„Voll fett, Mama!“, kommentiert ein Junge in lässig-sportlichem HipHop-Outfit das
zubereitete Mittagessen seiner Mutter. „Mama sagt, das ist gar nicht fett!“, wettert die kleine
Schwester.
Das Konzept, auf dem dieser Werbespot beruht, ist das Spiel mit der Sprache, genau
genommen mit der Jugendsprache, die das Thema dieser Arbeit darstellt. Doch bereits der
Werbespot zeigt, dass nicht von einer homogenen Jugendkultur gesprochen werden kann,
sondern diese von verschiedenen Untergruppierungen geprägt ist. Der Junge aus dem
Werbespot fühlt sich einer bestimmten Subkultur zugehörig. Sein Auftritt (der mit
rhythmischen HipHop-Beats unterlegt ist), seine Kleidung (die aus scheinbar zu großen
Sporthemden und Hosen, einer umgedrehten Baseballkappe und vielen Goldketten besteht)
und das Vokabular (in diesem Fall das Adjektiv „fett“) deuten auf seine Zugehörigkeit zur
HipHop-Subkultur hin. Diese Darstellung spiegelt die in der aktuellen Jugendsprachforschung
aufgestellte These wider, dass es nicht die Jugend als homogene Gruppe und damit auch keine
einheitliche Jugendsprache gibt.1 Vielmehr existieren so viele Jugendsprachen wie es
Subkulturen gibt. Ausgehend von dieser These scheint es sinnvoll, jugendsprachliche
Phänomene über die soziale Kategorie der Gruppe zu untersuchen.
Die Arbeit gliedert sich folgendermaßen: Zunächst wird in zwei Kapiteln ein kurzer Abriss
über die Geschichte der HipHop-Kultur in Amerika und Deutschland sowie eine Darstellung
der „Gesetze“ des HipHop gegeben.
In einem weiteren Abschnitt wird ein Überblick über die Jugendsprachforschung im
Allgemeinen gegeben sowie das methodisches Vorgehen beschrieben. Dabei wird die
Auswahl des Textkorpus` begründet und das analytische Vorgehen beschrieben. Den dritten
Abschnitt und damit auch den Schwerpunkt der Arbeit bildet die linguistische Analyse, die
vornehmlich der traditionellen Jugendsprachforschung verpflichtet ist. Dabei wurden die
augenfälligsten Phänomene hinsichtlich ihrer sprachsystematischen Anwendung und der
Funktion genauer untersucht und analysiert. Zu diesen Merkmalen zählen Anglizismen,
Vulgarismen, konnotative Verschiebungen, Personenbezeichnungen und soziale
Typisierungen, Wertadjektive und Wortbildung. Der vierte und letzte Abschnitt soll Aspekte des Raps aufgezeigt werden, die ebenfalls charakteristische Merkmale darstellen.
Dazu zählen die metaphorische Ausdrucksweise und die Intertextualität in Rap-Texten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die HipHop-Kultur - „Wenn ihr HipHop als Kultur seht, hebt eure Arme, bewegt sie von rechts nach links“
2.1 Die Geschichte des HipHop - US-amerikanische Ursprünge
2.2 HipHop in Deutschland
2.3 Die Gesetze des HipHop
3. Jugendsprache - Ein Überblick
3.1 Forschungsüberblick zum Thema Jugendsprache
3.2 Musik- und Jugendsprachforschung
4. Methodisches Vorgehen
4.1 Das Textkorpus
4.2 Die Analyse
5. Anglizismen in der HipHop-Kultur - „Ihr Typen wollt deluxemasig flown ,Styles kicken wie ich?“
5.1 Anglizismus - Eine Definition
5.2 Methode der Untersuchung der Anglizismen
5.3 Auswertung der Untersuchung
5.4 Gründe der Verwendung von Anglizismen in deutschen Rap-Texten
6. Wortschatz - „Bitch, du bist der Typ ohne Eier im Sack“
6.1 Vulgarismen
6.2 Personenbezeichnung und soziale Typisierung
6.3 Konnotative Verschiebung
6.4 W ertadj ektive 5
6.5 Die „neue deutsche Harte“ im HipHop
6.5.1 . Homophobe Tendenzen im HipHop
6.5.2 Frauenfeindlichkeit im HipHop
6.5.3 Nationalsozialistische Tendenzen
7. Wortbildung in der HipHop-Sprache - „ Jede Menge Klänge für Abgeher und Stagediver “
7.1 Substantive
7.2 Adjektive
7.3 Verben
7.4 Zwischenfazit: Wortbildung
7.5 Exkurs: Vom Infix „izz” und dem Suffix „izzle” - „Fo' shizzle, my nizzle“
8. Die Syntax - „Habt ihr Interesse, an Rap und fette Basse?“
9. Vergleiche und Metaphern - „HipHop ist wie Pizza auch schlecht noch recht beliebt“
9.1 Vergleiche in Rap-Texten
9.2 Metaphern in Rap-Texten
10. Intertextualitat - „Ohladida“ Eine Analyse eines Beefs
11. Exkurs: Musik- und Textgestaltung-„Verse für den Kopf, Basse für den Magen“
12. Fazit
13. Literaturverzeichnis
13.1 Primarquellen (T extkorpus)
13.2 Sekundarquellen
13.3 Internetquellen
14. Anhang
14.1. Tabelle T extkorpus
14.2. Grafiken
14.3. Tabellen
14.4. Korpus Songtexte
Ì. Einleitung
„Voll fett, Mama!“, kommentiert ein Junge in lässig-sportlichem HipHop-Outfit das zubereitete Mittagessen seiner Mutter. „Mama sagt, das ist gar nicht fett!“, wettert die kleine Schwester.
Das Konzept, auf dem dieser Werbespot beruht, ist das Spiel mit der Sprache, genau genommen mit der Jugendsprache, die das Thema dieser Arbeit darstellt. Doch bereits der Werbespot zeigt, dass nicht von einer homogenen Jugendkultur gesprochen werden kann, sondern diese von verschiedenen Untergruppierungen geprägt ist. Der Junge aus dem Werbespot fühlt sich einer bestimmten Subkultur zugehörig. Sein Auftritt (der mit rhythmischen HipHop-Beats unterlegt ist), seine Kleidung (die aus scheinbar zu großen Sporthemden und Hosen, einer umgedrehten Baseballkappe und vielen Goldketten besteht) und das Vokabular (in diesem Fall das Adjektiv „fett“) deuten auf seine Zugehörigkeit zur HipHop-Subkultur hin. Diese Darstellung spiegelt die in der aktuellen Jugendsprachforschung aufgestellte These wider, dass es nicht die Jugend als homogene Gruppe und damit auch keine einheitliche Jugendsprache gibt.1 Vielmehr existieren so viele Jugendsprachen wie es Subkulturen gibt. Ausgehend von dieser These scheint es sinnvoll, jugendsprachliche Phänomene über die soziale Kategorie der Gruppe zu untersuchen.
Nach Angaben einer Industriemarktforschung existieren etwa 400 Jugendkulturen in der Bundesrepublik Deutschland.2 Neben anderen musikdominierten Szenen wie Techno, Rock und Hardcore gibt es die HipHopper, die sich mit einem bestimmten Musikstil identifizieren und somit einer speziellen Gruppe angehören. Doch die HipHop-Kultur definiert sich bei weitem nicht nur über die musikalische Ebene. In einem Liedtext der Rapperin Cora E. heißt es: „Ich erklär den Kriegjedem Journalisten, der in seinem Artikel schrieb, HipHop wär' Rap und der Depp den Punkt verfehlt.“3 Denn HipHop ist nicht, und dieser Sachverhalt sollte unbedingt im Zuge dieser Arbeit erklärend erwähnt werden, wie viele vermuten, ein neuer Stil der Popmusik: HipHop ist eine Subkultur, deren Gruppenidentität sich aus verschiedenen Stilmerkmalen zusammensetzt: Musik, Kleidung, Graffities, Tanz sowie die Sprache bilden einen relativ homogenen Gruppenstil. Somit gilt der von Arno Scholz festgestellte Satz: „HipHop wird als Kultur- und Lebensform verstanden und gegen Modererscheinungen abgegrenzt.“4
Wie bei Jugendkulturen im Allgemeinen stellt die Sprache auch hier ein essenzielles kohäsions- und identitätsstiftendes Element dar: „Auf der sprachlichen Ebene bilden sich [...] Sprechstile aus, die Ausdruck des in der Gruppe Geltenden sind und somit Rückschlüsse zulassen auf das, was in der Gruppe Geltung hat.“5
Die linguistische Beschreibung gegenwärtiger deutscher „HipHop-Sprache“ ist das Ziel der vorliegenden Arbeit. Sprachsystematische Aspekte werden dabei beleuchtet, sodass am Ende ein linguistisches Profil der HipHop-Sprache herausgearbeitet werden kann. Dazu wird merkmalsanalytisch vorgegangen. Im Zuge der Analyse des Korpus aus zwanzig verschiedenen Rap-Texten haben sich evidente Charakteristika herausgestellt, also wesentliche Aspekte der Sprachverwendung, die in der folgenden Arbeit hinsichtlich ihrer Struktur als auch Funktion auf verschiedenen linguistischen Ebenen untersucht werden sollen. Zudem wird geprüft, inwiefern die HipHop-Sprache in den Bezugsrahmen der allgemeinen Jugend- und Standardsprache gestellt werden kann. Ferner wird untersucht, ob anhand der Untersuchungsergebnisse möglicherweise Rückschlüsse auf die bestehenden Werte- und Normensysteme der Subkultur gezogen werden können. Die Analyse bleibt jedoch nicht auf Rap-Texte beschränkt, auch Geschichte und Kontexte der Kultur werden in die Untersuchung einbezogen.
Die Analyse von jugendsprachlichen Phänomenen einer Subkultur kann Schwierigkeiten bereithalten, die in dieser Arbeit berücksichtigt wurden. Bei einer Untersuchung aus der OutGroup-Perspektive werden Jugendsprachen oft missverstanden und so kann es zu Fehlinterpretationen und generalisierenden Aussagen kommen. Bereits der eingangs erwähnte „Rama“-Werbespot zeigt das Phänomen der In-Group und der Out-Group-Perspektive und somit zugleich einen bedeutenden Aspekt von Jugendsubkulturen: Der Sohn, bedient sich des Vokabulars der HipHop-Subkultur und lobt das Essen als „voll fett“, was als echte Anerkennung der Kochkünste der Mutter gewertet werden kann, denn „fett“ bedeutet im HipHop-Slang soviel wie „fantastisch“. Die kleine Schwester hingegen kennt sich nicht mit der szenenspezifischen Sprache aus und so kommt es zum Missverständnis, denn das beworbene Produkt von,, Rama“ besitzt keineswegs einen hohen Fettgehalt, wie das Mädchen lautstark verkünden muss. Gruppeninternes Wissen ist demnach notwendig, um Äußerungen kodieren zu können. Aus der Out-Group-Perspektive, in der sich offensichtlich die kleine Schwester befindet, bleiben manche Sachverhalte ein Rätsel oder werden gar, wie hier, zum Missverständnis. Untersuchungen aus der Out-Group-Perspektive heraus können demnach schnell zu Fehlinterpretationen sowie zu generalisierenden Aussagen über die Jugendsprache fuhren. Diese Stereotypenbildung trägt zu einem verzerrten Bild der Jugendsprache bei.
Durch die persönliche Beschäftigung mit dem Thema HipHop fließen auch Vorkenntnisse und zum Teil In-Group-Wissen in die folgende Arbeit ein. Da ich mich allerdings nicht selbst als „HipHopper“ bezeichnen würde, aber auch nicht die Out-Group-Perspektive einnehme, ist es leichter, Stereotype zu vermeiden und trotzdem gewisses In-Group-Wissen für das Verständnis und die Interpretation zu nutzen. Der linguistische Zugang fällt mir sicherlich auch leichter, da ich mich in der postadoleszenten Rolle6 befinde und somit der Generation angehöre, deren Sprache ich in der folgenden Arbeit genauer untersuchen möchte. So kann ich in dieser Arbeit neben den linguistisch fundierten Teilbereichen auch die Aspekte beleuchten, die aus der Out-Group-Perspektive oft unverstanden bleiben.
Die Arbeit gliedert sich folgendermaßen: Zunächst wird in zwei Kapiteln ein kurzer Abriss über die Geschichte der HipHop-Kultur in Amerika und Deutschland sowie eine Darstellung der „Gesetze“ des HipHop gegeben. Dieses geschichtliche Hintergrundwissen über die Entstehung des HipHop ist von wesentlicher Bedeutung, um die Elemente und Aspekte der Kultur verstehen und die inhaltlichen Bereiche der Rapsongs besser deuten und im Gesamtzusammenhang betrachten zu können.
In einem weiteren Abschnitt wird ein Überblick über die Jugendsprachforschung im Allgemeinen gegeben sowie das methodisches Vorgehen beschrieben. Dabei wird die Auswahl des Textkorpus' begründet und das analytische Vorgehen beschrieben. Den dritten Abschnitt und damit auch den Schwerpunkt der Arbeit bildet die linguistische Analyse, die vornehmlich der traditionellen Jugendsprachforschung verpflichtet ist. Dabei wurden die augenfälligsten Phänomene hinsichtlich ihrer sprachsystematischen Anwendung und der Funktion genauer untersucht und analysiert. Zu diesen Merkmalen zählen Anglizismen, Vulgarismen, konnotative Verschiebungen, Personenbezeichnungen und soziale Typisierungen, Wertadjektive und Wortbildung. Der vierte und letzte Abschnitt ist weniger der traditionellen Jugendsprachforschung verpflichtet. Hier sollen noch einmal wichtige Aspekte des Raps aufgezeigt werden, die ebenfalls charakteristische Merkmale darstellen. Dazu zählen die metaphorische Ausdrucksweise und die Intertextualität in Rap-Texten. Ein Exkurs mit dem Versuch einer musikalischen Analyse dreier Song-Beispiele trägt zur Vollständigkeit bei. Am Ende werden im Fazit alle Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick hinsichtlich weiterer Möglichkeiten zur Erforschung des Themas gegeben.
