Im Rahmen dieser Bachelorarbeit wird der Forschungsfrage nachgegangen, welchen Stellenwert die Schnellkraft im langfristigen Leistungsaufbau (LLA) für die Entwicklung der Leistungsfähigkeit im Fußball am Beispiel Sprint/Sprung aus Trainer*innensicht hat. Die Bachelorarbeit gliedert sich in zwei Teile. In Teil eins wird den Lesenden eine theoretische Einführung in die folgenden Themen gegeben: Zuerst soll ein wissenschaftlicher Rahmen zum Stellenwert der konditionellen Fähigkeit Kraft im Fußball abgesteckt werden. Der Lesende findet in diesem Teil einen allgemeinen Überblick über die konditionelle Fähigkeit Kraft und ihre Erscheinungsformen, aber auch, wie die Kraft mit Bezug auf den Fußball einzuordnen. Zusätzlich wird ein allgemeines athletisches Anforderungsprofil vorgestellt, welches alle konditionellen und koordinativen Fähigkeit, die für den Fußball relevant sind, berücksichtigt.
Des Weiteren wird auf den Einfluss der Erscheinungsform Schnellkraft für die Entwicklung der Leistungsfähigkeit im Sprint und Sprung eingegangen. Hier wird dem Lesenden der LLA, der LLA im Fußball, die Berücksichtigung sensibler Phasen im LLA, der Stellenwert der Schnellkraft sowie deren Einfluss auf die Entwicklung der Sprint- und Sprungfähigkeit im LLA nähergebracht. In Teil zwei dieser Bachelorarbeit, wird den Lesenden die Ergebnisse vorgestellt, die mittels einer qualitativen Forschung, Experteninterviews, erhoben wurden. Ein qualitativer Forschungsansatz wurde gewählt, um tiefgründige Expertenmeinungen zu gewinnen. Hierzu wurden drei Angestellte, welche im athletisch-medizinischen Bereich im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von Fortuna Düsseldorf tätig sind, interviewt. Es erfolgt eine Vorstellung und ein Vergleich der Ergebnisse. Die Ergebnisse werden dann im Anschluss mit der bereits vorhandenen Literatur im Diskussionsteil der Arbeit abgeglichen. Die Arbeit endet mit einem Fazit und einem Ausblick für zukünftige Forschungsarbeiten, die sich mit demselben bzw. einem ähnlichen Thema beschäftigen werden.
Inhalt
1. Einleitung
2. Die konditionelle Fähigkeit Kraft im Fußball
2.1 Athletisches Anforderungsprofil im Fußball
2.1.1 Die konditionelle Fähigkeit Ausdauer im Fußball
2.1.2 Die konditionelle Fähigkeit Schnelligkeit im Fußball
2.1.3 Die koordinative Fähigkeit Beweglichkeit im Fußball
2.1.4 Koordinative Fähigkeiten im Fußball
2.2 Die konditionelle Fähigkeit Kraft
2.3 Erscheinungsformen der konditionellen Fähigkeit Kraft
2.3.1 Maximalkraft
2.3.2 Schnellkraft
2.3.3 Reaktivkraft
2.3.4 Kraftausdauer
2.4 Stellenwert der konditionellen Fähigkeit Kraft im Fußball
3. Einfluss der Erscheinungsform Schnellkraft auf die Entwicklung der Sprint- und Sprungfähigkeit im langfristigen Leistungsaufbau
3.1 Langfristiger Leistungsaufbau
3.2 Sensible Phasen im langfristigen Leistungsaufbau
3.3 Langfristiger Leistungsaufbau im Fußball
3.4 Einfluss der Schnellkraft auf die Sprintfähigkeit
3.5 Einfluss der Schnellkraft auf die Sprungfähigkeit
3.6 Stellenwert der konditionellen Fähigkeit Kraft und der Erscheinungsform Schnellkraft im langfristigen Leistungsaufbau
4. Methodik
4.1 Datenerhebung und -sampling
4.2 Datenaufbereitung und -analyse
4.3 Gütekriterien
4.3.1 Intersubjektive Nachvollziehbarkeit
4.3.2 Gegenstandsangemessenheit des Forschungsprozesses
4.3.3 Prüfung von kommunikativer und explanativer Validierung
4.3.4 Triangulation/Mixed Methods
5. Ergebnisse
6. Diskussion
7. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Modell der Talentidentifikation und -entwicklung
Abbildung 2: Übersicht des Ausbildungskonzepts des DFB
Abbildung 3: Krafttrainingsempfehlung im LLA
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: durchschnittliche Laufdistanzen im Fußball
Tabelle 2: Arbeitsweisen der Muskulatur
Tabelle 3: Strukturierung der Kraft
Tabelle 4: Modell günstiger Phasen der Trainierbarkeit -sensible Phasen
Tabelle 5: Übersicht der Interviewteilnehmer
Abkürzungsverzeichnis
Langfristiger Leistungsaufbau LLA
Nachwuchsleistungszentrum NLZ
Deutscher Fußballbund DFB
Bundesinstitut für Sportwissenschaft BISp
Deutscher olympischer Sportbund DOSB
1. Einleitung
Der moderne Fußball ist von einer hohen Dynamik und Schnelligkeit des Spiels geprägt. Das immer schneller werdende Spieltempo, resultiert häufig aus den taktischen Vorgaben der Trainer*innen z.B. offensivausgerichtete Spielsysteme, wie dem Pressing oder Gegenpressing, aber auch daraus, dass die Sportwissenschaft in Teilbereichen wie z.B. der Trainingswissenschaft, Sportmedizin und Sporternährung große Fortschritte hinsichtlich wissenschaftlicher Erkenntnisse erzielen konnte, die in die Wettkampf- und Trainingssteuerung der Athlet*innen einfließen (Hottenrott & Seidel, 2017). Ein hohes Spieltempo bedeutet, dass die Leistungsstruktur im modernen Fußball durch ein immer höher werdendes Pensum von intensiven Läufen und Sprints geprägt ist. Hinzu kommen immer größer werdende Trainingsumfänge und -intensitäten und eine immer kürzer werdende Wettkampfdichte, welche zusätzlich eine hohe Belastung an leistungsorientierte Fußballspielende darstellen. Die athletischen Anforderungen im leistungsorientierten Fußball, insbesondere an die konditionellen Fähigkeiten, werden folglich immer größer (Bompa & Buzzichelli, 2015; Ferrauti, 2020). Eine optimale Fitness ist daher maßgeblich und bildet die Basis für fußballerische Höchstleistung (Ryan et al., 2018).
Als Voraussetzung sportlicher Handlungskompetenz sowie als elementare Grundlage für jede Bewegung kann die konditionelle Fähigkeit Kraft gesehen werden (Ferrauti, 2020). Dies gilt folglich auch für den Fußball. Einerseits trägt ein optimales Kraftniveau zu einer Reduzierung von Verletzungen bei, anderseits ist die konditionelle Fähigkeit Kraft ein leistungslimitierender Faktor für diverse fußballspezifische Bewegungsmuster (Schlumberger, 2006; Bompa & Buzzichelli, 2015; Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020). Zwei dieser Bewegungsmuster, bei welcher die konditionelle Fähigkeit Kraft ein leistungslimitierender Faktor ist, sind der Sprint und der Sprung (Schlumberger, 2006). Faude et al. (2012) fanden heraus, dass in 45% der Fälle ein linearer Sprint einer direkten Torsituationen vorgeschaltet ist. Auf Platz zwei lagen Sprünge mit 16 %. Auch vor assistierenden Spielaktionen, schaffte es der Sprint, mit 38%, auf Platz eins. Bei Sprint und Sprung handelt es sich um schnellkräftige Bewegungsmuster, welche von den Schnellkraftfähigkeiten des Fußballspielenden beeinflusst werden. Optimal entwickelte Schnellkraftfähigkeiten der unteren Extremitäten sind daher von hoher Bedeutung (Schlumberger, 2006). Die Entwicklung der konditionellen, aber auch koordinativen Fähigkeiten sollte bereits im Kindes- und Jugendalter beginnen, um das Fundament für eine leistungsorientierte Sportkarriere zu legen (Horn, 2010; Granacher et al., 2014). Im Leistungssport spricht man deshalb vom langfristigsten Leistungsaufbau (LLA), bei welchem es um die Entwicklung eines/einer sportlichen Anfängers/in bis zum Hochleistungssportler in einer Sportart geht (Schnabel, 2008). Auch der Stellenwert des Krafttrainings gewinnt an einer immer größer werdenden Bedeutung im LLA (Granacher et al., 2014). Bei den Trainingsansätzen bzw. der Berücksichtigung von Parametern wie z.B. dem chronologischen/biologischen Alter, sensibler Phasen, Auswahl unterschiedlicher Trainingsmethoden, Priorisierung unterschiedlicher Erscheinungsformen der konditionellen Fähigkeit Kraft im LLA etc. herrscht jedoch kein allgemeingültiger Konsens. Abgeleitet aus diesen Erkenntnissen, wird im Rahmen dieser Bachelorarbeit der Forschungsfrage nachgegangen, welchen Stellenwert die Schnellkraft im LLA für die Entwicklung der Leistungsfähigkeit im Fußball am Beispiel Sprint/Sprung aus Trainer*innensicht? Die Bachelorarbeit gliedert sich in zwei Teile. In Teil eins wird den Lesenden eine theoretische Einführung in die folgenden Themen gegeben: Zuerst soll ein wissenschaftlicher Rahmen zum Stellenwert der konditionellen Fähigkeit Kraft im Fußball abgesteckt werden. Der Lesende findet in diesem Teil einen allgemeinen Überblick über die konditionelle Fähigkeit Kraft und ihre Erscheinungsformen aber auch, wie die Kraft mit Bezug auf den Fußball einzuordnen. Zusätzlich wird ein allgemeines athletisches Anforderungsprofil vorgestellt, welches alle konditionellen und koordinativen Fähigkeit, die für den Fußball relevant sind, berücksichtigt. Des Weiteren wird auf den Einfluss der Erscheinungsform Schnellkraft für die Entwicklung der Leistungsfähigkeit im Sprint und Sprung eingegangen. Hier wird dem Lesenden der LLA, der LLA im Fußball, die Berücksichtigung sensibler Phasen im LLA, der Stellenwert der Schnellkraft sowie deren Einfluss auf die Entwicklung der Sprint- und Sprungfähigkeit im LLA nähergebracht. In Teil zwei dieser Bachelorarbeit, wird den Lesenden die Ergebnisse vorgestellt, die mittels einer qualitativen Forschung, Experteninterviews, erhoben wurden. Ein qualitativer Forschungsansatz wurde gewählt, um tiefgründige Expertenmeinungen zu gewinnen. Hierzu wurden drei Angestellte, welche im athletisch-medizinischen Bereich im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von Fortuna Düsseldorf tätig sind, interviewt. Es erfolgt eine Vorstellung und ein Vergleich der Ergebnisse. Die Ergebnisse werden dann im Anschluss mit der bereits vorhandenen Literatur im Diskussionsteil der Arbeit abgeglichen. Die Arbeit endet mit einem Fazit und einem Ausblick für zukünftige Forschungsarbeiten, die sich mit demselben bzw. einem ähnlichen Thema beschäftigen werden.
