Die LAN-Party ist ein relativ junges Phänomen. Erst in den letzten Jahren wurden die technischen Voraussetzungen für ein vernetztes Spielen von rechenintensiven Computerspielen der breiten Masse zugänglich. Das vernetzte Zocken im privaten wie im öffentlich Kreis hat seitdem unzählige Anhänger gefunden. LAN-Parties sind bereits so verbreitet, dass man in ihnen keine Randerscheinung, sondern ein zunehmend stärker frequentiertes Erlebnisangebot der postmodernen Gesellschaft sehen kann. Dennoch trägt der Forschungsstand in den Sozialwissenschaften dem Phänomen Netzgemeinschaft innerhalb der LAN-Party bisher in keiner Weise Rechnung. Die uns interessierende Form der privaten LAN-Parties als temporäres Phänomen, in welcher sich eine Spielergemeinschaft real und virtuell zusammenfindet, wurde bisher keine Beachtung geschenkt.
Das Ziel war es, mit Hilfe der soziologischen Konzeptionen von "Fest" und "Spiel" eine Abhandlung zu verfassen, welche die Faszination, die vom Phänomen LAN-Party ausgeht, aufdeckt und das Handeln der teilnehmenden Personen verständlich macht. In diesem Zusammenhang soll die vorliegende Arbeit, einen LAN-Party-Unkundigen mit diesem Phänomen vertraut machen, so dass er sich gegebenenfalls auf einer Netzwerkparty angemessen verhalten könnte. Um dieses Ziel zu verwirklichen, orientierten wir uns an der Methode der lebensweltlichen Ethnographie.
Grundlegend für das Aufspüren der Faszination, die von einer LAN-Party auf den Spieler wirkt, ist gemäß der "lebensweltlichen Ethnographie" die Rekonstruktion von Wirklichkeit durch die Augen eines idealen bzw. typischen LAN-Party-Spielers innerhalb einer Netzwerkparty. In diesem Kontext ist es unverzichtbar, nicht nur passiv zu beobachten, sondern auch aktiv mitzuwirken, um die Perspektive eines Zockers auch konkret einzunehmen. In diesem Sinne beobachteten wir nicht nur vier private Counter-Strike-Netzwerkparties, sondern nahmen an denselben auch aktiv teil.
Wir haben versucht die faszinierenden Elemente einer LAN-Party möglichst analytisch und strukturiert mit Hilfe bzw. unter Einbeziehung der zugrunde liegenden theoretischen Konzepte von Fest und Spiel zu explorieren. Abschließend versuchen wir eine analytische Charakterisierung der in unseren Augen entscheidenden Merkmale sowie der Faszination, welche die private LAN-Party für den erlebnisorientierten Menschen besitzt, fokussiert darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
I Theoretische Grundlagen
2 Informationsgesellschaft und Erlebnisorientierung
2.1 Informationszeitalter
2.2 Erlebnisorientierung und Technologie
3 Virtualität – Die Erkundung neuer Wirklichkeiten
3.1 Von der realen zur Computerwelt – eine Unterscheidung
3.1.1 Die eine Welt
3.1.2 Die sozial konstruierte Welt
3.1.3 Die medial vermittelte Welt
3.1.4 Die computergestützt vermittelte Welt
3.1.4.1 Die computergestützt virtuell vermittelte Welt
3.1.4.2 Die computergestützt fiktional vermittelte Welt
3.1.5 Computerspiele als Verbindung von realer und virtueller Welt
3.2 Virtualität und Rahmungshandlungen
4 Spielen im Netz
4.1 Grundlagen
4.1.1 Wichtige Spielarten
4.1.2 Spielmerkmale
4.2 Computerspiele
4.2.1 Computerspielgenres
4.2.2 Strukturelle Kopplung von Lebenswelt und Computerwelt
4.2.3 Struktur eines Computerspiels
4.2.3.1 Spielsozialisation
4.2.3.2 Spielmotivation
4.2.3.3 Virtueller Handlungsablauf
4.2.3.4 Spielzeit
4.3 Der Flow-Effekt im Computerspiel
4.4 Counter Strike als klassisches Netzwerkspiel
4.4.1 Geschichte von Counter Strike
4.4.2 Merkmale von Counter Strike
4.4.3 Regeln und weiterer Verlauf
4.4.4 Strategisches Vorgehen
5 Exkurs: Computer-Netzwerke
5.1 Das Internet
5.2 Lokale Netzwerke
5.3 Das Netzwerk einer LAN-Party
6 Das Fest – eine theoretische Betrachtung
6.1 Sozialwissenschaftliche Theorieansätze
6.2 Die Ausdifferenzierung des Festlichen in Fest und Feier
6.3 Die Veralltäglichung des festlichen Elements und seine postmoderne Erscheinungsform: das Event
6.4 Momente des modernen Festes unter Freunden: die Party
6.5 Verbindung von Fest und Spiel
II Ethnographische Studie einer Netzwerkparty
7 Die Methode der lebensweltlichen Ethnographie
7.1 Der lebensweltliche Forschungsansatz
7.1.1 Lebenswelt und Alltag
7.1.2 Die kleine soziale Lebens-Welt
7.2 Die Entwicklung der „anderen“ Perspektive
7.2.1 Zur Ethnographie der LAN-Parties – methodisches Vorgehen
7.3 Interviews als erweiterte Datenerhebung
7.4 Empirisch begründete Theoriebildung
7.5 Datenauswertung respektive -bearbeitung
8 Das Spiel in der Netzwerkparty
8.1 Teamzusammensetzung
8.2 Auswahl der Charaktere
8.3 Namensgebung
8.4 Kommunikation
8.5 Macht und Kontrolle in der virtuellen Welt
8.6 Der Flow im Netzwerkspiel
8.7 Wettbewerb
8.8 Spielregeln und Strategie
9 Rahmenbedingungen der Netzwerkparty
9.1 Zugang
9.2 Vorbereitung
9.3 Startphase
9.4 Hauptphase
9.5 Ende einer LAN-Party
10 LAN-Party, ein postmodernes Fest?
10.1 LAN- Party ?
10.2 Der Flow als zentrales Element der Netzwerkparty
10.3 Das Fest in der LAN-Party
10.4 LAN-Party und die moderne Erlebnisorientierung
11 Faszination LAN-Party – Eine Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Ein lautes „Komm Janni, hol Dir die Bombe!“ durchdringt die halb-dunklen Räume der Drei-Zimmer-Wohnung. Gegen 1:00 Uhr nachts flackern hier noch immer zwölf Bildschirme. Jan, ein 21-Jähriger Student steuert gerade seine Spielfigur sichtbar angespannt durch die dunklen Räume der virtuellen Spiellandschaft. Als letzter Überlebender seines virtuellen Teams ist alle Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet. Bender, Jans Teamkamerad, ist zuvor mit der Bombe auf dem Rücken dem Kugelhagel der Counter Terroristen zum Opfer gefallen. Die Bombe liegt jetzt offen im Raum und die Counter erwarten ihren letzten Feind. Jan, der nunmehr diese Bombe gegen gleich drei der noch am Leben befindlichen gegnerischen Spieler zurückerobern muss, ist sich dabei durchaus der Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens bewusst. Doch Zögern ist bei Counter Strike fehl am Platz. Im nächsten Augenblick ertönt eine dumpfe Maschinengewehrsalve aus dem Nebenzimmer, und Bender äußert sich frustriert: „Jetzt haben wir seit Ewigkeiten mal wieder eins verloren“.
Dieses virtuelle Szenario ist exemplarisch für die Atmosphäre innerhalb privater Netzwerkparties. Diese sollen im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen. Eine Netzwerk- oder auch LAN-Party ist dabei eine Veranstaltung, in der eine spezifische Gruppe von Computerspielern ihre Computer miteinander vernetzen, um in diesem Netzwerk gemeinsam und intensiv zu spielen. Die Abkürzung LAN steht dabei für „Local Area Network“ und bedeutet soviel wie: Netzwerk auf lokalem Gebiet.
LAN-Parties können hierbei auch im „großen Rahmen“ stattfinden, wobei in öffentlichen Hallen bis weit über hundert Leute zusammen spielen. Solche Parties bzw. Events finanzieren sich meist über Sponsoren und Eintrittsgelder. Sie sind demnach vorrangig kommerziell ausgelegt und werden so von uns im Anschluss immer auch als kommerzielle LAN-Parties deklariert.
Der Fokus unserer Arbeit liegt aber in der kleineren privaten Form dieser speziellen Parties. Wenn wir im Zuge unserer Arbeit nun von LAN-Parties sprechen, ist in unserem Zusammenhang immer die private Form von Netzwerkparties gemeint. Eine solche ist im Gegensatz zu einer kommerziellen LAN-Party privat organisiert und findet in privaten Räumlichkeiten statt. Zur Veranschaulichung des Gegensatzes wurden auf der, im Anhang befindlichen CD1 auch kommerzielle Lan-Parties vorgestellt (vgl. Ordner Lan-Kommerziell).
LAN-Parties gibt es dabei zu unterschiedlichen Spiel-Genres. Zum heutigen Zeitpunkt sind sogenannte Ego-Shooter am weitesten verbreitetet. Counter Strike stellt in diesem Zusammenhang seit 1999 eines der beliebtesten Netzwerkspiele dar, welche sowohl in kommerziellen als auch innerhalb der zu untersuchenden privaten LAN-Parties gespielt werden. Ein Ego-Shooter ist dabei ein Spiel, in dem, wie der Name schon sagt, die Spieler die dreidimensionale virtuelle Welt aus einer Ich-Perspektive erleben. Das primäre und durchaus simple Ziel ist es, Gegner mit Hilfe diverser Waffen virtuell zu eliminieren.
Die Teilnehmer einer LAN-Party sind dabei zumeist ausgesprochene „Vielspieler“. In ihrer Sprache wird das Spielen auch als „Zocken“ bezeichnet. Wir werden diese Bezeichnung für extensives Spielen in unserer Arbeit des öfteren aufgreifen.
Die LAN-Party, ob nun kommerziell oder privat, ist ein relativ junges Phänomen. Erst in den letzten Jahren wurden die technischen Voraussetzungen für ein vernetztes Spielen von rechenintensiven Computerspielen der breiten Masse zugänglich. Das vernetzte Zocken im privaten wie im öffentlich Kreis hat seitdem unzählige Anhänger gefunden. Gerade für kommerzielle LAN-Parties wird heutzutage allerorts mit Flyern und Plakaten geworben. LAN-Parties sind nach unserem Verständnis bereits so verbreitet, dass man in ihnen keine Randerscheinung, sondern ein zunehmend stärker frequentiertes Erlebnisangebot der postmodernen Gesellschaft sehen kann. Dennoch trägt der Forschungsstand in den Sozialwissenschaften dem Phänomen Netzgemeinschaft innerhalb der LAN-Party bisher in keiner Weise Rechnung. Es existieren neben zahlreicher Literatur über die Vorstellung und etwaige Auswirkungen von verschiedenen Formen der Computerspiele bisher diverse Schriften hinsichtlich der textbasierten „Adventures“, sogenannter MUDs (Multi User Dungeons bzw. Dimensions), welche über das Internet umgesetzt werden (vgl. Turkle 1998 und vgl. Götzenbrucker 2001). Diese stellen in ihrem Kontext durchaus eine virtuelle Netzgemeinschaft dar, sind allerdings nicht mit den von uns zu untersuchenden Netzwerkparties vergleichbar. Die uns interessierende Form der privaten LAN-Parties als temporäres Phänomen, in welcher sich eine Spielergemeinschaft real und virtuell (mit Hilfe des Computerspiels) zusammenfindet, wurde bisher keine Beachtung geschenkt.
Netzwerkparties sind ein typisches Phänomen des Informationszeitalters, einer Zeit, in welcher der heimische PC nicht nur ein normaler „Einrichtungsgegenstand“, sondern vor allem ein alltägliches Medium (Internet, Chat, E-Mail, etc.) der Wissensbeschaffung geworden ist. Der Einsatz des Computer verändert so nicht nur berufliche, sondern eben auch immer mehr Abläufe und Tätigkeiten im privaten Alltag. Gepaart mit der heutigen Erlebnisorientierung, „der Suche nach Ästhetik“, findet der PC auch immer intensiver Nutzung in der Freizeitgestaltung. Speziell die virtuellen Szenarien der Computerspiele bieten in diesem Zusammenhang ein Erlebnis. Das lustvolle Eintauchen in virtuelle Welten, das Erschließen neuer Handlungsräume, das Erleben elektronischer Gemeinschaften in Verbindung mit dem sicheren Umgang mit den neuen Medien, stellt einen besonderen Reiz für den erlebnisorientierten Menschen dar. Computererzeugte Virtualität kann man somit als neue Qualität der Erlebnisorientierung verstehen.
