In dieser Arbeit wird erläutert, inwiefern die europäische Politik Einfluss auf die Entstehung von Fluchtursachen im globalen Süden übt und zu diesem Zweck werden auch einige Beispiele beleuchtet. Auch die Gegenseite, dass die europäischen Staaten nicht die alleinige Hauptverantwortung tragen, wird im Hauptteil betrachtet. Das Forschungsdesign dieser Kurzhausarbeit ist die Literaturrecherche.
Spätestens seit der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015 hat das Thema Flucht einen besonderen Stellenwert in der deutschen Gesellschaft. Die Zuwanderung nach Deutschland und Europa spaltet die Gesellschaft enorm. Aus den vielfältigsten Gründen flüchten Menschen aus der ganzen Welt in der Hoffnung im Zielland eine bessere Lebensperspektive vorzufinden. Die europäische Migrationspolitik ist gegenwärtig auf die Abwehr und Zurückweisung von Geflüchteten fokussiert. Darüber hinaus möchte die europäische Politik die immensen Flüchtlingsströme stoppen beziehungsweise verringern, indem die Ursachen der Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpft werden sollen.
Welche Rolle spielt die europäische Politik bei der Entstehung von Fluchtursachen? Flucht wird als das Ausweichen vor einer lebensbedrohenden Zwangslage definiert. Die Fluchtursachen sind die mehrdimensionalen und komplexen Gründe, aus denen sich Menschen zu einer Flucht entscheiden beziehungsweise die Ursachen für eben diese lebensbedrohliche Zwangslage.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Einfluss europäischer Politik auf die Entstehung von Fluchtursachen
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Spätestens seit der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015 hat das Thema Flucht einen besonderen Stellenwert in der deutschen Gesellschaft. Die Zuwanderung nach Deutschland und Europa spaltet die Gesellschaft enorm. Aus den vielfältigsten Gründen flüchten Menschen aus der ganzen Welt in der Hoffnung im Zielland eine bessere Lebensperspektive vorzufinden. Die europäische Migrationspolitik ist gegenwärtig auf die Abwehr und Zurückweisung von Geflüchteten fokussiert. Darüber hinaus möchte die europäische Politik die immensen Flüchtlingsströme stoppen beziehungsweise verringern, indem die Ursachen der Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpft werden sollen. Hier begründet sich die Relevanz der Leitfragen dieser Arbeit: Welche Rolle spielt die europäische Politik bei der Entstehung von Fluchtursachen? Flucht wird als das Ausweichen vor einer lebensbedrohenden Zwangslage definiert (vgl. Oltmer 2016: 25). Die Fluchtursachen sind die mehrdimensionalen und komplexen Gründe, aus denen sich Menschen zu einer Flucht entscheiden beziehungsweise die Ursachen für eben diese lebensbedrohliche Zwangslage.
Im Folgenden werde ich erläutern, inwiefern die europäische Politik Einfluss auf die Entstehung von Fluchtursachen im globalen Süden verübt und werde zu diesem Zweck auch einige Beispiele beleuchten. Auch die Gegenseite, dass die europäischen Staaten nicht die alleinige Hauptverantwortung tragen, wird im Hauptteil betrachtet. Im darauffolgenden Fazit werden die zentralen Ergebnisse zusammengefasst, die Forschungsfrage beantwortet und die in diesem Zusammenhang offenen gebliebenen Fragen thematisiert. Das Forschungsdesign dieser Kurzhausarbeit ist die Literaturrecherche.
2. Der Einfluss europäischer Politik auf die Entstehung von Fluchtursachen
Im Folgenden werden ausgewählte politische Praktiken europäischer Staaten und der Europäischen Union erläutert und deren Zusammenhang mit der Entstehung von Fluchtursachen in Ländern des globalen Südens beleuchtet. Darüber hinaus werden einige politischen Praktiken an kurzen Fallbeispielen belegt.
