Bei der Erörterung von Finanzmarktphänomenen wird auf keine Spezies der Tierwelt so häufig Bezug genommen wie auf Lemminge oder Schafe. Diese Spezies trifft man fast nur in Herden an und sie imitieren das Verhalten ihrer Artgenossen. Diese eigenartige Naturerscheinung wird häufig als Metapher für das Verhalten von Börsenakteuren herangezogen. Viele Fondsmanager, Analysten und Anleger fühlen sich wohler, wenn sie sich in ihren Einschätzungen und Handlungen in Übereinstimmung mit ihren Mitmenschen befinden. Dabei lösen sie sich im Extremfall ganz von eigenen Sinn- und Vorteilhaftigkeitsüberlegungen. Dieses Phänomen zu beschreiben und vertraglich basierte Lösungsansätze zu finden, die das Auftreten von Herding eindämmen sollen, ist Teil dieser Seminararbeit. Dabei werden die Begriffe ″Herding″ und ″Herdenverhalten″ gleichbedeutend verwendet.
Das zweiten Kapitel gibt einen allgemeinen Einblick in das Thema Herding und befasst sich mit Erklärungsansätzen für das Auftreten von Herding speziell an Börsen und unter Fondsmanagern.
Im dritten Kapitel geht es um die theoretischen Grundlagen des Principal-Agenten Ansatzes, dem eine bedeutende Rolle für das Entstehen von Herding zukommt. Speziell das Moral Hazard Problem.
Das vierte Kapitel bildet den Hauptteil dieser Seminararbeit. Es geht um die Anreiz- und Vergütungsstrukturen, die bei Fondsmanagern mit Karriereinteressen Herding auslösen und liefert, basierend auf der Arbeit ″The Surprising Role of Contractual Incentives“ von Dass, Massa und Patgiri, Möglichkeiten, mittels vertraglichen Incentives das Herdenverhalten von Fondsmanagern einzuschränken.
Im Fazit fasse ich in kurzen Worten noch einmal zusammen, was das Auftreten von Herding begünstigt und nehme kritisch Stellung zu dem Lösungsansatz der vertraglichen Incentives.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Herding
2.1 Begriffsdefinition Herding
2.2 Rationales Herdenverhalten
2.3 Irrationales Herdenverhalten
3. Prinzipal-Agenten Ansatz – Theoretische Grundlagen
3.1 Adverse Selection
3.2 Das Moral Hazard Problem
3.3 Das Hold-Up Problem
4. Anreiz- und Vergütungsstrukturen unter Karriereinteressen
4.1 Prinzipal-Agenten Ansatz mit Karriereinteressen
4.2 Das Auftreten von Herding bei Fondsmanagern
4.3 Möglichkeiten, Herding bei Managervergütung entgegenzuwirken
4.3.1 Incentives
4.3.2 Vertragliche Incentives contra Herding
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Bei der Erörterung von Finanzmarktphänomenen wird auf keine Spezies der Tierwelt so häufig Bezug genommen wie auf Lemminge oder Schafe. Diese Spezies trifft man fast nur in Herden an und sie imitieren das Verhalten ihrer Artgenossen. Diese eigenartige Naturerscheinung wird häufig als Metapher für das Verhalten von Börsenakteuren herangezogen. Viele Fondsmanager, Analysten und Anleger fühlen sich wohler, wenn sie sich in ihren Einschätzungen und Handlungen in Übereinstimmung mit ihren Mitmenschen befinden. Dabei lösen sie sich im Extremfall ganz von eigenen Sinn- und Vorteilhaftigkeitsüberlegungen.[1] Dieses Phänomen zu beschreiben und vertraglich basierte Lösungsansätze zu finden, die das Auftreten von Herding eindämmen sollen, ist Teil dieser Seminararbeit. Dabei werden die Begriffe ″Herding″ und ″Herdenverhalten″ gleichbedeutend verwendet.
Das zweite Kapitel gibt einen allgemeinen Einblick in das Thema Herding und befasst sich mit Erklärungsansätzen für das Auftreten von Herding speziell an Börsen und unter Fondsmanagern.
Im dritten Kapitel geht es um die theoretischen Grundlagen des Principal-Agenten Ansatzes, dem eine bedeutende Rolle für das Entstehen von Herding zukommt. Speziell das Moral Hazard Problem.
