aspekte inkludiert, überfordert sie großenteils. Mein Anliegen bei dieser Reihe ist es, die textimmanente Interpretationskompetenz der SuS auf Basis der Übersetzung und Analyse zu konsolidieren (vgl. heutige Stunde) und vereinzelt Aufgabenstellungen der textübergreifenden Interpretation beispielsweise mittels Mehrperspektivität als didaktisches Prinzip einzustreuen (vgl. Hausaufgabe I).
Die Lerngruppe verfügt über eine relativ hohe Kulturkompetenz. Dies zeigt sich insbesondere bei der Quantität und Streuung der Unterrichtsbeteiligungen, sobald kulturhistorische Hintergründe beleuchtet werden, da ein allgemeines Interesse an Mythen, der römischen Kultur und Geschichte besteht. Besonders auffällig war dies bei der unmittelbar vorhergehenden Unterrichtssequenz zum Proöm der Metamorphosen.
Bezüglich der überfachlichen Kompetenzen müssen die sozialen Kompetenzen hervorgehoben werden: Im Kurs herrscht trotz der Gruppengröße von 27 SuS ein sehr ruhiges und angenehmes Arbeitsklima, das von Hilfsbereitschaft und gegenseitigem Respekt geprägt ist. Die einzelnen SuS nehmen ihre Beiträge untereinander wertschätzend ernst und sind tolerant gegenüber anderen Meinungen. Die personalen Kompetenzen der SuS sind ebenfalls ziemlich hoch, da diese sich stets sehr verantwortungsvoll im Miteinander zeigen und gerne für die Lerngruppe dienliche Aufgaben wie das Erstellen von Vokabellisten übernehmen. Sie haben durch ihre gemeinsame Arbeitshaltung, gemeinsam als Team das Latinum erhalten zu wollen, regelrecht ein Wir-Gefühl kultiviert. Durch dieses Involvement sind sie motiviert und motivieren ihre MitSuS. Zuletzt habe ich hinsichtlich der wissenschafts-propädeutischen Kompetenzen (auch in Hinblick auf Klausuren) sachadäquate Zitierweisen einstudieren lassen, was nur noch wenigen SuS schwerfällt.
3. Didaktische Analyse mit Materialanalyse
Die Unterrichtsreihe „Menschliche Verfehlungen zwischen Unmenschlichkeit und Religionsfrevel sowie göttliche Nemesis in den Metamorphosen Ovids - der Fluch Latonas und die Verwandlung der lykischen Bauern“ zu den Versen 339-381 des sechsten Buchs der Metamorphosen Ovids hat thematisch ihre curriculare Legitimierung vorrangig im Themenfeld E.2 „Mensch und Mythos“ unter dem Gesichtspunkt „menschliche Hybris und göttliche Nemesis“19 sowie im Themenfeld E.5 „Menschliches, allzu Menschliches“ unter dem Baustein „menschliche Verhaltensschwächen“20. Nach einer Unterrichtsreihe zu den Fabeln des Phaedrus, die den SuS einen einfachen und motivierenden Zugang zur Arbeitsweise in der Lektürephase eröffnen sollte21, folgte eine Unterrichtssequenz zum Proöm der Metamorphosen Ovids. In dieser wurden den SuS „grundlegende Besonderheiten und Unterschiede {.} zwischen Prosa und Poesie“22 zur Vorbereitung der Lektüre ovidianischer Verwandlungsgeschichten in diesem Schulhalbjahr nahegebracht. Besondere Aufmerksamkeit ist hierbei der freieren Wortstellung, dem zahlreichen Auftreten von Hyperbata, der abweichenden Wortbildungslehre, der gattungsspezifischen bildhaften Lexik, dem Skandieren des römischen quantitierenden Hexameters und der für Ovid immer wieder bedeutende Verquickung von Inhalt und Form geschenkt worden23.
