Die öffentliche Beschaffung, im englischen auch „Public Procurement“ genannt, ist für
die Versorgung mit nicht selbst erstellten, für die eigene Leistungserstellung aber benötigter
Güter zuständig. Public Procurement zeichnet sich dadurch aus, dass im Gegensatz
zur „privatwirtschaftlichen“ Beschaffung, der Käufer dem öffentlichen Sektor angehört.
Der Anteil der öffentlichen Beschaffungskosten in Deutschland beträgt ca. 11 %
des Bruttoinlandsprodukts (BIP), mit einem Volumen von etwa 260 Mrd. Euro jährlich.
Außerdem kommen ungefähr weitere 60 Mrd. Euro pro Jahr durch die Beschaffungen
der öffentlichen Unternehmen hinzu. In der EU liegt dieser Wert bei ca. 1,5 Billionen
Euro, was einem Anteil von 16 % des europäischen BIP entspricht. Im europäischen
Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld, die Werte schwanken zwischen 11 und 20 %.
Rund jeder sechste Euro des Bruttoinlandproduktes wird über das öffentliche Beschaffungswesen
ausgegeben. Eine Senkung um nur 10 % der öffentlichen Beschaffungskosten
würde bereits das Defizit im Haushalt deutlich verringern und eine Neuverschuldung
sofort abbauen. „Wir können die gesamte Neuverschuldung auf einen Schlag abbauen,
wenn wir den Einkauf um zehn Prozent günstiger machen würden “, behauptet
Axel Börsch-Supan, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats. Eine Verringerung
von jährlich 1,7 % des BIP sei realisierbar und vorerst anzustreben. Beschaffungen
werden zurzeit von ca. 30.000 öffentlichen Auftraggebern getragen. Alleine auf Bundesebene
gibt es ca. 600 verschiedene Vergabestellen. Die drei größten Beschaffungsstellen
von Dienstleistungen und Lieferungen sind das Bundesamt für Wehrtechnik und
Beschaffung (BWB), die Bundesagentur für Arbeit sowie das Beschaffungsamt des
Bundesministeriums des Inneren (BeschA BMI). Stephan Frettlöhr, sowohl Principal bei
A.T. Kearney als auch Ansprechpartner für die Organisation und Transformation in
Zentraleuropa, und Helmut Seitz von dem Lehrstuhl für Empirische Finanzwissenschaften
und Finanzpolitik an der Technischen Universität Dresden sind der Meinung, dass
das größte Einsparpotential auf der Gemeindeebene mit 2,6 Milliarden Euro zu sehen
ist.
Inhaltsverzeichnis
A. Grundlagen und Bedeutung des öffentlichen Einkaufs
B. Kritikpunkte bezüglich des Public Procurements auf nationaler Ebene
C. Das einschlägige Vergaberecht im öffentlichen Einkauf
I. Spaltung des Vergaberechts
II. Rechtsgrundsätze eines Vergabeverfahrens
D. Maßnahmen zur Kosteneinsparung durch Optimierung der öffentlichen Beschaffung
I. Bündelung von Vergabeverfahren im öffentlichen Einkauf
1. Das „7- Punkte-Programm“ (2003)
2. Zentrale Bekanntgabe von Vergabeverfahren
3. Umstellung der Vergabeverfahren auf elektronische Verfahren
a. „eProcurement“
b. Vor- und Nachteile von eProcurement
c. Rechtliche Grundlagen des eProcurements
d. Anwendung von eProcurement
a.a. Inverse Auktion
b.b. Vergaberechtliche Aspekte inverser Auktionen
a.a.a Wahrung der Vertraulichkeit der Angebote
b.b.b. Angebotsfristen
c.c.c. Angebotsverbindlichkeit
d.d.d. Vereinbarung mit dem Wettbewerbsgrundsatz
e.e.e. Zuschlagserteilung
f.f.f. Fazit zu den vergaberechtlichen Aspekten inverser Auktionen
II. Vor- und Nachteile eines gebündelten Vergabeverfahrens im öffentlichen Einkauf