Das vierte Kapitel bildet den Hauptteil dieser Seminararbeit. Es geht um die Anreiz- und Vergütungsstrukturen, die bei Fondsmanagern mit Karriereinteressen Herding auslösen und liefert, basierend auf der Arbeit ″The Surprising Role of Contractual Incentives“ von Dass, Massa und Patgiri, Möglichkeiten, mittels vertraglichen Incentives das Herdenverhalten von Fondsmanagern einzuschränken.
Im Fazit fasse ich in kurzen Worten noch einmal zusammen, was das Auftreten von Herding begünstigt und nehme kritisch Stellung zu dem Lösungsansatz der vertraglichen Incentives.
2. Herding
Dieses Kapitel liefert einen Einblick und Erklärungsansätze für Herding an Börsen und unter Fondsmanagern.
2.1 Begriffsdefinition Herding
Turbulente Entwicklungen an Finanzmärkten, wie zum Beispiel das Entstehen von Preisblasen oder Börsencrashs, werden oft mit dem sogenannten Herdenverhalten begründet. Wirtschaftssubjekte orientieren sich dabei bei ihren Entscheidungen am beobachtbaren Entscheidungsverhalten anderer Wirtschaftssubjekte und ignorieren dabei ihre eigenen privaten Signale.[2]
In der reichhaltigen Literatur zum Herdenverhalten lässt sich keine einheitliche Definition finden. Das ist auch nicht das Ziel dieser Arbeit. Man kann aber sagen, dass sich sowohl in der empirischen Literatur als auch in der theoretischen Literatur zum Thema Herdenverhalten eine Kernaussage herauskristallisiert. Menschen fühlen sich wohler, wenn sie keine einsamen Entscheidungen treffen, sondern sich mit ihrer Wahl in guter Gesellschaft wissen. So lassen sich z.B. die Konsequenzen einer Fehlentscheidung leichter ertragen, denn man hat diese Entscheidung zum Glück ja nicht alleine getroffen. „Wir Menschen lernen von Natur aus nicht nur aus eigenen Erfahrungen, sondern auch aus dem Verhalten anderer. Wir analysieren, inwiefern das Verhalten der anderen zum Ziel geführt hat, und imitieren augenscheinlich erfolgsversprechende Strategien und Methoden. Imitation wird dabei umso wichtiger, je komplizierter eine Aufgabe ist.″[3]
Mit dem Begriff Herdenverhalten lassen sich Situationen identifizieren, in denen Wirtschaftssubjekte unter Ignoranz ihrer eigenen Informationen Entscheidungen treffen und dabei das Verhalten anderer Wirtschaftssubjekte imitieren.[4]
Rationales Herdenverhalten ist auf drei unterschiedliche Wirkungszusammenhänge zurückführbar. Netzwerkexternalitäten, Informationskaskaden und Prinzipal-Agenten-Ansätze mit Karriereinteressen der Agenten bzw. bei Verwendung relativer Leistungsbewertung durch den Prinzipal. Die theoretische Forschung zum Herdenverhalten hat sich jedoch auf die beiden letzteren Wirkungszusammenhänge konzentriert.[5] Der Principal-Agenten-Ansatz wird einen der Schwerpunkte in dieser Seminararbeit darstellen. Das Herdenverhalten und seine Folgen beschäftigt die empirische und theoretische Ökonomie, die zwischen rationalem und irrationalem Herdenverhalten unterscheidet.
Die verschiedenen Erklärungsansätze von Herdenverhalten sind in der folgenden Abbildung dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Klassifizierung der Erklärungsansätze für Herdenverhalten
Quelle: Freiberg N. (2004), S. 4.
2.2 Rationales Herdenverhalten
Unter rationalem Herdenverhalten wird gleichgerichtetes Verhalten zusammengefasst, das auf Informationen beruht. Bei rationalem Herdenverhalten gibt es einen guten Grund dafür, (wie z.B. Schafe) hintereinander herzulaufen. Man erzielt ein besseres Resultat als im Alleingang.[6] Rationales Herdenverhalten kann darüber hinaus auch durch mangelnde Erfahrung und geringe persönliche Analysefähigkeiten begründet werden.[7] Gerade die Berufsgruppe der Analysten fürchtet die Konsequenzen, wenn sie von der Meinung einer bestimmten Person oder Personengruppe abweichen. Rationales Herdenverhalten ist dann die Reaktion, welche aus faktisch bestehendem oder lediglich empfundenem Druck von außen entsteht.[8] In die Kategorie des rationalen Herdenverhaltens fällt auch der Prinzipal-Agenten Ansatz mit Karriereinteressen, der später noch ein eigenes Thema darstellt.
