Zur Ernährung in der römischen Antike steht der historischen Forschung reichhaltiges Quellenmaterial zur Verfügung.
Die durch den klassischen Zugriff über Schriftquellen gewonnenen Erkenntnismöglichkeiten liefern ein detailliertes Bild über den Nahrungsmittelkonsum in Rom und dem Mittelmeerraum, besitzen aber keinen repräsentativen Charakter für die nordwestlich gelegenen gallischen und germanischen Provinzen und Britannien.
In den Kastellen des Limes liefern gerade die Inhalte der Abfallgruben und Mannschaftslatrinen aufschlussreiche Hinweise auf die damaligen Lebensbedingungen. Trotzdem sind den Methoden aus Archäologie und Naturwissenschaften Grenzen gesetzt, denn sie ersetzen nicht die Auswertung schriftlicher Quellen, aber sie bereichern, modifizieren und präzisieren diese in vielfacher Weise.
Hieraus erwächst die Bedeutung der seit 1973 in Nordengland im römischen Auxiliarkastell Vindolanda (heutiges Chesterholm) nahe des Hadrianswalls gefundenen Schreibtäfelchen, die in die Zeit von 90-125 n. Chr. datiert wurden, als einzigartiger Quellengruppe.
Die vorliegende Arbeit fragt nach konkreten Erkenntnissen zur Ernährungssituation am britannischen Limes: Sie setzt sich zum Ziel, dem Nahrungsmittelkonsum der Menschen in Vindolanda anhand dieser Quellenlage Kontur zu verleihen.
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Auxiliarkastell Vindolanda
2.1 Historischer Überblick
2.2 Schriftkulturelle Zeugnisse
3 Nahrungsmittelkonsum
3.1 Getreide
3.2 Olivenöl und Fischsauce
3.3 Wein und Bier
3.4 Fleisch
4 Exkurs-Herkunft der Nahrungsmittel
5 Zusammenfassung
Anhang
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Zur Ernährung in der römischen Antike steht der historischen Forschung reichhaltiges Quellenmaterial zur Verfügung. Grundlegende Informationen über Herstellung und Verwendung von Nahrungsmitteln liefern die Werke antiker Agrarwissenschaftler wie „De agricultura“ von Cato dem Älteren und „De re rustica“ von Columella. Einen speziellen und umfassenden Einblick in die Kochkunst der italischen Oberschicht gewährt das berühm-te Kochbuch des Apicius „De re coquinaria“[1]. Auch die klassische Literatur thematisiert die Ernährung, wie das Vergil zugeordnete Gedicht „More-tum“[2] zeigt. Eine Vielzahl literarischer Überlieferungen zeugen ferner von ausschweifendem Tafelluxus (das bizarrste Beispiel dürfte die von Petro-nius stark überspitzt geschilderte cena des Trimalchio[3] sein) einerseits, von Armut und Hunger andererseits, der sich durch Ernteausfälle und Preiserhöhungen noch verschärfte, von Nahrungsmittelimporten, staatli-cher Versorgung der Ärmsten, Heeresversorgung, usw..
Die durch den klassischen Zugriff über Schriftquellen gewonnenen Er-kenntnismöglichkeiten liefern ein detailliertes Bild über den Nahrungsmit-telkonsum in Rom und dem Mittelmeerraum, besitzen aber keinen reprä-sentativen Charakter für die nordwestlich gelegenen gallischen und ger-manischen Provinzen und Britannien. Wenn aus den zu erforschenden Gebieten jedoch kaum oder keine Schriftzeugnisse vorliegen, greift die Forschung auf archäologische Befunde und Methoden der benachbarten Naturwissenschaften zurück. Hierzu zählen die Archäologie, Archäobota-nik, Archäozoologie und die Paläoanthropologie[4]. In den Kastellen des Limes liefern gerade die Inhalte der Abfallgruben und Mannschaftslatrinen aufschlussreiche Hinweise auf die damaligen Lebensbedingungen.[5] Trotz-dem sind den Methoden aus Archäologie und Naturwissenschaften Gren-zen gesetzt, denn „sie ersetzen nicht die Auswertung schriftlicher Quellen, aber sie bereichern, modifizieren und präzisieren diese in vielfacher Wei-se“[6].