Die wissenschaftlichen Konzepte der Informationsgesellschaft und der Erlebnisorientierung bilden deshalb bei unserer Betrachtung eine theoretische Grundlage. In diesem Kontext stellen wir sie auch an den Ausgangspunkt unserer Arbeit (Kapitel 2: Informationsgesellschaft und Erlebnisorientierung). Unter der Prämisse, dass Virtualität in einer erlebnisorientierten Gesellschaft einen spezifischen Reiz bildet und in der LAN-Party im besonderen seinen Ausdruck findet, beschäftigen wir uns im Punkt 3 (Virtualität – Die Erkundung neuer Wirklichkeiten) eingehend mit dem Begriff der virtuellen Welten. In diesen Punkten soll vor allem eine Grundlage für das weitere Verständnis der Arbeit geschaffen werden. Auf dieser Basis haben wir den Versuch unternommen, private LAN-Parties ethnographisch möglichst erschließend zu untersuchen.
Über beobachtende Teilnahme und über teilstrukturierte Interviews rekonstruierten wir in diesem Kontext die kleine soziale Lebenswelt einer Netzwerkparty. Um das Handeln der Zocker innerhalb einer LAN-Party verständlich zu machen, beschreiben wir in unserer Arbeit natürliche kulturelle „settings“ der Netzwerkparty.
Den wissenschaftlichen Zugang zu diesem Phänomen erarbeiteten wir uns zuerst über zwei grundlegende spezifische theoretische Konzepte, die uns in unserer empirischen Arbeit als Rahmen dienten. Die beiden Konzepte „Spiel“ und „Fest“ weisen bereits unmittelbar auf die Netzwerkparty hin. Zum einen dient das Spiel als zentrales Medium, zum anderen wird der Begriff „Party“ (Fest) als externe Beschreibung der Veranstaltung kommuniziert. Unsere Überlegung war es, ausgehend von einer soziologischen Beschreibung dieser beiden Grundkonzepte (Kapitel 4: Spielen im Netz und Kapitel 6: Das Fest – eine theoretische Betrachtung), ethnographisch zu forschen. Über die theoretischen Abhandlungen erschlossen wir uns typische Merkmale und Elemente des Spiels und des Festes, die unser ethnographisches Vorgehen fokussierten und somit nachhaltig beeinflussten.
Inwieweit dienen hierbei Implikationen des Computerspiels „Counter Strike“ als Umsetzung bzw. Befriedigung der Erlebnisorientierung innerhalb einer LAN-Party? Welche Effekte legt das zentrale Medium „Spiel“ hinsichtlich der Veranstaltung LAN-Party zugrunde? Inwiefern ist eine solche Party ein Fest respektive finden sich typische Elemente eines Festes bzw. einer Party auch in dem Erlebnis einer Netzwerkparty wieder?
Unser Ziel war es, mit Hilfe dieser zwei Konzeptionen eine Abhandlung zu verfassen, welche die Faszination, die vom Phänomen der privaten LAN-Party ausgeht, aufdeckt und das Handeln der teilnehmenden Personen verständlich macht. In diesem Zusammenhang soll unser Bericht, einen LAN-Party-Unkundigen mit diesem Phänomen vertraut zu machen, so dass er sich gegebenenfalls auf einer Netzwerkparty angemessen verhalten könnte. Um dieses Ziel zu verwirklichen, orientierten wir uns an der Methode der lebensweltlichen Ethnographie, welche wir im Punkt 7 gesondert vorstellen.
Grundlegend für das Aufspüren der Faszination, die von einer LAN-Party auf den Spieler wirkt, ist gemäß der „lebensweltlichen Ethnographie“ die Rekonstruktion von Wirklichkeit durch die Augen eines idealen respektive typischen LAN-Party-Spielers innerhalb einer Netzwerkparty. In diesem Kontext ist es unverzichtbar, nicht nur passiv zu beobachten, sondern auch aktiv mitzuwirken, um die Perspektive eines Zockers auch konkret einzunehmen. In diesem Sinne beobachteten wir nicht nur vier private Counter-Strike-Netzwerkparties, sondern wir nahmen an denselben auch aktiv teil.
Neben dem (Sonder-) Wissen, welches wir uns durch die existentielle Innenansicht des LAN-Party-Geschehens aneigneten, basiert unsere Auswertung auch auf sechs teilstrukturierten Interviews mit Teilnehmern der beobachteten LAN-Parties. Ergänzt wird das Material durch einige Videomitschnitte, die neben der rein räumlichen Atmosphäre hauptsächlich die permanent stattfindende Kommunikation der LAN-Parties dokumentieren soll. Die Videos liegen in CD-Form bei. Ebenfalls auf CD-Rom befindet sich das Interview- bzw. ein Beobachtungsprotokoll. Letzteres enthält in schriftlicher und strukturierter Form die mittels der Videos aufgezeichneten Spiel-Kommunikation. Als eine weitere Veranschaulichung fügten wir auf der CD1 unter dem Ordner „LAN-Bilder“ einerseits Fotos der besagten LAN-Parties und andererseits in „CS-Screenshots“ Momentaufnahmen der virtuellen Innenansicht des Computerspiels „Counter Strike“ hinzu. Diese dienten uns zusätzlich zur anschaulichen Darlegung diverser Phänomene des untersuchten Computerspiels im Zusammenhang zu den beobachteten Netzwerkparties.
Basierend auf der Methode der lebensweltlichen Ethnographie haben wir versucht, die faszinierenden Elemente einer LAN-Party möglichst analytisch und strukturiert mit Hilfe bzw. unter Einbeziehung der zugrunde liegenden theoretischen Konzepte von Fest und Spiel zu explorieren. Der Auswertungsteil unserer Arbeit ist dementsprechend gemäß der beiden Konzeptionen gegliedert (Kapitel 8: Das Spiel in der Netzwerkparty und Kapitel 10: LAN-Party, ein postmodernes Fest?). Abschließend versuchen wir, im Punkt 11 (Faszination LAN-Party – eine Zusammenfassung) eine analytische Charakterisierung der in unseren Augen entscheidenden Merkmale sowie der Faszination, welche die private LAN-Party für den erlebnisorientierten Menschen besitzt, fokussiert darzustellen.
I Theoretische Grundlagen
2 Informationsgesellschaft und Erlebnisorientierung
2.1 Informationszeitalter
Begriffe wie Globales Dorf, Cybersociety und Virtuelle Gesellschaft (vgl. Bühl 1996 und McLuhan 1989) weisen auf eine weltweit vernetzte elektronische Kommunikation und demnach auf einen nachhaltigen Einfluss auf das soziale und ökonomische Leben hin. Der heimische Personalcomputer gehört mittlerweile zum fast normalen „Einrichtungsgegenstand“ einer Wohnung. Darüber hinaus ist er durch seinen Anschluss an das Internet zu einem wichtigen Kommunikationsmittel der heutigen Zeit geworden. Die beschleunigte Informationsübertragung durch den vernetzten Personalcomputer stellt ein Charakteristikum der Kommunikation der Postmoderne dar (Rötzer 1998: 147).
„Das Leben im Cyberspace, der virtuellen Wirklichkeit, ist nicht mehr nur Science Fiction, sondern fast schon greifbare Realität“ (Fuderholz 1998: 12). Aufgrund der Vernetzung sowie der modernen Computertechnik und deren Peripherie können dem Benutzer dreidimensionale Interaktionserfahrungen geboten werden, welche ihn glauben lassen, sich in einer echten Welt zu befinden, anstatt nur ein Bild zu betrachten (vgl. Stengel 1996: 247). Cyberspace (kybernetischer Raum) greift hierbei auf die Unterstützung von Datenhelmen, –handschuhen und gegebenenfalls kompletten Datenanzügen zurück (vgl. Buddemeier1993: 81 f.). Diese Form der Virtualität ist zwar eine sehr eindeutige, allerdings nicht (aufgrund ihrer geforderten Ressourcen) alltägliche Erscheinungsform. Für die vorliegende Arbeit sind virtuelle Realitäten, dargestellt durch den „einfachen“ Personalcomputer und dessen Software interessant. Doch bevor näher auf das Wesen bzw. die Merkmale von Virtualität eingegangen werden kann, erscheint es uns sinnvoll, den Informationsbegriff an sich, als Grundlage jeder Kommunikation, zunächst etwas genauer zu beleuchten.
Bis in die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts deutete der Begriff „Information“ auf Wissensübermittlung oder Mitteilung ganz allgemein hin. Seit dem Einfluss der Nachrichtentechnologie existieren nunmehr differenzierte Bedeutungsinhalte. Die wichtigsten seien im Folgenden kurz zusammengefasst.
Im alltagssprachlichen Bereich steht die Wissensmitteilung bzw. die Mitteilung von Neuigkeiten im Vordergrund. Die praktische Nützlichkeit des Wissens ist hierbei besonders wichtig.
Im juristischen Bereich ist allein die schriftliche Fixierung der Information, losgelöst von inhaltlichen Aussagen, von Bedeutung.
In unserem Verständnis von Information ist allerdings der wissenschaftliche Bereich besonders zu betonen. Der Charakter des Wissens als Nachricht, Struktur und Deutung von Wirklichkeiten ist hierbei von besonderem Interesse (vgl. Meerpohl/Nau 1999: 100 f.).
Aufgrund des Zusammenhangs mit den neuen Kommunikationstechnologien ist der wissenschaftliche Informationsbegriff für die heutige Gesellschaft prägnant, denn abgesehen von dem Wissen über Fakten, dem Vorgang der Übermittlung sowie dem Prozess der Erkenntnis durch Wissensmitteilung, kennzeichnet nicht allein der gestiegene Wissensvorrat die Informationsgesellschaft, sondern speziell deren immanente Kommunikationsmechanismen (vgl. Baacke 1997: 23). Somit kann man in diesem Zusammenhang eher von einer „Informationsbenutzungsgesellschaft“ sprechen, wobei das Augenmerk hierbei auf dem „sich informieren“ ihrer Mitglieder liegt.
Aufgrund der neuen Medien bzw. der modernen Nachrichtentechnologien entsteht ein immenses Wissenspotential, welches durch die unüberschaubare Vernetzung differenzierter Zusammenhänge zu einer Verunsicherung der Menschen führen kann. „Gesteigerte Flexibilisierung von Handlungsmöglichkeiten der Individuen, Abnahme äußerer Vorgaben, räumliche und soziale Mobilität und kognitive Fähigkeiten durch medialen Überfluss nehmen zu“ (ebd.: 101). Durch informale und kommunikationale Ressourcen der Informationsgesellschaft entsteht einerseits ein Wertepluralismus, welcher die Individualitätsverwirklichung auf Basis der Selbstbestimmung ermöglichen kann. Andererseits kann diese Tendenz ebenso zu einer Art der „Werteverhinderung“ (Jaklin 1998: 125) führen. Unter diesem Gesichtspunkt müssen auch neue Technologien wie Internet und Multimedia betrachtet werden. Die differenzierte Anwendung multimedialer Werkzeuge sowie das Erlernen immer neuer Kenntnisse ist für eine Bewältigung der Verunsicherung sicherlich unumgänglich (vgl. Rutz 1999: 16 ff.). Der „Informationsarbeiter verändert seine Interessen und erwirbt neues Wissen und neue Fertigkeiten durch selbstgesteuertes lebenslanges Lernen, seinem Survival Kit in der Informationsgesellschaft“ (Straka 2000: 228). Moderne Wissensgesellschaften entwickeln sich aufgrund ihrer Vernetzung zunehmend zu einer Art globalem Gehirn, wobei die Akteure nunmehr über das Internet oder Lokale Netze (wie Nervenzellen über Nervennetze) kommunizieren können (Mainzer 1999: 1). Elektronisch gespeicherte Datenbanken sind allen Nutzern zugänglich, welche am Arbeitsplatz oder zu Hause über einen Personalcomputer verfügen. Diese stellen in ihrer Gesamtheit das vernetzte Gehirn bzw. weltweit verbundene Computernetze dar. „Zusammen mit den immensen Informations-Speicher- und Retrievalmöglichkeiten der Datenbanken bilden sie so etwas wie ein weltweites ‚Gedächtnis’, das Informationen verteilt, speichert und sie sekundenschnell über den Erdball verteilt austauschen und verarbeiten kann“ (Diepold 1997: 92). Durch die unmittelbare Überbringung an die entsprechenden „Rezeptoren“ forciert sich die Informationsübertragung enorm und führt demnach zu einer immer schnelleren Entwertung des Wissens. Zugleich erfordert diese Art der Inflation von Wissen ein neuerliches unumgängliches Aneignen von relevanten Informationen, um zu einem selbständigen Anbieter von Dienstleistungen zu werden (vgl. Lohmann 1999: 191).