2. Die konditionelle Fähigkeit Kraft im Fußball
2.1 Athletisches Anforderungsprofil im Fußball
Ein Fußballspiel stellt eine außerordentliche Anforderung an die konditionellen- (Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit) und koordinativen Fähigkeiten (Beweglichkeit und Koordination) der Fußballspielenden dar (Steinhöfer, 2015; Bompa & Buzzichelli, 2015; Ferrauti, 2020). Von großer Bedeutung sind im modernen, leistungsorientierten Fußball besonders die Anforderungen an die konditionellen Fähigkeiten. Die taktische Ausrichtung vieler Mannschaft, welche von der Nutzung offensivausgerichteter, laufintensiver Spielsysteme geprägt ist, führt zu einem hohen Umfang an hochintensiven Läufen, Sprints und explosiven Bewegungsmustern im Fußball. Diese Leistungsanforderung, müssen Fußballspielende trotz ansteigender Ermüdung über einen Zeitraum von 90-120 Spielminuten (Meisterschaftsspiel bzw. Verlängerung bei einem Pokalspiel oder Endrundenspiel bei einem Turnier) zuzüglich Nachspielzeit, repetitiv abrufen können (Steinhöfer, 2015; Bompa & Buzzichelli, 2015; Ferrauti, 2020). Ein sehr gutes Ausprägungsniveau der konditionellen Fähigkeiten ist daher essenziell, um im leistungsorientieren Fußball zu bestehen und langfristig erfolgreich sein zu können. Demnach bildet für Ryan et al. (2018) eine optimale Fitness die Basis für fußballerische Höchstleistungen. Im Anschluss werden den Lesenden die konditionellen und koordinativen Fähigkeiten näher vorgestellt. Die konditionelle Fähigkeit Kraft wird aufgrund ihrer Bedeutung für diese Bachelorarbeit gesondert in den Kapiteln 2.2 und 2.3 vorgestellt.
2.1.1 Die konditionelle Fähigkeit Ausdauer im Fußball
Die konditionelle Fähigkeit Ausdauer, kann als Fähigkeit definiert werden, eine sportliche Belastung psychisch und physisch über einen möglichst langen Zeitraum aufrechterhalten zu können bzw. sich nach sportlichen Belastungen möglich schnell erholen zu können (Steinhöfer, 2015). Die aerobe Energiebereitstellung ist im Fußball mit 75% dominierend (Bompa & Buzzichelli, 2015; Ferrauti, 2020). Die Dominanz der aeroben Energiebereitstellung ist auf die Spielfeldgröße (105 Meter x 68 Meter) (DFB, DFB, 2016), die Gesamtlaufdistanz von 10-12 km pro Spiel sowie ein hoher Anteil von Phasen des Gehens, Joggens und Trabens zurückzuführen (Ferrauti, 2020). Charakteristisch für den Fußball sind außerdem die stetigen läuferischen Intensitätswechsel, welche zu einer azyklischen Ausdauerbelastung führen. Insbesondere den spielentscheidenden Momenten (z.B. Torabschlüsse oder Verteidigung von Torabschlüssen) sind häufig Tempoläufe und Sprints vorgeschaltet (Faude et al., 2012). Bei diesen werden hauptsächlich die anaeroben Energiesysteme benutzt (anaerob-alaktazid 2% und anaerob-laktazid 23%) (Bompa & Buzzichelli, 2015; Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020). Tabelle eins, gibt eine Übersicht über die durchschnittlichen Laufdistanzen während eines Fußballspiels. Positionsabhängige Unterschiede werden nicht berücksichtigt:
Tab 1: Durchschnittliche Laufdistanzen im Fußball (Ferrauti, 2020)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Fußball stellt eine hohe Beanspruchung an das Herz-Kreislauf-System und den Energiestoffwechsel dar. Laut Meyer et al. (2014) liegt die durchschnittliche Herzfrequenz während eines Fußballspiels bei 80-85%. Außerdem sind Belastungsspitzen von bis zu 100% der maximalen Herzfrequenz keine Seltenheit. Häufige Richtungswechsel, ein hohes Maß an Sprintwiederholungen mit nur einer geringen Pausendichte, abruptes Abstoppen sowie das permanente Be- und Entschleunigen, müssen mit Bezug auf die Ausdauerfähigkeit auch berücksichtigt werden (Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020). Eine optimal entwickelte aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit verleiht den Fußballspielenden nicht nur eine verbesserten Erholungsfähigkeit hinsichtlich des vielseitigen Ausdaueranforderungsprofil, sondern befähigt Fußballspielende dazu über die volle Spiellänge handlungs- und reaktionsschnell zu sein und die körperlichen Strapazen auch psychisch ertragen zu können (Steinhöfer, 2015).
2.1.2 Die konditionelle Fähigkeit Schnelligkeit im Fußball
Die konditionelle Fähigkeit Schnelligkeit, kann als die Fähigkeit definiert werden, zyklische und azyklische Bewegungen mit höchster Geschwindigkeit durchzuführen (Steinhöfer, 2015). Trotz eines geringen Anteils am Gesamtumfang der Laufleistungen im Fußball (nur 0,5-3%, werden in der Nettospielzeit gesprintet) wird insbesondere der lineare Sprint als leistungslimitierender Faktor gewertet (Düring, 2011; Faude et al., 2012). Wie bereits erwähnt, ist der lineare Sprint die häufigste Aktion, welche einem Torabschluss vorgeschaltet ist (Faude et al., 2012). Fußballspielende führen im Durschnitt, abhängig von der Position, 10-20 Sprints pro Spiel durch. Durchschnittlich sprinten Fußballspielende alle 90 Sek. Die zeitliche Dauer eines Sprints beträgt 2-4 Sekunden. Der Großteil der Sprintdistanzen befindet sich zwischen 5 und 20 Metern (Bisanz & Gerisch, 2008; Ferrauti, 2020). Sprünge sind nach linearen Sprints die zweithäufigste Bewegung, welcher vor einer spielentscheidenden Aktion, z.B. dem Kopfball, stattfinden (Faude et al., 2012). Bei Sprüngen ist die azyklische Schnelligkeit entscheidend. Die azyklische Schnelligkeit, findet ihren Einsatz außerdem bei schnellen Richtungswechseln. Eine hohe Leistungsfähigkeit im Bereich der zyklischen und azyklischen Schnelligkeit ist besonders wichtig, wenn man auf die offensive ausgerichteten Spielsysteme, siehe Kapitel 2.1, des modernen Fußballs eingeht. Heutzutage wird bei einem Ballverlust bei einer Vielzahl von Mannschaften bereits sofort verteidigt (Gegenpressing), das heißt, dass z.B. auch der/die Stürmer*in nach einem Ballverlust sofort wieder angreift. Schnelle Richtungswechsel und die lineare Sprintleistung, sind hier leistungslimitierend (Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020). In einem engen Zusammenhang mit der konditionellen Fähigkeit Schnelligkeit, besonders für die Bewegungsmuster Sprint und Sprung, steht die konditionelle Fähigkeit Kraft. Der Einfluss beider konditionellen Fähigkeiten auf die Sprint- und Sprungfähigkeit, wird in den Kapiteln 3.4 und 3.5 näher betrachtet.