2. Die HipHop-Kultur - „Wenn ihr HipHop als Kultur seht, hebt eure Arme, bewegt sie von rechts nach links“
7 „HipHop lässt sich nicht einfach als künstlerische Freizeitbeschäftigung verstehen, die man je nach Lust und Laune praktiziert oder es bleiben läßt. HipHop bildet vielmehr einen Sozialkomplex, in dem man sich mit Persönlichkeiten/Identitäten verortet, die sich nicht einfach wieder ,ausziehen’ lassen (...).“8
Bevor die Geschichte des HipHop dargestellt wird, soll zunächst aufgeführt werden, was die Subkultur ausmacht und warum sie sich selbst als Kultur versteht und nicht als einfache Freizeitb eschäftigung.
Nach einhelliger Meinung besteht der HipHop der Anfangsjahre der 70er/80er Jahre aus vier Grundsäulen: Breakdance, Graffiti, DJing und Rap. Der Breakdance9 ist eine Tanzform, die scheinbar alle Grenzen überschreitet. Die Tänzer drehen sich auf Kopf, Schulter und Rücken. Ihren akrobatischen Tanzstil führen sie zu den harten und rhythmischen Beats der Rapmusik aus. Zum anderen gibt es die Ausdrucksform Graffiti10: Am Anfang malten die Jugendlichen noch ihre Künstlernamen mit Filzstift auf Wände und Gegenstände. Die Techniken wurden mit der Zeit immer ausgefeilter: Heute werden zumeist große, vornehmlich farbenfrohe Gemälde, mit Hilfe von Sprühdosen auf Wänden, Mauern, Zügen oder U-Bahnen gezeichnet. Eine weitere Grundsäule des HipHop ist das DJing11. Der Disk Jockey (DJ) sorgt für die richtige Musik. Mit Mischpult und Schallplatten schafft er den typischen HipHop-Sound: Er nutzt Versatzstücke von Liedern, um neue Rhythmen zu komponieren. Teilweise wird dieselbe Platte zwei Mal genutzt, um bestimmte Passagen zu verlängern. „Dies führt zu einer prinzipiell stark rhythmuslastigen Musik, die oftmals bekannte Passagen aus bekannten Liedern zitiert.“12 Der DJ arbeitet eng mit dem Rapper13 zusammen. Dieser übt die Gesangsform des HipHop, „das schnelle rhythmische Sprechen von Reimen“,14 das in der Tradition afroamerikanischer Sprechakte steht, aus. All diesen Ausdrucksformen des HipHop ist der „interne Wettbewerbscharakter“15 gemein, das Bemühen darum, der Beste zu sein und damit Anerkennung und einen hierarchischen Aufstieg in der Gruppe zu erzielen.
Doch in der heutigen Zeit wird es immer schwieriger HipHop zu definieren. Reichen diese vier Grundsäulen noch aus? Was ist mit den Skatern, die mit ihren Skateboards oder Inlineskates waghalsige Stunts vollführen? Auch sie hören vor allem HipHop-Musik und tragen die für die HipHop-Szene typischen XXL-Hosen. Oder aber die Beatboxer16 ? Diese Fragen werden auch innerhalb der Szene viel diskutiert, sollen hier aber nicht im Mittelpunkt stehen.
HipHop wird allgemein als Jugendkultur verortet, nicht als eine neue Musikrichtung des Pop. Die Gruppenmitglieder selbst sehen den HipHop als eine besondere Kultur:
„Hip-Hop ist eine Spezialkultur unter vielen anderen Jugendkulturen. Obwohl sie in einigen Parametern von anderen Jugendkulturen stark abweicht, sind die Grundkonstanten von Jugendkulturen, namentlich Solidarisierung und damit einhergehende Distinktion, in ihr besonders gut deduzierbar.“17
Eine Kultur existiert auch immer durch die Abgrenzung gegenüber anderen Kulturen, die sich auch sprachlich zeigt. Die Besonderheit der HipHop-Kultur besteht in ihrem Selbstentwurf als intern differenzierte Kultur. HipHopper grenzen sich von anderen Subkulturen durch die Darstellung ihrer eigenen Individualität ab.18
„Um die kulturelle Identität aufrechtzuerhalten, werden Elemente, die den HipHoppern ihre Individualität geben, in Opposition zu vergleichbaren Elementen anderer Teilkulturen gesetzt. Beim Selbstentwurf des HipHop liegt die Besonderheit gerade im Zulassen intrakultureller Differenz.“19
Keine Kultur hat neben einer eigenen Form des Gesangs, eine eigene Kunstform, die auf Hauswände und Zugwaggons projiziert wird und eine spezielle Tanzform. HipHop lebt also aus der inneren Differenziertheit und dem Zusammenspiel der verschiedenen Elemente. Andere Jugendkulturen beziehen sich meist nur auf eine bestimmte Musikrichtung als Identifizierungsobjekt. Was genau HipHop ist, kann man nur verstehen, wenn man seine Entstehungsgeschichte kennt. Diese füllt heute mehrere Bücher, im Folgenden sei sie in komprimierter Form dargestellt, denn es geht weniger um Namen von Bands und Künstlern, die den HipHop geprägt und revolutioniert haben, als um die sozialen Hintergründe und die Entwicklungen innerhalb der Bewegung.
2.1 Die Geschichte des HipHop - US-amerikanische Ursprünge
Wer über die Wurzeln der HipHop-Kultur und vor allem des Raps sprechen will, muss in der Geschichte weit zurückgehen, denn bereits in den afrikanischen Traditionen des Sprechgesangs sind die Ursprünge des Raps zu suchen.
Die Geschichte des HipHop ist eng mit der Sklaverei verknüpft. David Toop zeichnet in seinem Buch „Rap Attack“20 mehrere Einflüsse nach, die den HipHop prägten. Am Anfang der Geschichte stehen die „Griots“ aus dem Savannengürtel Westafrikas. Professionelle Sänger übernahmen hier die Funktion eines Geschichtsbuches und einer Zeitung. Ihr Repertoire bestand Spott aber auch aus profundem Wissen über die Geschichte. Auch viele HipHop-Künstler verstehen sich als Vermittler von Wissen in der Black Community. Dies zeigt zum Beispiel die Aussage des Rappes Chuck D. der Formation Public Enemy, der seinen Rap als „Black CNN“ bezeichnete.21 Ebenso wurde die afroamerikanische Tradition des Toasting aus dem 19. Jahrhundert in die Rap-Kultur übernommen. Bei diesem Sprechakt geht es darum, Auseinandersetzungen mit Hilfe von Wortgefechten zu klären. Der Wortgewandtere und Schlagfertigere gewann den Kampf. Auch diese Tradition ist heute im Rap zu finden. In den Battle-Rap-Texten werden die Gegner gedisst 22, und auch hier gewinnt derjenige mit den klügeren Texten. Bei den Wortgefechten existieren bis heute keine Grenzen des guten Geschmacks oder der Höflichkeit. Die Devise lautet schlicht: der Stärkere gewinnt. Als weitere Einflüsse sieht Toop den Scat - schwarze Komiker, die großen Spaß an Sprachverdrehung hatten - und nicht zuletzt den Gospel, bei dem durch Zwischenrufe, Wiederholungen und Echos die Ausführungen des Predigers immer wieder kommentiert werden.23
Die HipHop-Kultur bedient sich einer großen Anzahl an Techniken und Praktiken afroamerikanischer Musik. Zu den oralen Sprachgebrauchsgenres zählen unter anderem das Sygnifying 24, Dozen 25, Shit talking 26 und Boasting 27. Alle diese Sprechakte sind Elemente des Rap. Dabei findet sich in den Texten meist ein wechselnder Gebrauch mit gleitendem Übergang. Ständig findet eine Änderung zwischen den spielerischen, ernsten und aggressiven Sprechakten statt.
Oft werden die direkten Bezüge zu der afroamerikanischen Protestkultur klar herausgestellt, um den Ruf einer kommerziellen, postindustriellen Kultur abzuwerten. Aus dieser etwas verzerrten Darstellungsweise ergeben sich nach Tricia Rose einige problematische Konsequenzen. Durch den Bezug auf die Wurzeln der oralen Tradition, wird der Rap als eine autonome Entwicklung dargestellt, die aber klar in den Zusammenhang der HipHop-Kultur gehört. Ferner tritt die Bedeutung von Rap als Musik in den Hintergrund. Als größter Kritikpunkt ist die Tatsache zu sehen, dass die Rolle der postindustriellen Großstadt als bedeutender Einfluss- und Gestaltungsfaktor ausgeklammert wird.28
Im New York der siebziger Jahre legten die Städtebauplaner einen weiteren Grundstein für die Entwicklung der HipHop-Kultur, wie wir sie heute kennen. Durch den einstmals gut situierten Stadtteil der Bronx begannen sie mit dem Bau des Cross-Bronx-Expressway. Wer konnte, nutzte diesen, um so schnell wie möglich den Stadtteil zu verlassen, der bald geprägt war von einem Stadtbild, das man heute aus Film und Fernsehen kennt: „verlassene, verwahrloste Fabrikgelände, bizarre Ruinen, heruntergekommene Mietskasernen ... ebenjenes bekannte Bild absoluter Trostlosigkeit.“29 Zurück blieben die, die es sich nicht leisten konnten in einen anderen Stadtteil zu ziehen und dies waren meist ethnische Minderheiten. Ihnen blieb nur, sich mit der Situation anzufreunden und so entwickelten sie mit der Zeit einen Stolz auf ihren Stadtteil und verteidigten diesen gegen Eindringlinge von außen, wie Gangs aus anderen Stadtteilen oder die Polizei. Bald war ein Höhepunkt der Gewalt erreicht, nur allzu oft endeten die Bandenkriege tödlich. Doch die Ghettoisierung der Bronx brachte nicht nur schlechte Veränderungen mit sich: Sie bereitete der Entstehung der HipHop-Kultur den Weg. Die Jugendlichen aus der Bronx konnten es sich nicht leisten, am Wochenende die überteuerten Clubs in Manhatten zu besuchen. Manchmal wurden sie auch einfach nicht hineingelassen, weil sie die falsche Kleidung trugen. Darum begannen sie mit ganz einfachen Mitteln ihre eigenen Partys zu feiern, die so genannten Blockpartys. Dazu trafen sie sich in Parks, leeren Fabrikhallen oder auf Hinterhöfen. Der DJ brachte das Soundsystem mit und der Strom wurde von nahegelegenen Straßenlaternen abgezapft. Am Anfang unterschied sich die Musik der Blockpartys nicht von der in angesagten Clubs in Manhatten - Discomusik war „top aktuell.”30
„It was a DJ style which helped to create the lifestyle which came to be known as hiphop.”31 Kool DJ Here machte eines Tages eine bahnbrechende Beobachtung: Er bemerkte, dass sein Publikum vor allem auf die Breakpassagen32 der Lieder reagierte. Er versuchte diese mittels einer zweiten, identischen Schallplatte künstlich zu verlängern. Das Publikum auf den Blockpartys war begeistert. Mit der Zeit wurden Kool DJ Heres Techniken immer ausgefeilter und virtuoser. Wenn der DJ anfing mit seinen Zehen oder der Stirn zu scratchen,33 konnte er das Publikum gänzlich in seinen Bann ziehen. Kool DJ Here hatte den Plattenspieler zu einem neuen Musikinstrument gemacht und so wurde er zum Urvater der HipHop-Kultur und aller nachfolgenden DJs.