Wie bereits erwähnt, verändert „der mögliche Einsatz des Computers im wirtschaftlichen Bereich, im beruflichen wie auch im privaten Alltag immer mehr Abläufe und Tätigkeiten“ (Schwab und Stegmann 1999: 15). Speziell der vernetzte Computer wird demnach als Überbringer und Speichereinheit von Informationen und somit von Wissen zu einer tragenden Säule der gesellschaftlichen Prozesse (vgl. Krysmanski 2000: 27 ff.). Speziell als Wirtschaftsfaktor spielt das Wissen und deren Übermittlung eine wichtige Rolle. „Wir tauchen ins Informationszeitalter ab, in dem es nicht mehr primär, wie man uns sagt, um materielle Waren geht, sondern um die Schaffung, Verbreitung, Verarbeitung, Aufbereitung und Empfängnis von Informationen – und natürlich um deren geeignete Verpackung, damit die Menschen auf sie aufmerksam werden, sie verbreiten, reproduzieren und, wenn möglich, kaufen“ (Rötzer 1998: 147). Im Kern bedeutet somit der Begriff „Informationsgesellschaft”, dass der Umgang mit Informationen gegenüber dem Umgang mit Stoffen bzw. Materie an ökonomischer Bedeutung gewinnt (vgl. Guggenberger 1997: 99). Der Zusammenhang von Stoff und Ort der Handlung wird in der Informationsgesellschaft entwertet und durch moderne Telekommunikation (Telefon, E-Mail etc.) weltweit neu zusammengefügt. Die Informationsvermittlung hinsichtlich eines Produktes (Dienstleistung, Werbung, Beschaffenheitsdaten) wird zu einem eigenen Wirtschaftsgut, denn die umgehende Verfügbarkeit dieser Informationen entscheidet über den Erfolg des Produktes am Markt. Man kann somit zusammenfassen, dass wir durch die zunehmende Computerisierung und Informatisierung vor „einer Ablösung des traditionellen Arbeitsmarktes durch einen Markt kognitiver Prozesse“ (Haefner 1995: 83) stehen.
Nicht allein der Arbeitsmarkt profitiert von der schnellen Datenübertragung, sondern generell nimmt die direkte Verfügbarkeit von Wissen einen hohen Stellenwert auf dem (außerschulischen) kommerziellen Bildungsmarkt ein. Nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens unterliegen der technischen Veränderung (vgl. Fichtner 2000: 13). In der zukünftigen Lebenswelt kommt, wie bereits angedeutet, dem lebenslangen Lernen besondere Bedeutung zu.
Die Geschwindigkeit der Datenübertragung, die damit einhergehende Datenentwertung sowie die Komplexität des geforderten Wissens und die Forderung nach selbständiger Daten- bzw. Informationsrecherche sind Hauptcharakteristiken der Informationsgesellschaft (vgl. Spanhel 1999: 20/vgl. Theideke 1999: 17 f.). Mit anderen, vereinfachten Worten bedeutet dies, dass sich die Anforderungen der zukünftigen Lebens- und Arbeitswelt immer schneller wandeln und gleichzeitig ein hohes Maß an Wissen, Eigeninitiative (selbständiges Handeln) und Flexibilität vorausgesetzt wird.
2.2 Erlebnisorientierung und Technologie
Die heutige Zeit ist gekennzeichnet von einer immer schneller werdenden Entwicklung von Wissenschaft und Technik. Die Lebensverhältnisse haben sich diesem Trend angepasst und wie bereits oben beschrieben, fließt der momentane Standard der Technik natürlich unmittelbar in die Lebensgewohnheiten der Menschen von heute ein. Die Entwicklung der Gesellschaft ist eng mit der Entwicklung ihrer immanenten Institutionen, wie z.B. Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, verbunden. Speziell die Auswirkungen des neuen Standards der Technik sind interessant für das zu bearbeitende Thema.
Seit den sechziger Jahren ist in der westlichen Gesellschaft ein neuer Trend absehbar, der sich zunehmend auf das Erleben konzentriert. Nicht nur der Arbeitsplatz bzw. die Industrie profitiert von neuen Technologien (vgl. Stengel 1996: 33), sondern besonders die Möglichkeiten im Freizeitbereich haben sich vervielfacht (vgl. Opaschowski 1997: 69).
Generell versteht sich diese Erlebnisorientierung als die unmittelbarste Form der Suche nach Glück. Fragen der materiellen Absicherung verlieren zwar nicht an Bedeutung, treten aber angesichts des Mottos „Erlebe Dein Leben” bzw. des „Projektes des schönen Lebens“ (vgl. Fromme/Freericks 1997: 79) in den Hintergrund: „Der kleinste gemeinsame Nenner von Lebensauffassung in unserer Gesellschaft ist die Gestaltungsidee eines schönen, interessanten und subjektiv als lohnend empfundenen Lebens” (Schulze 1992: 37).
Lebensmaximen wie persönliche Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung und die Suche nach eigener Identität rücken in das Zentrum der Lebenswelt. Dienstleistungen bestimmen sich heutzutage nicht mehr hauptsächlich aus ihrem Gebrauchswert, sondern eher aus ihrem Erlebniswert. Die Nützlichkeit der Güter wird nebensächlich; das Erleben wird vom Nebeneffekt zur Lebensaufgabe. Gerhard Schulze bezeichnet diesen Prozess als die “Ästhetisierung des Alltagslebens”. Die Ausrichtung auf das Schöne im Sinne einer positiven Bewertung von Erlebnisinhalten ist dabei charakteristisch (ebd.: 52).
Diese Erlebnisgesellschaft mit ihren unzähligen Optionen, Angeboten und ästhetischen Verlockungen kann sich, vor dem Hintergrund des zu bearbeitenden Themas, auch auf den derzeitigen Stand der Technik bzw. der neuen Technologien, welche im wesentlichen auf der Entwicklung der Elektronik (Informations- und Kommunikationstechnologien) beruhen, gründen (vgl. Wieland 1997: 290). Der Kulturraum des Internet beispielsweise schafft eine neue Erlebnis- und Teilnahmekultur, in welcher sich durch multimediale Formen ausgetauscht werden kann. „Computerkultur ermöglicht Individuen, aktiv an der Kulturproduktion teilzunehmen. Das Spektrum reicht von Diskussion über Themen öffentlichen Interesses bis zur Entwicklung eigener Kulturformen“ (Baacke 1999: 140). Dieser „kulturelle Austausch“ wird erst durch die Kombination angesprochener Erlebnisorientierung und neuer Teletechnologien bzw. interaktiver Medien möglich (Vogelgesang 2000: 363). Nicht allein der kommunikative Austausch über das Internet (Chat, Diskussionsforen, etc.) ist hierbei von Interesse, sondern vielmehr die Möglichkeiten, gemeinsam in virtuelle, grafisch animierte Räume abzutauchen. Diese virtuellen Szenarien gewinnen ihren zunehmenden Reiz aus ihrer, der Realität nachempfundenen, dramaturgischen Dichte bzw. deren wirklichkeitsnahen Umsetzung (vgl. Oerter 1997: 64). Nicht zuletzt aufgrund jener Tatsache, dass die technischen Möglichkeiten so weit fortgeschritten sind, dass ein nahezu reales Abbild der Wirklichkeit durch den Computer bzw. speziell durch Computerspiele virtuell dargestellt werden kann, erlebt das Abtauchen in eine gemeinsam erlebte virtuelle Welt einen weiteren Erlebnisschub (vgl. Lutz 1999: 176).
Eine zusätzliche Faszination erhält diese Virtualität durch die Tatsache, dass sie flexibel gestaltbar ist bzw. dem Spieler individuell angepasst werden kann. „Bei der primären Realität hingegen muss sich das Individuum anpassen, denn ‚die Welt’ ist (zumindest kurzfristig) nicht zu ändern. Indem die Welt virtualisiert wird, kann sie für jeden Einzelnen passend gemacht werden“ (Walter 2001: 69). Dennoch zeichnet speziell die untersuchte Netzgemeinschaft eine interne Regelhaftigkeit aus. Es wird also zu untersuchen sein, inwieweit ein individuelles oder ein den Interessen der Gemeinschaft angepasstes virtuelles Vorgehen bzw. Agieren bevorzugt wird. Das Netzwerkspiel „Counter Strike“, welches als eines der beliebtesten Online-Spiele gilt und gleichzeitig das spielerische Medium der untersuchten Netzwerkparties darstellt, verbindet die realen Spieler vor den Bildschirmen mit dieser virtuellen Gemeinschaft innerhalb des Computerspiels, welche einerseits erlebnisorientiert handelt und andererseits eine angesprochene Reglementierung impliziert.
Für die vorliegende Arbeit ist der Erlebnisdrang (ästhetische Verlockung des Erlebnisses einer privaten LAN-Party) auf Grundlage der neuen Voraussetzungen bzw. Technologien von entscheidender Bedeutung. Die Möglichkeiten der medienkompetenten Netzgemeinschaft und somit die Erkundung virtueller Lebens- und Erlebnisräume ist das Ergebnis einer Rezeptions- und Medienkarriere. In den medialen Gebrauchsstilen der angesprochenen Netzgemeinschaft entwickelt sich nicht allein eine spezielle Form der Medienkompetenz (vgl. Baacke 1999: 34) bzw. eine Art inkorporiertes kulturelles Kapital, sondern vielmehr ein systemimmanentes Zusammengehörigkeitsgefühl mit szenentypischen Erlebnisformen. Für uns bedeutet dies, dass für das kompetente Agieren in den virtuellen Welten von Counter Strike auch entsprechende Medienerfahrungen notwendig sind, welche sich folglich im gemeinsamen Erlebnis einer LAN-Party herausbilden und äußern können. Die beobachteten Parties wiesen zumeist einen Kern gleicher Spieler auf. Diese verband nach unserer Auffassung ein grundsätzliches Interesse am Computer sowie ein potentielles bzw. immer wiederkehrendes Verlangen nach einem gemeinsam erlebten Spielvergnügen.
In diesem Sinne stellt ein gemeinsam organisiertes Ereignis bzw. eine Netzwerkparty ein „Grenzüberschreiten der Alltagsordnung“ (ebd.: 378) bzw. ein gesteigertes Bedürfnis an Reizen und Simulationen dar. Die hierbei ausgelebten (medialen) Handlungsmuster können z.B. innerhalb von Counter Strike mit all seinen Handlungsanforderungen die zivilisatorisch bedingte Disziplinierung der Individuen überschreiten. Das Spiel gestaltet sich somit nach seinen eigenen Regeln, wobei soziale und virtuelle Verhaltensnormen einer später zu klärenden, neuen Definition bedürfen.
Wie bereits erwähnt, ist die Voraussetzung für ein sicheres Agieren in virtuellen Landschaften ein Besitz von Fertigkeiten, nicht nur allein im Umgang mit den neuen Medien insgesamt, sondern vielmehr ein Maß an situationsangepasstem Emotions- und Erlebnismanagement. Im Goffman’schen Sinne versteht man hierbei Rahmung und Modulation als ein Synonym für das Besitzen bzw. Erlernen von Situationsdefinitionen und Trennregeln (ebd.: 379). In diesem Sinne ist die angesprochene Medienkompetenz ein Internalisieren von Organisationsprinzipien, ein Erwerben von Konditionalprogrammen sowie die „Kenntnis oder Verfügbarkeit eines Regelsystems“ (Heydrich 1995: 227). Für die virtuellen Handlungsabläufe eines Computerspiels innerhalb einer Netzwerkparty bedeutet dies, dass der Spieler gezwungen ist, sich den Anforderungen im kognitiven, emotionalen und sensomotorischen Bereich zu stellen bzw. einen medialen Lernprozess zu durchlaufen. Diese „Ausbildung“ bzw. Fähigkeit bildet hierbei die Grundvoraussetzung, um sinnvoll innerhalb einer LAN-Party agieren zu können. Es gilt also weiterführend zu untersuchen, welche Voraussetzungen in diesen Bereichen das klassische Netzwerkspiel „Counter Strike“ verlangt. Daran anschließend ist zu untersuchen, inwieweit innerhalb einer Netzwerkparty spezielle Kommunikationsmuster, Hierarchisierungsstrategien, Normen und Regeln, Rituale etc. existieren, welche in ihrer Gesamtheit die Faszination einer privaten Netzwerkparty auszeichnen sollten.