Und gerade in Hinblick auf diese sprachlichen Nova galt es, für die SuS eine gleichermaßen fordernde als auch leistbare Vorauswahl zu treffen, anhand derer die wesentlichen Merkmale der Dichttechnik Ovids augenscheinlich werden: „Die lykischen Bauern eignen sich fast idealtypisch als Einstiegserzählung {.}“24. Ovid arbeitet mit lautmalerischen Elementen, variiert und kontrastiert Wortfelder25 und schildert die Handlung somit sehr anschaulich wie eine „breite und farbige Freskomalerei“26, ummantelt von einer klaren szenischen Gliederung27. Ferner bietet sich die Behandlung der lykischen Bauern im Unterricht an, da es sich um ein überschaubares und leistbares Lesepensum handelt, die Übersetzung relativ leicht ist und letztlich, weil es sich nicht um eine metaphorische, sondern um eine konkrete Verwandlung handelt.28 Die Textauswahl eines leichteren Ovid Texts stellt aber ebenso eine Reaktion auf die eingangs angeführte Selbsteinschätzung und Lernstandsdiagnostik der SuS dar, da ich vorrangig dem Defizit in der Textkompetenz im Bereich Dekodierung sowie Rekodierung fördernd begegnen will. Zudem möchte ich dem Wunsch der SuS nach Wiederholung deklarativen Wissens entsprechen. Bei dieser Reihe bietet sich die Wiederholung von Konjunktiven, Deponentien, und vor allem Substantiven der u-Deklination an, da diese teils gehäuft auftauchen. Aus inhaltlicher Sicht wartet die Metamorphose mit ihrer zeitlosen Thematik auf: Konflikte zwischen Menschen, Kommunikationsprobleme bzw. -verweigerung sowie das Unterlassen von Hilfe in Notsituationen weisen durch ihre Alltagsfrequenz einen hohen Lebensweltbezug auf.
Im Zentrum der heutigen Unterrichtsstunde, welche die neunte Stunde der Reihe darstellt, steht hierbei ein von der LiV aufbereiteter Auszug der ovidianischen Erzählung Latonas und der lykischen Bauern, in dem sich Letztere nach der Verfluchung durch die Göttin nicht nur wie Frösche verhalten, sondern auch eine Metamorphose zu solchen durchleben. Damit die SuS die Textstelle angemessen bearbeiten und die Frage, ob die Verwandlung der Bauern in Frösche eine passende Strafe darstellt (didaktische Reserve/Hausaufgabe I), beantworten können, müssen sie im Sinne der Progression der Reihe auf Inhalte der vorherigen Stunden zurückgreifen: Aus sprachlicher Sicht stellt die Textstelle mit sechs Versen im Indikativ Präsens Aktiv ein leistbares Pensum dar, da die SuS zum einen an das Erschließen von Wortfeldern zur Bildung einer Erwartungshaltung gegenüber dem Text gewohnt sind29, zum anderen weil die Wortwiederholungen aus der bisherigen Erzählung (z.B. convicia V378, gurges V381) sowie ranae (V381) in exponierter Stellung am Versende, das Teil des Titels der letzten Kursarbeit rana et bos, „der Frosch und das Rind“, war, die Übersetzungsarbeit erleichtern. Aus inhaltlicher Sicht müssen die SuS für ihre Argumentation die angefertigten Charakterisierungen der lykischen Bauern und Latonas heranziehen30. Sie deuten das hochgradig unmenschliche und nicht gastfreundliche Verhalten der Bauern als „unverkennbare Antiklimax menschlichen Fehlverhaltens den Göttern gegenüber“31, das sich dadurch steigert, dass sie der Göttin kein Wasser anbieten (impliziert), ihr den Zugang zum Wasser verbieten, das Wasser bis zur Ungenießbarkeit mit Schlamm aufwirbeln.32 Sie erkennen, dass „durch die Verwandlung der äußeren Gestalt der Wesenskern {der Bauern} {...} sichtbar“ wird.33 Denn schließlich haben sich die Bauern durchweg bereits wie Frösche, die im Wasser umherspringen, verhalten. Ferner müssen die SuS über die Bedeutung der omnipräsenten Verwendung von Stilmitteln Ovids Bescheid wissen (Hörauftrag und Hausaufgabe II).
Da die Lerngruppe, wie beschrieben, sehr heterogen bezüglich Sprach - und Textkompetenz ist, gestalte ich die Arbeitsblätter in dreifach binnendifferenzierter Weise.34 Als Kriterien dienen hierbei nebst der o.g. Erhebungen die aktuellen Erfahrungen mit der Lerngruppe sowie leistungsunabhängige Einzelgespräche mit den SuS35, die sich beim Übersetzen teilweise sehr schwertun und daher mehr Angaben benötigen. Wichtig ist es, auch zu erwähnen, dass vor Beginn der Reihe einige Übungen zum rechten Gebrauch eines lateinischen (analogen) Wörterbuchs durchgeführt worden sind. Dieser ist für die Lateinklausuren in der E-Phase unerlässlich und soll bei nachzuschlagenden Wörtern stets trainiert werden. Nichtsdestotrotz müssen den leistungsschwächeren SuS des Typus C mehr Angaben gemacht werden, da diese vermehrt ein generelles Problem mit der Lexik haben, passende und richtige Bedeutungen zu bestimmen, und sonst zu viel Zeit zum Nachschlagen eines jeden Wortes aufwenden müssten.