2.1.3 Die koordinative Fähigkeit Beweglichkeit im Fußball
Die Beweglichkeit, kann als die Fähigkeit definiert werden, Bewegungen mit großen Bewegungsamplituden in den Gelenken und Gelenksystemen ausführen zu können (Steinhöfer, 2015).
Eine optimale Beweglichkeit führt zu einer verbesserten Nutzung der Bewegungsamplituden innerhalb der Gelenke und der Muskulatur. Dies kann wiederum einen positiven Einfluss auf die Bewegungsradien bei der Durchführung von fußballspezifischen Bewegungen wie z.B. Pässen, Schüssen, Flanken oder Einwürfen haben. Auch die in Kapitel 2.1.2 erwähnten Richtungswechsel, können durch eine gute Beweglichkeit positiv beeinflusst werden (Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020).
Außerdem kann eine gute Beweglichkeit und ein optimales Kraftniveau die Verletzungsgefahr bei Fußballspielenden deutlich reduzieren. In der Saison 2018/2019 verletzten sich beispielweise alle eingesetzten Fußballspieler der 1. männlichen Bundesliga 2,74 Mal (VBG, 2020). Hervorzuheben ist, dass die Mehrheit der Verletzungen im Fußball ohne Gegnereinwirkung geschehen und am häufigsten die Oberschenkelmuskulatur betreffen. 61,2 % der Oberschenkelverletzungen geschahen ohne Gegnereinwirkung in der Saison 2016/2017 (VBG, 2020). Besonders muskuläre Verkürzungen und muskuläre Dysbalancen können einen wesentlichen Einfluss auf Verletzungen haben. Eine regelmäßige Durchführung eines Beweglichkeits- und eines Krafttrainings kann daher präventiv Verletzungen entgegenwirken (Meyer et al. 2014; VBG, 2020).
2.1.4 Koordinative Fähigkeiten im Fußball
Auf sportlicher Ebene und dementsprechend auch im Fußball, ist die Koordination wie folgt zu verstehen:
„Ein Konstrukt aus sporttechnischen Fertigkeiten und allgemeinen koordinativen Fähigkeiten auf der Grundlage energetisch-konditioneller Leistungsvoraussetzungen, und zwar unter Einbeziehung der Analysatoren und Druckbedingungen. Ziel ist die Optimierung unterschiedlich spezifischer Bewegungsqualitäten“ (Steinhöfer, 2015, S. 302).
Die Sportart Fußball beinhaltet sehr viele unterschiedliche zyklische und azyklische Bewegungsmuster ohne das Spielgerät (Fußball), welche bereits koordinativ anspruchsvoll sind, z.B. Sprint und Sprung. Techniken, bei welchen das Spielgerät (Fußball), Einsatz findet, wie z. B. Passen, Schießen, Ballannahme, Ballmitnahme, Ballkontrolle (Dribbling), Kopfballspiel, Lauftechnik etc. erhöhen, werden als technische Fertigkeiten beschrieben und erhöhen die koordinativen und technischen Anforderungen des Fußballs zusätzlich. Auch die Höhe der Spielklasse und das damit einhergehende, höhere Spieltempo, kann noch einmal die koordinativen Anforderungen weiter steigern (Ferrauti, 2020). Dasselbe gilt für unterschiedliche Witterungsbedingungen bzw. Rahmenbedingungen (Qualität bzw. Beschaffenheit des Spielplatzes) (Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020). Um die zuvor beschriebenen technischen Fertigkeiten zu erwerben, bilden gut ausgeprägte allgemeine koordinative Fähigkeiten die Basis.
Die allgemeinen koordinativen Fähigkeiten werden in sieben unterschiedliche Fähigkeiten unterteilt. Diese sieben unterschiedlichen Fähigkeiten, werden nachfolgend anhand von Beispielen aus dem Fußball erklärt (Ferrauti, 2020):
- Kopplungsfähigkeit: beschreibt die Kopplung von Bewegungsabläufen. Beispielsweise vor einem Freistoß läuft der Schütze an, stoppt ab und schießt den Ball erst als letzte Bewegungsaktion.
- Differenzierungsfähigkeit: beschreibt die präzise Durchführung von Bewegungen mit unterschiedlicher Intensität. Im Fußball wird die Differenzierungsfähigkeit auch als Ballgefühl beschrieben. Hierzu gehört das Passen, Schießen oder Flanken mit unterschiedlichem Druck.
- Gleichgewichtsfähigkeit: beschreibt die Gleichgewichtskontrolle des eigenen Körpers nach z.B. einer Landung eines Kopfballs.
- Orientierungsfähigkeit: beschreibt die Orientierung im Raum. Im Fußball wäre der Raum das Spielfeld. Die Sinneswahrnehmung, hilft den Fußballspielenden präzise einschätzen zu können, wo sie sich selbst, ihre Mitspieler*innen, ihre Gegner*innen und der Ball befinden.
- Rhythmisierungsfähigkeit: ist die Fähigkeit, beispielweise bei einem Strafstoß, einen genauen Anlaufrhythmus zu haben, um den Ball präzise zu treffen.
- Umstellungsfähigkeit: stellt die Fähigkeit dar, Handlungsabläufe situativ anzupassen. Beispiel: aus der freilaufenden Bewegung, bekommt ein Spieler, einen Pass zugespielt, welchen er annehmen muss, um ihn dann weiterzuverarbeiten, z. B. Mitnahme, weiterer Pass, Schuss etc.
2.2 Die konditionelle Fähigkeit Kraft
Steinhöfer (2015, S. 66) definiert die konditionelle Fähigkeit Kraft wie folgt:
„Kraft ist die Fähigkeit des Nerv-Muskelsystems, durch Innervations- und Stoffwechselprozesse Muskelkontraktionen mit mehr als 30 Prozent des spezifischen Kraftmaximums durchzuführen und dabei Widerstände zu überwinden, ihnen nachzugehen oder sie zu halten“.
Steinhöfer (2015) begründet die Angabe von 30 Prozent des spezifischen Kraftmaximums mit der Abgrenzung von anderen konditionellen Fähigkeiten wie z.B. der Ausdauer oder der Schnelligkeit. Die Muskulatur weist drei unterschiedliche Arbeitsweisen auf, welche in Tabelle zwei aufgelistet sind und anhand von Bewegungsbeispielen aus dem Fußball erklärt werden:
Tab 2: Arbeitsweisen der Muskulatur (Steinhöfer, 2015)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Für Ferrauti (2020) ist die Kraft eine elementare Grundlage für jede Bewegung des Menschen und folglich eine fundamentale Basis für sportliche Handlungskompetenzen. Daraus ist abzuleiten, dass die Realisierung sportlicher Leistungen ein Mindestmaß an motorischer Kraft vorauszusetzen ist (Steinhöfer,2015; Hottenrott & Seidel, 2017; Ferrauti, 2020). Dieses Mindestmaß an motorischer Kraft ist abhängig von der Sportart und der jeweiligen Spielposition in der jeweiligen Sportart. Kraftfähigkeiten sind also sportartspezifisch. Folglich sprechen sich Steinhöfer (2015), Hottenrott & Seidel (2017) und Ferrauti (2020) alle für die Berücksichtigung der sportartspezifischen Anforderungen im Training aus. Laut Ferrauti (2020), sollten im Leistungssport die übergeordneten Ziele des Krafttrainings die Steigerung der sportspezifischen Leistungsfähigkeit, eine verbesserte Verletzungsprophylaxe und eine verbesserte Rehabilitation sein. Auf die Bedeutung der konditionellen Fähigkeit Kraft für den Fußball, wird in Kapitel 2.4 eingegangen.
2.3 Erscheinungsformen der konditionellen Fähigkeit Kraft
Die konditionelle Fähigkeit Kraft, wird klassisch in drei, mittlerweile aber in vier Erscheinungsformen unterteilt. Die vierte Erscheinungsform, die Reaktivkraft, wurde in der Vergangenheit häufig als eine Spezialform der Schnellkraftfähigkeit, mittlerweile aber als gesonderte Erscheinungsform gesehen (Ehlenz et al., 1998; Steinhöfer, 2015; Hottenrott & Seidel, 2017).
Die Maximalkraft spielt hinsichtlich der Erscheinungsformen eine übergeordnete Rolle. Als Basisfähigkeit, hat sie einen Einfluss auf den Ausprägungsgrad aller anderen Erscheinungsformen der motorischen Kraft (Bompa & Buzzichelli, 2015; Steinhöfer, 2015; Hottenrott & Seidel, 2017). Tabelle drei gibt eine Übersicht über die Strukturierung der Kraft.