Ob dieser Showeinlagen tat sich ein neues Problem auf: Das Publikum hörte auf zu tanzen, da es nur staunend dem DJ bei seinen virtuosen Tricks zusah. Um dieses Problem zu lösen, engagierte der DJ Grandmaster Flash die ersten MCs34, welche mit lockeren Sprüchen und Anfeuerungsrufen das Publikum wieder zum Tanzen bewegen sollten. Grandmaster Flash brauchte demnach Helfer, die seine DJ-Virtuosität in Tanzspaß überführen konnten.35 Doch damit waren die Anforderungen nicht genug. Die MCs mussten die Musik des DJs nicht nur kennen, sie mussten sie verstehen. Bald waren ein paar Entertainer für diesen Zweck gefunden. Die MCs machten ihre Sache so gut, dass sie bald mit ihren cleveren Metaphern, witzigen Reimen und Sprüchen den DJs die Show stahlen. Schnell kam es zu einem „ästhetischen Erziehungsprozess“ zwischen Rappern und Publikum. Reime, die an einem Tag noch bejubelt wurden, waren am nächsten Tag schon nicht mehr gut genug und wurden ausgebuht. Das Publikum steigerte seine Ansprüche hoch und brachte die MCs so zu Höchstleistungen. In diesen Tagen wurde auch die Battle-Kultur des HipHop geboren, die bis heute eine zentrale Rolle spielt. Die MCs priesen nicht nur die Fähigkeiten des DJs, sondern auch ihre eigenen, sie behaupteten, die besten Sprücheklopfer und Reimer im Raum zu sein. Das ließ sich das Publikum nicht gefallen, und schon bald kam es zu Batteln auf der Bühne, bei denen die MCs herausgefordert wurden und ihr Können unter Beweis stellen mussten. Der Freestyle36 war hier von besonderer Bedeutung und verschafft auch heute noch einem MC den Respekt der anderen Rapper. Beim Freestylen „wird ad hoc zu einer vorgegebenen Rhythmusstruktur gereimt und nach Möglichkeit ein in sich kohärenter, situativ verankerter Text produziert, der idealiter optimal an die gegebene Rhythmusstruktur angepasst ist.“37 Es bildeten sich immer mehr Crews - Zusammenschlüsse ähnlich wie Gangs - die jedoch auf künstlerischer, nicht sozialer Basis entstanden. Differenzen zwischen den Crews wurden auf kreativer Ebene ausgefochten. Der für eine „Straßenkultur“ so elementare Wettbewerb wurde so ohne gewalttätige Ausschreitungen ausgetragen.38
Im Herbst 1979 kam die erste Rap-Platte auf den Markt „Rapper's Delight“ von der Sugarhill Gang. Dies war ein Schock für die Szene, denn niemand hatte die Sugarhill Gang jemals zuvor bei einem Jam39 oder einer Blockparty gesehen oder gehört. In der Untergrund-HipHopSzene waren sie vollkommen unbekannt. Die Texte, Reime und Metaphern aus ihren Liedern waren den MCs dafür umso bekannter. Sugarhill Delight hatte sich der Einfalle und Ideen der Rapper bedient und auf ihrer ersten Platte veröffentlicht. Die Platte „Rapper's Delight“ begeisterte ein Millionenpublikum, machte den Rap populär und verbreitete ihn in der ganzen Welt. „The response from the hip-hop community was a contradictory mixture of resentment and a desire to get in on the action.”40
Mit dem 1982 veröffentlichten Titel „The Message“ von Grandmaster Flash and the Furious Five wurde der Message-Rap geboren. Hier verbanden sich ernsthafte, politische Inhalte mit pädagogischen Inhalten, die den anfänglichen Partyspaß hinter sich ließen. Grandmaster Flash nutze das öffentliche und mediale Interesse, um auf die Zustände in amerikanischen Großstadtghettos aufmerksam zu machen. In diesem Zusammenhang sind Rapgrößen wie Afrika Bambaataa zu nennen, einst selbst Mitglied einer Gang. Er musste mit ansehen, wie sein bester Freund erschossen wurde. Daraufhin gründete er die Zulu-Nation, einen Zusammenschluss, der den Jugendlichen aus dem Ghetto eine Rückhalt geben sollte, um so den vermeintlichen Zusammenhalt der Gangs zu ersetzen. Die Maximen waren Drogen- und Gewaltfreiheit. Streitigkeiten wurden auf kreativem Wege ausgefochten.
Die erste Phase des HipHop, die 1983/84 ihren Höhepunkt erreichte, nennt man „Old School“. Anfang der achtziger Jahre kamen die ersten bezahlbaren Sampler41 auf den Markt. Mit deren Durchsetzung begann die zweite Phase, die so genannte „New School“-Phase. Mit dieser neuen Strömung bildeten sich erfolgreiche Rap-Formationen wie Run DMC, der radikal politisierte Rap von Public Enemy oder auch weiße Rapstars wie die Beastie Boys. HipHop genoss bald Popularität rund um den Globus. Im Jahre 1987 ist in der HipHop-Kultur eine gewisse Richtungslosigkeit festzustellen.42 Daraus wurde schließlich eine neue Form des Rap geboren. New York war schon bald nicht mehr die Metropole des HipHop, der Gangsta-Rap43 der West-Coast bekam immer größeren Einfluss. Der Gangsta-Rap, „der die Tradition, der in Los Angeles seit den 40er Jahren etablierten Gang-Kultur zelebrierte und eine nihilistische, auf den ersten (in einigen Fällen auch auf den zweiten) Blick unpolitische Interpretation der sozialen Verhältnisse in den ,Ghettos’ lieferte“44, erfuhr einen großen medialen Erfolg, nicht zuletzt wegen zahlreicher Zensuraffären. Der Gangsta-Rap dominiert bis heute das Bild des HipHop in der Öffentlichkeit. In dieser Form des Raps werden aus der Ich-Perspektive Erlebnisse aus dem Ghetto geschildert und häufig eine kriminelle Vergangenheit stilisiert. Doch liefern sie im Gegensatz zum politischen Message-Rap, nur die gewalttätigen Bilder des Ghettos, jedoch keine Lösungsvorschläge. Die stark politische Prägung des Message-Raps brachte diesem die Bezeichnung des „Black CNN“ ein. Der Rapper Chuck D, der Band Public Enemy verstand den Message-Rap als eine Art Nachrichtenmedium, das Informationen per Schallplatte in alle Regionen des Landes vermittelt und so zum organisierten Widerstand der Afroamerikaner beiträgt.45 „Hier wurde die soziale Situation der ,schwarzen’ Bevölkerung explizit gemacht und politische Forderungen gestellt.“46
Zwar lässt die Bezeichnung des Black CNN vermuten, dass Rap eine Musik von Schwarzen für Schwarze ist, doch zeigen nicht zuletzt die Verkaufszahlen, dass auch die weiße Bevölkerung großes Interesse am HipHop hat. Als Gründe hierfür werden oft der voyeuristischen Thrill, Zeuge schwarzen Selbsthasses zu sein, als eine Faszination des Schreckens aus sicherer Distanz aufgeführt.
„Mit der Kommerzialisierung von Rap und Breakdance Anfang der 80er Jahre, begann auch die Zeit der großen Missverständnisse, die bis heute anhält.“47 Der Erfolg brachte die Auseinandersetzung zwischen Rap-Musikern und den Medien, Elternverbänden und Zensurbehörden mit sich. In den Texten wurde immer wieder nach der Ursache für Gewalttätigkeit gesucht.
Bis heute wird sich darum gestritten, was Rap ist und was nicht. Besonders oft ins Spiel kommen Schlagwörter wie „Realness“ (Echtheit/Ehrlichkeit) und „Sellout“ (Ausverkauf).48 Die Frage, inwiefern Rap authentisch ist oder nur der kommerziellen Versuchung unterliegt steht immer wieder im Raum.
„Die geforderte ,realness’ ist nur von schwarzen, heterosexuellen Männern zu erreichen. Gemeinsam haben die verschiedenen Subgenres, egal ob religiös oder nationalistisch motiviert oder dem ,Gangsta’-Image verschrieben, daß sie sehr viel Wert auf die Konstruktion einer meist starren Identität legen. Diese Identität schafft eine rebellische, nicht integrierbare Position außerhalb der Gesellschaft. Dazu gehört auch, daß Unterschiede zu anderen gesellschaftlichen Gruppen eher betont, als daß Gemeinsamkeiten gesucht werden.“49
Dieses Zitat zeigt, dass Rap auch der Repräsentant vieler Diskurse ist, wie zum Beispiel über Gender oder Race.
Für Toop ist HipHop die Kultur des Ghettos. Durch die verschiedenen Ausdrucksformen konnten die Jugendlichen den „Unort“ Ghetto ins öffentliche Bewusstsein bringen und Selbstbewusstsein erlangen. HipHop ist injeder Form grenzüberschreitend. Die Sprache des HipHop, der Rap, ist für Ulf Poschardt ein Resultat von Klassenkonflikten. Auf Grund der medialen Verbreitung der Raps werde deshalb die weiße Sprachhoheit bedroht.50 Die „Sprachverwendung im Ghetto folgt nicht nur einer eigenen Grammatik, sondern auch sozialen Normen, die die Beziehungen untereinander und zu Außenseitern, den Weißen regeln.“51
Von Amerika aus verbreitete sich HipHop in die ganze Welt, und die Geschichte des Erfolges von „Rapper's Delight“ der Sugarhill Gang sollte kein Einzelfall bleiben, ganz ähnlich erging es der Formation Oie Fantastischen Vier in Deutschland. Und um es mit den Worten Flavor Flavs der Rap-Formation Public Enemy zu sagen, kommen wir jetzt „one, two, three - from New York to Germany.“52
2.2 HipHop in Deutschland
Die Fantastischen Vier sind für den deutschen wie die Sugarhill Gang für den amerikanischen HipHop. Sie haben den Rap in Deutschland populär gemacht, obwohl sie in der Szene selbst völlig unbekannt waren. Die deutschen HipHopper waren geschockt ob dieser scheinbaren Wiederholung der Geschichte. 1991 erschien die Platte „Jetzt geht’s ab“ der Fantastischen Vier, zu einem Zeitpunkt, als es HipHop in Deutschland schon seit zehn Jahren gab. Sofort war das Schlagwort des sellout53 im Raum. Schnell war die Szene der Meinung, dass der wahre und echte HipHop nicht massenkompatibel sein kann und darum erfolglos bleiben muss. Aus der Szene erfuhr die Formation viel Kritik und selbst heute schätzt der Autor, Journalist und Literaturwissenschaftler Sascha Verlan die Wegbereiter sehr gering:
„Wenn es den Fantastischen Vier um Anerkennung ging, dann genau um dieses: als deutsche Sprechsänger akzeptiert zu werden. Wenn es ihnen um Freiräume ging, dann allenfalls um finanzielle und künstlerische Unabhängigkeit. Da war nichts von dem Aufbegehren benachteiligter Jugendlicher [...].“54
Genau hier lag der Kritikpunkt: HipHop hat bei den Fantastischen Vier nichts mit Aufbegehren zu tun, sie hatten HipHop nicht aus ihrer sozialen Situation heraus für sich entdeckt. Herabwertend wurde ihr künstlerisches Schaffen oft als „Mittelstandsrap“ bezeichnet. Im Gegensatz zu New York, wo Jugendliche aus dem Ghetto versuchen, die sozialen Grenzen zu sprengen, gehören in Deutschland Jugendliche aller sozialen Schichten zur HipHop-Bewegung.
Die Fantastischen Vier hatten damit ein Legitimationsproblem. Auch Marcus Staiger greift in der Einleitung des im Jahre 2000 erschienenen Buches „Bei uns geht einiges. Die deutsche HipHop-Szene.“55 die Diskussion um die Stuttgarter Formation wieder auf. Das zeigt, welche Bedeutung der Sellout nach wie vor für die deutsche HipHop-Kultur hat. Staiger beschreibt selbst, dass diese Diskussion ihn gereizt hätte, da dabei stets der Gedanke an den Kampf gegen den „bösen Kapitalismus“ im Raum gestanden habe. Staiger träumte, wie viele andere HipHopper auch heute noch, von einer Gegenbewegung, einer Antigesellschaft mit eigenen Regeln. Und hielt es dabei ganz mit der Vorstellung des amerikanischen Rappers Chuck D. der Formation Public Enemy, der einmal sagte: „Es ist ganz egal wer Präsident ist, denn: Er ist nicht Präsident in unserer Straße. Das ist HipHop! Can You dig it?”56 Trotz all der Kritik an den Fantastischen Vier verhalfen diese dem HipHop in Deutschland zu ungeahntem Ruhm. Im Jahre 1992 lag die Veröffentlichungsrate deutschsprachiger HipHopPlatten bereits doppelt so hoch wie im Jahr zuvor. Ein Jahr später verfünffachte sie sich. Die eigenwillige Entwicklung von HipHop in Deutschland lässt sich aus der Tatsache heraus erklären, dass der Rap hier medienvermittelt war. Kontakte zu amerikanischen Künstlern kamen erst später zustande. Gelebt wird in Deutschland das, was die amerikanischen HipHop- Filme57 vermittelt haben, die untrennbare Einheit der vier Grundsäulen von Graffiti, Rap,DJing und Breakdance. Diese „Keepin'-it-real“-Haltung, also die Verbundenheit zu den Ursprüngen der Kultur, wurde in Deutschland sehr ernst genommen, nahezu dogmatisch betrieben. Das ist sicherlich auf die Konstitution der HipHop-Kultur in Deutschland zurückzuführen, da die deutsche Szene Rapper aus allen sozialen Schichten sowie autochthone und nicht-autochthone Herkunftskulturen beinhaltet. Der gemeinsame Nenner all dieser verschiedenen Gruppen ist nur die gelebte HipHop-Kultur. So ist es nicht verwunderlich, dass stets über die HipHop-Identität, die Authentizität und Wahrhaftigkeit diskutiert wird.58
1992 hatte jedoch die Formation aus dem Untergrund, Advanced Chemistry, einen unerwarteten Medienerfolg mit ihrem Lied „Fremd im eigenen Land“. Seitdem platzierten sich immer mehr Bands aus dem Untergrund auf den vorderen Plätzen der Charts: Freundeskreis, Fettes Brot, Fünf Sterne Deluxe oder Eins Zwo. Mittlerweile hat sich das Verhältnis zu den Fantastischen Vier entspannt. Sascha Verlan behauptet: „Geschäft, Erfolg und HipHop sind heute keine Gegensätze mehr.“59 Dem ist nur bedingt zuzustimmen. Zwar wird heute kein Rap-Star mehr für unglaubwürdig gehalten, wenn sich seine Charterfolge aneinanderreihen, trotzdem ist das Thema des Ausverkaufs und der Realness nach wie vor diskutiert, wie Textbeispiele der folgenden Arbeit zeigen werden. Künstler, die allzu oft bei Musiksendern wie MTV oder Viva zu sehen sind, um für ihre Platten zu werben, müssen damit rechnen von der Konkurrenz gedisst zu werden.
