Auf der Basis von Zeitungsartikeln, erhalten gebliebenen Briefen sowie der Autobiographie Elisabeth von Ardennes widmete sich die Wissenschaft seit Fontanes Tod nicht nur der Untersuchung seines Romans, sondern auch der Betrachtung der von ihm verarbeiteten Vorlage. Mit dem 1985 veröffentlichtem Buch Fontane nannte sie Effi Briest von Horst Budjuhn und der 1994 publizierten Monographie Leben und Roman der Elisabeth von Ardenne von Manfred Franke kann die von Fontane verarbeitete historische Begebenheit als weitgehend rekonstruiert gelten. Auf Basis dieser beiden genannten Publikationen rekapituliert der erste Teil dieser Arbeit in verkürzter Form die umfangreich dokumentierte Lebensgeschichte Elisabeth von Ardennes. Im zweiten Abschnitt werden exemplarisch einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Roman und seiner historischen Vorlage benannt und unter Zuhilfenahme gängiger Effi Briest-Interpretationen erklärt beziehungsweise begründet. Die These hierzu lautet, dass die verschiedenen künstlerischen Abänderungen der realen Ereignissen dazu führen, dass sich eine Kritik an der deutschen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts deutlicher am Roman als an der Vorlage festmachen lässt. Ob dies vom Autor in jedem Einzelfall intendiert war, kann zwar angenommen, aber nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Der exakte Kenntnisstand, den Fontane vom Leben Elisabeth von Ardennes hatte, ist nicht überliefert. Es besteht daher die Möglichkeit, dass einzelne Änderung der Unkenntnis des Autors von den wirklichen Ereignissen geschuldet sind.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Lebensgeschichte der Elisabeth von Ardenne
2.1 Elisabeth, Freiin von Plotho
2.2 Armand von Ardennes Werben um Else
2.3 Die Eheleute Armand und Else von Ardenne
2.4 Das Verhältnis Elses mit Emil Hartwich
2.5 Der Plan einer gemeinsamen Zukunft
2.6 Duell – Scheidung – Neubeginn
3. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Roman und historischer Vorlage
3.1 „Effi komm“ – eine gemeinsame Ausgangslage
3.2 „Er könnte beinah mein Vater sein“ – Der Altersunterschied zwischen Effi und Innstetten
3.3 Die Bedeutungslosigkeit der Affäre
3.4 Der Tod Effis
4. Fazit
1. Einleitung
Schon kurz nachdem Theodor Fontanes Roman Effi Briest zwischen Oktober 1894 und März 1895 in der Zeitschrift Deutsche Rundschau abgedruckt wurde, machte der Verfasser gegenüber Freunden und Bekannten keinen Hehl daraus, dass er sich bei seiner Erzählung einer Vorlage aus der Realität bedient hat. „Es ist eine Geschichte nach dem Leben [...]. Die Heldin lebt noch“ (Fontane, zit. nach: Franke 1991, 9) verriet er in einem Brief an Marie Uhse. Letzte Zweifel über die Identität der Stoffgeberin des Romans räumt ein Schreiben an Friedrich Spielhagen aus, der die selbe Geschichte in seinem Roman Zum Zeitvertreib verarbeitete. In diesem Schreiben gibt Fontane unzweideutige Hinweise darauf, dass sich seine Erzählung auf Ereignisse bezieht, die einem sowohl ihm als auch Spielhagen entfernt bekannten Ehepaar widerfahren sind. Mit der Veröffentlichung der Briefbände nach dem Tod des Schriftstellers erfuhr auch die breite Öffentlichkeit davon, dass zur historischen Vorlage für Effi Briest das Schicksal der Adeligen Elisabeth von Ardenne und ihres Ehemanns Armand von Ardenne gereichte.
Auf der Basis von Zeitungsartikeln, erhalten gebliebenen Briefen sowie der Autobiographie Elisabeth von Ardennes widmete sich die Wissenschaft seit Fontanes Tod nicht nur der Untersuchung seines Romans, sondern auch der Betrachtung der von ihm verarbeiteten Vorlage. Mit dem 1985 veröffentlichtem Buch Fontane nannte sie Effi Briest von Horst Budjuhn und der 1994 publizierten Monographie Leben und Roman der Elisabeth von Ardenne von Manfred Franke kann die von Fontane verarbeitete historische Begebenheit als weitgehend rekonstruiert gelten. Auf Basis dieser beiden genannten Publikationen[1] rekapituliert der erste Teil dieser Arbeit in verkürzter Form die umfangreich dokumentierte Lebensgeschichte Elisabeth von Ardennes. Im zweiten Abschnitt werden exemplarisch einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Roman und seiner historischen Vorlage benannt und unter Zuhilfenahme gängiger Effi Briest -Interpretationen erklärt beziehungsweise begründet. Die These hierzu lautet, dass die verschiedenen künstlerischen Abänderungen der realen Ereignissen dazu führen, dass sich eine Kritik an der deutschen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts deutlicher am Roman als an der Vorlage festmachen lässt. Ob dies vom Autor in jedem Einzelfall intendiert war, kann zwar angenommen, aber nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Der exakte Kenntnisstand, den Fontane vom Leben Elisabeth von Ardennes hatte, ist nicht überliefert. Es besteht daher die Möglichkeit, dass einzelne Änderung der Unkenntnis des Autors von den wirklichen Ereignissen geschuldet sind.