Hieraus erwächst die Bedeutung der seit 1973 in Nordengland im römi-schen Auxiliarkastell Vindolanda (heutiges Chesterholm) nahe des Hadri-answalls gefundenen Schreibtäfelchen, die in die Zeit von 90-125 n. Chr. datiert wurden, als einzigartiger Quellengruppe. Es handelt sich hierbei um Fragmente dünner Holztäfelchen in Postkartenformat, die teils mit Wachs beschichtet und eingeritzt, in überwiegender Zahl aber mit Tinte beschrie-ben wurden. Die Inhalte dieser Tafeln liefern Informationen aus erster Hand, und somit dem Historiker wertvolle Aussagen zum alltäglichen Le-ben der in dieser Zeit in Nordbritannien stationierten Offiziere und Solda-ten sowie deren Familien, Freunden und Sklaven.
Die vorliegende Arbeit fragt nach konkreten Erkenntnissen zur Ernäh-rungssituation am britannischen Limes: Sie setzt sich zum Ziel, dem Nah-rungsmittelkonsum der Menschen in Vindolanda anhand dieser Quellenla-ge Kontur zu verleihen. Nachdem zu Anfang der geschichtliche und schriftkulturelle Kontext des Römerkastells skizziert wurde, widmet sich das folgende Kapitel speziell den Vindoland-Tafeln, deren Inhalte Einbli-cke in die Ernährung gewähren. Die Nahrungsmittel werden hierzu in die für die Antike traditionellen Gruppen unterteilt und ihre Bedeutung im Zent-rum des Römischen Reiches (Rom/Italien) mit ihrer Relevanz an der Peri-pherie (Nord-Britannien) verglichen. Ein angefügter Exkurs verweist auf die Versorgung der Grenzkastelle mit Nahrungsmitteln und sucht in den Tafeln nach Hinweisen auf lokale Märkte. In der Zusammenfassung wer-den die Erkenntnisse aus dem alltäglichen Schriftgebrauch und ihr Stel-lenwert im Rahmen der Schriftkultur bewertet.
2 Das Auxiliarkastell Vindolanda
2.1 Historischer Überblick
Die Eroberung Nord-Britanniens wurde 79. n. Chr. unter dem damals am-tierenden römischen Statthalter Agricola in Angriff genommen und bis ins schottische Hochland vorangeführt. In diesem Zeitraum beginnt die Ge- schichte des Auxiliarlagers Vindolanda[7], das zu den militärischen Befesti-gungsanlagen entlang der so genannten „Stanegate“- Linie gehört, die zwischen Carlisle und Corbridge verläuft und somit die nord-süd-verlaufenden Militärstraßen verbindet. Nach dem Rückzug der römischen Truppen aus Schottland ca. 90 n. Chr. wird diese strategische Linie zwi-schen Solway Firth und Tyne für mehr als zwei Jahrzehnte zur vorläufigen Nordgrenze der Provinz[8]. Unter Kaiser Hadrian wurde 127 n. Chr. der et-was nördlicher gelegene Hadrianswall fertiggestellt: ein mit siebzehn Kas-tellen bewehrter massiver Grenzverlauf (limes[9]) der die Insel mit einer Länge von etwa 117 km von Segedum/Wallsend im Osten bis Maia/Bowness on Solway im Westen durchquert, mit dem Ziel, die “Barba-ren und Römer zu trennen“[10]. Zehn Jahre später verschob Antonius Pius die Grenze erneut nach Norden zur Landenge zwischen Clyde und Forth. Obwohl der Antoniuswall viel kürzer und mit zwanzig Kastellen dichter be-setzt war, wurde er nach etwa vier Jahrzehnten aufgegeben und die Nordwestgrenze des Römischen Reiches wieder auf den Hadrianswall verlegt.[11]