Ende der Neunzigerjahre schockten dann Gangsta-Rapper wie Kool Savas oder Taktlos mit schmuddeligen Pimp-Lyrics.60 Der sogenannte „Gangsta-Rap“61 feierte daraufhin in Deutschland große Erfolge. Mit seinem Mainstream62 -Erfolg weckte Kool Savas das Bedürfnis nach echter Härte, nach einer Brutalität der Sprache, die sich mit der Brutalität des Lebens deckt. Die Mitglieder des Plattenlabels Aggro Berlin stilisierten das Berliner Ghetto zu einem Ort, an dem es nur um Drogen, Gewalt und Sex geht.
Festzuhalten bleibt, dass Gangsta-Rap-Gruppen in ihren Texten fragwürdige Inhalte transportieren. Doch es werden immer mehr die positiven Aspekte der HipHop-Kultur in Deutschland beleuchtet. Denn niemand kann leugnen, dass Rap eine literarische Revolution in Kinder- und Jugendzimmem ausgelöst hat. Es wird wieder gedichtet, um sich dann auf dem Schulhof, im Park oder in Jugendzentren in Reimen zu streiten.63 Der Battle-Gedanke wurde als Ausweg aus dem Teufelskreis der Gewalt gewertet, so gibt es kulturellen statt kriminellen Aktionismus. Rap wird mittlerweile als Sprachrohr der unterdrückten Minderheit gewertet, und Graffiti-Gemälde werden in Galerien ausgestellt, um ihre künstlerische Bedeutung zu würdigen.
2.3 Die Gesetze des HipHop
Um die verschiedenen Phänomene der HipHop-Sprache richtig einordnen zu können, sollen hier einmal kurz die Grundprinzipien, die Gesetze des HipHop skizziert werden. Klaus Farin sieht sieben verschiedene Prinzipien des HipHop: 1) den Erhalt traditioneller Männlichkeit, Ehre und Respekt, 2) die eigene Identität, 3) Künstler sein, als Künstler anerkannt werden 4) Jams64, 5) der Glanz des Augenblicks, 6) Spaß haben und 7) das „Be real - stay original“- Prinzip.65
Zu dem Aspekt der traditionellen Männlichkeit und der Ehre zählt unter anderem die Herabwertung von Frauen als Bitches, 66 die auf einer sexistischen Einstellung beruhen. Weiterhin ist der fame (der Ruhm und die Ehre) von Bedeutung. Dieser kann durch hervorstechende Leistungen in einer oder allen der vier Ausdrucksebenen der HipHop-Kultur erlangt werden. Wer Geschicklichkeit, Phantasie und Talent beim Rappen beweist, der erfährt den Respekt der anderen Rapper. Genauso ist dem der Ruhm sicher, der ein besonders beeindruckendes Graffiti illegal auf Wänden oder Zügen anbringt. Durch Mut, Fleiß und Talent kann also die Hierarchieposition in der Gruppe erhöht werden.
Der HipHop stellt für Jugendliche eine Hilfe der Identitätsfindung durch Abgrenzung von der Erwachsenenwelt und anderen Jugendgruppen dar. Besonders Jugendliche mit Migrationshintergrund, die zwischen den Kulturen stehen, erreichen durch die Gruppenzugehörigkeit eine Identitätsfindung.
Der dritte Punkt beinhaltet das Streben danach, ein Künstler zu sein und auch als Künstler anerkannt zu werden. Wie bereits erwähnt, erlangen die HipHopper durch kreative künstlerische Aktivitäten den fame. Diese Anerkennung beruht auf dem kompetitiven Charakter der HipHop-Kultur, in der der beste Künstler seiner Disziplin die Achtung der Gruppe erfährt.
Der „Glanz des Moments“ liegt darin begründet, dass die Ausdrucksformen des HipHop meist keine Beständigkeit aufweisen. Die Kunstwerke sind flüchtig, ob beim Graffiti, Breakdance, DJing oder eben dem Rap, der auf Freestyltesessions vorgetragen wird. Da Battles, also Streitigkeiten oder Wettkämpfe zumeist in der Öffentlichkeit vor einem Publikum, entweder durch bereits geschriebene und auswendig gelernte Raps, meist aber durch Freestyles ausgetragen werden, ist hier der Moment gegeben, bei dem die hervorgebrachte Leistung Anerkennung erfährt.
Bei so genannten Jams, bei denen ein Austausch zwischen den HipHop-Anhängern stattfindet, steht der Spaß und der „Easy-Going“-Aspekt im Vordergrund. Dabei ist das Publikum stark in alle Prozesse eingebunden. Jeder Besucher kann auf der Bühne seine Fähigkeiten unter Beweis stellen oder die Darbietungen anderer bewerten. Der Besuch einer Jam bedeutet für die HipHopper also nicht nur Konsumieren, sondern auch Agieren.
Der letzte Aspekt bildet zugleich den Kernpunkt in der HipHop-Kultur, das „Be real, stay original“-Prinzip. Bei der Ausübung der verschiedenen Ausdrucksformen des HipHop geht es vor allem darum, seinen eigenen Stil zu finden, zu repräsentieren und dabei den Werten und Idealen treu zu bleiben, um so einen gewissen Echtheitsgrad zu repräsentieren. Zu den Idealen des HipHop gehört bis heute die antikommerzielle Einstellung der HipHopper, die aus den Zeiten stammen, in denen der HipHop noch eine Untergrund-Kultur war. „Die Erhaltung der kulturellen Identität durch Bewahrung der Herkunftskultur hat im HipHop einen besonders hohen Stellenwert.“67
3. Jugendsprache - Ein Überblick
Die Diskussion zum Thema Jugendsprache setzt zunächst die genauere Definition des Begriffes „Jugend“ voraus, um den Sprecherkreis der Jugendlichen genauer markieren zu können. Der in diesem Zusammenhang relevante Jugendbegriff ist nicht biologisch, sondern sozial fundiert. Unerlässlich ist eine weite Definition von Jugend als soziale Altersphase, die über die Pubertät, dem Jugendalter im engeren Sinn, hinausgeht und die so genannte Postadoleszenz, das heißt die Zeit bis zum 25. Lebensjahr oder sogar bis zum Ende des dritten Lebensjahrzehnts, mit einschließt.
Bei der für diese Arbeit verwendeten Definition steht jedoch weniger die Altersspezifik im Mittelpunkt als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Jugendgruppe. Daher ist das für die Jugendkultur spezifische Phänomen der Gruppenbildung besonders zu beachten. Eva Neuland68 stellt fest, dass für den gruppenspezifischen Stil, der sich aus bestimmten Themenpräferenzen und Themenwahlen, speziellen Gesprächsregeln, paralinguistischen und nonverbalen Kommunikationsmerkmalen und lexikalischen Eigenheiten zusammensetzt, gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungsbestände Grundvoraussetzungen sind.
Weiterhin muss die Beziehung zwischen Jugendsprache und Standardsprache verdeutlicht werden. Die Jugendsprache ist nicht mit der Umgangssprache gleichzusetzen, auch wenn viele Begrifflichkeiten und Wendungen von der Jugend- in die Umgangssprache übergehen. Die Standardsprache des Deutschen ist eine standardisierte Form von Mundarten, die der Normierung unterliegen und schriftlich in Form von Grammatiken oder Lexika festgehalten werden. Wenn in der folgenden Arbeit von Jugendsprache die Rede ist, handelt es sich um eine Abkürzung, die eher die Bedeutung von jugendsprachlichen Sprechweisen meint. Folglich ist keine Sprache im linguistischen Sinne gemeint, also keine Standardsprache mit eigener Grammatik, eigener lautlicher und graphischer Form, sondern eine Varietät der Standardsprache.69
3.1 Forschungsüberblick zum Thema Jugendsprache
Lange wurden Sub- und Jugendkulturen nicht als seriöses wissenschaftliches Forschungsgebiet angesehen. Dass somit auch die Jugendsprache in der Linguistik wenig Beachtung erfuhr, lag sicher auch in der Tatsache begründet, dass „Auseinandersetzung mit einem ihnen nahezu unverständlichen ,Jargon’, dessen Befremdlichkeiten bestenfalls das Vergnügen des Exotischen bereiten oder boulevardesker Parodie zur billigen Vorlage dienen mögen“70 vielen Forschern weniger nahe lag als traditionelle Forschungsbereiche der Linguistik.
Im Jahr 1986 beklagte Helmut Henne in seiner Veröffentlichung „Jugend und ihre Sprache. Darstellung, Materialen, Kritik“71 das Fehlen der germanistischen Jugendsprachforschung. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Sprachwissenschaft dieser wichtigen Entwicklungsphase der Kindheit und Jugend keinesfalls gerecht geworden.72 Nachdem auch durch die Preisfrage der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung: „Spricht die Jugend eine andere Sprache?“ ein weiterer Grundstein gelegt wurde, führte das Phänomen Jugend in den achtziger Jahren zum Boom in der linguistischen Forschung. In den neunziger Jahren wurde dann der „Mythos Jugendsprache“ aufgedeckt.
Die Definition des Begriffs „Jugendsprache“ wurde in der Fachliteratur viel diskutiert. Vom „Mythos Jugendsprache“ ist oft die Rede, da sich die aktuelle Forschung einig darin ist, dass nicht von einer Jugendsprache, also einer homogenen Sprache aller Jugendlichen an sich nicht gesprochen werden kann: Es existieren ebenso viele Sprachen, wie auch Jugendgruppen bestehen.73 Verallgemeinerungen sind nicht möglich, die Jugendlichen werden durch unterschiedliche persönliche Lebensgeschichten und -welten geprägt. So wird in der heutigen Forschung der Begriff Jugendsprache zumeist durch Formulierungen wie „jugendsprachliche Register und Sprachstile“ ersetzt. Die Untersuchung einer bestimmten Jugendsubkultur erweist sich daher als sinnvoll.
Henne definiert den Begriff Jugendsprache folgendermaßen: „Jugendliche Gruppensprachen sind nun Existenzformen, die jugendliches Lebensgefühl und Bewusstsein aufnehmen gegen die vorgegebene und von Erwachsenen geprägte Standardsprache.“74 Diese Definition enthält die Schwerpunkte der „traditionellen“ Forschung: die soziolinguistischen Aspekte der Uneinheitlichkeit und Motivation einerseits, die linguistischen Aspekte der alterspräferentiellen und -spezifischen Ausdrucksweisen andererseits. Janis K.
Androutsopoulos sieht die Jugendsprache „als Sammelbegriff für gruppenspezifische Sprechweisen im Jugendalter [...], [sie] bezeichnet also keine homogene Sprachvarietät, sondern ein vielschichtiges Feld des Sprachgebrauchs.“75 Dabei betont er, dass nicht das soziale Alter, sondern die Gruppenzugehörigkeit zentral für die Herausbildung des aktiven Gebrauchs von Jugendsprache ist. „Jugendsprachen formieren sich vor allem in Gemeinschaften (Szenen) mit gemeinsamen Interessen, Lebenserfahrungen und Einstellungen.“76 Dieser Zusammenhang von Jugendsprache und Subkulturen ist für Androutsopoulos von großer Bedeutung.
Während einige Beispiele zur Untersuchung der sprachlichen Mittel in jugendlichen Kleingruppen vorliegen,77 ist die Analyse mit der Fokussierung auf Szenen noch kaum erfolgt.
Das umfassendste Werk zum Thema Jugendsprache allgemein und gleichzeitig Grundlage dieser Arbeit ist die Veröffentlichung „Deutsche Jugendsprache“ von Androutsopoulos.78 Sprachsystematische Aspekte werden hier in den Vordergrund gerückt und liefern so ein linguistisches Profil gegenwärtiger deutscher Jugendsprache. Sprachwissenschaftliche Ebenen wie Wortbildung, Phraseologie, Syntax, Entlehnungen und der Wortschatz werden behandelt, in den Kontext der Gegenwartssprache gestellt und mit der Standardsprache verglichen. In der folgenden Arbeit werden die Ergebnisse Androutsopoulos' zuweilen zum Vergleich herangezogen, um zu verdeutlichen, inwiefern die Charakteristika der HipHop-Sprache mit den Phänomenen der allgemeinen deutschen Jugendsprache übereinstimmen.
Das Verhältnis von Jugendsprache und Musik spielt in der Jugendsprachforschung eher eine untergeordnete Rolle. Dabei ist dieser Zusammenhang durchaus von großer Bedeutung und in zweifacher Hinsicht geprägt: Zum einen bildet die Musik ein symbolisches Mittel zur Abgrenzung und Konstitution von Jugendgruppen, zum anderen ist die Musik als ein Marktbereich anzusehen, der nicht nur Freizeitgestaltung, sondern auch berufliches Engagement ermöglicht.79
3.2 Musik- und Jugendsprachforschung
Eine wissenschaftliche Arbeit, die sich mit der Beziehung von Jugendkulturen und Musik auseinandersetzt, stellt die Veröffentlichung „Jugend und ihre Sprache“ von Helmut Henne 1986 dar.80 Diese Veröffentlichung ist ohne Frage die Pionierarbeit, die das Verhältnis von Jugend und Musik hervorhebt, neben der Tatsache jedoch, dass diese Arbeit bereits Mitte der achtziger Jahre veröffentlicht wurde und somit nicht mehr dem Zeitgeschehen entspricht, liefert sie auch wenig Ergebnisse. Das entsprechende Kapitel zur Musik und Jugendkultur beschränkt sich auf eine musikhistorische Darstellung der Jugendmusik von den Wandervögeln bis hin zur Neuen Deutschen Welle. Das eingefügte Material bleibt vom Autor unkommentiert. Die Befragung von Schülern, in der auch nach den musikalischen Präferenzen gefragt wird, bleibt bezüglich der Frage nach der Beziehung zwischen Jugendkulturen und Musik unausgewertet.