2. Die Lebensgeschichte der Elisabeth von Ardenne
2.1 Elisabeth, Freiin von Plotho
Elisabeth Freiin von Plotho, wurde als jüngstes von fünf Geschwistern, vier Mädchen und ein Junge, am 26.10.1853 auf dem Familiengut in Zerben an der Elbe geboren. Ihre Familie entstammt einem hochfreien, ostelbischen Adelsgeschlecht der Mark Brandenburg, dessen Existenz mindestens ab dem Jahr 1135 urkundlich bezeugt ist. In der Obhut ihrer Eltern Felix Freiherr von Plotho und Maria von Plotho verlebte Else[2] zunächst eine unbeschwerte Kindheit. Sie spielte und tobte mit den Zerbener Dorfkinder, verbrachte viel Zeit in der Natur und war, wie sie sich in ihrer Autobiographie selbst beschrieb, „ein temperamentvolles, in Freiheit dressiertes Kind, beileibe keine Stubenhockerin“ (EvA, zit. nach: Franke 1995, 18). Ein erster Schatten legte sich auf das Schicksal der jungen Adeligen, als 1864 ihr Vater bei einem Jagdunfall ums Leben kann. Neben den gelegentlich auftretenden Elbüberschwemmungen war es vor allem der Tod des Patriarchen, der dazu führten, dass die Adelsfamilie von Plotho einer vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht „ungewissen Zukunft“ (Budjuhn 1985, 20) entgegenblickte. Infolgedessen verstärkte sich bei Maria von Plotho, die das Gut Zerben nach dem Ableben ihres Ehemannes führte, das Bedürfnis, die Zukunft ihrer Töchter durch deren möglichst frühzeitige Verheiratung mit gut situierten Ehemännern abzusichern. Dementsprechend wurde die Erziehung Elses nach dem Tod ihres Vaters gänzlich darauf ausgerichtet, die junge Adelige auf ihre spätere Rolle als Ehefrau und Mutter vorzubereiten. Es ist leicht vorstellbar, dass dies sehr zum Missfallen des freiheitsliebenden, temperamentvollen Mädchens geschah, das sich stets gegen den Gedanken sträubte, verheiratet zu werden. Doch die Adelstöchter durften sich, wie Manfred Franke herausstellt, „heiratspolitischen Überlegungen ihrer Familie nicht verschließen“ (ebd. 24) und so wurde Else im Alter von 14 Jahren ihrem ersten potentiellen Heiratskandidaten und späteren Ehemann, dem angehenden Offizier Armand von Ardenne, vorgestellt.
2.2 Armand von Ardennes Werben um Else
Armand Léon von Ardenne, geboren am 26.8.1848, entstammte einer jungen belgischen Adelsfamilie, die erst 1853 in den Baronatsstand erhoben wurde, ein Titel, der in Preußen allerdings zunächst keine Anerkennung fand. Seine Kindheit verbrachte er in Leipzig, wo sein Vater die Position des belgischen Generalkonsuls für das Königreich Sachsen bekleidete. Schon frühzeitig entschloss sich Armand von Ardenne eine militärische Laufbahn einzuschlagen, deren erster Schritt die Ausbildung zum Offiziersaspiranten der Zieten-Husaren in der brandenburgischen Garnisonsstadt Rathenow war. Doch für jemanden, dessen belgischer Adelstitel nicht anerkannt wurde, waren die Karrieremöglichkeiten beim preußischen Militär begrenzt. Deswegen setzte Armand von Ardenne alles daran, seine Verbindungen und Beziehungen zum preußischen Adel auszubauen und „auf eine solide, dauerhafte, über jeden Zweifel erhabene Basis“ (Franke 1995, 31) zu stellen. Nichts war dazu besser geeignet als die Ehe mit einer preußischen Adeligen, namentlich Else von Plotho. Doch Ardennes Werben um die junge Frau verlief zunächst erfolglos. Bei einem ersten Treffen im Hause der von Plothos brachte er gegenüber Else kein einziges Wort zu Stande. Auch ein späterer, gemeinsamer Ausritt, bei dem Else vom Pferd stürzte und sich eine Gehirnerschütterung zuzog, entfernten den Offiziersanwärter eher von seine Ziel, als dass es ihn ihm näher brachte. Ardennes Problem bestand zeitlebens darin, dass er bei den Frauen keinen bleibenden, positiven Eindruck zu hinterlassen vermochte. Noch als erwachsener Mann gab er in einem Brief an seine Mutter zu, dass schon die Mädchen in der Tanzstunde ihn nicht leiden konnte (vgl. ebd., 27). Auch bei Else von Plotho war das nicht anders. Ihre Mutter zeigte sich schließlich in Anbetracht der Abneigungen ihrer Tochter gegen den Heiratskandidaten einsichtig und bat Armand von Ardenne schriftlich darum, sich von Else fernzuhalten. Daraufhin stellte dieser seine Bemühungen zunächst ein, ohne sie aber vollständig aufzugeben, denn als ein auf Sieg und