Tab 3: Strukturierung der Kraft (Ehlenz et al., 1998)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3.1 Maximalkraft
Laut Steinhöfer (2015) ist die Maximalkraft die höchstmögliche Kraft, welche das neuromuskuläre System bei maximaler willkürlicher Kontraktion ausüben kann. Hottenrott & Seidel (2017) definieren die Maximalkraft als jene, die bei höchster willkürlicher Anstrengung entwickelt werden kann. Die erläuterten Arbeitsweisen der Muskulatur in Kapitel 2.2 haben einen erheblichen Einfluss auf die Höhe der Maximalkraft. Beispielweise, ist in der exzentrischen Arbeitsweise die Maximalkraft am höchsten. Hierauf folgen die statische und die konzentrische Arbeitsweise der Muskulatur (Bompa & Buzzichelli, 2015).
2.3.2 Schnellkraft
Hottenrott & Seidel (2017) definieren die Schnellkraft als die Fähigkeit, Bewegungswiderstände mit maximaler Geschwindigkeit (Kontraktionsgeschwindigkeit der eingesetzten Muskulatur) zu überwinden bzw. einen möglichst hohen Kraftstoß zu erteilen. Beispielweise, kann dies das eigene Körpergewicht sein, wie bei einem Sprung oder einem Sprint oder die Beschleunigung des Spielgerätes (Fußball). Die Schnellkraft muss in zwei untergeordnete Komponenten unterteilt werden. Die Startkraft, bildet die ersten 30 ms, also den Kraftanstieg zu Beginn der Kraftentfaltung ab. Hierauf folgt die Explosivkraft, welche den höchsten Kraftanstieg pro Zeiteinheit angibt. Die Schnellkraft, gibt dann den Kraftanstieg bis zum Erreichen des Kraftmaximums an (Steinhöfer, 2015).
2.3.3 Reaktivkraft
Die Reaktivkraft kann als Muskelleistung beschrieben werden, welche innerhalb eines Dehnungs-Verkürzungszyklus (DVZ) einen erhöhten Kraftstoß gegenüber einer ausschließlich konzentrischen Arbeitsweise erzeugt (Steinhöfer, 2015; Hottenrott & Seidel, 2017). Bei einem DVZ schließt sich einer exzentrischen Bewegung sofort eine konzentrische Bewegung an. Hierbei wird zwischen dem kurzen DVZ (<200 ms Bodenkontaktzeit) und dem langen DVZ (>200 ms Bodenkontaktzeit) unterschieden. Laut Hottenrott & Seidel (2017), spricht man nur von einem wirklichen Reaktivkraftverhalten, wenn die Kraft innerhalb des kurzen DVZ generiert wird. (Steinhöfer (2015) beschreibt ein reaktives Kraftverhalten als hohe Kraftleistungen in der exzentrischen und konzentrischen Phase der Kraftentfaltung. Werden die zeitlichen Bedingungen zwischen Dehnung und Verkürzung geringgehalten, so können die exzentrische und konzentrische Kraftentfaltung höher sein als bei Bewegungen ohne exzentrische Vordehnungsphase.
2.3.4 Kraftausdauer
Bei der Definition der Kraftausdauer, ist es noch einmal essenziell hervorzuheben, dass nur ein Krafteinsatz bzw. die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, Kraftstöße von mehr als 30 Prozent (siehe Kapitel 2.2) der individuellen Maximalkraft innerhalb eines vorgebenden Zeitraums wiederholen zu können als Kraftausdauer definiert werden können. Liegen die Werte unter 30 Prozent, so sind häufig andere konditionelle Fähigkeiten dominant (z. B. Ausdauer oder Schnelligkeit). Bei der Kraftausdauerfähigkeit geht es außerdem um die Ermüdungswiderstandsfähigkeit der Muskulatur, d.h. Kraftleistung im möglichst hohen Maße, also repetitiv, aufrechterhalten zu können (Wirth et al., 2012; Steinhöfer 2015).
2.4 Stellenwert der konditionellen Fähigkeit Kraft im Fußball
Mit Blick auf die Aussage von Ferrauti (2020), dass die konditionelle Fähigkeit Kraft eine elementare Grundlage für jede Bewegung des Menschen und folglich eine fundamentale Basis für sportliche Handlungskompetenzen sind, wird ersichtlich, dass dies dementsprechend auch für den Fußball gelten muss. Im Fußball setzten sich die sportartspezifischen Bewegungen aus z.B. körperbetonten Zweikämpfen oder Kopfballduellen zusammen, bei welchen Fußballspielende um den Ball konkurrieren. Ein hohes individuelles Maximalkraftniveau ist hier von Vorteil (Steinhöfer, 2015). Des Weiteren kommen insbesondere beschleunigende und abbremsende Krafteinsätze hinzu. Hier spielt vor allem die Ausprägung der individuellen konzentrischen und exzentrischen Maximalkraft (siehe Kapitel 2.3.1) als Basisfähigkeit eine bedeutsame Rolle. Beschleunigende Krafteinsätze (konzentrisch) finden sich besonders in Antritten bzw. Sprints und Sprüngen wieder. Abbremsende Krafteinsätze (exzentrisch) hingegen bei Richtungswechseln, bei abrupten Stopps oder in der Abfangphase nach einem Sprung (Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020). Auf die Bedeutsamkeit von Sprints und Sprüngen im Fußball sowie den Einfluss der Schnellkraft auf diese, wird ausführlich in Kapitel 3.4 und 3.5 eingegangen. Positionsübergreifend ist für alle Fußballspielende dementsprechend ein hohes Maß an Maximalkraft als Basisfähigkeit wichtig. Schlumberger (2006), verweist auf die enorme Bedeutung der Maximalkraft in den unteren Extremitäten, insbesondere in der Beinstreckerkette, für Fußballspielende. Diese Aussage, wird auch von Düring (2011), Steinhöfer (2015) und Ferrauti (2020) gestützt. Düring (2011), hebt zusätzlich die Wichtigkeit einer hohen Qualität der Rumpfmuskulatur hervor und begründet dies mit einer größeren Leistungsfähigkeit im hohen Sprintbereich. Positionsspezifisch betont, Ferrauti (2020), die Wichtigkeit eines hohen Maximalkraftniveaus bei Torhüter*innen, Innenverteidiger*innen und Offensivspieler*innen, die besonders in 1-gegen-1 Situationen von ihren individuellen Kraftfähigkeiten profitieren können. Neben der Wichtigkeit mit Bezug auf das Belastungsprofil im Fußball, spielt die Kraftfähigkeit der Fußballspielenden auch eine wichtige Rolle bei der Verletzungsprophylaxe. Düring (2011) und Faude et al. (2012), attestieren einer gut ausgeprägten und ausgeglichenen Kraftfähigkeit bzw. Muskulatur, den Abbau von Dysbalancen und die Reduzierung von Verletzungen.
3. Einfluss der Erscheinungsform Schnellkraft auf die Entwicklung der Sprint- und Sprungfähigkeit im langfristigen Leistungsaufbau
3.1 Langfristiger Leistungsaufbau
Im Leistungssport wird der LLA als systematischer Aufbau der sportlichen Leistung definiert. Hierbei geht es um den Prozess, den LLA in mehreren Etappen und Phasen zu gestalten, so dass sich ein/eine sportlicher/sportliche Anfänger*in bis zum/zur Hochleistungssportler*in in einer Sportart entwickeln kann (Schnabel, 2008). Diese Definition ist kongruent mit der übergreifenden Zielstellung des deutschen Nachwuchsleistungssports - Internationale Erfolge im Hochleistungsalter müssen systematisch vorbereitet werden, um an der Weltspitze konkurrenzfähig zu bleiben (Richartz et al., 2014).
Das Nachwuchsleistungskonzept des deutschen olympischen Sportbundes (DOSB), unterscheidet zwischen folgenden Ausbildungsetappen im LLA. Abbildung eins, gibt zusätzlich eine visuelle Gesamtübersicht (Hottenrott & Seidel, 2017):
- Allgemeine Grundlagenausbildung (AGA)
- Schwerpunkt: allgemeine Bewegungsförderung und Vorbereitung auf ein leistungsorientiertes Training
- Grundlagentraining (GLT)
- Schwerpunkt: vielseitige athletische Ausbildung mit dem Schwerpunkt Abwechslung und Spiel, Ausbildung der koordinativen Fähigkeiten und erster technischer Fertigkeiten
- Aufbautraining (ABT)
- Schwerpunkt: zielgerichtete sportartspezifische Ausbildung (Anfangsspezialisierung), Steigerung des Techniktrainings, Steigerung der energetisch-konditionellen Leistungsvoraussetzungen
- Anschlusstraining (AST)
- Schwerpunkt: Ausbildung hoher psycho-physischer Belastbarkeit, Zunehmende Spezialisierung auf eine Disziplin der Sportart
- Hochleistungstraining (HLT)
- Schwerpunkt: höchstmöglicher Ausprägungsgrad der individuellen sportartspezifischen Leistungsfähigkeit, Ziel höchstmöglicher Wettkampferfolge
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1. Modell der Talentidentifikation und -entwicklung (Hoffmann et al. 2013).