Die Militärlager der Grenzregion hatten die Aufgabe der Sicherung, Über-wachung und der Stationierung der am Bau des Hadrianswalls beteiligten Legionen und Auxiliartruppen. Für Vindolanda können erste Festungsan-lagen, Besiedlungsspuren, Verfall, Zerstörung, Wiederaufbau und Repara-turen durch archäologische Befunde von 80 n. Chr. bis zur endgültigen Aufgabe der Garnison nach 400 n. Chr. belegt werden.[12] Für die vorlie-gende Arbeit interessiert die frühe Zeit von ca. 85-125 n. Chr., die mehrere Perioden aufweist: In Periode 1 (85-92) entstand das erste Kastell aus Holz, das in Periode 2 (92-97) von der stationierten cohors I Tungrorum (TVII 154[13]) zur doppelten Größe ausgebaut wurde, um eine weitere Auxi-liareinheit, die cohors VIIII Batavorum, aufzunehmen. In Periode 3 (97105) fanden hochwertigere Renovierungsarbeiten statt, stationiert waren die cohors III Batavorum sowie die cohors VIIII Batavorum unter dem Kommando ihres Präfekten Flavius Cerialis (TVII 263). Nachdem beide Kohorten 104 n. Chr. an die Donauregion abkommandiert wurden, kehrte die cohors I Tungrorum (TVII 295) bis über das Ende von Periode 4 (104120) in Periode 5 (120- ca.150[14]) hinein nach Vindolanda zurück. Bis zum Wiederaufbau des Kastells aus Stein 163 n. Chr.[15], war das Lager vermut-lich nicht besetzt.
Das Wissen um Vindolanda und die Römerzeit lebte im 18. Jahrhundert wieder auf. Einigen Altertumsforschern sind wertvolle Berichte und Funde aus dieser Zeit zu verdanken, andere wirkten ebenso wie industrielle und landwirtschaftliche Entwicklungen eher zerstörend. Im Jahre 1970 über-nahm die Vindolanda-Stiftung die Verantwortung über den Besitz Ches-terholm. Ihre Ziele sind u.a. die Ausgrabung militärischer und ziviler Über-reste aus der Römerzeit und deren Konservierung, um sie „als Sehens-würdigkeiten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“[16]
2.2 Schriftkulturelle Zeugnisse
Die seit dem Jahre 1973 entdeckten Vindolanda Writing Tablets (Tabulae Vindolandenses) bieten Epigraphikern[17], Sprachforschern, Paläographen aber auch Wissenschaftlern anderer Disziplinen umfangreiches, wie auch für die Nordgrenze des Römischen Reiches einzigartiges Schriftmaterial. Die fragmentarischen Schriftstücke stammen aus vorhadrianischer Zeit, sie stellen somit als bisher älteste Schriftzeugnisse aus Britannien ein Pendant zu den Pergament- und Papyrusfunden aus den südöstlichen Provinzen dar. Als Material erscheinen die millimeterdünnen Holztäfelchen gegenüber dem üblichen Beschreibstoff Papyrus revolutionär. Das ver-wendete Holz von Birken, Erlen und Eichen stammte aus der direkten Umgebung Vindolandas, es war eine günstigere und leichter zu beschaf-fende Alternative, die Tinte basierte auf Kohle. Die einmalige Chance zur Überlieferung dieser sich leicht zersetzenden Materialien lag in der Bo-denbeschaffenheit, in den feuchten, anaeroben Bodenschichten, in denen die Täfelchen die Jahrhunderte überdauern konnten. Viele weisen Brand-spuren auf, was darauf hinweisen könnte, dass sie aussortiert, bzw. ver- nichtet werden sollten. Gefunden wurden die ersten Tafeln in einem Drai-nagegraben, die folgenden, mehr als Tausend an der Zahl, überwiegend im praetorium, den Amts- und Wohnräumen des K]ohortenkommandanten sowie in einem als Werkstatt (fabrica) genutzten Raum. Die Tafeln werden zum Großteil Periode 2 und Periode 3 zugeteilt. Eine Feindatierung