III. Rechtliche Aspekte bei einer zentralen Bündelung (Einkaufskooperation)
IV. Lenkung des öffentlichen Einkaufs
V. Aufbau von Serviceeinheiten
1. Kaufhaus des Bundes
VI. Fazit
Literaturverzeichnis
A. Grundlagen und Bedeutung des öffentlichen Einkaufs
Die öffentliche Beschaffung, im englischen auch „Public Procurement“ genannt, ist für die Versorgung mit nicht selbst erstellten, für die eigene Leistungserstellung aber benötigter Güter zuständig.[1] Public Procurement zeichnet sich dadurch aus, dass im Gegensatz zur „privatwirtschaftlichen“ Beschaffung, der Käufer dem öffentlichen Sektor angehört. Der Anteil der öffentlichen Beschaffungskosten in Deutschland beträgt ca. 11 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP), mit einem Volumen von etwa 260 Mrd. Euro jährlich.[2] Außerdem kommen ungefähr weitere 60 Mrd. Euro pro Jahr durch die Beschaffungen der öffentlichen Unternehmen hinzu. In der EU liegt dieser Wert bei ca. 1,5 Billionen Euro, was einem Anteil von 16 % des europäischen BIP entspricht.[3] Im europäischen Vergleich liegt Deutschland im Mittelfeld, die Werte schwanken zwischen 11 und 20 %.[4] Rund jeder sechste Euro des Bruttoinlandproduktes wird über das öffentliche Beschaffungswesen ausgegeben.[5] Eine Senkung um nur 10 % der öffentlichen Beschaffungskosten würde bereits das Defizit im Haushalt deutlich verringern und eine Neuverschuldung sofort abbauen.[6] „Wir können die gesamte Neuverschuldung auf einen Schlag abbauen, wenn wir den Einkauf um zehn Prozent günstiger machen würden“[7], behauptet Axel Börsch-Supan, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats. Eine Verringerung von jährlich 1,7 % des BIP sei realisierbar und vorerst anzustreben. Beschaffungen werden zurzeit von ca. 30.000 öffentlichen Auftraggebern getragen.[8] Alleine auf Bundesebene gibt es ca. 600 verschiedene Vergabestellen. Die drei größten Beschaffungsstellen von Dienstleistungen und Lieferungen sind das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB), die Bundesagentur für Arbeit sowie das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Inneren (BeschA BMI).[9] Stephan Frettlöhr, sowohl Principal bei A.T. Kearney als auch Ansprechpartner für die Organisation und Transformation in Zentraleuropa, und Helmut Seitz von dem Lehrstuhl für Empirische Finanzwissenschaften und Finanzpolitik an der Technischen Universität Dresden sind der Meinung, dass das größte Einsparpotential auf der Gemeindeebene mit 2,6 Milliarden Euro zu sehen ist. Der Bund könnte jedoch ebenfalls 700 Millionen Euro und die Bundesländer 800 Millionen Euro pro Jahr einsparen.[10] Insgesamt könnten in Deutschland alleine durch die Optimierung der Vorgehensweisen im öffentlichen Einkauf über vier Milliarden Euro pro Jahr eingespart werden.[11]
B. Kritikpunkte bezüglich des Public Procurements auf nationaler Ebene
Die Wirtschaftlichkeit und die Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des öffentlichen Einkaufs sind für den Staatshaushalt und für die Wirtschaft insgesamt von größter Bedeutung. Da die finanzielle Lage des öffentlichen Einkaufs wie oben dargestellt verbesserungsfähig ist, werden die gegenwärtigen Maßnahmen und Vorgehensweisen des öffentlichen Einkaufs von mehreren Seiten stark kritisiert.