Das Medienvergnügen gewinnt seinen Reiz nicht zuletzt aus der Distanz zu Selbstdisziplinierungsanforderungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Dennoch ist zu vermuten, dass der geneigte Computerspieler als Teil der Netzgemeinschaft innerhalb der LAN-Parties neu erworbene Handlungsmuster internalisiert, welche ihn wiederum gelegentlich einschränken können. Diese Frage wird an späterer Stelle zu klären sein.
Durch simulierte Situationen außeralltäglicher Zustände kommt es zu einer Steigerung der Nervenan spannung der Netzspieler und somit wird die angestrebte Erlebnissucht gewissermaßen befriedigt. Das virtuelle Abenteuer eröffnet die Gelegenheit des Ablösens vom Alltag. Ohne näher auf die Problematik der Transfers zwischen Virtualität und Realität (und deren Gefahren) eingehen zu wollen, kann allerdings an dieser Stelle festgehalten werden, dass mit der Differenz zwischen Phantasie- und Alltagswelt zumeist spielerisch umgegangen wird und somit die entsprechende Differenzwahrnehmung ein konstitutives Element der beschriebenen Medienkompetenz ist (vgl. Fritz 1997: 246).
Der Fokus der vorliegenden Arbeit bezieht sich allerdings im wesentlichen auf die Darstellung der Implikationen von Fest und Spiel innerhalb einer LAN-Party. Dennoch wurde eine entsprechende Frage gestellt und eindeutig beantwortet (vgl. Interviewprotokoll, Frage 8). Da eine tiefgründige Darlegung bzw. Erforschung des angesprochenen Transfers durch gewaltdarstellende Computerspiele und demnach der Medienwirkungsforschung, der Technikfolgenabschätzung schon häufig durchgeführt wurde und darüber hinaus oft erfolglos geblieben ist (vgl. z.B. Wagenhäuser 1996b: 27), soll auf eine weitere Erörterung dieses Problems verzichtet werden. Zudem würde sie den Rahmen unserer Arbeit sprengen. Die gemachten Aussagen der Befragten finden hierbei nicht ihren Eingang in die Auswertung.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das selbstverständliche Pendeln zwischen virtueller und realer Welt ein Ausdruck für kompetentes Agieren zu Zeiten der Erlebnisgesellschaft darstellt. Das lustvolle Eintauchen in virtuelle Welten, das Erschließen neuer Handlungsräume, das Erleben elektronischer Gemeinschaften in Verbindung mit dem sicheren Umgang mit den neuen Medien, kann einen besonderen Reiz für den erlebnisorientierten Menschen bieten.
3 Virtualität – Die Erkundung neuer Wirklichkeiten
Das Computerspiel ist das Medium einer Netzwerkparty. Hierbei funktioniert das Spiel durch den Austausch von Informationen über die miteinander verbundenen Rechner. Das Medium innerhalb einer Netzwerkparty kann somit ausschließlich virtueller Natur sein. Wie im vorangegangenen Kapitel hinreichend beschrieben, stellt die Möglichkeit im privaten Netzwerk mit anderen zu spielen, einen besonderen Reiz für den erlebnisorientierten Menschen dar. Es erscheint uns daher wichtig, die Transformation von Realität zu Virtualität durch das Computerspiel hinreichend zu erläutern, da die Qualität von virtuellen Darstellungen hinsichtlich der elektronischen Spielindustrie neue Dimensionen angenommen hat. Da das sichere und kompetente Agieren innerhalb virtueller Welten die Grundvoraussetzung für das Netzwerkspiel ist, muss folglich noch genauer auf entsprechende Rahmungskompetenzen innerhalb dieser Spielwelten eingegangen werden.
3.1 Von der realen zur Computerwelt – eine Unterscheidung
Um näher auf die Verbindung von wirklich erlebter Welt und Virtualität eingehen zu können, sollte an dieser Stelle eine Annäherung an die Perspektiven von Welt, welche in der Zeit der Informationsgesellschaft existieren, erfolgen.
3.1.1 Die eine Welt
Diese Form der Welt bzw. das „Spüren der unmittelbaren Bedingungen der Welt“ bedarf keiner Interpretation, d. h. die am eigenen Körper erlebten physischen Einschränkungen der vorgegebenen Umwelt bedürfen keiner weiteren Erklärung. Wenn wir auf ein Hindernis dieser dingbar erlebten Welt treffen, gibt es keinen Zweifel über dessen Existenz. Wenn wir eine Tür öffnen wollen, können wir dies nur, wenn wir den passenden Schlüssel besitzen. Hierbei ist es völlig unerheblich, welche Form oder Farbe die Tür hat. Entscheidend ist allein die Tatsache, dass dieses Hindernis wirklich und uns somit eine Grenze gesetzt ist, die uns unabhängig von möglichen intersubjektiven Konstruktionen einschränkt (vgl. Fromme 2001: 12).
3.1.2 Die sozial konstruierte Welt
Die wahrgenommene Welt beruht auf Interpretation. Wenn von einer wirklichen Welt gesprochen wird, geschieht dies immer auf Grundlage einer speziellen Art der interpretierenden Wahrnehmung. Diese Welt ist die Welt der Erscheinung oder der Vorstellung. Ohne näher auf philosophische Grundlagen eingehen zu wollen, kann allerdings festgehalten werden, dass jenes Verständnis von der erlebten Welt jederzeit kulturell determiniert ist. Die sozial konstruierten Erscheinungen werden als unmittelbare Welt verstanden, als so genannte „authentische Welt“. Diese wird erlebt ohne Hilfsmittel oder Einschränkungen, wobei diese Unmittelbarkeit nur Schein sein kann, da sie der Wahrnehmung durch unsere Sinne entspringt. Nur das, was allzeit um den Menschen herum passiert, wobei physische und metaphysische Determinanten gemeint sein können, kann für ihn ein Faktum darstellen. Hierbei ist der menschliche Verstand das zentrale Maß der Erkenntnis, denn die jeweiligen Anschauungsformen von den Dingen der umgebenden Welt bzw. die sinnliche Wahrnehmung derselben werden durch ihn geprägt bzw. kulturell vermittelt.
3.1.3 Die medial vermittelte Welt
Man kann diese Welt auch als instrumentell vermittelte Welt verstehen. Damit das Individuum Informationen erhalten kann, welche außerhalb seiner unmittelbaren Reichweite bzw. Welt liegen, wird ein Instrument benötigt. „Die Welt ist nicht nur Welt der (organisch vermittelten) Erscheinung, sondern auch Welt der technisch bzw. technologisch vermittelten Erscheinung – das ist die mediale Welt“ (ebd.: 13). Das Instrument ist gleichzeitig das Medium bzw. der Mittler zwischen dem Individuum und der Welt. In unserem Sinn sind diese Medien medial vermittelte Darstellungen der Welt der Erscheinung. Hinzufügend kann hierbei noch angemerkt werden, dass die Darstellungen durch diese technischen Medien nicht immer wirklichkeitsnahen Charakter aufweisen müssen. Insbesondere die neuen Medien, wie z.B. Video, Personalcomputer, Internet (vgl. Baacke 1997: 23) sind für Illustrationen fiktionaler Dinge und Welten prädestiniert, die kein Pendant innerhalb der für uns wirklichen Welt besitzen. Auf diesen Punkt wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit noch genauer einzugehen sein.
3.1.4 Die computergestützt vermittelte Welt
Zunächst gelten für virtuelle Welten die gleichen Charakteristika wie für medial vermittelte Welten. Das neue Medium „Computer“ kann Welten sinnlich zugänglich machen, welche es zuvor erzeugt hat, in denen menschliche Sinne im Normalfall nicht hinreichen. „Die Technik der virtuellen Räume/Welten/Szenarien beruht auf der Digitalisierung aller Medien, wodurch Text und Bild, Grafik, Video oder Sound manipuliert, transformiert und interaktiv gestaltet werden können. Ziel dieser Technik ist also zum einen die Integration möglichst vieler digitalisierbarer Medien (Multimedia), zum anderen ein Interface des Menschen mit dem Computer“ (Schmidt 1998: 26) zu ermöglichen. Die Digitalisierung bzw. elektronische Datenverarbeitung versteht sich hierbei als Grundlage für jede Softwareanwendung. Durch sie können „jegliche Formen von Informationen (Sprache, Text, Bild, Ton, Bewegtbild) in binäre, zweiwertige Zahlenwerte (Kombination und Aneinanderreihung von Null und Eins)“ (Eurich 1998: 134) umgewandelt und folglich für den Computer identifizierbar und verarbeitbar gemacht werden. Somit wird durch die Verarbeitung einfacher Zahlenwerte bzw. durch die Übertragung elektrischer Impulse nicht allein elektronische Kommunikation über ein herkömmliches Mailprogramm, sondern auch die Darstellung von virtuellen Welten durch den Computer realisiert (vgl. Johnson 1999: 265 ff.).
Wie bereits erwähnt, begrenzt sich die computergestützt vermittelte Welt nicht nur auf virtuelle Abbilder aus der Realität, sondern sie erstreckt sich auch auf unrealistische, fiktive Bilder bzw. Handlungsmöglichkeiten. Beide Merkmale spiegeln sich besonders in Computerspielen wider. Die Darstellungs- und Aktionsmöglichkeiten erweitern sich innerhalb der digitalen Welten angesichts dieser Tatsache enorm.
Da durch die gestiegene Hardwareperformance (z.B. Technologien wie Force Feedback und Cyberspace, neueste 3D-Grafikkarten, schnelle Prozessoren etc.) die Umsetzung phantasievollster Szenen immer einfacher möglich ist, ist der momentane Stand der Technik nur als Anfang einer informationstechnischen Entwicklung zu verstehen bzw. das Agieren in „neuen Welten“ steht vor einer völlig neuartigen und realistischen Dimension.
Ein wesentliches Merkmal des neuen Mediums Computer ist, wie bereits erwähnt, dessen Interaktivität. Demnach spiegelt sich die Welt der Erscheinung durch den Computer wieder bzw. der Computerspieler interagiert mit dem Medium Computer und agiert in virtuellen Räumen, welche der Realität nachempfunden sein können. „Dabei werden ‚User’ nicht nur einer linearen Dramaturgie ausgesetzt, wie beim Film, sondern erhalten über Handlungsalternativen im Programm Auswahlmöglichkeiten in Bezug auf den Fortgang der Aktion. Einige Programme sind so komplex, dass darin nicht nur multiple choise, sondern echte Gestaltungsmöglichkeiten bereitstehen“ (Sieben 1997: 167).
Regeln und Handlungsmuster, nach denen virtuell vorgegangen wird, sind simultan, d.h. die Struktur der abgebildeten Welt und die Möglichkeiten des Handelns innerhalb dieser Welt dienen als Vorbild bzw. Gesetz für virtuelle Handlungsstränge. Die Möglichkeiten einer „echten Welt“ entsprechen gleichzeitig der Simulation. Andererseits sind Interaktionen innerhalb einer Simulation immer so angelegt, wie sie auch in der Realität existieren könnten.
Da Computerspiele (auch innerhalb einer Netzwerkparty) verschiedene „Virtualitätsaspekte“ besitzen, soll im Folgenden genauer auf Nuancen der medial vermittelten Welt eingegangen werden.
3.1.4.1 Die computergestützt virtuell vermittelte Welt
Virtuelle Welten sind stets simulierte Welten, welche in eigen-artiger Form Weltausschnitte interpretieren. Es muss allerdings klar sein, dass es sich bei der gemeinten Virtualität um kein Phantasiesystem handelt. Vielmehr wirken in einem virtuellem System ebenso wie in der Realität bzw. der Welt der Erscheinung Prinzipien der Wahrheit. „Die Aussagen über ein virtuelles System unterteilen sich in wahre oder falsche so, als ob wir es mit einem realen System zu tun hätten“ (Cherniavsky 1994: 85). Die Verwandtschaft von beiden Systemen wird an späterer Stelle noch genauer erläutert. Festzuhalten bleibt allerdings, dass das Wissen um die endgültige Wahrheit über ein virtuelles System nicht vorausgesetzt werden kann. Diese Virtualität besitzt folglich eigene Wahrheitswerte. „Damit besitzt ein virtuelles System eine Art Realität, die wir virtuelle Realität nennen können“ (ebd.: 85).