ergibt sich, ohne Blick auf die Datierungsmethoden, durch die in den Texten am häufigsten genannte Person des Flavius Cerialis, der als Kohortenkom-mandant der Neunten Kohorte der Bataver in Periode 2 und 3 in Vindo-landa stationiert war. Ein einziger Text (TVII 186) kann durch die Nennung des Konsuls auf den Jahreswechsel 110/111 n.Chr. genau datiert werden Neben administrativen Schreiben (Geschäftsbriefe, Meldungen, Befehle, Truppenstärkenreporte, Verpflegung, Abrechnungen, Anforderungs- und Inventarlisten, Beschwerden,...) ermöglichen private Schriftstücke (Briefe, Einladungen, Einkaufslisten, Schreibübungen,...) detaillierte Einblicke in den Garnisonsalltag. Wir begegnen über 200 namentlich erwähnten Per-sonen, erhalten Informationen über ihre soziale Stellung, militärischen Rang und ihre Herkunft. In den mehr als 40 nachgewiesenen Handschrif-ten lassen sich Unterschiede in Literalität und Sprachniveau erkennen.[18] Schriftgebrauch war nicht allein der militärischen Oberschicht vorbehalten (einschließlich der für administrative Aufgaben zuständigen Schreibsolda-ten und der Schreibsklaven im Haushalt des Präfekten), zum Zwecke der Verwaltung und Informationsweitergabe, sondern in allen Gesellschafts-schichten vertreten, auch unter den einfachen Soldaten und Sklaven, die sich, ihren Fähigkeiten entsprechend, des geschriebenen Wortes bedienten. Es sind im besonderen Maße die privaten Schriftstücke, aus denen die Bedürfnisse der Schreiber nach sozialer Nähe und Kontakt hervorge-hen. Die Schrift diente hier neben ihrer Funktion als Kommunikationsmittel der Pflege sozialer Beziehungen. Gerade die Selbstverständlichkeit, mit der die Schrift „gebraucht“ wurde, vom Erlernen der Schriftzeichen bis hin zu Anfertigung und Umgang mit dem Schreibmaterial, ließ sie zu einem festen Bestandteil des Alltags im Kastell werden („alltäglicher Schriftgebrauch“).
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[1] vgl. zur Quellenlage André 1998, S.10f. und Junkelmann 2006, S. 191
[2] Moretum, 86-118, übersetzt von Heinze 1939/1972, zitiert in Junkelmann 2006, S 199f.
[3] Nach Petronius, ausführlich zitiert in Fellmeth 2001, S. 97 ff.
[4] vgl. Interdisziplinäre Zusammenarbeit, Methoden und Techniken, in Bechert 1999, S. 11-19 ; zu Archäologie und Naturwissenschaften eine kurze Übersicht in: Wamser 2004
[5] vgl. Junkelmann 2006, S. 26-29
[6] Ebd. S.29
[7] vgl. Birley 1978, S.15 und S.44
[8] ebd. S.18
[9] vgl. zum Verständnis des Begriffs limes: Schallmeyer 2006, S.11-16, zur Funktion des Limes vgl. Junkelmann 2006, S.43f
[10] Historia Augusta, Hadrian 12,6 zitiert in Schallmayer 2006, S.21
[11] vgl. Bechert 1999, S.163
[14] vgl. Vindolanda Tablets Online: http://vindolanda.csad.ox.ac.uk/exhibition/history-9.shtml
[15] vgl. Birley 1978, S.44
[16] ebd. S.205
[17] die führenden Epigraphiker Dr.David Thomas, Universität Durham und Dr.Alan Bowman, Universität Manchester beteiligten sich an der Entzifferung der Texte, vgl. Birley 1978, S. 181
[18] vgl. Birley 1978, S.187f
- Citar trabajo
- Christina Bost (Autor), 2009, Alltäglicher Schriftverkehr am Nordbritannischen Limes, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131293
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