In dem Gutachten „Öffentliches Beschaffungswesen“ Nr. 2/07 verfasst von dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (Mai 2007) werden die Vorgehensweisen des öffentlichen Einkaufs diskutiert und bewertet. Hauptkritikpunkt der Berater ist die „zunehmende Befrachtung des Einkaufs mit vergabefremden Zielen“.[12] Die Verfasser gehen in dem erwähnten Gutachten zum Beispiel auf Vorgaben der Nachhaltigkeitsberücksichtigung ein. So sollen bestimmte Sozial- oder Umweltstandards berücksichtigt und eingehalten werden. Diese Zielsetzung der Nachhaltigkeit ist jedoch problematisch, da sie nicht die wichtigen Aspekte der Wirtschaftlichkeit des Einkaufs berücksichtigt. Befürchtet wird, dass betreffende Ziele und damit verbundene Kosten verschleiert werden. Demnach sei eine nachhaltige Beschaffung nur unproblematisch, wenn sie nicht mit der Wirtschaftlichkeit konkurriert. Ein Zielkonflikt sollte daher ausgeschlossen werden, da er grundsätzliche elementare Probleme aufwerfen kann. Des Weiteren üben sie Kritik an der Intransparenz des öffentlichen Einkaufs aus, in dem sie problematisieren, dass einige öffentliche Aufträge oft ohne vorhergegangene Ausschreibungen vergeben werden. Sie stellen in dem Gutachten des Weiteren dar, dass die öffentlichen Vergabestellen die Beschaffung nicht nur als reine Verwaltungsaufgabe, sondern als wesentliches Element des Handelns wahrnehmen sollen.[13] Im Gegensatz zum öffentlichen Vergabewesen hat die Privatwirtschaft die Bedeutung des Einkaufs verstanden und entsprechend reagiert. Vor allem in der Beschaffung liegen hohe Kostensenkungspotentiale, die von den öffentlichen Stellen noch nicht optimal umgesetzt werden. Zurzeit wird teilweise immer noch dezentral auf Bundesebene beschafft. So kommt es sogar vor, dass es in einer einzelnen Behörde mehrere Vergabestellen gibt. Problematisch ist außerdem, dass sich mittlerweile herausgestellt hat, dass häufig von mehreren Beschaffungsstellen unwissend parallel mehrere Verträge mit demselben Unternehmen abgeschlossen werden. Dies kann nicht dem Sinn einer dezentralen Beschaffung entsprechen.
C. Das einschlägige Vergaberecht im öffentlichen Einkauf
Öffentliche Beschaffungsstellen sind im Gegensatz zu privaten Unternehmen an das öffentliche Beschaffungsrecht gebunden. Vor allem bei der Vergabe von Aufträgen gilt es, das umfangreiche Regelwerk des Vergaberechts zu beachten.
I. Spaltung des Vergaberechts
Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge lassen sich grob zunächst zwei Konstellationen unterscheiden. Die Vergabe im EU weiten Bereich über spezielle EU-Verfahren sowie die Vergabe im nationalem Bereich mit ent- sprechenden nationalen Verfahren. Das Vergaberecht wird durch die in § 127 GWB festgesetzten Schwellenwerte in zwei Teile gespalten. Grundsätzlich unterliegen alle Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge ab Erreichen eines jeweiligen Schwellenwertes dem besonderen Vergabe- und Nachprüfungsrecht des Viertel Teils des GWB, der VfV sowie – je nach Art der Leistung – der VOF bzw. dem 2. Abschnitt von VOL/A oder VOB. Die entsprechenden Schwellenwerte aus § 127 GWB ergeben sich aus der Verordnung Nr. 1422/2007 vom Dezember 2007 und wurden mit § 2 in die Vergabeverordnung (VgV) über-nommen.[14] Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge der Bundesbehörden gilt diese in der Regel ab einer Auftragssumme von 133.000 Euro, für Liefer- und Dienstleistungsaufträge der Länder und Kommunen ab 106.000 Euro und für Bauaufträge ab 5.150.000 Euro. Oberhalb der Schwellenwerte wird eine Kaskade bzw. eine Normen-pyramide angewendet, die aus §§ 97 bis 129 GBW, Vergabeverordnung und Verdingungsordnung besteht.[15] Aufträge unterhalb dieser Schwellenwerte machen jedoch mehr als die Hälfte des Gesamtvolumens aller Beschaffungsmaßnahmen aus.[16]
II. Rechtsgrundsätze eines Vergabeverfahrens
Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Vergaberechts werden in § 97 GWB erläutert. Demnach müssen bei der öffentlichen Vergabe folgende Grundsätze zwingend eingehalten werden:
- Wettbewerbsgrundsatz
- Transparenzgebot
- Diskriminierungsverbot
- Berücksichtigung mittelständischer Interessen
- Vergabe an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen
- Grundsatz des wirtschaftlichsten Angebot
- Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren
Wer überhaupt öffentliche Auftraggeber sind definiert § 98 GWB. Außerdem werden die Voraussetzungen für das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags in § 99 GBW dargestellt. „Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, und Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen.“[17] Ausnahmen von der Anwendbarkeit europäischer Vergaberegeln sind in § 100 II GWB aufgeführt. Des Weiteren unterscheidet § 101 GWB zunächst die drei verschiedenen Ausschreibungsarten nämlich in offene Ausschreibungen, beschränkte Ausschreibung und freihändige Vergabe. Die öffentlichen Verfahren werden auch „offene Verfahren“ genannt und sind bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte anzuwenden. „Offene Verfahren sind Verfahren, in denen eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufgefordert wird.“[18] Alternativ hierzu gibt es noch die beschränkte Ausschreibung, auch „nichtoffenes Verfahren“ genannt, welche zu dem offenen Verfahren die Ausnahme darstellt. Sie ist immer dann anzuwenden, wenn das offene Verfahren etwa im Hinblick auf die Auftragssumme einen unangemessenen Aufwand verursachen würde. Bei dem Nichtoffenen Verfahren ist oberhalb der Schwellenwerte zwingend ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb voranzustellen. Die weitere Alternative ist die freihändige Vergabe, auch „Verhandlungsverfahren“ genannt. In beiden letzteren Varianten, bleibt der Kreis der Wettbewerber durch eine vorweggenommene Auswahl beschränkt. Öffentliche Ausschreibungen werden grundsätzlich mit dem Zusatz „öffentlich ausgeschrieben“ versehen, damit eine eindeutige Transparenz geschaffen wird. Im nächsten Schritt erhalten nun die Bewerber eine Leistungsbeschreibung über die angeforderten Leistungen mit dem Ziel, ein Angebot erstellen zu können. Nach Ablauf der Angebotsfrist prüfen nun die Vergabestellen, wer für den Auftrag in Frage kommt oder nicht. Das Vergabeverfahren wird dann mit Erteilung des Zuschlages beendet, es sei denn, es liegt kein zuschlagfähiges Angebot vor; dann wird die Vergabe durch Aufhebung beendet. Eine Ausschreibung auf europäischer Ebene muss immer dann erfolgen, wenn bestimmte Auftragswerte überschritten werden. Dabei sind die erwähnten Schwellenwerte zwingend zu beachten. Im nächsten Schaubild wird der Prozess bzw. die Thematik noch mal zusammenfassend dargestellt.[19]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Vergabeverfahren[20]
[...]
[1] Best Practice im Einkauf und Logistik, S. 295.
[2] EBENDA.
[3] EBENDA.
[4] EBENDA.
[5] http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/Haushalt-Steuern;art271,2355615.
[6] EBENDA.
[7] http://rsw.beck.de/rsw/shop/default.asp?docid=238746.
[8] http://www.bme.de/fileadmin/pdf/ImpulsefuerInnovationenimoeffentlichen.pdf.
[9] http://www.hochschulrechtler.de/hosting/Vergabe-Verfahren/Links/Vergabestellen/vergabestellen.html.
[10] http://www.rp-online.de/public/article/politik/deutschland/612197/Oeffentliche-Hand-verschenkt-Milliarden-beim-Einkauf.html.
[11] http://www.rp-online.de/public/article/politik/deutschland/612197/Oeffentliche-Hand-verschenkt-Milliarden-beim-Einkauf.html.
[12] http://csr-news.net/main/2007/08/27/bmwi-beirat-nachhaltigkeit-keine-aufgabe-der-offentlichen-beschaffung/.
[13] Gutachten Nr. 2/07.
[14] http://www.submission.de/news/2007/12/vergaberecht/euschwellenwerte.htm.
[15] Europäische Vorgaben und das deutsche Vergaberecht, S.28.
[16] Kartellrecht Band 2: GWB, 2006, S. 1054 Rn 28.
[17] § 99 I GWB.
[18] § 101 II GWB.
[19] http://www.evergabe-online.info/SharedDocs/Publikationen/flyer__vergaberecht,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/flyer_vergaberecht.pdf, S. 2.
[20] http://www.evergabe-online.info/SharedDocs/Publikationen/flyer__vergaberecht,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/flyer_vergaberecht.pdf., S. 2
- Arbeit zitieren
- Verena Solibieda (Autor:in), 2008, Maßnahmen zur Kostenreduzierung des öffentlichen Einkaufs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131560
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