Der zu behandelnde Auszug aus der Erzählung der lykischen Bauern des Ovid birgt einige Schwierigkeiten, die beim Erfassen des Textes hinderlich sein könnten, und daher bei der Binnendifferenzierung berücksichtigt werden. Die wesentlichen Problemstellen werden im Folgenden angeführt: Da sich die Lerngruppe bisher als sehr schwach beim Erkennen und Deuten von Konjunktiven erwiesen hat, besteht die Möglichkeit, dass die Verbalform sint im chiastisch angeordneten Vers quamvis sint sub aqua, sub aqua maledicere temptant (V 376) zu Verwirrung führt, obwohl diese indikativisch zu dekodieren ist. Ferner besteht ein Problem lexikalischer Natur, da das Verb maledicere unter den Bedeutungen „beleidigen“ oder „beschimpfen“ im Deutschen nicht absolut, scilicet nicht ohne direktes Objekt, zu stehen pflegt, weswegen es beim Rekodierungsvorgang zu Schwierigkeiten kommen könnte. Um dem vorzubeugen, wird den Gruppen des Typus B und C maledicere mit einer weiteren Bedeutung „lästern“ angegeben. Die Grenzen der Dekodierung des onomatopoetischen quamvis.. .sub aqua, sub aqua {...} / vox quoque iam (V 376-377) als Quaken der Frösche dürften für das Übersetzungsvorhaben der SuS jedoch keinerlei Schwierigkeiten darstellen. Die nächste Stelle, die zu Problemen führen könnte, ist Vers 377 samt seinen Hyperbata ipsa. convicia sowie patulos. rictus hinsichtlich der Zuordnung der Attribute. Da der Lerngruppe die Dekodierung von Pronomina ohnehin schwerfällt sowie die eher seltene und Begriffe schärfer begrenzende Bedeutung des Pronomens ipsa als „gerade“ samt Anbindung an convicia als „gerade die Beschimpfungen“ die SuS überfordern und dem Übersetzungsvorgang hinderlich sein dürfte, wird diese angegeben. Ferner kann die Form von rictus (Akk. Pl.) zu Problemen führen, da ein Großteil der Lerngruppe trotz der Wiederholung der Morphologie der u-Deklination36 mit dieser nicht zurechtkommt.
Die nächsten zwei Verse (V 379-380) stellen als Zentrum des Wortfeldes „Körperteile“ keine größeren Probleme beim Übersetzen dar. Lediglich der asyndetische Charakter der Aufzählung sowie das Deponens videntur müssen erfasst werden. Ersterer ist bei der vorherigen Lektüre gut bewältigt worden und die Deponentien sind ebenfalls unlängst wiederholt worden.37 Auf die grammatikalische Erläuterung, dass es sich hierbei um einen eliptischen NcI mit einem übergeordneten unpersönlichen Ausdruck im Plural handelt wird getrost verzichtet, um die SuS nicht auszubremsen. Es wird ihnen zur Vereinfachung das Partizip intercepta „herausgenommen“ als solches und nicht mit der Grundform intercipere „herausnehmen“ angegeben.
Der letzte Vers (V 381) der Verwandlungsgeschichte wartet zum Abschluss mit einigen Herausforderungen auf: Einerseits stellt die Satzstellung eine Hürde dar, da das Subjekt ranae fern der Syntax des Schulbuchlateins in exponierter finaler Stellung zu finden ist, wo die SuS für gewöhnlich das Prädikat vermuten dürften. Erschwerend kommt hinzu, dass sich das Attribut novae vorangestellt in weit gesperrter Stellung befindet. Ebenso verhält es sich mit limoso. in gurgite, weswegen syntaktische Hilfestellungen gegeben werden müssen. Andererseits muss aus lexikalischer Sicht bei novae, das unter der Vokabel novus,a,um „neu“ bekannt ist, die freiere Übersetzung „neu entstanden“ angegeben werden, damit den SuS das Bild des Verwandlungsprozesses nicht entzogen wird.
4. Methodische Analyse
Der Einstieg in den Unterricht erfolgt anhand des Gemäldes „ Latona verwandelt die lykischen Bauern “ von Johann Georg Platzer aus dem Jahr 1730. Die SuS sind vertraut mit Bildeinstiegen bei der Arbeit mit Ovid. Diese wirken ungemein motivierend und helfen dabei, dass gerade ruhigere SuS ihre anfängliche Angst ablegen und partizipieren. Mittels der dreischrittigen percept-Methode38zu Rezeptionsdokumenten wird das Vorwissen der SuS zum bisherigen Handlungsgeschehen vergegenwärtigt und geordnet sowie eine Fragehaltung zum zu erwartenden weiteren Handlungsverlauf aufgebaut.39 Das Gemälde dient demnach zur Vorentlastung der sich anschließenden Unterrichtsphasen.