Die Programmierung von Virtualität bzw. die Gestalt von 3D-Shootern kann der wahren Welt der Erscheinung nachempfunden sein, wobei die Objekte, Landschaften und Räume bzw. die handelnden Gestalten dreidimensional erlebt werden können. Diese Spiele bzw. Ego-Shooter (Ich-Perspektive) basieren auf der „Simulation des dreidimensionalen Raumes, indem die räumliche Ausdehnung über die X/Z-Achsen wiedergegeben wird, wobei sich der Spieler dennoch nur zweidimensional bewegt – die Höhe (Y-Achse) wird zunächst vernachlässigt, obgleich sie optisch gegeben wird“ (Bhatty 1999: 26). Der virtuelle Spieler versteht sich demnach als „elektronischer Stellvertreter“ (des Akteurs vor dem Monitor) innerhalb dieser virtuellen Dreidimensionalität. „Die medialen virtuellen Realitäten bewirken, dass wir uns mit allen unseren Vorstellungen und Handlungen in immer neue Sphären hineinentwickeln und unsere Wünsche und Projektionen mit jeweils entsprechenden Bildwelten beliefern können“ (Maset 1999: 103).
Wie schon vorher erwähnt, soll die virtuelle Umsetzung der Realität nicht allein optisch und akustisch sondern insbesondere „handlungstypisch“ nachzuvollziehen sein. Angesichts der weiteren Entwicklung speziell der Ausgabegeräte wie z.B. Joystick, Lenkräder und Gamepads mit Vibrieren als Zeichen von Gegenwirkungen (Force Feedback) wird das Spielvergnügen noch authentischer. Nun zeugt nicht allein die Einblendung „Game Over“ von einem abrupten Ende des Spiels, sondern das starke Vibrieren des USB-Lenkrades, wenn man mit zu hohem Tempo gegen eine Wand gefahren ist und somit einen Totalschaden verursacht hat, ist nun das unmissverständliche Zeichen für einen „bösen“ Unfall, der zum Neustart zwingt.
In dieser Hinsicht ist die virtuelle Erscheinung ebenfalls stark an die limitierten Vorgaben bzw. Muster der ersten Welt gekoppelt. Der Moment der Affektion unserer Sinne ist somit mit dem „nicht anders können“ unserer Wirklichkeit eng verbunden. Die virtuelle Welt integriert diese unbestimmte Bestimmtheit in ihre Simulationsabbildung und determiniert die Glaubwürdigkeit der stellvertretenden Gegenstände als Abbild ihrer realen Grundlage (vgl. Fromme 2001: 16). Sobald sich der Spieler in die Welt der Möglichkeiten begeben hat, unterliegt er eigenen Gesetzen, welche (unabhängig von ihrem realem Vorbild) aufgrund des jeweiligen Spielprinzips, für ihn bindenden Charakter besitzen und somit eine virtuelle Wirklichkeit darstellen.
3.1.4.2 Die computergestützt fiktional vermittelte Welt
Kein technisches Medium ist geeigneter, fiktionale Welten sozialvermittelt darzustellen, als der Computer. In ihm vereinen sich das Erfinden und Erdenken von Welten, die es nicht geben kann, mit der entsprechenden audiovisuellen Umsetzung. Zweifellos sind gedachte Welten nicht zwingend an ein technisches Medium gebunden, allerdings vereinfacht die graphische Darstellung durch den Personalcomputer oder durch Konsolen den möglichen Zugang zu erdachten Umgebungen. In medial fiktionalen Welten können Gesetze der Welt der Erscheinung aufgehoben bzw. beliebig modifiziert werden. Die Darstellung kann hierbei Träume, Fantasien, Mythen, etc. umfassen. Man kann in diesem Zusammenhang auch von einer Surplus-Reality sprechen. Diesen Begriff hat erstmalig Moreno (1989: 37) geprägt. Er versteht Surplus-Reality als unsichtbare Dimensionen der Realität, welche weder durch die Organe noch durch andere Hilfsmittel vollständig erfahrbar sind (vgl. Kirk 2001: 105). Es bleibt hierbei immer ein Raum zur Interpretation. Beispielsweise bei dem Betrachten eines Kunstwerkes, bei dem der Künstler eine Stilform verwendet, welche den Gesetzen der Realität entgegensteht, aber dennoch eine Diskussionsgrundlage in der Welt der Betrachter bzw. der Erscheinung bereithält. Die Darstellung des Fiktionalen erzeugt ein Surplus in der Welt der Erscheinung, wobei eine Sprache entstehen kann, welche das sonst nicht Sagbare thematisiert. Ähnlich wie bei Kunst im Allgemeinen, können fiktionale Spielinhalte auf die Welt der Erscheinung übertragen werden und eine eigene Sprache entwickeln.
3.1.5 Computerspiele als Verbindung von realer und virtueller Welt
Computerspiele haben einen intermediären Charakter. Sie können weder allein der gegenständlichen Welt noch der psychischen Welt zugeordnet werden. Sie entstehen und entwickeln sich im Spannungsverhältnis beider. Jugendliche beispielsweise, die noch keinen Führerschein besitzen und somit ein Auto nicht selbständig steuern dürfen, können dennoch ein simuliertes Auto im Computerspiel durch die Strassen einer Großstadt bewegen. Der Widerspruch zwischen Wollen und Können kann in diesem Sinne als Auslöser für das Benutzen eines Computerspiel verstanden werden (vgl. Fromme 2001: 19). Wir gehen davon aus, dass es sich bei dem Netzwerkspiel „Counter Strike“ ebenso verhält. Realistische Handlungsmuster, welche allerdings von den Spielern nicht vollständig erworben und somit überprüft werden können, finden ihren Eingang in die Virtualität bzw. in die simulierte Darstellung des Kampfes der Antiterroreinheiten gegen Terroristen.
Der intermediäre Raum bietet somit die Gelegenheit, Handlungen und Erfahrungen zu ermöglichen, die in der realen Welt nicht zugänglich sind. Erfahrungen werden hierbei nicht unmittelbar gemacht, aber doch immerhin virtuell simuliert bzw. vorgegriffen. „Virtuelle Räume wirken unbegrenzt frei gestaltbar“ (Schindler 2001: 159) und fordern somit durchaus eigene Handlungsschemata. Inwieweit man hierbei allerdings von speziellen Handlungsrichtlinien der Virtualität sprechen kann, welche ihrerseits zum sicheren Handeln in dieser virtuellen Welt unbedingt notwendig sind, soll im folgenden Abschnitt noch genauer untersucht werden.
Zu unterstreichen ist hierbei, dass der Computer nicht allein für die mediale Vermittlung einer Spielwelt zuständig ist bzw. für deren sinnliche Verarbeitung, sondern das eben insbesondere aktiv innerhalb dieser Spielwelt gehandelt werden kann. „In dem Moment, in dem Datenstrukturen sinnlich exploriert werden, sind sie auch erfahrbar. Sie können gesehen, gehört und mit dem entsprechenden technischen Zubehör auch angefasst werden (Deuber-Mankowsky 2001: 47). Dies wiederum geschieht über bestimmte Schnittstellen, über geeignete Eingabegeräte. Das aktive Simulieren in einer virtuellen oder fiktionalen Welt wurde bereits genauer erläutert. Festzuhalten bleibt dennoch, dass die technischen Voraussetzungen des Spielcomputers bzw. dessen Programmierung z.B. ein reales Fahrverhalten in einem Rennwagen oder den nahezu exakten Bewegungsablauf eines Kämpfers simulieren können. Die ursprünglich benötigte Phantasie muss zwar nicht verschwinden, aber dennoch kann der medial vermittelte Eindruck des abgebildeten Geschehens der Realität schon sehr nahe kommen.
3.2 Virtualität und Rahmungshandlungen
Künstliche Welten, die aus digital prozessierten Daten bestehen, spielen aufgrund der derzeit global entstehenden Wissensgesellschaften eine zentrale Rolle. Was genau hat es jedoch mit dem Begriff Virtualität im ursprünglichen Sinne auf sich? Begriffsgeschichtlich verbirgt sich hinter „Virtualität“ das lateinische Wort virtus, welches soviel bedeutet wie Potenz, Tüchtigkeit und Möglichkeit. „Virtuelle Welten sind Räume, die Möglichkeiten erschließen! Das Virtuelle, verstanden als das Potenzielle oder Optionale, stellt ein alternatives Szenario dar, durch das die schon aktualisierte Wirklichkeit in Bewegung gebracht werden kann“ (http://www.uni-jena.de/ms/die_2001.html). Wie bereits beschrieben, finden virtuelle Szenarien ihren Zugang auch in die reale Welt, denn da die tatsächlich aktualisierte Welt für sich selbst Prozesscharakter besitzt und ihrerseits als Wirklichkeit der Potenziale verstanden werden muss, kann man hierbei eine Verwandtschaft oder auch Wechselwirkung der beiden beschriebenen Welten erkennen. Das Prozesshafte bzw. die Wahrheit der realen Wirklichkeit, veranschaulicht durch „Standbilder“ dieser Wirklichkeit, dient größtenteils als Vorlage für virtuelle Welten und deren Programmierung.
Wie bereits erwähnt, hat die Welt der Möglichkeiten vorrangig jenen Sinn, Rollen und Funktionen auszuüben, welche einem in der tatsächlichen Welt verborgen bleiben. Unserer Arbeit liegt das virtuelle Agieren in Computerwelten zugrunde. Durch den Computer mit seinem interaktiven Charakter hat der Handelnde die Möglichkeit, in dieser simulierten oder fiktionalen Welt selbständig Entscheidungen zu treffen bzw. aktiv an ihr teilzuhaben. „Ich kann ausprobieren, was immer ich mir zu dem Computerspiel als Handlungsalternativen vorgestellt habe, und ich kann erleben, wie sich mein Wollen und meine Vorstellungen in der virtuellen Welt auswirken“ (Fritz 1997: 27).
In der Darstellung virtueller Welten kommt es verstärkt zu einer immer größer werdenden Vermischung verschiedener Elemente der bereits beschriebenen Welten (vgl. Wimmer 1991: 521 f.). Durch besagte technische Möglichkeiten kann ein Märchen- oder Fantasiefilm so realistisch umgesetzt werden, dass der Spieler das Gefühl entwickelt, ganz nah mit dem Handlungsgeschehen verbunden zu sein. „Weitere Steigerungen in der Rechner- und Speicherkapazität werden sicher dazu führen, dass sich die virtuelle Welt immer deutlicher als ‚spielbarer Film’ präsentiert und damit Beteiligungsmöglichkeiten anbietet, die der medialen Welt schlechthin unmöglich sind“ (Fritz 1997: 27). Die Beteiligungsmöglichkeiten an der virtuellen Welt, das Abtauchen in fantasievolle Umgebungen setzt allerdings die Fähigkeit voraus, Reizeindrücke der momentan erlebten Welt bzw. Umgebung sinnvoll zuzuordnen. Hierbei spricht man auch von Rahmungshandlungen, welche ausschließlich auf eine bestimmte Welt bezogen sind (vgl. ebd.: 28).
Der für uns relevante Aspekt der Rahmung geht in seinem Ursprung auf Erving Goffman zurück (Goffman 1977) und sei an dieser Stelle kurz zusammengefasst. Goffman versteht hierbei die verschiedenen Welten als in sich geschlossene Sinngebiete, für die jeweils spezifische Zuordnungsmuster bestehen. „Ich gehe davon aus, dass wir gemäß gewissen Organisationsprinzipien für Ereignisse – zumindest für soziale – und für unsere persönliche Anteilnahme an ihren Definitionen einer Situation aufstellen“ (Goffman 1977: 19). Diese Elemente nennt Goffman „Rahmen“ und werden im Laufe der menschlichen (ein Leben lang andauernden) Sozialisation nach und nach geprägt. Goffman unterscheidet hierbei natürliche und soziale Rahmen. Natürliche Rahmen haben hierbei rein physikalische Ursachen und man führt sie vollständig auf „natürliche“ Ursachen zurück. Goffman verwendet hierbei das Beispiel der Witterung gemäß eines Wetterberichts. Von sozialen Rahmen spricht man dann, wenn Ereignisse durch einen Willen bzw. durch ein steuerndes Eingreifen eines Lebewesens, eines Menschen hervorgerufen werden. Die entstandenen Situationen bedürfen spezieller Organisationsprinzipien, mit deren Hilfe die Menschen diese Situation und ihren Anteil daran definieren bzw. erkennen (vgl. ebd.: 31 ff.). Mit vereinfachten Worten organisieren bzw. ordnen die Rahmen die erlebten Ereignisse und die somit erworbenen Erfahrungen innerhalb der verschiedenen Sinngebiete.