Eroberung gedrillter Offiziersaspirant gab es in seiner Vorstellung „selbst im Privaten kein Platz mehr für Niederlagen“ (ebd. 42). Folglich wartete Ardenne mit der Wiederaufnahme seines Vorhabens nur auf einen günstigeren Zeitpunkt. Dieser schien mit dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges im Sommer 1870 gekommen. Die allgemeine Stimmung im späteren Deutschen Reich schwankte zwischen grenzenloser Kriegseuphorie und der Angst um die in die Schlacht ziehenden Soldaten, zu denen auch Armand von Ardenne zählte. In dieser Situation war es Maria von Plotho, die ihre Tochter dazu drängte, Ardenne ein Zeichen der Zuneigung zukommen zu lassen. „Die Mutter wird ihre Tochter beiseite genommen, auf sie eingeredet, ihr den Ernst der Lage klargemacht haben, in die ein Soldat unweigerlich gerät, wenn er zur Front muss“ (ebd., 51). Das Argument lautete, dass ein Soldat, der in den Krieg zieht etwas haben sollte, für das es sich zu kämpfen lohnt. In dieser von der politischen Lage erzeugten emotionalen Ausnahmesituation ließ sich Else davon überzeugen, Ardenne vor seinem Abmarsch an die Front ein Zettel mit einem darauf notierten Bibelspruch zuzustecken. Um welchen Bibelspruch es sich dabei handelte, ist nicht überliefert, diese Geste war aber ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass die zuvor bekundete Abneigung nicht mehr galt. Entsprechend nahm Ardenne noch während des Krieges auf dem Postweg sein intensives Werben um die junge Adelige wieder auf. Diese hat unter dem Druck ihrer Mutter und der gängigen Konventionen praktisch keine Möglichkeit mehr, sich der Verlobung mit Ardenne zu verwehren. Diese fand im Februar 1871 im brandenburgischen Stechow statt, als sich der mittlerweile mit militärischen Ehrenabzeichen dekorierte Ardenne in der Heimat befand, um eine leichte Kriegsverletzung auszukurieren. Bis es zur Hochzeit in Zerben kommen konnte, sollten allerdings zwei weitere Jahre vergehen. Armands Vater, Louis Prosper d’Ardenne, stimmte der Trauung der jungen Menschen, die er für „zu unfertig wohl für den ernsten Schritt“ (EvA, zit. nach: Franke 1991, 57) hielt, erst nach Ablauf dieser Wartezeit zu. Am 1. Januar 1873 schlossen Elisabeth von Plotho und Armand von Ardenne den Bund der Ehe. Die angestrebte Karriere des Bräutigams führte das Paar direkt nach der Hochzeit in die neue Reichshauptstadt Berlin.
2.3 Die Eheleute Armand und Else von Ardenne
In Berlin wurde Ardenne zusätzlich zu seinen Studien an der Militärakademie noch mit der Aufgabe betreut, die letztlich 673 Textseiten umfassende Chronik seines Husarenregiments zu verfassen. In Anbetracht des arbeitsreichen Alltags ihres Gatten blieb Else von Ardenne weitgehend sich selbst überlassen. Neue Bekanntschaften konnte sie in dieser Zeit kaum schließen, denn „die tonangebenden Kreise der Hauptstadt nahmen von der jungen Frau noch keine Notiz“ (Franke 1991, 63). Dies war unter anderem darauf zurückzuführen, dass der Baronstitel ihres Mannes erst im Oktober 1873 in Deutschland offiziell anerkannt wurde. Für den Zugang zu den exklusiven Berliner Adelskreisen war dieser Zeitpunkt allerdings zu spät, denn Else war zu dieser Zeit bereits hochschwanger mit ihrer Tochter Margot. Kurz nach der Geburt ihres ersten Kindes verließen die Ardennes Berlin, da Armand zum Sitz seines Regiments nach Rathenow abkommandiert wurde. Hier fanden die Ardennes schnell Anschluss an die Gesellschaft, die in der Garnisonsstadt naturgemäß allerdings eine rein militärisch geprägte war. Im Herbst 1875 endete Ardennes praktische Dienstzeit in Rathenow und er wurde zum Generalstab nach Berlin versetzt, was einer Beförderung gleichkam.
[...]
[1] Da Budjuhns Monographie die „dokumentarische Grundlage [...] durch Fiktion ergänzt“ (Budjuhn 1985, Vorbemerkung), bedient sich diese Arbeit als Quelle vorwiegend der an den Fakten orientierten Abhandlung von Manfred Franke
[2] Schon als Kind wurde Elisabeth nur bei ihrem Kurznamen Else genannt, eine Praxis, die in dieser Arbeit beibehalten wird.
- Citation du texte
- Hendrik Fieber (Auteur), 2009, Elisabeth von Ardenne und Effi Briest, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131768
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.