2.3 Irrationales Herdenverhalten
Unter irrationalem Herdenverhalten wird gleichgerichtetes Verhalten verstanden, das nicht durch neue Informationen rational erklärbar ist.[9] Irrationales Herdenverhalten ist das blinde Folgen der Masse unter vollständiger Aufgabe der eigenen Analysetätigkeit.[10] Man übernimmt also blind die Meinung eines anderen, ohne eigene Informationen über die Qualität dieser Meinung zu haben.
Am damaligen Neuen Markt kann (konnte) man beispielsweise irrationales Herdenverhalten feststellen. Dort waren viele junge Unternehmen notiert, für die keine Historie an Umsatz- und Gewinninformationen existierte. Deswegen haben sich Analysten oftmals mit der so genannten Vergleichsmethode beholfen. Zur Bewertung eines Unternehmens haben sie eine bereits etablierte Firma herbeigezogen und per Vergleich versucht, eine faire Bewertung abzuleiten. Da Empfehlungen für unterbewertete Unternehmen sich besser verkauften, wurde als Vergleichsmaßstab das Unternehmen mit der aktuell höchsten Bewertung genommen. Im Extremfall entstand so eine Spirale, bei der Kurse steigen, ohne dass neue Informationen vorlagen. Ein klassischer Fall von irrationalem Herdenverhalten.[11]
Die weiteren Ausführungen in dieser Seminararbeit fallen aber in das Gebiet des rationalen Herdenverhaltens.
3. Prinzipal-Agenten Ansatz – Theoretische Grundlagen
Die Principal-Agenten Theorie untersucht Beziehungen zwischen Auftraggeber (Principal) und Auftragnehmer (Agenten), die von Imformationsasymmetrien und Interessenkonflikten zwischen den beiden Akteuren gekennzeichnet sind.
Der Ursprung dieser Theorie liegt in den 1970-er Jahren und sie ist ein Teilgebiet der neuen Institutionenökonomik.
Sie ist ein gängiges Modell, um das Handeln von Menschen in einer Hierarchie zu
erklären, trifft aber auch generelle Aussagen zur Gestaltung von Verträgen.
Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verbindungen gehören zu den typischen Betrachtungs-gegenständen der Principal-Agenten Theorie.
Neben der Behandlung der unvollständigen Information beschäftigt sich die Principal-Agenten Theorie auch mit der Frage der Risikoverteilung zwischen den Akteuren. Häufig sind die Risikoneigung von Principal und Agenten unterschiedlich.
Prinzipiell ist auf beiden Seiten eine Risikoneutralität, eine Risikoaversion oder eine Risikofreude möglich. Dies hängt von den Charaktereigenschaften und der jeweiligen Situation der Akteure ab. Die optimale Risikoallokation zwischen den Vertragspartnern wird häufig mit einer Risikoprämie für den risikoaversen Akteur verbunden.[12]
Im Zentrum der Principal-Agenten Theorie stehen Informationsasymmetrien und Interessenkonflikten zwischen den handelnden Akteuren, die auch zu Herding führen können. Aufgrund dessen kommt es zu drei gravierenden Problemen, die in Abschnitt 3.1, 3.2 und 3.3 näher beschrieben werden.
3.1 Adverse Selection
Die Adverse Selection ist eine Theorie, die im Jahre 1970 von George A. Akerlof entwickelt wurde und eine Informationsasymmetrie vor oder nach Vertragsabschluss zwischen zwei Vertragspartnern ausdrückt.[13] Durch Adverse Selection besteht die Gefahr, dass die schlechten Qualitäten die guten Qualitäten verdrängen.[14]
Der Principal kann die Eigenschaften des Agenten und seine Leistungen ex ante nicht einschätzen. Dadurch besteht die Gefahr, dass Agenten mit vermeintlich schlechten Eigenschaften diese gegenüber dem Principal verheimlichen. Agenten mit positiven Eigenschaften hingegen stehen vor dem Problem, den Principal ex ante nicht davon überzeugen zu können. Somit sieht sich der Principal mit dem Problem der Auswahl unerwünschter Vertragspartner konfrontiert.[15]
3.2 Das Moral Hazard Problem
Moral Hazard ist die englische Bezeichnung für ein moralisches Wagnis.