Bürgerkriege und die damit verbundene Ausbreitung von Terrororganisationen ist eine bedeutende Fluchtursache. Im globalen Süden ist es in den letzten Jahren aufgrund von internen Spannungen und Konflikten in einigen Ländern zu Bürgerkriegen gekommen (vgl. Hippler 2016: 5). Einige europäische Staaten haben sich unter dem Deckmantel der Friedensstiftung in diese Bürgerkriege eingemischt, um ihre eigenen politischen Interessen in diesen Regionen durchzusetzen (vgl. Huisken 2016: 28). Die europäischen Interventionen konnten ein Krisenland aber nur selten stabilisieren, sondern die Verhältnisse wurden meist komplizierter, die ansässige Gesellschaft fragmentiert und die Konflikte verschärften sich weiter (vgl. Hippler 2016: 6). In der Folge flüchten die Menschen, da es zu lang andauernden Kämpfen kommt. Neben zivilen Opfern werden auch die Lebensgrundlagen der ansässigen Bevölkerung, wie zum Beispiel die Gesundheits- und Trinkwasserversorgung, zerstört (ebd.). Darüber hinaus bietet ein Bürgerkrieg in einem instabilen Land das perfekte Umfeld für die Ausbreitung von Terrororganisationen (vgl. Bundesministerium für Verteidigung 2022: o. S.). Folglich sind durch den vermehrt ausgeübten Terror in den betroffenen Ländern immer mehr Menschen geflüchtet. Ein Beispiel für die militärische Interventionspraxis ist der Bürgerkrieg in Libyen. In Libyen kam es im Jahr 2010 zu vermehrten Protesten der Bevölkerung und schließlich zu bewaffneten Widerständen, die das Regime Muanmar al-Gaddafis mit Waffengewalt zu unterdrücken versuchte (vgl. Gurol et al. 2016: 9). Im März 2011 kam es dann dazu, dass die Resolution des UN-Sicherheitsrates die direkte Intervention unter der Berufung auf die Schutzverantwortung gestattete (ebd.). An dieser Intervention waren auch mehrere europäische Staaten beteiligt (ebd.). In diesem Kontext sind auch die europäischen Waffenexporte in von Bürgerkrieg geprägten Regionen sehr relevant. Beispielsweise lieferte Spanien im März 2008 eine enorme Menge Streumunition im Wert von über drei Millionen Euro nach Libyen (vgl. Vranckx et al. 2011: 44). Die europäischen Waffenexporte sind zwar nicht die direkte Ursache für den Ausbruch von Konflikten im globalen Süden, dennoch wird durch jene unterstützt, dass die jeweiligen Konfliktparteien ihre Gewalt anwenden können (vgl. Gurol et al. 2016: 9). Die europäischen Waffenexporte haben in vielen Fällen dafür gesorgt, dass es zu einer Eskalation und zeitlichen Verlängerung der Gewalt kam und somit haben sie weitere Fluchtbewegungen indirekt ausgelöst (vgl. Gurol et al. 2016: 11).
Ein weiterer Zusammenhang zwischen europäischer Politik und der Entstehung von Fluchtursachen besteht in der europäischen Handels- und Agrarpolitik. Das „Economic Partnership Agreement“ soll die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und 79 Staaten, die in Afrika, der Karibik und im pazifischen Raum liegen, steuern (vgl. Kipping 2016: 17). Demnach sollen Zölle und Gebühren auf europäische Importe abgeschafft werden (vgl. Kipping 2016: 17f). So kommt es dazu, dass europäische Billigprodukte die regionalen Märkte in den Staaten des globalen Südens einnehmen (ebd.). Die einheimischen Produzierenden haben auf diese Weise enorme Absatzprobleme und ihre Existenz wird bedroht (vgl. Kipping 2016: 18). Folglich flüchten die regionalen Produzenten und Produzentinnen. Außerdem haben die Europäische Union und die USA im Rahmen der Strukturanpassungsprogramme der Weltbank eine neue Agrarpolitik in Afrika durchgesetzt (vgl. Mari 2016: 28). Die afrikanischen Staaten sollten die Landwirtschaft liberalisieren und privatisieren, sodass durch den Export der landwirtschaftlichen Produkte Devisen eingebracht werden (ebd.). In der Wertschöpfungskette dieser exportorientierten Landwirtschaft bekommen die Kleinbauern und -bäuerinnen zu wenig Geld, um ihre Existenz zu sichern (ebd.). Die Konsequenz ist wiederum die Flucht. Auch die jungen Menschen erkennen, dass es in der Landwirtschaft keine Lebensperspektive gibt, da die internationale Konkurrenz auf den eigenen Märkten zu gewaltig ist (vgl. Mari 2016: 30). Die jungen Menschen flüchten ins Ausland oder ziehen in die Städte (ebd.). Dies hat wiederum zur Folge, dass es zu einem großen Arbeitskräftemangel, vor allem in landwirtschaftlichen Sektor kommt, der das örtliche Nahrungsangebot verringert und somit sowohl Hunger und Mangelernährung, als auch die Abhängigkeit von europäischen Billigimporten befördert (ebd.). In diesem Kontext spielt das sogenannte Land Grabbing auch eine bedeutende Rolle. Land Grabbing beschreibt die Verpachtung oder den Verkauf von Land an große Agrarunternehmen (vgl. Kipping 2016: 21). Die Erträge dieser Agrarunternehmen, die hauptsächlich durch den Export hergestellt werden, werden ins Ausland transferiert, sodass keine großen Einnahmen für die Staaten entstehen (vgl. Huisken 2016: 33). Diese Problematik bestimmt Europa durch die große Nachfrage nach Konsumgütern mit (vgl. Schuller 2016: 25). Die bewirtschaftete Fläche fehlt den einheimischen Bauern und Bäuerinnen, um ihre Existenz durch Landwirtschaft zu sichern (vgl. Huisken 2016: 33). Beispielsweise müssen die indigenen Völker in Kolumbien den Anbau exportfähiger Produkte weichen (vgl. Schuller 2016: 24). Dafür werden große Flächen abgeholzt und so die Lebensgrundlage der indigenen Völker beeinträchtigt (ebd.). Die kolumbianische Regierung genehmigt den großen Agrarunternehmen immer wieder die Abholzung (ebd.). Die indigenen Völker haben dabei keinen politischen Einfluss und werden vertrieben (ebd.)
Auch in der Fischereipolitik ist ein Einfluss europäischer politischen Praktiken auf die Entstehung von Fluchtursachen zu verzeichnen. Die Fischer und Fischerinnen der westafrikanischen Küste verfolgen Fischschwärme über ihre Seegrenzen hinweg, damit sich der Bestand an Jungfischen in ihren einheimischen Gewässern zum Zweck der nachhaltigen Fischerei erholen und vermehren kann (vgl. Mari 2016: 31). Dieses Vorhaben wurde von den europäischen Grenzpatrouillen wegen des Verdachts auf illegale Migration behindert, da sie jedes afrikanische Fischerboot kontrollieren, das die Seegrenzen überschreitet (ebd.). Folglich sind die afrikanischen Fischenden gezwungen den Jungfischbestand ihrer heimischen Gewässer zu fangen und sich davon zu ernähren (ebd.). Darüber hinaus fischen seit den 1980er Jahren europäische Fischereischiffe unbeaufsichtigt vor den afrikanischen Küsten, um die große europäische Fischnachfrage nach der Überfischung ihrer eigenen Gewässer zu bedienen (vgl. Kipping 2016: 24). Es wurden illegale Fangmethoden und -techniken angewendet, dessen Folgen heute noch in Form von mangelhaften Fängen für die afrikanischen Fischer auftreten (vgl. Mari 2016: 31). Eine nachhaltige Ernährung von Fisch ist somit nicht mehr möglich und die Fischer und Fischerinnen verlieren ihre Lebensgrundlage, was wiederum zur Flucht führen kann.
Auf der Gegenseite ist zu erwähnen, dass die europäische Politik für die Entstehung vieler Fluchtursachen nicht die alleinige Hauptverantwortung trägt. Zum einen lassen sich die Bürgerkriege und die damit verbundene Ausbreitung von Terrororganisationen nicht alleine auf die Intervention von europäischen Staaten in diese zurückführen. Die internen Spannungen, die die Bürgerkriege auslösten, sind auch von den Regierungen selbst verschuldet (vgl. Gurol et al. 2016: 11). Dementsprechend sind auch die europäischen Waffenexporte in diese Regionen nicht der Hauptgrund für die Entstehung dieser Fluchtursache (ebd.). Ebenso hat die europäische Politik auch keinen direkten Einfluss auf die Entstehung von Terrororganisationen.