Ferner erfolgt in der Erarbeitungsphase I eine Texterschließung, um den SuS einen möglichst einfachen Zugang zum Textinhalt zu ermöglichen sowie den Übersetzungsvorgang zu erleichtern. Dies geschieht einerseits mithilfe von gelenktem Vorlesen, bei dem bewusst der „glänzende{n} Lautmalerei“40 des wohl berühmtesten Verses 376 Ovids41, dem Geräusch eines Froschquakens, stark nachempfunden wird, um der Erwartungshaltung der SuS, die in der Betrachtung von der Verdichtung von Form und Inhalt geschult sind,42 zu entsprechen. Andererseits gewehrt das bekannte Erschließungsverfahren von Wortfeldern den SuS einen leichteren Textzugang.
Durch die Visualisierung der Wortfelder in der Sicherungsphase I wird abgesichert, dass alle SuS über dieselbe inhaltliche Basis verfügen, damit auch diejenigen, die nicht alle Begriffe ausfindig machen konnten, Erwartungen an den Text stellen können und ihnen ein leichter Übersetzungsprozess möglich ist.
Während der Erarbeitungsphase II wird die Übersetzung der sechs Verse vorgenommen. Hierbei lasse ich die Lerngruppe kooperativ in Partnerarbeit bzw. in Dreierarbeit arbeiten und sich bei auftretenden Schwierigkeiten gegenseitig unterstützen. Der Einsatz von dreifach binnendifferenzierten Unterrichtsmaterialien soll die SuS zugleich fördern und fordern, wobei ich die unterschiedlichen Lern tempi der Lerngruppe stets auf ein gemeinsames zu führen bemüht bin. Ferner sind die SuS hierbei angewiesen, selbstständig ein analoges Wörterbuch zu verwenden.
In der Sicherungsphase II wird durch die Besprechung der Übersetzung im Plenum eine gemeinsame Basis für die sich anschließende vertiefende Interpretation (didaktische Reserve / Hausaufgabe I) geschaffen. Die SuS üben sich zudem darin, sich kritisch in die Übersetzung(sweis)en ihrer MitSuS einzudenken und die eigenen Ergebnisse zu hinterfragen. Die SuS korrigieren sich hierbei gegenseitig, die LiV wirkt jedoch nur unterstützend mit, um das eigenverantwortliche Arbeiten der SuS zu fördern.
In der Vertiefung (didaktische Reserve) leisten die SuS einen existentiellen Transfer rund um die Frage: Quid ad nos ?43, um hinsichtlich moralischer Gesichts- und persönlicher Standpunkte zu einem für sie geltenden Urteil zu kommen. Bei den alternativ hierzu erteilten Hausaufgaben I leisten die SuS durch die produktorientierte Auseinandersetzung mit der Erzählung ebenfalls unter Einbezug moralischer und persönlicher Standpunkte einen existenziellen Transfer. Leerstellen des Textes (wie die Erklärung der Bauern, weswegen sie das Verbot ausgesprochen haben, oder deren Reaktion auf den Verwandlungsprozess) können von den SuS kreativ und nach persönlichem Gusto gefüllt werden.44 Auf diese Weise sollen den SuS somit Wege eröffnet werden, die sowohl eine tiefergehende als auch eine sie selbst involvierende Interpretation ermöglichen.45
[...]
1 Zur besseren Lesbarkeit wird in der Folge für Schülerinnen und Schüler die Abbreviatur „SuS“ sowie für Mitschülerinnen und Mitschüler „MitSuS“ gesetzt.
2 Vgl. Scholz 2019: 194.
3 Hinsichtlich der zu Schuljahresbeginn noch ausgeprägten Defizite der SuS in der Formenlehre und Verwendungsweise der Partizipien konnte mit der vorletzten Unterrichtsreihe zu den Fabeln des Phaedrus ein Kompetenzzuwachs verzeichnet werden, wie die Klausurergebnisse belegen.
4 Vier SuS (S1, S19, S24, S27) sind als Beispiel noch fehlender Motivation anzuführen, da sie in den letzten angekündigten Vokabeltests entweder 00 Punkte oder 01 Punkt geschrieben haben. S1 und S27 verweigern die mündliche Mitarbeit sowie das Erledigen von Hausaufgaben gänzlich. Ein Einzelgespräch mit S20 (zuletzt 00 und 03 Punkte) hingegen war sehr fruchtbar, da dieser sich bereits mündlich viel mehr beteiligt. Zur notwendigen Motivation von SuS vgl. Bäcker 2019: 243-245.