Im Hinblick auf das vorliegende Thema ist die Unterscheidung von verschiedenen Sinngebieten insofern wichtig, da es herauszustellen gilt, inwieweit sich die Struktur von Wahrnehmungselementen der realen und speziell der computervermittelten virtuellen Welt unterscheidet bzw. deckt.
Die Lebenswelt der Individuen (speziell der für uns interessanten Gruppe der Netzwerkspieler) der postmodernen Erlebnis- und Informationsgesellschaft beinhaltet jede der angesprochenen Welten. Zweifellos existieren hierbei Unterschiede hinsichtlich des Grades ihrer Relevanz. Dennoch bleibt festzuhalten, dass das menschliche Bewusstsein einerseits zwischen den Welten wahllos hin und her springen kann, sowie andererseits innerhalb mehrerer Welten zugleich zu verweilen im Stande ist. Ich kann mich mit dem Fahrzeug durch den Verkehr einer Großstadt bewegen und zugleich den Äußerungen des Nachrichtensprechers des Autoradios folgen, ohne dass es mir größere Probleme bereitet. Aufgrund von Erfahrungen, welche sich im Umgang mit den verschiedenen Welten herausgebildet haben, kann ich mich sicher in jenen Welten bewegen. Das Individuum handelt somit nach pragmatischen Motiven, wobei es auf einen Wissensvorrat, welches es sich im Laufe seines bisherigen Lebens angeeignet hat, zurückgreifen kann. Dieser Wissensvorrat besteht hierbei aus eigenen oder übermittelten, fremden Erfahrungen und bildet ein Bezugsschema für den jeweiligen Schritt seiner Weltauslegung (vgl. Schütz/Luckmann 1979: 29). Man kann somit auch von Verhaltensorientierungen oder Schemata sprechen, die für das sichere Agieren in den verschiedenen Realitäten unbedingt vorhanden sein müssen. „Schemata sind Ordnungsprozesse zur Orientierung und Handlungsoptimierung in unterschiedlichen Lebenskontexten. Sie dienen sowohl bei der Orientierung, welcher Welt die Reizeindrücke zuzuordnen sind als auch der Beantwortung der Frage, wie ein soziales Geschehen zu verstehen ist“ (Fritz 1997: 29). Diese Schemata entstehen durch den Wechsel von Erkennen und Vergessen. Nicht jeder Reizeindruck der jeweiligen Welt ist von Bedeutung. Das Individuum kann folglich ohne weiteres bestimmte Reizeindrücke vergessen bzw. muss jene sogar vergessen, damit für weitere Eindrücke noch genügend Kapazitäten vorhanden sind. Man benötigt somit Schemen bzw. Relevanzstrukturen, welche regeln, was vergessen werden kann bzw. welche Information erhalten bleiben muss. Die Auswahl bzw. die Entscheidung, welches Wissen für die entsprechende Welt wichtig ist, ist von Relevanzsystemen abhängig. „Mein Alltagswelt-Wissen ist nach Relevanzen gegliedert. Einige ergeben sich durch unmittelbare praktische Zwecke, andere durch meine gesellschaftliche Situation“ (Berger und Luckmann 1980, S. 46). Das virtuelle Handlungsschema, welches durch das Spiel „Counter Strike“ innerhalb einer privaten Netzwerkparty seine Bedeutung findet, vereinigt nach unserem Verständnis die praktischen Zwecke der Implikationen des Regelspiels mit der gesellschaftlichen Situation der Party.
Zu dem im Computerspiel vorhandenen Rahmen gehören spielimmanente Regeln und determinierte Vorgehensweisen, um zu einem Erfolgserlebnis zu gelangen. Jeder Rahmen verlangt ein angeeignetes, zielgerichtetes Handeln. Speziell in den virtuellen Landschaften eines 3D-Shooters sollte eine schnelle und kompromisslose Zuordnung von Ursachen und Wirkungen erfolgen, um siegreich zu sein. Der computervermittelte virtuelle Rahmen eines 3D-Shooters, wie z.B. dem von Counter Strike, ist demnach der Realität insofern nachempfunden (GSG9 vs. Terroristen), dass ein bedingungsloses, aggressives und reaktionsschnelles Agieren vorrausgesetzt wird. „Die Eindeutigkeit von Erfolg und Misserfolg zeigt mir in der virtuellen Welt, wie angemessen oder unangemessen meine Schemabildung gewesen ist“ (ebd.: 29). In unserem Fall sollte ein einfaches Schema von individuell entschiedenem, taktischem Vorgehen zum Sieg oder zur Niederlage führen. Dies allerdings wird noch genauer zu beleuchten sein.
Für das zu bearbeitende Thema ist ein weiterer Begriff der Goffman’schen Rahmen-Analyse von zentraler Bedeutung. Da der primäre Rahmen eines Armee-Manövers in einem Spiel simuliert werden kann, es sich aber tatsächlich nicht um eine Auseinandersetzung mit realen Auswirkungen handelt, spricht man hierbei im Sinne von Goffman von Moduln bzw. keys. „Darunter verstehe ich das System von Konventionen, wodurch eine bestimmte Tätigkeit, die bereits im Rahmen eines primären Rahmens sinnvoll ist, in etwas transformiert wird, das dieser Tätigkeit nachgebildet ist, von den Beteiligten aber als etwas ganz anderes gesehen wird“ (Goffman 1977: 55). Die virtuelle Handlungsweise entspricht jener, der Realität ohne das sie sich an die vollständige reale Vorgabe zu halten braucht. Sie wird übernommen, aber dennoch als spielerisch und wettkampfzentriert verstanden. Diesen Prozess der Transformation nennt man folglich Modulation.
Vor diesem Hintergrund kann man allerdings festhalten, dass die Scheidelinien zwischen Erscheinungsformen der Virtualität bzw. der Spielwelt und der realen Welt nach und nach verschwimmen. „Betrachtet man lediglich die Erscheinungsformen des Virtuellen, haben auch die militärischen Manöver immer mehr das Aussehen von elektronischen Spielen angenommen, von Kriegsspielen, die riesige Gebiete übergreifen, auf denen alle erdenklichen Prozeduren mittels der verschiedensten Apparaturen des modernen Kampfes durchgespielt werden“ (Fritz 1997: 29). Allerdings handelt es sich hierbei lediglich um die Erscheinungsform und nicht um die tatsächliche Funktion, der Bekämpfung des Feindes. Somit wirken die Möglichkeiten der virtuellen Umsetzung der realen Welt auf die Realität zurück und bedürfen ihrerseits wiederum einer speziellen Rahmenhandlung. Die Fähigkeit, die Reizeindrücke in angemessener Weise den jeweiligen Welten zuzuordnen und nicht zu vermischen, erfordert somit ein Mindestmaß an Rahmungskompetenz. Empathie und Reziprozität der Perspektiven ist hierbei ein Schlüssel, um zwischen real und virtuell unterscheiden zu können. „Ein wesentliches Element der Rahmungskompetenz ist die Erkenntnis, dass Sachverhalte, die in der einen Welt Gültigkeit beanspruchen dürfen, in der anderen Welt nichts zu suchen haben und dass es daher sinnvoll ist, Grenzen zwischen den Welten zu ziehen und den Transfer zwischen den Welten zu kontrollieren“ (ebd.: 30). Allerdings stehen nicht intermondiale Transferprozesse und deren eventuelle gefährliche Auswirkungen im Mittelpunkt unseres Interesses, sondern vielmehr das wechselseitige, kompetente und vor allem lustvolle Agieren in speziell den virtuellen Welten. Inwieweit dies die Möglichkeit bereithält, gegebenenfalls Schemata aus der Realität zu übernehmen oder komplett neue virtuelle Schemata zu entwickeln, wird zu zeigen sein.
Dennoch verdankt der Spieler nicht zuletzt den technischen Voraussetzungen der heutigen Zeit die Möglichkeit, mit Freunden innerhalb einer privaten oder kommerziellen LAN-Party zu interagieren. Die offensichtliche Konjunktur der stattfindenden Netzwerkparties kann als ein eindeutiges Indiz für die Faszination Netzwerkparty verstanden werden. Hierbei wird das Agieren in virtuellen Welten mit einer spielerischen Faszination verbunden. Was genau diese Faszination ausmacht, ob es beispielsweise der Wettkampfcharakter eines (Team-)Spiels oder das Treffen von Gleichgesinnten generell ist, wird in Interviews zu erfragen sein.
Wie bereits angedeutet, liegt den LAN-Parties immer das Medium des Spiels (in virtueller Darstellung) zugrunde. Ohne ein Netzwerkspiel wäre das lokale Netzwerk für den Computerspieler quasi nutzlos oder besser gesagt, ohne Reiz. Unabhängig von den weiteren Möglichkeiten eines Netzwerkes (es besteht die Möglichkeit, gegenseitig Daten über einen Festplattentransfer auszutauschen, wie z.B. Audio-Files) vereint die „Netzwerkfreaks“ immer das Spiel, mit all seinen Implikationen, innerhalb dieser Parties. Um die Faszination dieser Art der Spiele besser nachvollziehen zu können, erscheint es uns wichtig, auf spezielle Merkmale bzw. Momente des Spiels vorerst im Allgemeinen einzugehen, um somit die Voraussetzung zu schaffen, den subjektiven Reiz, welches das virtuelle Netzwerkspiel, garantiert durch dessen Struktur, auf den Spieler ausübt, hermeneutisch erschließen zu können. Als Beispiel dient uns im weiteren Verlauf das derzeit wohl beliebteste Netzwerkspiel „Counter Strike“.
4 Spielen im Netz
Wir betrachten in unserer Untersuchung eine Netzwerkparty als eine außeralltägliche Feierlichkeit. Jede Form einer Feierlichkeit bzw. Festlichkeit verfügt über inhärente Merkmale. Auf diese wird an späterer Stelle noch genauer einzugehen sein. Da der Terminus „Netzwerkparty“ nicht in dem Sprachgebrauch eines allgemeingebildeten Menschen a priori vorhanden ist – zumindest unterstellen wir dieses – versuchen wir, ihn sukzessive zu erklären bzw. ihn strukturell zu rekonstruieren. Zu untersuchen gilt es hierbei, inwieweit eine LAN-Party Momente eines Festes aufweist bzw. diese mit möglicherweise nur für eine derartige Festlichkeit typischen, weiteren Merkmale kombiniert.
Der Fokus soll somit insbesondere auf dem der Netzwerkparty innewohnenden Merkmal des Spiels liegen. Redewendungen wie „wir spielen im Netzwerk“ weisen klar auf das Kommunikationsmedium des Spiels im Netzwerk hin. Somit soll im weiteren Verlauf der Arbeit keine explizite Darlegung von klassischen spieltheoretischen Ansätze erfolgen, sondern es sollen vielmehr aktuelle bzw. moderne Tendenzen der Spielforschung als Grundlage für eine explizite Merkmalsdefinition des Spiels an sich vorgestellt und zusammengefasst werden. Im Hinblick auf Computerspiele(n) im Netz wird der Versuch unternommen, wesentliche Eigenschaften des Spiels zu explorieren und folgend auf speziell das dargestellte Netzwerkspiel „Counter Strike“ zu subsumieren.