Schnabel (2008), unterteilt den LLA in das Nachwuchstraining, in welche das Grundlagentraining, Aufbautraining und Anschlusstraining fallen. Das Hochleistungstraining findet in der Mehrheit der Sportarten im Erwachsenenalter statt (Hottenrott & Seidel, 2017):
Schnabel (2008) hebt drei wesentliche Punkte hervor, welche das Nachwuchstraining vom Hochleistungstraining im Erwachsenenalter unterscheiden:
- hat einen perspektivischen Charakter
- sollte nur die Aufgaben und Inhalte der jeweiligen Ausbildungsetappe als Ziel haben
- gilt als Basis. Leistungsvoraussetzungen sollen geschaffen werden, um darauf aufbauende Trainingsziele zu erreichen
Außerdem muss betont werden, dass die zeitliche Länge der einzelnen Ausbildungsetappen im LLA in unterschiedlichen Sportarten variieren können. Dies gilt auch für den Einstieg in das leistungsorientierte Nachwuchsleistungstraining. Im Geräteturnen beginnt das Grundlagentraining (GLT) bereits mit 6/7-10 Jahren, im Fußball mit 7 Jahren und im Gewichtheben z. B. erst mit 13/14 Jahren (DFB, 2014; Hottenrott & Seidel, 2017).
3.2 Sensible Phasen im langfristigen Leistungsaufbau
Blickt man auf das Nachwuchstraining im LLA, so spielen insbesondere in diesen Etappen die sogenannten sensiblen Phasen eine besondere Rolle. Das Modell der sensiblen Phasen zeigt auf, dass eine höhere motorische Plastizität in bestimmten Altersabschnitten besteht als zu anderen Zeitpunkten. Dies gilt für beide Geschlechter. Daraus resultiert eine verbesserte Trainierbarkeit der konditionellen und koordinativen Fähig- und Fertigkeiten (Schnabel, 2008; Hottenrott & Seidel, 2017). Tabelle vier stellt exemplarisch eine Übersicht eines Modells sensibler Phasen der Trainerbarkeit nach Martin et al. (1999) dar:
Tab. 4. Modell günstiger Phasen der Trainierbarkeit -sensible Phasen (Martin et al.,1999)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Schnabel (2008) und Hottenrott & Seidel (2017) sprechen sich für die Bedeutsamkeit der Nutzung von Modellen sensibler Phasen aus. Laut Schnabel (2008), können hierdurch Entwicklungspotenzen umfangreicher herausgebildet werden. Konträr dazu, erwähnt Schnabel (2008) aber auch, dass sensible Phasen nicht schicksalhaft die Leistungsentwicklung bedingen, sondern das mit einem höheren Leistungsaufwand außerhalb der jeweiligen Phasen ähnliche Ergebnisse erzielt werden können. Bei der Verwendung Modelle sensibler Phasen sollten laut Hottenrott & Seidel (2017) außerdem Faktoren wie z.B. die Genetik, das Geschlecht und der biologische Reifegrad der Athletinnen und Athleten berücksichtigt werden.
3.3 Langfristiger Leistungsaufbau im Fußball
Bezugnehmend auf die Ausbildungsetappen im LLA, siehe Kapitel 3.1, sowie die sensiblen Phasen, siehe Kapitel 3.2, hat der Deutsche Fußballbund (DFB) eine eigene Ausbildungskonzeption für den deutschen Fußball entworfen. Auch in dieser Ausbildungskonzeption geht es wie im allgemeinen LLA, siehe Kapitel 3.1 (Abb. 1), um den systematischen Aufbau der sportlichen Leistung - vom sportlichen Anfang bis zur sportlichen Höchstleistung. Die komplette Ausbildungskonzeption ist in Abbildung zwei zusehen. Die Ausbildungskonzeption des DFB, soll als sportliche Orientierungshilfe für Verbände, Vereine, Trainierinnen und Trainer im deutschen Fußball dienen (DFB, 2014).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2. Übersicht des Ausbildungskonzepts des DFB (DFB, 2014)
Die Ausbildungsstufe eins in der Ausbildungskonzeption des DFB, spiegelt das allgemeine Grundlagentraining wider. Die Ausbildungsstufe zwei das reguläre Grundlagentraining. Die Ausbildungsstufen drei und vier bilden das Aufbautraining ab. Nach Stufe vier endet das Nachwuchstraining bzw. befinden sich die leistungsorientieren Jugendlichen, welche einem Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) angehören, in der Übergangsphase in den Seniorenbereich. Ab der Ausbildungsstufe fünf, welche die Etappe des Anschlusstrainings darstellt, befinden sich die leistungsorientierten Fußballspielenden entweder in der U21/23 oder bereits in der Lizenzmannschaft (DFB, 2014). Hier knüpfen die Ausbildungsstufen sechs und sieben an, welche das Hochleistungstraining für Fußballspielende darstellen sowie den finalen Teil des gesamten LLA, mit dem Ziel Hochleistungssportler*in zu werden (vergleiche Ausbildungsetappen des DOSB in Kapitel 3.1).
3.4 Einfluss der Schnellkraft auf die Sprintfähigkeit
Fußball ist eine Sportart, welche von schnellkräftigen Bewegungsabläufen dominiert wird (Schlumberger, 2006; Düring, 2011; Bompa & Buzzichelli, 2015; Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020). Neben schnellkräftigen, fußballspezifischen Bewegungen wie z.B. Schüssen, Tacklings, Dribblings etc. ist vor allem die lineare Sprintfähigkeit aber auch die Richtungswechselfähigkeit beim Sprint von großer Bedeutung (Faude et al., 2012; Steinhöfer, 2015). Die Sprintfähigkeit setzt sich zu einem aus der konditionellen Fähigkeit Schnelligkeit und zum anderen aus der konditionellen Fähigkeit Kraft zusammen. Die konditionelle Fähigkeit Schnelligkeit, wird in die zyklische und azyklische Bewegungsschnelligkeit eingeteilt. Die zyklische Schnelligkeit beschreibt den Ablauf gleicher, hintereinander folgender Bewegungen des gesamten Körpers oder einzelner Körperteile (Steinhöfer, 2015; Hottenrott & Seidel, 2017). Im Fußball zeigt sich die zyklische Schnelligkeit beim linearen Sprint bzw. der linearen Sprintfähigkeit. Fußballspielende führen im Durschnitt, abhängig von der Position, pro Spiel ca. 10-20 Sprints durch (Bisanz & Gerisch, 2008). Die azyklische Schnelligkeit beinhaltet, u.a. multidirektionale Sprints, z.B. der Richtungswechsel beim Sprint. Fußballspielende, führen pro Spiel im Durchschnitt 50 schnelle Richtungswechsel aus (Wisloff et al., 2004). Die Sprintfähigkeit ist im Fußball von großer Bedeutung und gilt als einer der leistungslimitierenden Faktoren (Schlumberger, 2006; Düring, 2011; Bompa & Buzzichelli, 2015; Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020). Fußballspielende, absolvieren im Durchschnitt alle 90 Sekunden einen Sprint zwischen 2-4 Sekunden. Auf die gesamte Spiellänge eines Fußballspiels gerechnet, werden ausschließlich 0,5-3% im Sprint zurücklegt. Dies entspricht ca. 1-11% der zurückgelegten Gesamtdistanz. Hervorzuheben ist jedoch, dass genau in diesen Phasen die Mehrheit der spielentscheidenden Momente stattfinden. Dazu gehören z.B. Torabschlüsse, Balleroberungen, gewonnene Laufduelle etc. (Schlumberger, 2006; Bompa & Buzzichelli, 2015; Düring, 2011). Der lineare Sprint ist z.B. die häufigste Aktion bevor einem Torabschluss (Faude et al., 2012). Sprintdistanzen von Fußballspielenden können bis zu 30 Meter aufweisen, jedoch sind 49% aller Sprints 10 Meter oder kürzer (Stolen et al. 2012). Für Fußballspielende ist dementsprechend ein Training der Antrittsschnelligkeit, des Beschleunigungsvermögen (bis 20 Meter) und der maximalen Sprintschnelligkeit (bis 50 Meter) sinnvoll (Ferrauti, 2020). Hier kommt die Bedeutsamkeit der konditionellen Fähigkeit Kraft und ihrer unterschiedlichen Erscheinungsformen zum Vorschein. Die Maximalkraft fungiert auch beim Sprint als Basisfähigkeit, d.h. ein hohes Maximalkraftniveau bei Fußballspielenden stellt einen positiven Transfereffekt auf den Ausprägungsgrad der Sprintfähigkeit dar (Schlumberger, 2006; Düring, 2011; Bompa & Buzzichelli, 2015; Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020). Durch eine stärkeres Kraftniveau in den unteren Extremitäten, kann eine höhere Bodenreaktionskraft, ein stärkerer Impuls und eine höhere Rate der Kraftentwicklung bei jedem Fußaufsatz erzeugt werden (Steinhöfer, 2015). Da Fußballspielende im leistungsorientierten Wettkampf nahezu ausschließlich mit Spielsituationen, welche zeitliche Einschränkungen aufweisen, konfrontiert sind, führt dies, unter anderem, zu der Annahme, dass es für Fußballspielende bedeutsam ist, schnell Kraft generieren zu können (Schnellkraft). Die im Anschluss vorgestellten Studien, sollen deshalb einen Aufschluss über den Einfluss der Schnellkraft auf die Sprintfähigkeit geben.