5 Dies erfolgt durch kleinere Tests, das Bereitstellen von Übersichten zur Lexik und Grammatik.
6 Dieses Angebot wird immer mehr wahrgenommen.
7 Vgl. Hessisches Kultusministerium 2016: 11.
8 Besonders erfreulich ist der Wandel von S4 (letzte Klausur: 12 Punkte; Stand mündlich: 11 Punkte), die als Wiederholerin mit nur 02 Punkten im Zeugnis, die jedes Hilfsangebot annimmt.
9 Dies gilt auch für S16 und S17, die alle Tests und die Klausur im 1er-Bereich absolviert haben und Arbeitsaufträge sowie Hausaufgaben stets sorgfältig erledigen, sich mündlich aber kaum beteiligen.
10 Dies wird insbesondere für die sich anschließende Unterrichtreihe von Bedeutung sein, zu deren Themenfindung ich den SuS eine bunte Vorauswahl an leistbaren Texten stellen werde.
11 Nach Hoffmann 2012: 10 stellt dies den Regelfall dar.
12 Vgl. Hessisches Kultusministerium 2016: 11.
13 Dies erfolgt beispielsweise durch das Anbieten von Vokabel- und Grammatikhilfen oder durch Vergleiche der Übersetzungen der SuS untereinander.
14 Vgl. Doepner 2019: 143.
15 Vgl. Doepner 2019: 146.
16 Göttsching/Marino 2017: 110.
17 Vgl. Doepner 2019: 148-149; Glücklich 2008: 18.
18 Vgl. Doepner 2019: 147-148.
19 Hessisches Kultusministerium 2016: 25.
20 Hessisches Kultusministerium 2016: 26.
21 Vgl. Kuhlmann 2010: 91-92.
22 Hessisches Kultusministerium 2016: 13.
23 Vgl. Henneböhl 2012: 12.
24 Henneböhl 2009: 139.
25 Beispielsweise wird das Wortfeld „Hitze“ zu Beginn der Sage durch das Wortfeld „Wasser“passim kontrastiert, um die Handlung in das größtmögliche Spannungsfeld zwischen Latonas Ansinnen und der menschenverachtenden Haltung der Bauern zu setzen.
26 Von Albrecht 2009: 349.
27 Vgl. Henneböhl 2009: 145-146.
28 Vgl. Bossmanns 2015: 34.
29 Vgl. Reihenplanung erste Stunde zu „Hitze“ und „Durst“, zweite Stunde zu „Wasser“, vierte/fünfte Stunde zu „Feuer“ und „Wasser“ sowie achte Stunde zu „Wasser“.
30 Vgl. Reihenplanung sechste Stunde zur Charakterisierung der lykischen Bauern sowie siebte Stunde zur Charakterisierung Latonas.
31 Schmitzer 1993: 373.
32 Vgl. Römisch 1976: 18. Den SuS wird ex negativo ein Beispiel für Menschlichkeit geboten.
33 Vgl. Henneböhl 2016: 3.
34 Zur binnendifferenzierenden Dreiteilung von Materialien (vgl. Scholz/Sauter 2011: 08).
35 Vgl. Scholz 2019: 200.
36 Vgl. Reihenplanung vierte bis sechste Stunde.
37 Vgl. Reihenplanung dritte Stunde.
38 Der Dreischritt erfolgt über die drei Satzanfänge: „ ich sehe.“, „ ich denke.“ und „ ich frage mich.“.
39 Vgl. Doepner 2019: 149.
40 Bömer 2008: 106.
41 Vgl. Holzberg 2016: 61; Henneböhl 2009: 143.
42 Vgl. Reihenplanung vierte, fünfte und sechste Stunde.
43 Zur Bedeutung des existentiellen Transfers (vgl. Göttsching/Marino 2017: 2013-214; Kuhlmann 2012: 134; Heilmann 1994: 6).
44 Zur Bedeutung des existentiellen Transfers durch kreativ-produktive Auseinandersetzung (vgl. Doepner 2019: 153-154).
45 Vgl. Göttsching/Marino 2017: 140.
- Arbeit zitieren
- Fred Benthien (Autor:in), 2021, Die Verwandlung der lykischen Bauern bei Ovid. Unterrichtsentwurf für das Fach Latein zur Förderung der Textkompetenz (Gymnasium, 11. Klasse), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1318952
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