4.1 Grundlagen
Das Spiel ist seit jeher einer der dominierenden Faktoren der menschlichen Kultur. Insbesondere seit gut dreißig Jahren erleben Spiele und speziell Gesellschaftsspiele einen konjunkturellen Schub. „Spielerische Übungen, Lernspiele, Rollenspiele haben sich in den Schule ausgebreitet. Elterninitiativen, Nachbarschaftsaktivitäten, Bewegungen für Straßenfeste, Abenteuerspielplätze, „new games“ finden im außerschulischen Bereich ein großes Echo“ (Scheuerl 1991: 209). Zweifellos kann man in diesem Zusammenhang den Erlebniswert eines Spiels auch und insbesondere mit aktuellen erlebnistheoretischen und hedonistischen Tendenzen der westlichen postmodernen Gesellschaft in Verbindung bringen. Der Unterhaltungswert der Computersoftware passt sich diesen Tendenzen nahtlos an bzw. wird durch die Programmierung und Bereitstellung von aufwendigen Computerspielen noch zusätzlich forciert (vgl. Wessely 1997: 29 f.). Demzufolge erlebt die Spielforschung einen ebensolchen Schub wie die Spielorientierung und -entwicklung selbst.
Es muss nicht gesondert erwähnt werden, dass jede Kultur ihr eigenes Spektrum an Spielen besitzt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Spielformen, Spieleinstellungen und Spielmerkmale kulturübergreifend generalisierbar sind. Es sollen an dieser Stelle weniger die Unterschiede der einzelnen Ausprägungen als vielmehr die spieleigenen Gemeinsamkeiten interessieren, um sie gegebenenfalls auf das Phänomen „Computerspiel“ anzuwenden. Somit liegt unser Augenmerk auf der ethnographischen Dimension der Spielforschung respektive der Erforschung des neuen Typus „Netzwerkspiel“. Auf weitgehende Erklärungen zum Phänomen der Spieltheorie werden wir ob der enormen Anzahl von zudem kontrovers diskutierten Forschungsansätzen größtenteils verzichten. Dennoch werden Elemente der Spieltheorie zweifellos ihren Eingang in die theoretische Fundierung zum Computerspielen im Netzwerk finden.
Spiele stellen nicht allein Erziehungsmedien und moralische Veranstaltungen für Kinder dar, sie dienen auch nicht ausschließlich der Kanalisierung von überschüssigen Kräften bzw. der vergnüglichen Erholung von gestressten Menschen. Sie können ebenso geprägt sein von beispielloser Blutigkeit und Brutalität bis hin zu existenzgefährdendem oder sogar tödlichem Ausgang. Je nach Raum und Zeit bzw. nach Kultur und Epoche sind dementsprechende Unterschiede nachzuzeichnen. „Die Bedingungen für die Entfaltung von Spiel differieren ja nach kultureller und sozialer Situation der Gesellschaft“ (Hegemann-Fonger 1994: 1). Angesichts der Beispiele wie Stierkämpfe, verschiedene gefährliche Kampfsportarten, Rugby, Hahnenkämpfe etc. wird deutlich, dass es mit einer naiven Konstruktion von eindimensionalen Kulturstufen-Schemata nicht getan ist. Das Spiel besteht nicht nur aus unbeschwertem Herumtollen oder aus dem spielerischen Auseinandersetzen mit gesellschaftlichen Situationen, sondern kann ebenso „aus Angreifen und Verteidigen, aus Jagen und Flüchten, aus Witz und List, aus Schlagfertigkeit, aus Parodie und Unschicklichkeit, aus Obszönität und Absurdität, aus Streichen, Spott und Quälereien, aus Diskriminierung und Zum-Sündenbock-Machen von Unbeliebten“ (Sutton-Smith 1983: 70) bestehen. Machtkämpfe und Imponiergehabe von jungen Männern und deren (gesundheitliche) Folgen seien an dieser Stelle noch gesondert erwähnt. „Die Kultur der Jungen ist seit jeher von Gewalt und Aggression geprägt. Sie verletzen einander oder versuchen es zumindest, um ihre Männlichkeit unter Beweis zu stellen“ (Tapscott 1998: 223). In Computerspielen kann man bisweilen die Darstellung dieser Gewalt erkennen. Zentrale Aspekte in unserer Kultur für speziell junge Männer sind demnach Aggressionen, Herausforderungen, wagemutige Übungen, etc. (vgl. ebd.: 223), welche durchaus auch im Netzwerkspiel „Counter Strike“, als Kampfspiel, wiederzufinden sind.
Hans Scheuerl, welcher einer der populärsten Spielforscher ist und dessen zusammenfassende Darstellung vom Phänomen Spiel uns unter anderem als theoretische Grundlage dient, beschreibt den Charakter des Spiels wie folgt: „Es umfasst Brutalität wie sensibelsten Feinsinn; es reicht vom Ästhetischen bis ins Obszöne, von der unmittelbaren Kraftäußerung, die sich selber genießt, bis zur listigen Zurückhaltung und Verstellung, die ihre Augenblicksbedürfnisse mit kühlem Pokergesicht um des späteren Triumphes Willen aufspart, es reicht vom elementaren Sich-Austoben bis zur gekonnten, beherrschten, manchmal lange trainierten Artistik“ (Scheuerl 1991: 213).
Im Hinblick auf die Bedeutung des Spiels für den heranwachsenden Menschen, muss auf die Verbindung von Lernen und Kreativität gesondert eingegangen werden. Das Spiel (als spezifische Tätigkeit) des sich entwickelnden Kindes hat dabei im wesentlichen die Aneignung von Realität, insbesondere das Erlernen der für eine Handlung erforderlichen Operationen zum Ziel (vgl. Leontjew 1973: 379). Beim Spiel im Kontext von Lernen stellt das Motiv der Tätigkeit nicht das Ergebnis, sondern vielmehr den Prozess an sich dar. Beim Spiel im Kontext von Kreativität bzw. Phantasie liegt das Motiv der Tätigkeit im Ergebnis, dem geschaffenen Phantasiebild (vgl. ebd.: 396 f.).
Wichtig bleibt allerdings festzuhalten, dass spielerische Momente mit den einzelnen Lebensphasen eines Menschen untrennbar verbunden sind und dass diese eine eigene Charakteristik aufweisen. Im Folgenden soll nun genauer auf die wichtigsten Spielformen speziell im Zusammenhang mit dem heranwachsenden Menschen eingegangen werden.
4.1.1 Wichtige Spielarten
Spiele haben in der Kindheit eine besondere Bedeutung. Sie dienen unter anderem zur Herausbildung von Intelligenz, Phantasie bzw. dem Befriedigen kindlicher Bedürfnisse (Piaget 1969: 117).
In der ersten Lebensphase dominieren Funktionsspiele. Hierbei wiederholen Kleinkinder Bewegungsabläufe aus reiner Funktionslust.
In der nächsten Phase werden die Bewegungsabläufe schon koordinierter. Hierbei werden Gegenstände zusammengesteckt oder Gebäude errichtet und natürlich später wieder zum Einsturz gebracht. Man spricht hierbei von Gestaltungs- oder Konstruktionsspielen.
Ab circa dem dritten Lebensjahr wird es für die Soziologen interessant. Ab diesem Alter beginnt die Phase der Rollenspiele. Das Kind imitiert Handlungen von meist den Erwachsenen als ihre Vorbilder oder es stellt gewisse prägnante Situationen nach. Besonders erwähnenswert ist bereits an dieser Stelle, dass der Effekt der Rollenübernahme sehr entscheidend für Computerspieler und –spiele ist. Fritz und Fehr sprechen hierbei von kompensatorischer Kopplung zwischen Lebenswelt und Computerspiel (vgl. http://www.gep.de/medienpraktisch/amedienp/mp4-99/4-99fritz.htm), wobei der Zusammenhang von unerreichbaren Möglichkeiten der realen Welt der Kinder/Spieler und der simulierten Umsetzung durch das Spiel/Computerspiel als Medium gemeint ist. Es ist dem Spieler möglich, virtuell zu handeln – die Variablen (der Kontext) aus der Realität werden simuliert und der Spieler kann die sonst unerreichbare Umgebung beliebig phantasievoll modifizieren oder die sonst unerreichbaren Handlungen nach Belieben durchführen (vgl. Schäfer 1986: 263 ff.).
Andererseits besteht durch die Spiele die Möglichkeit, an für den Spieler wichtige Lebenskontexte anzuknüpfen und sie im Spiel fortzuführen. Hierbei spricht man von der parallelen Kopplung von Lebenswelt und Computerspiel. Das Spiel versteht sich hierbei als eine realitätsorientierte Verhaltensweise, in welcher reale Situationen Auslöser für das Spiel darstellen können (vgl. Wegener-Spöhring 1995: 48 f.). Auf diese Aspekte der sogenannten strukturellen Kopplung wird an späterer Stelle noch verstärkt einzugehen sein.
Rollenspiele sind besonders im Kindesalter enorm wichtig, da durch das Spielen „eine offenkundige Aktivierung und Differenzierung, ein Flüssiger- und Selbständigerwerden des Verfügens der Kinder über Sacheinsichten, über ihr Sprachverhalten und über Sozialkontakte“ (Scheuerl 1991: 215) erreicht werden oder zumindest begünstigt werden kann. Rollenspiele fördern somit eine bessere Bewältigung der Realität (vgl. Wegener-Spöhring 1984: 57).
Bewegungsspiele umfassen alle Spiele, welche durch oder wegen ihrer aktiven Bewegungsabläufe ausgeführt werden. Durch die potentielle Agilität der Kinder ist das kindliche Spielen bzw. Bewegen ein die Erwachsenen umspielendes Leben (vgl. Scheuerl 1990: 132), welches folglich einen gewissen Sozialkontakt mit einschließt. Die Fähigkeiten, mit anderen zu spielen (z.B. Kreisspiele), wird ab einer gewissen Alterstufe erprobt bzw. bewusst demonstriert (vgl. Hegemann-Fonger 1994: 6).
Als das beste und anschaulichste Beispiel für ein individuelles Spiel soll der Tanz eine besondere Erwähnung finden. Ähnlich einem tranceartigen Zustand wird durch rhythmische (Körper-)Bewegungen eine Art schwebendes Spiel erzeugt. Der Tanz symbolisiert das Urphänomen Spiel auf die vollkommenste Weise. „Der eigene Körper ist hier kein isoliertes Ding, sondern ein mit dem Raume rhythmisch Verschmelzendes, ein in dauerndem Wechsel bald sich selbst, bald andere Mittelpunkte Umkreisendes, ein in innerer Unendlichkeit Schwebendes, wie es anschaulicher nicht gefunden werden kann“ (Scheuerl 1990: 138).
Die letzte und vielleicht in unserem Zusammenhang wichtigste Spielform, auf die an dieser Stelle genauer eingegangen werden soll, ist das Regelspiel. Stark verallgemeinert halten sich hierbei alle handelnden Personen an vorher vereinbarte oder festgelegte Regeln, ohne jene ein Spiel nicht funktionieren würde und welche zudem den Reiz am Spiel auszeichnen. Die Regel ist hierbei „eine Regelmäßigkeit, die von einer Gruppe auferlegt wird, so dass ihre Verletzung ein Fehlverhalten darstellt“ (Piaget 1969: 150). Regelspiele erfordern zudem eine spezifische Fähigkeit oder Kompetenz, welche zuvor angeeignet werden muss. Deshalb werden Regelspiele verstärkt erst ab dem siebtem Lebensjahr gespielt (vgl. Scheuerl 1991: 6).
Das Regelspiel stellt beispielsweise bei Piaget die höchstentwickelte Form des Spiels dar (vgl. Piaget 1969: 150). Es setzt interpersonelle Fähigkeiten voraus, und zwar jene, sich an Regeln halten zu können, welche durch die Gruppe, sowie in unserem Fall durch programmierte Implikationen des Netzwerkspiels Counter Strike, manifestiert wurden. Verstöße können sanktioniert werden. Hierbei handelt es sich nach Piaget somit um die Kombination von „Regeln zu eigen machen“ (Assimilation) und „Regeln befolgen“ (Akkomodation).
„Kognitive Assimilation bedeutet, dass ein Gegenstand in bereits gebildete Verhaltensschemata einbezogen wird“ (Piaget 1995: 21). Assimilation bezeichnet er somit als „die Anwendung von subjektiven Schemata oder Strukturen auf Gegenstände, die dabei diesen Strukturen angeglichen werden“ (Scharlau 1996: 86). Hierbei erfolgt die Assimilation von neuen Umweltdaten an eigene kognitive Schemata respektive an die vorhandenen allgemeinen Deutungsmuster, wobei der Organismus seinerseits immer nur jenes wahrnimmt, was in seine schon bekannten Strukturen hineinpasst. „Ein neuer Gegenstand wird nur dann erfasst und verstanden, wenn er an bereits gebildete Begriffsschemata, d.h. an die Gesamtheit der geistigen Operationen, über die das Subjekt verfügt, assimiliert ist“ (Piaget 1995: 22).