In der Studie mit dem Titel: „Straight sprinting is the most frequent action in goal situations in professional football“, untersuchten Faude et al. (2012) den Einfluss der Schnelligkeit und Schnellkraftfähigkeiten bei Torsituationen im Fußball. In der zweiten Hälfte der Saison 2007/2008 wurden 360 Tore der ersten Bundesliga (männlich) visuell untersucht. Analysiert wurden assistierende und direkte Torsituationen. Die Untersuchungskriterien wurden wie folgt unterteilt: keine schnellkräftige Aktion, Rotation des Körpers, linearer Sprint, Richtungswechsel Sprint, Sprung oder eine Kombination aus den unterschiedlichen Kriterien. Faude et al. (2012) kamen zu folgenden Ergebnissen: 83% aller assistierenden und direkte Torsituationen war eine schnellkräftige Aktion vorgeschaltet. Vor den direkten Torsituationen erfolgte am häufigsten ein linearer Sprints 45%, gefolgt von Sprüngen mit 16%. Sprints, mit 38%, waren auch bei den assistierenden Spielern am häufigsten zu beobachten. Faude et al. (2012) schließen daraus, dass der lineare Sprint die häufigste Situation vor Torsituationen ist und deshalb das Training der Schnellkraftfähigkeiten und zyklischen Schnelligkeit einen hohen Stellenwert in der Leistungsdiagnostik und im Training einnehmen sollte.
In einer weiteren Studie von Behm et al. (2017) mit dem Titel: „Effectiveness of traditional strength vs. power training on muscle strength, power and speed with youth: a systematic review and meta-analysis“, verglichen Behm und Kollegen (2017) die Effizienz eines herkömmlichen Krafttrainings (mit dem eigenen Körpergewicht oder mit Zusatzgewichten) mit einem Schnellkrafttraining (reaktive Sprünge). Behm et al. (2017) verglichen 107 Einzelstudien, welche die Wirkung der unterschiedlichen Krafttrainingsmethoden auf die Geschwindigkeit beim Sprinten (Schnelligkeitsleistung), die Sprungkraft (Schnellkraftleistung) und das Einer-Wiederholungsmaximum der unteren Extremitäten (Maximalkraftleistung) der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen untersuchte. Die männlichen Teilnehmer waren zwischen 11 und 14 Jahre alt. Behm et al. (2017) gingen davon aus, dass in der Theorie aufgrund ihrer Spezifik ein Schnellkrafttraining (reaktive Sprünge) die Sprunghöhe und die Sprintgeschwindigkeit eher verbessert als ein herkömmliches Widerstandstraining. Ein herkömmliches Widerstandstraining hingegen soll eher die Maximalkraft und die generelle physische Kapazität verbessern. Behm et al. (2017) kamen zu folgenden Ergebnissen: Die Teilnehmer konnte ihre Sprunghöhe durch ein spezifisches Schnellkrafttraining (reaktive Sprünge) und die Maximalkraft (Einer-Wiederholungsmaximum) durch ein klassisches Widerstandstraining verbessern. Entgegen der Annahme beeinflusst nicht ein Schnellkrafttraining, sondern ein Widerstandstraining den Sprint positiv. Behm et al. (2017) nehmen an, dass bei Kindern und Jugendlichen weder die exzentrische noch die konzentrische Kraft und die Gleichgewichtsfähigkeit vollständig ausgeprägt sind, welche beim Sprint mit seinem einseitigen Abstoßen und Landen unabdinglich sind. Außerdem heben Behm et al. (2017) hervor, dass ein Widerstandstraining einen positiveren Effekt auf die Sprunghöhe, die Geschwindigkeit beim Sprinten und die Maximalkraft der unteren Extremitäten hat. Als praktische Trainingsintervention empfehlen Behm et al. (2017) zunächst die Durchführung eines herkömmlichen Widerstandstraining, mit dem Ziel einer Vergrößerung des Muskelquerschnitts und Verbesserung der Muskelrekrutierung, welche als Basis für die Entwicklung der Schnellkraftfähigkeiten dienen soll. Das Schnellkrafttraining soll also auf dem Widerstandstraining zur Verbesserung der Maximalkraft aufbauen. Die Maximalkraft wird hier wieder als Basisfähigkeit zur Entwicklung der anderen Erscheinungsformen der Kraft gesehen (siehe Kapitel 2.3). Auch sollte ein begleitendes Training der Gleichgewichtsfähigkeit und der Körperhaltungskontrolle eingeführt werden, da es die Kraft, Schnellkraft und die Bewegungsgeschwindigkeit positiv beeinflusst. Behm et al. (2017), sprechen sich final für einen vielfältigen Gesamttrainingsplan aus, bei welchem alle Trainingsmethoden berücksichtigt werden und speziell diejenigen Muskelgruppen trainiert werden sollen, in denen strukturelle und funktionelle Anpassungen erzielt werden sollen, d.h. primär untere Extremitäten und Rumpf.
Hoppe et al. (2020) führten eine Studie mit dem Titel: „Contrary to endurance, power associated capacities differ between different aged and starting-nonstarting elite junior soccer players“, durch. An der Studie nahmen 92 männliche Elitenachwuchsspieler, welche in den folgenden Ligen eingesetzt werden, teil: B- und A-Junioren Bundesliga, Lizenzbereich 1-4 deutsche Liga. Die Teilnehmer der Studien waren zwischen 16 und 21 Jahre alt. Die Studie von Hoppe et al. (2020) untersuchte den Unterschied der Schnellkraft abhängig vom Alter sowie zwischen Einwechselspielern und Spielern der Startelf. Eine Leistungsdiagnostik, bei welcher Sprungtests (Squat-Jump und Counter-Movement-Jump), ein linearer Sprinttest über 30 Meter, Bankdrücken (1-Wiederholungsmaximum, Kraftausdauertestung des Rumpfes sowie die Ermittlung der aeroben Ausdauerfähigkeit mittels Laufbandtestung, wurde mit den Teilnehmern der Studie durchgeführt. Zusätzlich wurden alle Spieler vermessen (Größe und Gewicht). Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Startelfspieler mehr hochintensive Aktionen im Spiel haben als Einwechselspieler. Außerdem fanden Hoppe et al. (2020) heraus, dass die schnelligkeits- und kraftorientierte muskuläre Leistungsfähigkeit von der U 17 an bis zur U 21 insbesondere bei den Startelfspielern anstieg. Hoppe et al. (2020) hoben hervor, das schnellkraft-basierte Fähigkeiten bei Spielern in den meisten Fällen spielentscheidend sind und zu den wichtigsten muskulären Leistungen zählt. Diese Aussage ist deckungsgleich mit der Aussage in der Studie von Faude et. Al (2012), welche herausfanden, dass Rund zwei Drittel aller Tore in Wettkampfspielen Sprints oder Sprünge voraus gehen. Sie nehmen zusätzlich an, dass der Ausprägungsgrad der Schnellkraft gegebenenfalls sogar einen Einfluss auf eine Startelfnominierung haben kann. Hoppe et al. (2020) sprechen sich für eine hohe Relevanz der Schulung der Schnellkraftfähigkeiten aus. Als praktische Trainingsintervention empfehlen sie z.B. Sprinttrainings, plyometrische Workouts oder Übungen zur Steigerung der Effizienz des Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus bei fußballspezifischen Bewegungsmustern. Außerdem sollte der Trainingsreiz für Ersatzspieler beim Spielersatztraining genau gesteuert werden, damit diese auf die gleiche Anzahl an Stimuli kommen, wie Spieler der Startelf.