Und Wagnisse sind ja oft mit Risiko verbunden. Moral Hazard im weiteren Sinne ist die Folge nachvertraglicher Informationsasymmetrien zwischen Transaktionspartnern und resultieren aus dem Problem, dass das Verhalten des besser informierten Partners die Ergebnisse des schlechter informierten Partners beeinflusst.[16] Der Principal steht vor dem Problem, dass der Agent sich unmoralisch oder unachtsam verhält, weil beispielsweise sein Arbeitsvertrag ihn selbst vor Verlusten schützt, die durch sein Verhalten ansonsten entstehen könnten.
Der Principal kann im Fall des Moral Hazard den Einsatz des Agenten nach Vertragsabschluss (ex post) entweder nicht beobachten oder zwar beobachten, jedoch nicht richtig beurteilen. Das Handlungsergebnis ist dem Principal in beiden Fällen zwar bekannt, er kann jedoch nicht genau einschätzen, inwieweit es auf Leistungen des Agenten beruht, oder durch exogene Faktoren wesentlich beeinflusst wurde.[17]
Meines Erachtens sind Moral Hazard und Herding eng miteinander verknüpft. Um beidem in der Funktion des Principals vorzubeugen, kann man als einen Lösungsansatz z.B. Leistungsprämien einsetzen. So kann man die guten Schafe von der Herde trennen und belohnen.
3.3 Das Hold-Up Problem
Der Begriff Hold-Up bedeutet Störung oder Überfall. Diese Form der Informationsasymmetrie kann auftreten, wenn eine Partei beim oder nach dem Vertragsabschluss viel mehr Investitionen getätigt hat als die andere, die Vereinbarungen aber von der anderen Partei nicht mehr anerkannt werden.[18] Je höher die getätigten Investitionen sind, desto stärker ist der Principal an den Agenten gebunden. Bei Vertragsabschluss verfügen Principal und Agent noch über symmetrische Informationen. Das Informationsdefizit des Principals entsteht nach Abschluss des Vertrages, wenn der Agent im Rahmen der Aufgabendurchführung Informationen erlangt, die der Principal nicht erhält. Dadurch kommt es zu dem Fall, dass der Principal das Verhalten des Agenten zwar beobachten, jedoch aufgrund seiner mangelnden Informationslage nicht unmittelbar beurteilen kann.
Das Hold-Up Problem tritt als sog. Unterinvestitionsproblem in Erscheinung. Der Principal antizipiert dabei das ex post zu erwartende opportunistische Verhalten des Agenten bereits im Voraus und ist daher nicht zur optimalen Investitionshöhe bereit. Das Hold-Up Problem ließe sich ausschließen, wenn Vertragslücken vermieden werden könnten, die opportunistisches Verhalten ermöglichen.[19]
Man müsste quasi vollständig verifizierte Verträge gestalten, um dieses Problem zu umgehen. Das kommt in der Realität aber nur selten vor und würde einen sehr aufwendigen Gestaltungsprozess erfordern, den kaum ein Principal bereit ist, aufzunehmen.
[...]
[1] Vgl. Spiworks M. (2006), S.5.
[2] Vgl. FinanceWiki Portal TU Dresden abgerufen am 26.03.2009.
[3] Weber M. (2007), S. 100.
[4] Vgl. Lähn M. (2004), S. 25.
[5] Vgl. Freiberg N. (2004), S.1.
[6] Vgl. Weber M. (2007), S 101.
[7] Vgl. Friedrich N. (2007), S. 112.
[8] Vgl. Friedrich N. (2007), S. 111.
[9] Vgl. Weber M. (2007), S. 101.
[10] Vgl. Friedrich N. (2007), S. 118.
[11] Vgl. Faz.Net (2001), S.1.
[12] Vgl. Pleier N. (2008), S. 102.
[13] Vgl. Finanz-Lexikon.de abgerufen am 27.03.2009
[14] Vgl. May H. (2008), S.96.
[15] Vgl. Pleier N. (2008), S. 104.
[16] Vgl. Wessels M. (2009), S.127.
[17] Vgl. Pleier N. (2008), S.105.
[18] Vgl. Romanko R. (2009), S. 4.
[19] Vgl. Pleier N. (2008), S.105 f.
- Quote paper
- Andreas Berndt (Author), 2009, Portfoliomanagement: Erfolgsmessung, Vergütung und Anlageverhalten von Portfoliomanagern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131237
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