In Bezug auf die Mangelernährung und den herrschenden Hunger in Afrika haben die afrikanischen Regierungen nach der Unabhängigkeit und dem Bevölkerungswachstum versäumt die Bereiche der Landwirtschaft zu unterstützen, die keine Devisen einbrachte (vgl. Mari 2016: 28f). Abbaulizenzen und die Einnahmen aus Rohstoffen, die oft auch in die Privatkassen der Regierenden flossen, wurden für wichtiger gehalten als die Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen (ebd.).
Auch bei der Einnahme von regionalen Märkten des globalen Südens durch europäische Billigimporte, die infolge des „Economic Partnership Agreement“ zustande kamen, trägt Europa nicht die alleinige Verantwortung. Denn auch die Regierungen des globalen Südens haben diesen Abkommen zugestimmt.
Auch beim Land Grabbing tragen die Regierungen der betroffenen Staaten eine Mitschuld, da sie es im Endeffekt sind, die die Landflächen an große europäische Agrarunternehmen verkaufen und so Menschen in die Flucht treiben.
Zudem gibt es weitere Fluchtursachen, auf dessen Entstehung die europäische Politik wenig bis keinen Einfluss hat. Beispielsweise werden Menschen in einigen Ländern aufgrund ihrer religiösen, politischen oder sexuellen Orientierung verfolgt. Aufgrund dieser Verfolgungspraktiken der Staaten flüchten zudem viele Menschen.
3. Fazit
Die europäische Politik trägt eine Mitverantwortung bei der Entstehung einiger Fluchtursachen in Staaten des globalen Südens (vgl. Braunsdorf 2016: 2). Durch die Ausgestaltung von Handelsverträgen kommt es zu einer Abhängigkeit von europäischen Billigimporten und zu einer damit verbundenen Existenzbedrohung von regionalen Produzierenden. Auch durch die europäische Agrar- und Fischereipolitik der letzten Jahre wurde die Lebensgrundlage der heimischen Kleinbauern und Fischern bedroht. Zu einer Verschärfung von Konflikten und zur Ausbreitung von Terrororganisationen kommt es durch die militärische Interventionspraxis und den Waffenexporten einiger europäischer Staaten. Wegen dieser Fluchtursachen, bei deren Entstehung die europäische Politik eine wesentliche Rolle spielt, suchen große Teile der Bevölkerung des globalen Südens eine bessere Lebensperspektive in anderen Staaten. Zwar trägt die europäische Politik bei einigen Fluchtursachen eine große Verantwortung, aber sie trägt nicht immer die alleinige Hauptverantwortung. So flüchten beispielsweise viele Menschen, da sie in ihrem Land aufgrund ihrer politischen Orientierungen verfolgt werden. Auf diesem Aspekt hat die europäische Politik wenig Einfluss.
Im Rahmen dieser Arbeit konnte nur auf einige Fluchtursachen und dessen Zusammenhang mit der europäischen Politik eingegangen werden. Beispielsweise wurde der Klimawandel als Fluchtursache, der auch zum beträchtlichen Teil von Europa mitverschuldet wird, nicht betrachtet.
Es bleibt offen, inwiefern die europäische Politik in Zukunft die Bekämpfung dieser Fluchtursachen angehen will beziehungsweise ob dies, bei der enormen Komplexität der Entstehung einiger Fluchtursachen, überhaupt noch möglich ist. Ein Ansatz, der nicht nur die Fluchtursachen bekämpft, sondern die Ursachen der Fluchtursachen, wäre sinnvoll.
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- Arbeit zitieren
- Johannes Tenbrink (Autor:in), 2022, Der Zusammenhang zwischen europäischer Politik und der Entstehung von Fluchtursachen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1312731
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