3.5 Einfluss der Schnellkraft auf die Sprungfähigkeit
Die vertikale Sprunghöhe kann im Fußball als spezifische Leistungsvoraussetzung betrachtet werden. Neben vertikalen Sprüngen finden im Fußball aber auch partiell horizontale Sprünge statt (Schlumberger, 2000). Der Sprung ist eine azyklische Bewegung (Steinhöfer, 2015). Vertikale und partiell horizontale Sprünge kommen z.B. bei hochgespielten Abschlägen des/der Torhüters/Torhüterin zum Einsatz, wenn Fußballspielende um den anfliegenden Ball per Kopfball konkurrieren, bei Flanken und fast immer bei hoch gespielten Standardsituationen (Eckball und Freistoß), bei welchen ebenfalls per Kopfballduell um den Ball konkurriert wird. Fußballspielende springen im Durchschnitt 12-15 Mal pro Spiel zum Kopfball hoch. Positionsübergreifend springen Innenverteidiger*innen am meisten pro Spiel (Düring, 2011). Das vertikale Sprungkraftvermögen besitzt eine bedeutende Aussagekraft über die Schnellkraftleistungsfähigkeit der Beinstreckerkette (Schlumberger, 2000; Unsöld, 2017). So ist es nicht verwunderlich, dass es neben dem Sprint, besonders vor vielen spielentenscheidenden Situationen zu Sprüngen kommt.
In der Studie mit dem Titel: „Straight sprinting is the most frequent action in goal situations in professional football“, von Faude et al. (2012), welche bereits in Kapitel 3.4 vorgestellt wurde, wurde unter anderem herausgefunden, dass vor direkten Torsituation, in 16% der Fälle, ein Kopfball stattfindet und damit direkt hinter dem Sprint auf Platz zwei liegt. Selbst in assistierenden Torsituationen, schaffte es der Kopfball auf Platz drei mit 6%. Daraus schließen Faude et al., (2012), dass die Ausprägung der Schnellkraftfähigkeiten auch einen erheblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit im Sprung hat. Um die Leistungsfähigkeit im Sprung zu verbessern, empfehlen Faude et al., (2012) dementsprechend ein Schnellkrafttraining.
Auch Behm et al. (2017) fanden in ihrer Studie mit dem Titel: „Effectiveness of traditional strength vs. power training on muscle strength, power and speed with youth: a systematic review and meta-analysis“, siehe Kapitel 3.4 für eine ausführliche Beschreibung der Einzelheiten der Studie, heraus, dass jugendliche Fußballspielende eine bessere Leistung in der Sprungkraft haben, wenn sie ein regelmäßiges Schnellkrafttraining absolvieren. Behm et al. (2017) fanden heraus, dass ein Schnellkrafttraining (reaktive Sprünge) zur Verbesserung der Sprungleistung aufgrund der Trainingsspezifität (Geschwindigkeit und Kontraktionsform) wirksamer als ein klassisches Widerstandstraining ist.
In einer aktuellen Studie von Thapa et al. (2021) mit dem Titel: „Effects of Complex Training on Sprint, Jump, and Change of Direction Ability of Soccer Players: A Systematic Review and Meta-Analysis“, wurde der Effekt des Komplextraining auf die Leistung in Sprint, Sprung und Richtungswechseln bei männlichen Fußballern (14-23 Jahre alt) untersucht. Das Level der Teilnehmenden reichte vom Amateur bis hin zum professionellen Fußballer. Beim Komplextraining handelt es sich um eine Trainingsmethode, bei welcher eine maximalkräftige Übung, z.B. die Kniebeuge ausgeführt wird, auf welche dann eine schnellkräftige Übung mit einem ähnlichen Bewegungsmuster, z.B. Counter-Movement Jump, folgt. Durch das Vorschalten der maximalkräftigen Übung, soll ein potenzierender Effekt auf die Aktivierung der Muskelfasern stattfinden, welche in einer verbesserten Leistung der schnellkräftigen Übung resultieren soll (Bompa & Buzzichelli, 2015). Thapa et al. (2021) untersuchten in ihrer Meta-Analyse 10 Studien. In den Studien wurden die Daten von 188 professionellen Fußballern und 125 Amateurfußballern untersucht. Im Bereich der Sprungkraftfähigkeit wurde der squat jump und der counter-movement jump als Messgrößen verwendet. Eine moderate bis große signifikante Verbesserung nach Durchführung des Komplextrainings (Pre- und Post-Analyse) wurde beim den Counter-Movement-Jump (SMD = 0,89, 95% CI = 1,43–0,35, p < 0,001) und beim squat jump (SMD = 1,33, 95% CI = 2,12–0,54, p = 0,001) festgestellt. Bei der Trainingslänge, wurde zwischen weniger und mehr als acht Wochen unterschieden. Thapa et al. (2021) kamen zum Ergebnis, dass die Nutzung des Komplextrainings als Trainingsmethode bei einer Dauer von mehr als acht Wochen einen positiven Transfer auf die Sprungkraftfähigkeit, die Sprintfähigkeit und die Richtungswechselfähigkeit, im Vergleich zu einem ausschließlichen Fußballtraining, haben kann.
3.6 Stellenwert der konditionellen Fähigkeit Kraft und der Erscheinungsform Schnellkraft im langfristigen Leistungsaufbau
Die Trainierbarkeit der konditionellen Fähigkeit Kraft, bereits im Kindes- und Jugendalter, gilt aus sportwissenschaftlicher Sicht längst als gesichert (Horn et al., 2010; Steinhöfer, 2015; Bompa & Carrera, 2015; Ferrauti, 2020). Diese Feststellung war in sportwissenschaftlichen Kreisen nicht immer so. Noch vor zehn Jahren rankten sich die Mythen, dass ein verfrühter Anfang des Krafttrainings im Kindes- und Jugendalter zu Verletzungen und Wachstumsstörungen führen kann (Horn, 2010). Diese Aussagen gelten mittlerweile als widerlegt (Steinhöfer, 2015; Hottenrott & Seidel, 2017; Ferrauti, 2020). Durch den Einfluss angloamerikanischer Wissenschaftler, welche sich mit der Bedeutsamkeit des Krafttrainings im LLA beschäftigen, bespielweise Bompa & Carrera (2015), Behm et al., (2017), Ryan et al., (2018), sowie den Forschungsarbeiten des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp), gilt mittlerweile auch in Deutschland, ein frühzeitiger Beginn des Krafttrainings mit seinen zahlreichen positiven Effekten als legitimiert. Laut Bompa & Carrera (2015) hat ein Krafttraining im Kindes- und Jugendalter folgende Vorteile: verbesserte Knochendichte, höheres Selbstbewusstsein, höheres Kraftlevel als Transferleistung für sportartspezifische Bewegungen, verbesserte Verletzungsprophylaxe, mehr fettfreie Körpermasse etc. Krafttraining im Kindes- und Jugendalter wurde im deutschsprachigen Raum zuerst durch das Positionspapier: „Krafttraining im Nachwuchssport“, von Horn et al. (2010) in Zusammenarbeit mit dem BISp erforscht. Das Positionspapier galt als Diskussionsgrundlage bzw. Ausgangspunkt für weitere Forschungsarbeiten im Bereich der Sportwissenschaft, Sportmedizin und in der Kinder- und Jugendmedizin. Horn et al. (2010) sprachen sich für ein dem biologischen Entwicklungsstand angepassten Krafttraining mit Kindern und Jugendlichen aus und attestierten diesem eine hohe Wirksamkeit und ein geringes Gesundheitsrisiko. Ihre Forschungsergebnisse brachten Horn et al. (2010) zu weiteren offenen Fragen:
- fundierte Erkenntnisse zum Krafttraining im biologisch-medizinischen Grundlagen- und im trainingswissenschaftlichen Anwendungsbereich
- trainingsmethodischen Handlungsempfehlungen
- Transfer- und Evaluationsmaßnahmen in der Trainingspraxis der verschiedenen Sportarten
Die offenen Fragen wurden um weitere Punkte in einem weiteren Positionspapier von Horn (2011) ergänzt:
- Verbesserung der Vergleichbarkeit von Krafttrainingsstudien (Standardisierung)
Horn (2011) gab zusätzlich zwei Empfehlungen:
- Eine gut entwickelte Muskelkraft schafft Vorrausetzungen. Besonders für den Technikerwerb und die Ökonomie/Wirksamkeit der zu erlernenden Technik
- Krafttraining mit Kindern und Jugendlichen muss als koordinatives Lerntraining gesehen werden. Mehrgelenkige Übungen mit freien Gewichten sowie der Erwerb der Technik vor Intensität und Geschwindigkeit, sollten bevorzugt werden
Aus beiden Positionspapieren kann außerdem entnommen werden, dass ein durchgeführtes Krafttraining mit Nachwuchsleistungssportlern*innen folgende Bedeutung bzw. Wirkung hat:
- Erhöhte Verletzungsprophylaxe und Belastbarkeit
- Verbesserte Trainierbarkeit und Effizienz der Sporttechnik
- Erhöhte sportartspezifische muskuläre Antriebsleistung
Hoffmann et al. (2013) untersuchten den Stellenwert der konditionellen Fähigkeit Kraft im LLA in den „Leipziger Positionen zum Nachwuchsleistungssport in Deutschland“ ebenfalls. Hoffmann et al. (2013), sprechen sich grundsätzlich für einen systematischen LLA auf Grundlage von wissenschaftlichen begründeten Normativen und Orientierungswerten aus, um langfristig im Hochleistungssport, sportartübergreifend, erfolgreich zu sein. Auch der konditionellen Fähigkeit Kraft und deren Trainierbarkeit im Nachwuchsbereich räumen sie einen hohen Stellenwert ein. Hoffmann et al. (2013) sind für ein im Kindesalter beginnendes Krafttraining zur allgemein-athletischen Ausbildung. Insbesondere vor Abschluss der Geschlechtsreife, sollte die Berücksichtigung des Krafttrainings nochmal einen erhöhten Stellenwert haben. Auch den präventiven Charakter im Kindes- und Jugendalter heben Hoffmann et al. (2013) hervor. 2014 wurde die sehr umfangreiche Langzeitstudie KINGS-Studie von Granacher et al. mit dem Titel: „Krafttraining im Nachwuchsleistungssport“, in Deutschland gestartet. Der erste Forschungszeitraum endete 2019. Die KINGS-Studie hatte die Verbesserung des Wissenstands des Krafttrainings im LLA, im Nachwuchsleistungssport zum Ziel. Granacher et al. (2014) verständigten sich auf folgende Forschungsschwerpunkte:
- Förderung der Leistungsentwicklung und Gesundheitserhaltung von Nachwuchsathletinnen und Nachwuchsathleten durch neuromuskuläres Training, insbesondere Krafttraining in Abhängigkeit von Alter, biologischer Reife, Geschlecht und Sportart
- die Identifikation interventions-, endpunkt- sowie altersspezifischer Dosis-Wirkungs-Beziehungen
- eine differenzierte Diagnostik innerhalb der Muskel-Sehnen Einheit, um die Beanspruchung im Training zu optimieren und so eine gezielte Leistungsentwicklung und Verletzungsprävention zu fördern
Innerhalb der Studie wurde mit zahlreichen Kooperationen und vielfältigen Partnern aus dem Leistungssport (u. a. Eliteschulen des Sports, mit den Olympiastützpunkten Berlin und Brandenburg, Bundesverband Deutscher Gewichtheber, Deutscher Handballbund, Deutscher Judo-Bund, Deutscher Kanu Verband, Deutscher Turner-Bund, Deutscher Verband für den modernen Fünfkampf) zusammengearbeitet, um den Forschungsschwerpunkten nachzugehen.