Oliver Freser81 u.a. untersucht in Schlobinskis „Jugendliche und ihre Sprache“ Musik und Sprachstile anhand der Beispiele HipHop, Heavy Metal und Hard Rock. Unter anderem wurden Interviews mit Schülern eines Osnabrücker Gymnasiums ausgewertet und Liedtexte interpretiert.
Lorelies Ortner82 dokumentiert anhand von Popzeitschriften den Wortschatz der Popmusikszene. Aus den Ergebnissen der Untersuchung kann abgeleitet werden, dass die Gruppensprache der professionellen Musiker zu einer der wichtigsten Quellen der Jugendsprache wird.83 Festzuhalten bleibt, dass die Beziehung von Jugend und Musik sprachwissenschaftlich kaum untersucht wurde.
Die HipHop-Kultur selbst wurde von verschiedenen Fachrichtungen unter differenten Schwerpunktsetzungen analysiert. Einige wenige Arbeiten aus den Bereichen Kulturwissenschaft, beziehungsweise Ethnologie sowie Soziologie befassten sich aus wissenschaftlicher Sicht mit der HipHop-Kultur. Die Arbeiten, die dem Bereich der Cultural Studies zuzuordnen sind, beschäftigen sich meist mit Fragestellungen der Aspekte Race oder Gender, aber auch Kulturpolitik im HipHop. Sehr oft wird auch die musikhistorische Entwicklung des HipHop thematisiert. Die Geschichte der Rap-Musik bis in die neunziger Jahre ist sehr gut dokumentiert, insbesondere von David Toop84 und Tricia Rose85. Bei all diesen Arbeiten steht die amerikanische HipHop-Kultur im Mittelpunkt, selbst bei deutschen Veröffentlichungen.86 Ebenso gibt es seit dem Ende der achtziger Jahre populäre HipHopMagazine, die aus den USA kommen. Seit Mitte der 90er Jahre existieren auf dem Markt auch HipHop-Magazine in deutscher Sprache, wie die Juice oder Backspin. Diese nehmen sich immer mehr dem Geschehen der deutschen HipHop-Szene an.
Eine Veröffentlichung, die an der Grenze einer wissenschaftlichen Arbeit und einem populärwissenschaftlichen Buch über die Szene steht, ist das Buch „25 Jahre HipHop“ von Sascha Verlan87 in dem er selbst die Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Szene thematisiert. Er selbst hat sich in seiner Magisterarbeit, wie bereits einige andere Literaturwissenschaftler auch, mit der Betrachtung von HipHop als „schöne Kunst“ beschäftigt. Damit versuchte er die literarische Relevanz von HipHop-Texten unter Beweis zu stellen. Nur wenige Arbeiten behandeln die Beziehung zwischen der HipHop-Kultur und Sprache.
Tricia Rose machte mit ihrer Veröffentlichung „Black Noise“88 mit den Begriffen flow, layering und break (also fließende Bewegung, Überlagerung und plötzlicher Wechsel) die gemeinsamen Formmerkmale der vier Elemente anschaulich und wies die kulturelle Einheit von HipHop auf formaler Ebene nach. Albert Ostermaier hat Rap-Texte formal und inhaltlich analysiert,89 um sie dann mit zeitgenössischer Lyrik in Beziehung zu setzen. Androutsopoulos hat sich diesem Thema in einigen Veröffentlichungen angenommen, die aber meist einen soziologischen Schwerpunkt haben, oder aber Vergleiche zwischen französischem, spanischem und deutschem HipHop zogen.
Die neuesten Arbeiten aus dem Bereich der Linguistik stammen von Eva Neuland mit ihren Werken aus den Jahren 2003 und 2004, in denen die Jugendsprache zu Jugendkulturen und Jugendliteratur in Beziehung gesetzt wird, oder interdisziplinäre Aufsätze wie der von Klaus Farin bestimmend sind, sowie die Magisterarbeit von Rehan Sahin mit dem Thema „Jugendsprache anhand der Darstellung der Jugendkultur HipHop“90 aus dem Jahre 2006.
Die folgende Untersuchung orientiert sich an der traditionellen Jugendsprachforschung. Sie wendet sich der gruppenspezifischen Komponente des Sprachgebrauchs Jugendlicher zu und versucht, ihre strukturellen Konturen herauszuarbeiten. Damit steht sie im Gegensatz zur ethnographischen Forschung, die auf der Grundlage angemessenen empirischen Materials verschiedene Sprech- und Interaktionsweisen in Kleingruppen Jugendlicher zu beschreiben versucht. Ihr wichtigster Verdienst liegt darin, aufgezeigt zu haben, dass Jugendsprache nicht auf sprachstrukturelle Besonderheiten reduziert werden kann, sondern auch eine Vielzahl von kontextspezifischen Phänomenen umfasst. Als kritisch zu werten ist jedoch die radikale Abschottung von den Erkenntniszielen der traditionellen Richtung.
4. Methodisches Vorgehen
In diesem Kapitel wird unter anderem erläutert, warum die HipHop-Szene als Großgruppe der Jugendkultur untersucht wird, warum gerade der Rap für diese Gruppe als repräsentative Ausdrucksform ausgewählt wurde und welche Schwierigkeiten eine derartige Untersuchung bereithält. In den folgenden zwei Unterpunkten wird zunächst die Methode des Auswahlverfahrens des Textkorpus' erläutert und im zweiten Teil die für die Auswertung angewandte Methode und der Verlauf der Arbeit näher dargestellt.
Ziel dieser Arbeit ist es nicht, eine eindeutige Definition von Register- und Varietätsbezeichnungen wie Jargon, Argot, Sondersprache, Slang oder Umgangssprache zu finden. In der linguistischen Fachliteratur werden diese Begriffe oft sogar in gegensätzlicher Weise verwendet. Daher wurde für die folgende Arbeit der Begriff „HipHop-Sprache“, die von den in der Arbeit herausgestellten Charakteristika geprägt ist, gewählt.
Es wird also keine vorgefertigte Definition von HipHop-Sprache zu Grunde gelegt, sondern ein soziokulturell abgegrenztes Korpus von Texten von HipHoppern untersucht. Primärquellen sind authentisches Material der HipHop-Szene, Rap-Texte deutscher Künstler, sowie zum Teil Interviewzitate zur Verdeutlichung einiger Aspekte. Zur Sekundärliteratur zählt dokumentiertes Material, Lexika und mehrere Untersuchungen. Der Stellenwert aller Sekundärquellen als Materialbasis ist ergänzend.
Die Schnelllebigkeit der Jugendsprache stellt eine Schwierigkeit bei der Untersuchung dar. „Im Gegensatz zur Erwachsenensprache ist ihr Sprachgebrauch nicht ,statisch’, sondern verändert sich ständig.“91 So dass die aus dieser Arbeit hervorgehenden Analyseergebnisse eher als Momentaufnahme gedeutet werden können.
Ziel dieser Arbeit ist die linguistische Beschreibung gegenwärtiger deutscher HipHopSprache. Der Arbeit liegt also die Annahme zu Grunde, dass die HipHop-Subkultur eine Sprache beinhaltet, die sich von der Standardsprache und möglicherweise auch von der allgemeinen Jugendsprache unterscheidet. Dies wird mit Hilfe des Duden Universalwörterbuches in Bezug auf die Standardsprache und mit Hilfe der Ergebnisse aus der Veröffentlichung „Deutsche Jugendendsprache“ von Janis K. Androutsopoulos für die Jugendsprache überprüft.
Die folgende Arbeit beschäftigt sich nicht, wie häufig in der linguistischen Analyse von Gruppen der Jugendsprache, mit der Untersuchung einer Kleingruppe, sondern fasst die Analyse einer Großgruppe ins Auge. Nach Androutsopoulos bilden den sozialen Rahmen, in dem sich Jugendsprachen entwickeln und verwendet werden, nicht die häufig untersuchten Kleingruppen, sondern Jugendszenen, also Gruppierungen mit gemeinsamen Wissensbeständen und Tätigkeiten. Denn für die Ausprägung einer sozialen Gruppe ist nicht unbedingt der direkte Kontakt nötig, die indirekte Verbindung in Form des Bewussteins über eine soziale Gemeinsamkeit reichen bereits für die Formung einer sozialen Gruppe mit einer eigenen Sprachidentität aus.92 Derartige jugendkulturelle Gemeinschaften sind als Netzwerke zu verstehen, die einen überregionalen oder sogar internationalen Stil lokal repräsentieren. So kann von einem relativ einheitlichen Kommunikations- und Sprachstil innerhalb der Gruppen ausgegangen werden.93 Natürlich ist die Schwierigkeit der Generalisation auch bei der Untersuchung einer Teilkultur der Jugendkultur einzubeziehen. Verallgemeinerungen sind mit Vorsicht vorzunehmen, da jeder Jugendliche die Sprache in differenter Weise und Ausprägung gebraucht. Ebenso ist der Sprachgebrauch situations- und kontextabhängig.
Mit der vorliegenden Arbeit können jedoch Tendenzen aufgezeigt werden, da alle Jugendlichen, die sich der HipHop-Kultur zugehörig fühlen, ein gemeinsamen Nenner, nämlich die Identifikation mit einer oder mehreren Ausdrucksformen des HipHop eint. Es wird davon ausgegangen, dass die verschiedenen Stilmerkmale einen relativ einheitlichen Gruppenstil bilden. Diese Stilmerkmale werden hinsichtlich ihrer Struktur aber auch der Funktion untersucht. Ein gemeinsamer Grundton wird also für diese Subkultur darzustellen sein. Der gruppenspezifische Zugriff erlaubt die Aufdeckung kultureller und sprachlicher Normspannung, die nicht nur im Verhältnis zur Standardsprache, sondern auch innerhalb von Subkulturen bestehen.
Die HipHop-Kultur besteht, wie mehrfach erwähnt, aus mindestens vier Elementen: DJing, Rap, Breakdance und Graffiti. Warum also wurde gerade der Rap als repräsentatives Element der HipHop-Kultur ausgewählt?
Zunächst ist der zentrale Aspekt, im Gegensatz zu den anderen Ausdrucksformen des HipHop, die Sprache. Die Ausdrucksmöglichkeit ist hier nicht in erster Linie die Bewegung der Plattenteller, ein akrobatischer Tanzstil, das farbenfrohe Bild, sondern das Wort. Die Musik ist, wie bereits Oliver Freser u.a. feststellte, ein zentrales Element vieler verschiedener Jugendkulturen: „über die Musik [wird] direkt ein Lebensgefühl oder der Zeitgeist transportiert.“94 Die Songtexte konkretisieren die Emotionen und liefern Beispiele für das jeweilige Lebensgefühl.
Zudem ist der Rap das mit Abstand populärste Element der Subkultur. Durch die mediale Verbreitung sind viele Jugendliche, selbst, wenn sie sich selbst nicht als „HipHopper“ bezeichnen würden, mit dieser im Kontakt.
Darüber hinaus eignet sich der Rap-Gesang aus zweierlei Gründen für die Untersuchung der HipHop-Sprache. Zum einen können hier verschiedene jugendsprachliche Phänomene nachgewiesen werden, zum anderen kann mittels der Rap-Texte der sprechsprachliche Kontext miteinbezogen werden, weil Rap-Texte narrative Züge haben, das heißt, sie können als Erzählungen fungieren. Somit spiegeln Aussagen in Rap-Texten die Sprechweise der Jugendlichen in verschiedenen Gesprächssituationen wider. Durch die Untersuchung der Rap-Texte ist es möglich, mehr über die Werte- und Normenstrukturen der HipHop-Kultur zu erfahren. Bereits Ulf Porschardt stellt fest:
„Die intimste Kenntnis von Rap und Hip-Hop vermitteln die Texte der Songs, die sich, wie selten zuvor in der Popmusik, mit der Herkunft, dem Verständnis und dem Zweck der eigenen Musik auseinandersetzen.“95
Weiterhin merkt er an, dassjeder, der über HipHop schreiben wolle, alle wichtigen Songs der Kultur kennen müsse, denn die Rap-Texte würden pointiertere und klarere Aussagen liefern alsjedes Interview, Buch oder Fanzine.96
Ferner sind die Rap-Texte für jeden leicht zugänglich, sei es durch den Kauf einer CD oder über eine der zahlreichen Internetseiten, die die Texte schriftlich aufgeführt haben, sodass auch die möglichen Verstehensschwierigkeiten durch alleiniges Hören der Songs kein Problem darstellen.