Im Rahmen der KINGS-Studie wurde eine weitere Studie von Granacher et al. (2016) mit dem Titel: „Effects of Resistance Training in Young Athletes on Muscular Fitness and Athletic Performance: A Conceptual Model for Long-Term Athlete Development“, durchgeführt. In der Studie entwickelten Granacher et al. (2016) ein konzeptionelles Modell, welches die unterschiedlichen Aspekte des Krafttrainings, das biologische und das chronologische Alter und mögliche Trainingsempfehlungen im langfristigen Leistungsaufbau für Jungen und Mädchen berücksichtigt. In dem Modell von Granacher et al. (2016) werden z. B. die sensiblen Phasen der Trainierbarkeit berücksichtigt (siehe Kapitel 3.2) außerdem werden für alle Altersstufen und Ausbildungsetappen im LLA Trainingsinterventionen gegeben. Die Entwicklung der Kraftfähigkeiten spielt ab dem Grundlagentraining eine wichtige Rolle. Das Reaktivkrafttraining und das Training der Maximalkraft, welche beide einen Einfluss auf die Entwicklung der Schnellkraftfähigkeiten haben (Steinhöfer, 2015; Ferrauti, 2020), werden ab der zweiten respektive dritten Ausbildungsetappe ebenfalls erwähnt. Granacher et al. (2016) betonen zusätzlich in ihrer Studie, dass das Krafttraining als Trainingsintervention einen Einfluss auf die allgemeine athletische Entwicklung, dem Tolerieren von Trainingsumfängen und Wettbewerben sowie positive Gesundheitseffekte hat. Die Ergebnisse der Studien von Granacher et al. (2014 & 2016) dienen der sportartübergreifenden Nutzung. Abbildung drei gibt eine Übersicht über die Krafttrainingsempfehlung im LLA:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3. Krafttrainingsempfehlungen im LLA (Granacher et al., 2016)
Die Erkenntnisse bzw. Ergebnisse, welche Granacher et al. (2014) aus dem ersten Forschungszeitraum von 2014-2019 mitnehmen ist, dass ein Krafttraining im Nachwuchsleistungssport, sportartenübergreifend, unabhängig von Alter, biologischem Reifegrad, Geschlecht, in allen Etappen des LLA mit Nachwuchsleistungssportler*innen durchgeführt werden sollte. Granacher et al. (2014) sprachen sich auch für ein zweimal wöchentlich durchgeführtes systematisches Sehnentraining als verletzungspräventive Maßnahme aus. Trotz wertvoller Ergebnisse verlängerten Granacher et al. Den Forschungsraum um weitere fünf Jahre (2024) Der aktuell laufende Forschungszyklus beinhaltet drei übergeordneten Ziele:
- Ausdifferenzierung des KINGS – Modells zur Anwendung von Krafttraining während der Etappen des langfristigen Leistungsaufbaus
- Effekte und Anpassungsprozesse an ein sogenanntes Concurrent Training (kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining)
- Erarbeitung evidenzbasierter Leitlinien zum digitalen Erkenntnistransfer in die leistungssportliche Praxis
Im Fußball bestätigen sämtliche Studien die Bedeutsamkeit der konditionellen Fähigkeit Kraft und derer Erscheinungsformen für Fußballspielende im leistungsorientierten Nachwuchs- und Erwachsenbereich. Auf den Stellenwert der Entwicklung der konditionellen Fähigkeit Kraft im gesamten LLA bzw. den Stellenwert der Entwicklung der Schnellkraftfähigkeiten wird nur bedingt eingegangen. In ihrer Studie mit dem Titel: „Leistungsfähigkeit jugendlicher Fussballer im Nachwuchsleistungssport“ überprüften Sander et al. (2012) die maximale Leistungsfähigkeit von männlichen Fußballern in der Front- und Nackenkniebeuge. An der Stunde nahmen 135 Fußballer im Alter zwischen 14 und 18 Jahren teil. Sander et al. (2012) überprüften die Leistungsfähigkeit im 1-Wiederholungs-Maximum der parallel ausgeführten Front- und Nackenkniebeuge. Die Teilnehmer wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe mit Krafttrainingserfahrung und eine Gruppe ohne Krafttrainingserfahrung. Das Körpergewicht der Teilnehmer wurde zusätzlich erfasst und in Relation zum erzielten Gewicht bei Front- und Nackenkniebeuge gesetzt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmer mit Krafttrainingserfahrung höheren Lasten bewältigen konnten. Anzumerken ist, dass die Teilnehmer mit Krafttrainingserfahrung nur ein Jahr vorher mit dem Krafttraining begonnen hatten. Die Ergebnisse führten Sander et al. (2012) zu folgenden Punkten:
- eine längere Krafttrainingserfahrung kann zum Bewältigen höherer Lasten führen. Dies hätte wiederum Einfluss auf die Ergebnisse der Studie gehabt
- die konditionelle Fähigkeit Kraft ist eine wichtige Leistungsreserve im Nachwuchsleistungssport Fußball
- die Entwicklung der Maximalkraft gilt in den meisten Spielsportarten als Grundlage um ein hohes Leistungsniveau zu erreichen
Obwohl Sander et al. (2012) nicht direkt die Schnellkraftfähigkeiten der Teilnehmer überprüften, muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Maximalkraftfähigkeit als Basisfähigkeit einen hohen Stellenwert für die Entwicklung der Schnellkraftfähigkeiten von Athlet*innen hat (siehe Kapitel 2.3). Sander et al. (2012) berücksichtigten die Kraftentwicklung zwar nicht über einen längeren Zeitraum, sprechen sich aber für eine individuelle Verbesserung des Kraftniveaus durch eine längere Krafttrainingserfahrung aus. Indirekt gehen sie damit auf den LLA ein bzw. dass die allgemeine Entwicklung der konditionellen Fähigkeit Kraft über einen langen Zeitraum erfolgen sollte und zu Leistungszuwächsen führen kann.
In der bereits in Kapitel 3.4 vorgestellten Studie: „Effectiveness of traditional strength vs. power training on muscle strength, power and speed with youth: a systematic review and meta-analysis“, kamen Behm et al. (2017) zum Ergebnis, dass ein optimal ausgeprägtes Schnellkraftniveau einen positiven Transfer auf die Sprungkraft bei jugendlichen Fußballspielenden haben kann. Behm et al. (2017) erwähnen, dass ein regelmäßiges Schnellkrafttraining die Sprungkraftleistung verbessern kann, auf den LLA bzw. wie in diesem das Training systematisch gesteuert werden kann, gehen sie nicht direkt ein.
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- Arbeit zitieren
- Raphael Städtler (Autor:in), 2022, Die Bedeutung der Schnellkraft im langfristigen athletischen Leistungsaufbau für die Entwicklung der Leistungsfähigkeit im Fußball, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1315501
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