Problematisch ist die Tauglichkeit geschriebener Quellen für eine Untersuchung von Jugendsprache. Es stellt sich die Frage, ob das herangezogene geschriebene Material auch sprechsprachlich gültig ist. Doch die alleinige Bezugnahme auf schriftliche (und in diesem Fall auch gesungene) Quellen kann mit dem Konzept der vertikalen Intertextualität begründet werden. Jannis K. Androutsopoulos wendet das Konzept der vertikalen Intertextualität der Fernsehkultur von Fiske auf die HipHop-Kultur an. Demnach gibt es drei Ebenen: Die erste Ebene beinhaltet die Primärtexte. In der HipHop-Kultur bilden Tonträger, genauer gesagt, die in ihnen enthaltenen Stücke sowie Paratexte wie Booklet und Cover, Videoclips und aufgenommene und ausgestrahlte Konzerte die Texte der Primärebene. Diese werden in Sekundärtexten wie beispielsweise Promotexten, Künstlerinterviews, Konzertberichten und Moderationen besprochen. Als Tertiärtexte werden Fan-Gespräche über Rap-Musik, Reproduktionen von Primärtexten oder Eigenproduktionen der Fans gewertet. Die Entwicklung der Popkultur verläuft nicht unidirektional, sondern schließt Wechselwirkungen zwischen den Sphären ein. Die Sekundärtexte können den Kulturkonsum, zum Beispiel die Kauf- oder Rezeptionsentscheidung der Fans steuern, müssen das aber nicht.97 Dabei ist zu beachten, dass es gerade für die HipHop-Kultur kennzeichnend ist, dass die Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten verwischen. So ist auch davon auszugehen, dass die charakteristischen Sprachmuster nicht nur in einer Ebene anzutreffen, sondern auf allen Ebenen zu finden sind. Die verschiedenen Ebenen beeinflussen sich also gegenseitig. So dass nicht nur in schriftlichen Texten, sondern auch in der mündlichen Kommunikation charakteristische Merkmale anzutreffen sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.l.: Ebenen und Verbreitung der Sprachmuster im HipHop. Abbildung entnommen aus: Androutsopoulos, J. (2003), S. 114.
Rap-Texte weisen weiterhin zum Teil starke Orientierung am natürlichen Sprechen auf, wie die Dialoganlage von Texten, Aufmerksamkeitsmarker und Minimalantworten sowie Aufzeichnungen von Echtzeitgesprächen und Spracheinwürfen in Raps und dem natürlichen Sprechen angenäherte Sprachtempi bezeugen.98 Wiederkehrende Aspekte des Sprechens und der Sprache werden als wiederkehrende Arten des Denkens aufgefasst. So dass auf bestimmte Wert- und Normenvorstellungen der HipHop-Kultur geschlossen werden kann.
4.1 Das Textkorpus
Ein Nachweis aller im Korpus verwendeten Texte mit Angaben zu Interpreten, Album und Erscheinungsjahr findet sich in Anhang der Arbeit (Siehe Anhang Punkt 14.1.). Die vollständigen Texte des Korpus' sind alphabetisch geordnet. Im Fließtext werden die aus den Liedtexten entnommenen Zitate des Korpus' mit einer laufenden Nummerierung gekennzeichnet, die auch im Anhang mit den vollständigen Liedtexten zu finden sind.99 Die beiliegende CD ermöglicht das Hören der im Korpus untersuchten Rap-Stücke, so dass auch die unter Kapitel 11 aufgeführte musikalische Analyse nachvollzogen werden kann.
Das Korpus besteht aus zwanzig Songtexten, die dem Rap-Genre zugeordnet werden können. Die Texte wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt: Zunächst wurde das Korpus auf deutschsprachige Texte beschränkt, wobei besonderen Wert darauf gelegt wurde, gezielt deutsche Muttersprachler sowie Nichtmuttersprachler bei der Auswahl zu berücksichtigen, damit eine große Bandbreite von Rap-Künstler präsent ist, wie sie auch in der deutschen HipHop-Kultur anzutreffen ist. Zudem wurden zum größten Teil Stücke ausgewählt, die durch Mehrfachnennungen in Aufsätzen und wichtigen Veröffentlichungen100 auffielen und in Onlinelisten nationaler Rap-Charts vertreten waren. Weiterhin wurden gezielt Texte, die in verschiedenen Zeiträumen veröffentlicht wurden, ausgewählt, so dass gewährleistet werden kann, dass aus allen Phasen der HipHop-Kultur, von den Anfängen bis zur Gegenwart, Texte analysiert werden. Außerdem können so Kontinuitäten aufgezeigt werden.
Des Weiteren wurde darauf geachtet, dass alle Genres des Raps vertreten sind, dazu zählen der Party-Rap, der Message-Rap und der Gangsta-Rap. Ebenso wurde auf eine ausgewogene regionale Verteilung geachtet, da die Herkunft der Rapper oft deren Stil beeinflusst. Die Auswahl des empirischen Materials zielt im Allgemeinen auf die Erfassung von strukturellen Regelmäßigkeiten auf mehreren Beschreibungsebenen ab.
Ziel der Auswahl ist es, der großen Vielfalt urbaner Stile zumindest zum Teil Rechnung zu tragen, wobei das bei dem vergleichsweise kleinen Korpus nur eingeschränkt möglich ist. Die Texte selbst stammen alle aus dem Internet, von verschiedenen Online-HipHop-Textarchiven, da in den Booklets der Alben selten Verschriftlichungen derselben existieren. Die hier Vorliegenden sind also vornehmlich von HipHop-Fans verfasst. Durch den Hörvergleich mit den Songs mussten die Texte zum Teil verändert und angepasst werden.
Der Vorteil der Analyse eines vergleichsweise kleinen Korpus liegt darin, es in seiner Ganzheit erfassen und detailliert analysieren zu können. „Die Betonung kleinerer Korpusuntersuchungen liegt eher auf der Verwendungs- als auf der Systemseite von Sprache, dennoch ist nicht auszuschließen, dass einige der anzutreffende Spracherscheinungen systematische Gebrauchformeln spiegeln.“101 Zur Analyse wurden verschiedene linguistische und soziolinguistische Analysemethoden herangezogen und zu den wichtigen Aspekten der Rap-Gattung in Beziehung gesetzt.
4.2 Die Analyse
Das beschriebene Textkorpus aus zwanzig Rap-Songs wurde nach folgender Vorgehensweise untersucht: Zunächst musste eine Auswahl an Untersuchungspunkten getroffen werden, da eine vollständige linguistische Analyse im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Für die Untersuchung wurden die prägnantesten Merkmale ausgewählt und detaillierter untersucht, um die Charakteristika der deutschen HipHop-Sprache näher bestimmen zu können.
Die Auswertung der Charakteristika der HipHop-Sprache wurde auf der Grundlage der Untersuchung von Androutsopoulos Veröffentlichung „Deutsche Jugendsprache“ durchgeführt. Dieser theoretische Rahmen bietet sich an, da Androutsopoulos die umfassendste linguistische Untersuchung zum Thema Jugendsprache verfasst hat. Seine Herangehensweise entspricht in weiten Teilen der klassischen Jugendsprachforschung. Sofern es nötig ist, werden zum Teil auch andere theoretische Ansätze zur Analyse der sprachlichen Phänomene hinzugezogen. Die Untersuchung Androutsopoulos verfolgt den Anspruch die Charakteristika der Jugendsprache allgemein darzustellen. Durch ähnliche Untersuchungsschwerpunkte und methodisches Vorgehen wie in dieser Arbeit besteht die Möglichkeit die Ergebnisse aus der Untersuchung der Teilkultur HipHop mit den Untersuchungsergebnissen der Arbeit zur Jugendsprache allgemein zu vergleichen. So kann aufgezeigt werden, inwiefern die in der HipHop-Sprache enthaltenen Merkmale mit der in der allgemeinen Jugendsprache identisch sind. Androutsopoulos ist der Auffassung, dass eine linguistisch fundierte Untersuchung von typisch jugendsprachlichen Merkmalen, durchaus der richtige Weg sein kann, um den Sprachgebrauch von Jugendlichen zu erforschen.102 Die verschiedenen Charakteristika werden nach zwei Schwerpunkten untersucht. Am Anfang steht jeweils die strukturelle Analyse der einzelnen Phänomene. Allein diese sprachsystematische Untersuchung erscheint mir jedoch nicht ausreichend, da ich es für problematisch halte, bestimmte Untersuchungsergebnisse für sich stehen zu lassen, so z.B. die Verwendung des Adjektivs schwul mit seiner wertnegativen Konnotation. Daher wurde auch immer der funktionale Aspekt jedes Charakteristikums untersucht und in den Kontext der HipHop-Kultur gestellt (siehe z.B. Kapitel 6.5). So können die Ergebnisse der sprachsystematischen Untersuchung auch immer Aufschlüsse darauf geben, was in der HipHop-Kultur Geltung hat.
Bei der Untersuchung stand zunächst die quantitative Analyse der Texte im Vordergrund. Zunächst wurden sie hinsichtlich der Anzahl der Anglizismen geprüft. Dabei wurde ausgewertet, wie hoch der prozentuale Anteil der Anglizismen in den einzelnen Rap-Texten ist. Weiterhin wurde mit Hilfe von Wörterbüchern bestimmt, ob die verwendeten Anglizismen als standardsprachlich oder auf Grund der diasystemantischen Markierung als eher jugendsprachlich einzuordnen sind. Der zweite Teil ist der traditionellen Anglizismenforschung verpflichtet. Dieser besteht aus der Untersuchung der semantischen Leistung in der Nehmersprache, der Kodifizierung, die onomasiologische Gliederung nach Wortarten und die Integration der Anglizismen hinsichtlich Schreibung, Morphologie und Wortbildung. Das genaue methodische Vorgehen für die Auswertung der Anglizismen wird unter Punkt 5.2 noch einmal ausführlicher beschrieben. Auf Grundlage dieser Untersuchungsergebnisse wird versucht die Gründe der Verwendung von Anglizismen in Rap-Texten zu bestimmen.
Im Zuge des Kapitels des Wortschatzes wurden einige prägnante Wortschatzbereiche für die Analyse ausgewählt, dazu zählen Vulgarismen, Wertadjektive, konnotative Verschiebungen und soziale Kategorisierungen. Hierbei steht jedoch nicht nur die sprachsystematische Analyse im Vordergrund. Gerade bei diesem Kapitel erschien es mir von Bedeutung die Ergebnisse hinsichtlich ihrer funktionalen Aspekte zu untersuchen. Denn die fragwürdigen Inhalte die beispielsweise die Kategorisierung von Frauen vermittelt, muss in jedem Fall eingehender betrachtet werden und in den Kontext der Kultur eingebettet werden. Daher werden in dem Kapitel der „neuen Härte“ (Vgl. Kapitel 6.5) die Ergebnisse der Wortschatzanalyse mit Hilfe des geschichtlichen Hintergrundwissens der HipHop-Kultur gedeutet.
Im Kapitel der Wortbildung werden die drei Hauptwortarten hinsichtlich ihrer Wortbildungsaktivität untersucht. Ziel dabei ist es, aufzuzeigen, inwiefern die HipHopSprache besondere, von der Standardsprache unterschiedliche Wortbildungsverfahren aufweist und welche Funktion die Wortbildung in der Subkultur erfüllt.
Der vierte Abschnitt behandelt Themen, die weniger der klassischen Jugendsprachforschung verpflichtet sind, aber dennoch wichtige linguistische Aspekte der HipHop-Sprache darstellen. Dazu zählen zum einen die Metaphern, die hinsichtlich ihrer Quell- und Zieldomänen untersucht werden. Auch hier wird eine Deutung unternommen, die zeigen soll, was die Verwendung bestimmter Metaphern und Vergleiche über die Subkultur aussagen. Das Kapitel der Intertextualität soll zeigen, wie wichtig kulturspezifisches Wissen zum Verständnis und zur Deutung von Rap-Texten ist. Dazu werden exemplarisch Rap-Texte analysiert, die sich als eine Art Dialog aufeinander beziehen. An dieses Kapitel schließt sich ein Exkurs an, der die textliche Ebene zur musikalischen Gestaltung in Beziehung setzt.
5. Anglizismen in der HipHop-Kultur - -.Ihr Typen wollt deluxemäßig flown. Styles kicken wie ich?“
103 „Eins der auffälligsten Merkmale der Jugendsprache ist ihre Offenheit für prestigeträchtige Begriffe aus der Sprache ihrer Kultur, auch wenn diese in anderen Ländern entwickelt wurde.“104 Bereits seit der Studentensprache gelten Entlehnungen aus anderen Sprache als typisches Merkmal der Jugendsprachen. Anglizismen werden heute generell mit Musik und Strömungen der Jugendkultur assoziiert.
Tendenzen zur Internationalisierung unter angloamerikanischer Überdachung in Bezug auf Kultur und Sprache sind nicht ausschließlich Erscheinungen des 20. Jahrhunderts. In Deutschland kann dieses Phänomen bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden. In den 90er Jahren des 20. Jahrhundert istjedoch ein besonderer Schub zu erkennen, nicht zuletzt ist dies auf moderne Medien wie das Internet zurückzuführen.
Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland fand auch die Isolation der hiesigen Musikkultur ein Ende. Besonders die Jugendlichen hatten ein Bedürfnis an der Popkultur teilzunehmen und Swing, Jazz und Rock’n’Roll ohne eine drohende Strafverfolgung zu genießen. Die amerikanischen und britischen Besatzer reagierten schnell auf diesen Nachholbedarf und importierten englischsprachige Tonträger nach Deutschland. Über den Soldatenfunk wurde über die interessantesten Neuerscheinungen berichtet. In dieser Zeit bestimmte die englische Musikkultur den Geschmack und das Kaufverhalten der Deutschen, stärker als dies die deutschsprachige Unterhaltungsmusik vermochte. Dieser Zustand sollte viele Jahre anhalten.105
In den 90er Jahren verbesserte sich das Ansehen der deutschen Musik zusehends. Dies führte auch zu einer qualitativen Verstärkungen der Veröffentlichungen deutschsprachiger Musik. Vor allem deutschsprachige HipHop-Musiker profitieren von dem beschriebenen Wandel. HipHop entwickelte sich zu einem populären und dominierenden Popgenre. Dies ist sicherlich auch auf das angehobene sowohl musikalische als auch textliche Niveau zurückzuführen. In dieser Zeit kam es zu einem unverkrampften und unkonventionellen Umgang mit der deutschen Sprache. „Die Impulse, der deutschen Sprache in HipHop-Songtexten und HipHop-Metatexten ,den Funk beizubringen’und sie dadurch ,lockerzumachen’, gehen überwiegend von der angloamerikanischen Überdachungssprache aus.“106
Die Vielzahl von Anglizismen in deutschen Rap-Texten ist tatsächlich augenfällig. Zudem erfolgt häufig ein deutsch-englischer Sprachwechsel, der vornehmlich in den Refrains der Lieder auftritt. Zum Beispiel wird der Refrain des Liedes „Le Smou“ von den Fantastischen Vier auf Englisch gesungen, während die Strophen auf Deutsch gerappt werden. Ebenso enthält der dem Korpus zugehörige Song „Leg Dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ der Formation Freundeskreis (Txt18) einen Sprachwechsel - auch hier wird der Refrain auf Englisch gesungen, die Strophen jedoch auf Deutsch gerappt. Dieses Phänomen des Sprachwechsels ergibt sich aus den Hörgewohnheiten der deutschen Jugend:
„Die Verteilung der Sprache ergibt sich aus eingewurzelten Hörgewohnheiten. Das Englische gilt unter deutschen Popfans als melodiös und gut zum (Mit-) Singen geeignet; das Deutsche hingegen gilt als hart und gut für den Sprechgesang geeignet. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn, wie zumeist, der Refrain von einer Frau (Sängerin) und die Rappassagen von einem Mann (Rapper) vorgetragen werden.“107
Androutsopoulos kritisiert an der linguistischen Anglizismenforschung, dass nicht der Blick auf Anglizismen als Ergebnis von Kulturtransfer, das heißt, die Sprachentlehnung als Teil von Kulturentlehnung gerichtet wird.108 Welche Bedeutung Anglizismen in der HipHop-Sprache haben, deren Kultur, wie bereits beschrieben, amerikanischen Ursprungs ist, soll im folgenden Kapitel untersucht und erläutert werden.
5.1 Anglizismus - Eine Definition
Im Folgenden wird der Begriff Anglizismus insofern definiert, wie er für den weiteren Verlauf der Arbeit von Bedeutung ist. Nach Ulrich ist ein Anglizismus ein aus „dem Englischen oder Amerikanischen in eine andere Sprache übernommene Eigenheit lexikalischer (z.B. Band, Jeans), syntaktischer (z.B. ein mal mehr statt noch einmal < once more) oder idiomatischer (Lexem) Art (z.B. jemanden schneiden < geflissentlich übersehen> nach engl. To cut someone).“109
Als Anglizismen werden in der folgenden Analyse alle Entlehnungen bezeichnet, die aus der englischen und amerikanischen Sprache sowie aus dem Sprachbereich Kanada, Südafrika, Australien usw. stammen.
[...]
1 Vgl. Peter Schlobinski/ Gaby Kohl/ Irmgard Ludewigt: Jugendsprache. Fiktion und Wirklichkeit. Opladen 1993, S.37.
2 Vgl. Klaus Farin: Jugendkulturen zwischen Kommerz und Politik. Bad Tölz 1998, S. 9f.
3 Künstler: Cora E. und Marius No.1; Titel: Nur ein Teil der Kultur, Vollständiger Text siehe Anhang S.166.
4 Arno Scholz: [rep] oder [rap]? Aneignung und Umkodierung der HipHop-Kultur in Italien. In: Jannis K. Androutsopoulos, Arno Scholz (Hrsg.): Jugendsprache. Langue des jeunes. Youth language. Linguistische und soziolinguistische Perspektiven. Vario Lingua Bd. 7. Frankfurt am Main, Berlin, u.a. 1998, S.236.
5 Schlobinksi u.a. 1993, S. 41.
6 Diese Einteilung bezieht sich auf die Jugendforschung der Soziologie, die das Lebensalter Jugend in drei verschiedene Phasen einteilt: die pubertäre Jugendphase, bestehend aus 13.-18.-Jährigen, die nachpubertäre Phase, bestehend aus 18-21 Jährigen und die postadoleszente Phase vom 21. - 30. Lebensjahr.
7 Künstler: Cora E. und Marius No.1; Titel: Nur ein Teil der Kultur.
8 Stefanie Menrath: Represent what... Performativität von Identitäten im HipHop, Hamburg 2001, S.67.
9 Der Breakdance ist ein Tanz der HipHop-Kultur und kann differenziert werden in die Tanzrichtungen Electric- Boogie, der durch maschinelle, roboterartige Bewegungen gekennzeichnet ist, und Uprock, die akrobatische und spektakuläre Form des tänzerischen Scheinwettkampfs entstanden aus dem südamerikanischen Kampftanz Capoeira. Bekannt geworden ist Breakdance durch die so genannten Headspins, bei denen sich die Tänzer im Kopfstand um ihre Körperlängsachse drehen. Neuere Tanzformen sind das Clowning und das daraus resultierende Crumping. Beides zeichnet sich durch eine hohe Aggressivität und Schnelligkeit der Bewegung aller Gliedmaße aus. Auch in diesen Tanzformen spielt die Battle-Kultur eine wichtige Rolle. (Vgl. Menrath 2001; S.440 und Dietmar Elflein: Vom neuen deutschen Sprechgesang zu Oriental Hip Hop - einige Gedanken zur Geschichte von Hip Hop in der BRD. In: Annette Kreutziger-Herr und Manfred Strack (Hrsg.): Aus der neuen Welt. Streifzüge durch die amerikanische Musik des 20. Jahrhunderts. Nordamerika-Studien Bd. 8, Hamburg 1997, S.283).
10 Graffiti aus dem ital. „il graffito“ - das Gekratzte; mit Spraydose ausgeführte Zeichnungen und Schriften an den Wänden und Bahnwaggons. (Vgl. Menrath 2001, S.442.)
11 DJ ist eine Abkürzung für Discjockey und bezeichnet ursprünglich den Moderator einer Rundfunksendung, der von ihm gespielte Musik um infomative, oft witzige Wortbeiträge ergänzte. Mit der Popularisierung versch. Musikgenres rückte auch der DJ in den Mittelpunkt des Interesses. Ein zweites Wirkungsfeld des DJs sind die Diskotheken, in denen der DJ durch geschickte Auswahl der Musik die Stimmung der Tanzenden lenkt. Im HipHop legt der DJ die Platten aber nicht einfach nur auf. Er reproduziert nicht, sondern lässt durch die Kombination kleinster Sequenzen bereits bestehender Aufnahmen neue Stücke entstehen. (Vgl Menrath 2001; S. 441 und Metzlers Musiklexikon in vier Bänden. Bd. 1. Stuttgart u.a. 2005, S.702).
12 Jan Berns: „Ich geb dir gleich'n battle“ - Sprachliche Initiation innerhalb deutscher HipHop-Kultur. In: Neuland, Eva: Jugendsprachen - Spiegel der Zeit. Frankfurt am Main 2003. S.326.
13 Der Rap bezeichnet einen rhythmischen Sprechgesang im HipHop. „Rap” ist von dem englischen Verb „to rap“ abgeleitet, welches mit klopfen, schlagen oder pochen übersetzt werden kann. Die Ursprünge und Einflüsse des Rap sind vielfältig. Popkulturelle Vorläufer sind das Toasting der jamaicanischen Reggae-DJs, aber auch afroamerikanische Sprechgesangskünstler der 70er Jahre, die dem Soul zugerechnet werden. Die ältesten Traditionen führen zurück auf die aus Afrika stammende Tradition des Redewettstreits, in dem es darum geht, den Gegner möglichst originell zu brüskieren. Dieses parodistische Sprachspiel entstammt wie das Story-Telling (Geschichten erzählen) aus der mündlichen Kultur Afrikas. Seit 1870 wurde es als Bezeichnung für eine Form des Sprechens oder Unterhaltens benutzt. In Amerika wird die HipHop-Musik als Rapmusik bezeichnet, womit das sprachliche Element in den Vordergrund, die Tätigkeit des DJs in den Hintergrund gerückt wird. Der Rap hat sich ebenso aus den „black oral traditions“ entwickelt und trägt dessen Züge und Charakteristika: Kollage, Intertextualität (Bezugnahme auf andere HipHop-Stücke und Texte, die zitiert und parodiert werden), boasting (Preisen der eigenen Vorzüge), toasting (Geschichten erzählen) und sygnifying wurden in der HipHop-Kultur weiterentwickelt. Rap ist also ein Sprechakt mit verschiedenen Sprachstrategien. (Vgl. Menrath 2001; S.60; Vgl. Metzlers Musiklexikon 2005, Bd. 3 S.803; Vgl. Ulf Poschardt: DJ Culture. Discjockeys und Popkultur. 2. Auflage, Hamburg 2001, S.153/154.).
14 Berns 2003, S. 326.
15 Elflein 1997, S.284.
16 Beatboxen meint allein mit den Lippen, der Zunge, der Stimme und dem Rachen unter Zuhilfenahme der ein- bzw. ausgeatmeten Luft Beats, also Schläge, zu erzeugen. Besonders in den Anfängen des HipHop wurde das Beatboxing zur Unterstützung von Freestyle-Raps genutzt. Daher wird das Beatboxen oft als fünftes Element des HipHop angesehen. (Vgl. Sascha Verlan/Hannes Loh: HipHop. Sprechgesang: Raplyriker und Reimkrieger. Ein Arbeitsbuch. Materialien für den Unterricht. Mülheim an der Ruhr 2000.S.121.)
17 Berns 2003, S.325.
18 Vgl. Menrath 2001, S.88.
19 Menrath 2001, S.88.
20 David Toop: Rap-Attack. African rap to global hiphop 3. 3. aktual. und erweiterte Auflage. London 2000. S.39ff.
21 Vgl. Sascha Verlan: 25 Jahre HipHop in Deutschland. Höfen 2006, S. 123.
22 Das Verb dissen leitet sich vermutlich von dem engl. Nomen „disrespect“ (Deutsch = Missachtung) ab. Das Dissen ist ein Stilmittel in Rap-Texten und ein kommunikativer Akt unter Jugendlichen in dem ein realer oder fiktiver Gegner in direkter und rüder Form verbal angegriffen wird. Der Sprechakt wird zunächst als nicht wörtlich zu verstehen gerahmt. Meist zeichnet sich das Dissing durch inhaltliche Unangemessenheit der Beleidigung aus. Besonders in der HipHop-Szene ist es üblich anderen Szenemitgliedern in Raps seinen Respekt auszusprechen oder sie zu dissen. Durch Letzteres soll ihnen ihre Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Beim Dissen das schnell zu einem „Battle“ (deutsch = Kampf), also Schlagabtausch, zweier Kontrahenten werden kann, geht es darum die besseren, kreativeren und schlagfertigeren Reime und Texte zu haben um den Gegner auszustechen. (Vgl. Toop 1992; undArnulf Deppermann/ Axel Schmidt: ,Dissen’: Eine interaktive Praktikzur Verhandlung von Charakter und Status in Peer-Groups männlicher Jugendlicher. In: Joachim Gessinger/ Svenja Sachweh (Hrsg.): OBST. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie. Bd. 62. Oldenburg 2001, S. 79-99).
23 Toop, 2000, S.47ff.
24 Das Syginifying lässt sich als eine Art des „Bedeutens“ beschreiben, dessen zentrales Merkmal die versteckte Polemik darstellt. Poschardt deutet das Sygnifying folgendermaßen: „Das schwarze ,Sygnifying’ versucht, Sprache aus der Eindeutigkeit der weißen Herrschaft zu reißen und die Wörter in einen neuen Kontext zu werfen, um zu sehen, was dann noch überlebt. Sygnifying ist ein Spiel und gleichzeitig Selbstübersetzung, die über den Gewinn einer eigenen Sprache Selbstbewusstsein verschafft.“ (Ulf Poschardt: DJ Culture. Discjockeys und Popkultur. 2. Auflage. Hamburg 2001, S.101.). Der Mythos des Sygnifying Monkeys erzählt von einem Affen, der die Fremdheit der Schwarzen im weißen Sprachkörper repräsentiert. Der Affe äfft nach, verdreht Wortbedeutungen, wiederholt und nimmt die Signifikanten als Spielmaterial. Aus dieser Fremdheit heraus entwickelt sich eine eigene rege Sprachkultur.
25 Nach Karrer/Kerkhoff ein „rituelles Beleidigungsspiel“. (Wolfgang Karrer/ Ingrid Kerkhoff (Hrsg.): Rap. Hamburgu.a. 1996, S.26.)
26 Nach Karrer/Kerkhoff: „unernstes Wettbewerbsprechen“. (Karrer/Kerkhoff 1996; S.25.)
27 Das Boasting kann als verbale Anmache und verbales Imponiergehabe beschrieben werden. Beim Boasting geht es darum, dass die eigenen Qualitäten angepriesen und unter Beweis gestellt werden. (Vgl. Verlan/Loh 2000, S.121.)
28 Tricia Rose: Ein Stil, mit dem keiner klar kommt. HipHop in der postindustriellen Stadt. In: SpoKK (Hrsg.): Kursbuch JugendKultur. Stile, Szenen undldentitäten vor derJahrtausendwende. Mannheim 1997, S.145.
29 Sascha Verlan: Rap-Texte. Arbeitstexte für den Unterricht. Stuttgart 2003, S.7.
30 Vgl. Verlan 2003, S.7ff.
31 Toop 2000; S.12.
32 Breakpassagen meint die Stellen eines Liedes in denen die Melodie unterbrochen wird. Die Breakpassagen sind rein instrumental, die Beats, also der Bass und das Schlagzeug, stehen im Vordergrund.
33 Beim Scratchen wird durch rhythmisches Vorwärts und Rückwärts bewegen der Schallplatte bei aufliegender Nadel ein perkussives Geräusch erzeugt.
34 MC ist die Abkürzung für Master of Ceremony, also „Führer von Rap-Zeremonien“; ein Synonym für Rapper.
35 Verlan 2003, S.7ff.
36 Freie Improvisation von Reimen und Texten.
37 Berns 2003, S.326.
38 Vgl. Toop 1992; S.20f.
39 „Bezeichnung für eine HipHop-Party, an der Protagonisten aller Ausdrucksformen der HipHop-Kultur vertreten sind.“ Verlan/Loh, 2006, S.443.
40 Toop 2000; S.16.
41 „Bezeichnung für einen Computer, der analoge Musiksignale in digitale Daten umwandelt, die man dann selbst bearbeiten (Geschwindigkeit, Länge, Klang usw.) und als Lied- oder Melodienfragmente in ein neues Lied einsetzen kann.“ (Vgl. Sebastian Krekow/ Jens Steiner/ Mathias Taupitz (Hrsg.): Das neue HipHop Lexikon. Berlin 2003. S.464.)
42 Vgl. Menrath 2001, S.54.
43 Der Gangsta-Rap ist ein spezielles Rap-Genre und steht damit dem Party-Rap und dem Message-Rap gegenüber. Inhaltlich handeln die Raps von dem täglichen Leben, der Gewalt und Kriminalität im Ghetto. Vorgetragen zu sehr eingängigen Rhythmen. In diesem Genre geht es um die Stilisierung des eigenen - egal ob fiktiv oder wirklich - erlebten Ghettoalltags. (Vgl. Verlan/Loh 2000, S. 122).
44 Menrath 2001, S.54.
45 Silvia Schneider: Gewaltrhetorik in der Selbstrepräsentation jugendlicher HipHopper. In: Michael Charlton/ Silvia Schneider (Hrsg.): Rezeptionsforschung: Theorien und Untersuchungen zum Umgang mit Massenmedien. Opladen 1997, S. 272.
46 Menrath 2001, S.54.
47 Verlan 2003, S.12.
48 Mit dem Ausverkauf ist gemeint, dass ein HipHopper seine Ideale für kommerzielle Zwecke aufgibt. Die finanziellen Erfolge und die Popularität stehen dabei im Vordergrund.
49 Stephanie Grimm: Die Repräsentation von Männlichkeit im Rap und Punk. Tübingen 1998, S. 81.
50 Ulf Poschardt: Word up! Was kann die Sprache für den DJ? In: Peter Kemper/ Thomas Langhoff/ Ulrich Sonnenschein: „But I like it“. Jugendkultur und Popmusik. Stuttgart 1998, S.100.
51 Wolfgang Karrer: Rap als Jugendkultur zwischen Widerstand und Kommerzialisierung. In: Wolfgang Karrer/ Ingrid Kerkhoff (Hrsg.): Rap. Hamburg u.a. 1996, S.25.
52 Künstler: DJ Tomekk feat. Afrob, Flavor Flav, Grandmaster Flash Titel: 1,2,3, Rhymes Galore.
53 Der Sellout (deutsch = Ausverkauf), bedeutet, dass ein HipHopper seine Ideale verkauft. Es geht ihm dabei nur noch um den materiellen Gewinn und nicht um den HipHop an sich.
54 Verlan/Loh 2006, S.118.
55 Sebastian Krekow/ Jens Steiner: Bei uns geht einiges. Die deutsche HipHop-Szene. Berlin 2000, S.12. Staiger hält die Diskussion jedoch für unnötig. Die Fantastischen Vier hätten nie mit falschen Karten gespielt, von vorneherein machten sie den Wunsch deutlich, Popstars werden zu wollen. Wer keine HipHop-Ideale anbietet, könne auch nicht des Sell-Outs beschimpft werden.
56 Ebd. S12f.
57 Zu den Filmen, die die HipHop-Kultur aus Amerika nach Deutschland vermittelt haben, zählen vor allem Charlie Ahearns Wild Style von 1982 (Regie und Produktion: Charlie Ahearn. Embassy, 1982) und der von Harry Belafonte 1984 (Regie: Stan Latham. Produktion: H. Belafonte, D. Picker. VCL, 1984) produzierte Beat Street.
58 Verlan 2000, S.8ff.
59 Verlan 2006, S.21.
60 Das englische Wort Pimp, kann hier mit Zuhälter übersetzt werden. Viele amerikanische und später auch deutsche Rapper stilisieren sich selbst als Pimp.
61 In Deutschland besteht die Hörerschaft des sogenannten Gangsta-Rap vor allem aus männlichen, weißen Mittelschicht-Jugendlichen. Diese eifern den „wahren Gangstern“ aus New York nach, wenn sie auch nicht an deren Stelle leben möchten, so zeigen sie mit dem Kauf der CDsjedoch eine virtuelle Nähe zu ihren Idolen.(Vgl. Farin 2003.).
62 Der Mainstream bezeichnet populäre, massentaugliche Musik.
63 Vgl. Verlan 2003, S.20.
64 Jams sind Treffen von Musikern oder anderen Künstler bei denen Gruppen und Einzelakteure aus allen Teilbereichen des HipHop in Aktion treten. Die Grenzen zwischen Publikum und Künstler verschmelzen dabei.
65 Klaus Farin: Jugend(sub)kulturen heute. In: Neuland, Eva (Hrsg.:) Jugendsprache - Jugendliteratur - Jugendkultur. Interdisziplinäre Beiträge zu sprachkulturellen Ausdrucksformen Jugendlicher. Sprache - Kommuniaktion - Kultur. Soziolinguistische Beiträge, Bd.1. Frankfurt am Main 2003, S.76.
66 Schimpfwort aus dem Englischen; deutsch = Schlampe
67 Reyhan Sahin: Jugendsprache anhand der Darstellung der Jugendkultur HipHop. In: Thomas Stolz/ Cornelia Stroh, Cornelia: Possession, Quantitative Typologie und Semiotik. Georgisch, Irisch, Türkisch. Diversitas Linguarum 11. Bochum 2006, S.199.
68 Vgl. Eva Neuland (Hrsg.): Jugendsprachen - Spiegel der Zeit, Frankfurt am Main u.a. 2003, S.140f.
69 Vgl. Neuland 2003, S.135ff.
70 Ernest W.B. Hess-Lüttich: Kommunikation als ästhetisches Problem: Vorlesungen zur Angewandten Textwissenschaft. Tübingen 1984, S.303.
71 Helmut Henne: Jugend und ihre Sprache: Darstellung, Materialien, Kritik; Berlin, New York 1986.
72 Ebd. S.372.
73 Vgl. z.B. Peter Schlobinski/ Gaby Kohl/ Irmgard Ludewigt: Jugendsprache. Fiktion und Wirklichkeit. Opladen 1993, S.37.
74 Henne 1986; S.208.
75 Androutsopoulos, Jannis K.: Von fett zu fabelhaft: Jugendsprache in der Sprachbiografie. In: Joachim Gessinger/ und Svenja Sachweh (Hrsg.): OBST. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie Bd 62. Oldenburg 2001, S.55.
76 Ebd. S.55.
77 Vgl. Schlobinski/Kohl/Ludewigt. 1993, und Johannes Schwitalla: Die Vergegenwärtigung einer Gegenwelt. Sprachliche Formen der sozialen Abgrenzung einer Jugendgruppe in Vogelstang. In: Werner Kallmeyer: Kommunikation in der Stadt. Teil 1. Exemplarische Analysen des Sprachverhaltens in Mannheim. Schriften des Instituts für deutsche Sprache Bd. 4. Berlin, New York 1994, S. 467-509. und Androutsopoulos, Jannis K.:Deutsche Jugendsprache. Untersuchungen zu ihren Strukturen und Funktionen. VarioLingua Bd. 6. Frankfurt am Main u.a. 1998, S.466ff.
78 Jannis K. Androutsopoulos: Deutsche Jugendsprache. Untersuchungen zu ihren Strukturen und Funktionen. VarioLingua; Bd. 6. Frankfurt am Main u.a. 1998.
79 Androutsopoulos 2001b, S.65.
80 Henne, Helmut: Jugend und ihre Sprache. Darstellung, Materialien, Kritik; Berlin, New York 1986.
81 Oliver Freser u.a.: Musik und Sprachstile. HipHop, Heavy Metal und Hard Rock. In: Peter Schlobinski/NielsChristian Heins (Hrsg.): Jugendliche und ,ihre’ Sprache. Sprachregister, Jugendkulturen und Wertesysteme. Empirische Studien. Opladen, Wiesbaden 1998, S.63-100.
82 Lorelies Ortner: Wortschatz der Pop- und Rockmusik: Das Vokabular der Beiträge über Rock-/Popmusik in deutschen Musikzeitschriften. Schriften des Instituts für deutsche Sprache 53. Düsseldorf 1982.
83 Vgl. Karlheinz Jakob: Jugendkultur und Jugendsprache. In: Deutsche Sprache Bd. 16. Berlin 1988, S.325.
84 Toop 2000.
85 Tricia Rose: Black Noise: Rap music and black culture in contemporary America. Hannover u.a. 1994.
86 Vgl. Grimm 1998.
87 Verlan/ Loh 2006.
88 Rose 1994.
89 http://www.zeit.de/1999/28/199928.reden_hiphop_.xml?page=3 (Zugriff am 22.02.07).
90 Sahin 2006.
91 Susanne Wachau: „... nicht so verschlüsselt und verschleimt!“Über Einstellungen gegenüber Jugendsprache. In: OBST. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 41. Hannover 1989, S.92.
92 Vgl. Karlheinz Jakob: Jugendkultur und Jugendsprache. In: Deutsche Sprache Bd. 16, Berlin 1988, S.342.
93 Androutsopoulos 2001b, S.65.
94 Freser u.a. 1998, S.64.
95 Poschardt 2001, S.151.
96 Ebd. S.152.
97 Vgl.: Jannis K. Androutsopoulos: HipHop und Sprache: Vertikale Intertextualität und die drei Sphären der Popkultur. In: Androutsopoulos, Jannis K. (Hrsg.): HipHop: Globale Kultur - lokale Praktiken. Bielefeld 2003, S.111ff.
98 Vgl. Solveig Lüdtke: Globalisierung und Lokalisierung von Rapmusik am Beispiel amerikanischer und deutscher Rap-Texte. Musik und Text Bd. 2. Berlin 2007, S.51.
99 Txt1: Advanced Chemitry - Dir fehlt der Funk; Txt2: Afrob feat. Ferris MC - Reimemonster; Txt3: Azad - Samy De Bitch; Txt4: Beginner - Gustav Gans; Txt5: Blumentopf - T.O.P.F.; Txt6: Cora E. - Schlüsselkind; Txt7: Curse - Schlussstrich; Txt8: Deichkind - Evergreens; Txt9: Dendemann - Endlich Nichtschwimmer; Txt10: D-Flame - Mörderbraut; Txt11: Die Firma - Kein Ende in Sicht; Txt 12: Die Lyriker - Zeit für unseren Scheiß; Txt13: Doppelkopf- Balance; Txt14: Dynamite Deluxe - Wie jetzt; Txt 15: Eins Zwo - Ich so, er so; Txt16: Fanta 4 - Die da; Txt17: Fler - Meine Homies; Txt18: Freundeskreis - Leg Dein Ohr auf die Schiene der Geschichte; Txt19: Kool Savas - Battlekingz; Txt20: Sido - Mein Block.
100 Krekow/ Steiner 2000; Verlan/ Loh 2006.
101 Lüdtke 2007, S.54/55.
102 Androutsopoulos 1998, S.2.
103 Künstler: Dynamite Deluxe, Titel: Wie Jetzt?.
104 Matthias Hartig: Aspekte der Jugendsprache. Sozialer Wandel und der Einfluß der Jugendsprache. In: Theodor Lewandowski/ Heinz Rölleke/ Wolfgang Schemme (Hrsg.): Wirkendes Wort 3. Düsseldorf 1986, S.223. (Vgl. auch Schlobinski/Kohl/Ludewigt 1993, S.26f.).
105 Marc Lilienkamp: Angloamerikanismus und Popkultur: Untersuchungen zur Sprache in französischen, deutschen und spanischen Musikmagazinen. Bonner romanistische Arbeiten Bd. 79. Frankfurt am Main u.a. 2001, S. 373ff.
106 Ebd. S.382.
107 Ebd. S.383.
108 Vgl. Androutsopoulos 1998, S.578.
109 Winfried Ulrich: Wörterbuch Linguistische Grundbegriffe. 5., völlig neu bearbeitete Auflage. Berlin, Stuttgart 2001, S.29f.
- Citation du texte
- Anna-Maria Brinkop (Auteur), 2008, Charakteristika der HipHop-Sprache in Raptexten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131683
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