Bei der Akkomodation handelt es sich dagegen um eine Anpassung der dem Menschen eigenen Handlungsschemata an zunächst externe Regeln bzw. an die gegebene Umwelt. Kognitive Akkomodation findet demnach „dann statt, wenn sich das Objekt widersetzt, in ein vorhandenes Schema einbezogen zu werden“ (ebd.: 22). Die Betonung liegt hierbei eindeutig auf dem Aspekt der Unterwerfung, in der ein spezielles Deutungsmuster auf eine ungewohnte Situation angewendet wird bzw. in diesem Prozess von innen modifiziert wird. Das Denken wird den Anforderungen der Umwelt angepasst (vgl. Haubrich 1997: 188 f.). Anders formuliert, wird das Neue den schon vorhandenen Strukturen hinzugefügt. Hierbei ändert sich nicht allein die Struktur, sondern auch das Einzufügende bzw. das Objekt.
Diese Prozesse der Anpassung verlaufen parallel bzw. alle menschlichen Aktivitäten entstehen aus dem Zusammenspiel von Assimilation und Akkomodation. „Bezüglich der Anpassung kann man präzisieren, dass es hier um das Gleichgewicht zwischen zwei Polen geht, nämlich zwischen Assimilation als der Tendenz des Organismus, seine Form zu erhalten, und der Akkomodation, der gemäß er sich auf die äußere Situation einstellt und sich damit verändert“ (Piaget 1995: 21). Piaget nennt diese Gleichgewichtsprozesse auch Äquilibration, wobei die beiden angesprochenen (und für uns relevanten) Vorgänge nur ein Teil der Äquilibration darstellen (vgl. Kesselring 1988: 86). Einerseits werden die eigenen Strukturen auf die Elemente der äußeren Welt angewendet. Andererseits werden immanente Strukturen an die Umwelt angepasst. Jedem Individuum wohnt somit „eine Tendenz zur Äquilibrierung inne, d.h. zur Herstellung eines ausgeglichenen Verhältnisses zwischen Innovation und Stabilisierung“ (Spanhel 1999: 237).
Das (Regel)Spiel ist ein entscheidender Faktor bei der Herausbildung der Intelligenz des Menschen im Kindesalter (vgl. Kesselring 1988: 168 ff.). Durch die spielerische Assimilation wird die Wirklichkeit an das Denken, die Schemata angeglichen. Die Realität erfährt durch den Blickwinkel des Kindes simultane Formen. Innerhalb des bestimmenden Regelspiels muss sich das Individuum allerdings an determinierte Vorgaben halten. Parallelen zum Rahmungskonzept bei Goffman sind hierbei evident. Der Spieler mit seinen Schemata der realen Welt tritt in das Spielgeschehen ein und muss angemessen handeln um im Spiel zu bleiben. Er ist allerdings noch nicht in der Lage, die virtuellen Hinweisreize beispielsweise eines Computerspiels richtig zu verarbeiten bzw. in die notwendigen Spielhandlungen umzusetzen. Der Prozess der Assimilation (Anpassung des Objekts Implikationen des Computerspiels) schlägt fehl. Der Spieler muss sich folglich dem Objekt unterordnen. Nun setzt der Vorgang der Akkomodation ein, welcher die bestehenden Schemata erweitert bzw. modifiziert. „Wenn in der Anwendung eines solchen Handlungsschemas das erwartete Resultat ausbleibt, so wird das als Störung erlebt und kann zur Änderung des Schemas oder zum Aufbau eines neuen führen“ (Glasersfeld 1998a: 18). Glasersfeld beispielsweise nennt diesen Vorgang „Perturbation“ (Glasersfeld 1998b: 117), welcher soviel wie Störung oder Überraschung bedeutet. Durch diesen Vorgang, welchen man auch einfach als lernen bezeichnen könnte, eignet sich der Spieler neue Schemata an. Es ist somit „notwendig, dass ein Lebewesen immer auch Störungen, Perturbationen erfährt – von außen aber auch von innen – die für es erstmalig sind, die es in seiner Geschichte noch nicht – determiniert durch seine innere Struktur – verarbeitet hat“ (Maturana 1982: 62).
Der Spieler sammelt im Laufe seiner „Karriere“ eine ganze Reihe von speziellen Schemata, welche der virtuellen Computerwelten zugeordnet sind. Insbesondere Counter Strike in seiner realistischen und demnach vor allem komplexen Darstellung fordert von dem Spieler nicht allein einen einmaligen Lernprozess, welcher sich ausschließlich auf die programmierten Gegebenheiten des Spiels bezieht, sondern vielmehr eine Bereitschaft, ob der vielfältigen Variationen der Handlungsmuster von Counter Strike bzw. des virtuellen/menschlichen Gegners, stetig hinzuzulernen. Ob hierbei nachhaltige Schwierigkeiten bestehen, diese zu bilden und somit der Reiz am Spiel über lange Zeit erhalten bleibt, wird zu untersuchen sein.
Abschließend sei erwähnt, dass Wettbewerbsspiele besondere Formen von Regelspielen darstellen Hierbei dreht es sich hauptsächlich um das Erproben der eigenen Fähigkeiten im Vergleich zu anderen. Als prädestiniertes Beispiel können insbesondere Sportspiele bzw. Mannschaftsspiele, insgesamt all jene sogenannten Nullsummenspiele, bei denen der Sieg der einen Mannschaft gleichzeitig die Niederlage der anderen Mannschaft bedeutet, dienen. Eine spezielle Form von Mannschaftsspielen bzw. Spielen der sozialen Kooperation können Computerspiele des Netzwerkes sein. Inwieweit diese Spiele und der hierbei angestrebte Erfolg der Anreiz für eine Teilnahme an einer Netzwerkparty darstellt, wird ebenfalls zu erfragen sein.
Diese kleine Auswahl von Spielarten kann und soll natürlich nicht über die Vielfalt von Spielformen jedweder Art hinwegtäuschen. Sie stellt lediglich die in unseren Augen und gleichzeitig für unsere Zwecke wichtigste Sammlung von Typen dar.
Man könnte natürlich andere Klassifikationen vornehmen und beliebig viele weitere Spielformen aufzählen wie z.B.: Geschicklichkeitsspiele, Kartenspiele, Sportspiele, Spiele nach „Strategie vs. Zufall“ (Plan-, Simulations- und Kampfspiele), Videospiele, Computerspiele etc. Wir fassen allerdings die angesprochenen Spielformen lediglich in geregelte und ungeregelte Spiele zusammen.
Spiele der konkreten Intelligenz (Funktionsspiele) und Spiele der Selbstbestätigung (Experimentierspiele und Spiele des Überschwangs) bilden den Pol der nicht geregelten Spiele.
Dagegen stellen Spiele des sozialen Nebeneinanders (Nachahmungs- und Illusionsspiele, Konstruktionsspiele, etc.) sowie Spiele der sozialen Kooperation (Wettkampfspiele und Spiele nach straffer Regel) den Pol der geregelten Spiele dar (vgl. Rüssel 1972: 506).
Eindeutige und klare Abgrenzungen sind hierbei nicht zu treffen, dennoch können die beiden Kriterien zu Gesellschaftsspielen verallgemeinert werden. Innerhalb dieser Gegenüberstellung werden ebenfalls zwei antagonistische Grundtypen von Moral thematisiert, welche ihre Bedeutung auch innerhalb dieser Spiele besitzen können. Für das vorliegende Thema ist diese Feststellung insofern wichtig, da es sich hierbei um Moralnormen der Kooperation sowie der Konkurrenz handelt (vgl. Becker 1993: 4 ff.). „Counter Strike“ als von uns untersuchtes Netzwerkspiel vereinigt Tendenzen des sozialen Nebeneinanders eng mit jenen des individuellen Wettkampfes. Dieses augenscheinliche Paradoxon wird seine Klärung im Zweiten Teil der vorliegenden Arbeit finden.
Auch im Zusammenhang mit den beschriebenen Prozessen der Äquilibration sowie jenen der strukturellen Kopplung kann man Gesellschaftsspiele auch bzw. insbesondere als Spiele bezeichnen, mit denen „Gesellschaft“ gespielt wird (vgl. Retter, 1979: 27).
Computerspiele innerhalb einer Netzwerkparty sind im wesentlichen Regelspiele, bei denen Spielregeln von vornherein festgelegt worden sind. Diese lassen sich auch im Spiel nicht beliebig modifizieren. Das Computerspiel „Counter Strike“ hat zudem simulierenden Charakter, d.h. Szenen bzw. Handlungsabläufe und Räume, welche der Realität nachempfunden sind, werden virtuell nachgespielt. Hierbei stellt die computergestützte Umgebung (sogenannte Maps und spieleigene Charakteristika) die technische Regel dar. Regeln im gemeinsamen Zusammenspiel bzw. Umgang mit dem Spiel sind zwar weniger manifestiert aber dennoch vorhanden. So ist es beispielsweise verpönt, sich während des Spieldurchgangs, bewaffnet mit einem Fernschussgewehr (Sniper), so lange nur an einer bestimmten und extra sicheren Stelle aufzuhalten, bis der Gegner auftaucht, um ihn anschließend quasi aus dem Hinterhalt abzuschießen. Anlass für entsprechende Sanktionen könnte das verlorengegangene Teamspiel sein, welches den eigentlichen Reiz am Spiel im Netzwerk darstellen könnte.
Dennoch muss man auf eine exakte Klassifizierung von geregelten und ungeregelten Spiel verzichten. Sie stellen lediglich die Pole dar, an denen das Spiel gemessen wird. Denn ebenso stellt die individuelle Statistik (Treffer/Tod) einen großen Anreiz für jeden einzelnen Spieler dar. Um eine positive Statistik zu erreichen, muss der Computerspieler außerdem taktisch ausgewogen und intelligent vorgehen. Strategisches Denken (bei der Waffenauswahl, dem einzuschlagenden Weg, etc.) ist somit eine Grundvoraussetzung für „Counter Strike“. Hierbei wird schon deutlich, dass die angesprochenen Merkmale ebenso auf Spiele der konkreten Intelligenz und der Selbstbestätigung anwendbar sind.
Es soll also der Computerspieltyp „3D-Shooter im Netzwerk“ genauer untersucht werden. Genannte Idealtypen und entsprechende Merkmale, welche im Folgenden genauer exploriert werden sollen, finden hierbei ihre Berücksichtigung.
4.1.2 Spielmerkmale
Zunächst fassen wir aufgrund der unüberschaubaren Anzahl an verschiedenen Spielmerkmalen (jeder Forscher entwickelt seine eigene Form der Definition) vier für uns interessante qualitative Merkmale zusammen. In aller Regel ist das Spiel intrinsisch motiviert, spontan und selbstgewählt. Das Spiel ist beliebt, es wird gern gespielt, da reale Konsequenzen auf ein zu forsches Handeln nicht zu erwarten sind. Es ist demnach nicht ernsthaft im existenziellen Sinne. Je nach Situation kann es unterschiedliche Formen annehmen. Es hat somit einen flexiblen Charakter. Außerdem verhält es sich zur gewohnten Umgebung nicht immer authentisch. Es nähert sich nur an – es bleibt durchsetzt von divergierenden Elementen des Selbstausdrucks, der Phantasie und Imagination (vgl. Scheuerl 1991: 216).
Das Spiel ist nach Scheuerl in mehrere Momente gegliedert (vgl. Scheuerl 1990: 67 ff.). Das erste Merkmal soll das Moment der Freiheit sein. „Spiel verfolgt keinen außerhalb seiner selbst liegenden Zweck. Es ist dadurch von der Arbeit, vom Kampfe ums Dasein, von der Not und der Sorge, vom Ernst und den objektiven Wert- und Zweckordnungen abgehoben“ (ebd.: 67). Hierbei ist allerdings die Freiheit als eine negative Freiheit zu verstehen, d.h. innerhalb des Spiels ist jeder Spieler den immanenten Regeln des Spiels unterworfen – er muss aber, soll sein Spiel gelingen, frei von allen außerhalb des Spiels liegenden Sorgen und Zwecken sein. Diese Forderung ist ein wesentlicher Bestandteil des Spiels und demnach auch des an späterer Stelle noch genauer zu beleuchtenden Flow-Effektes, welcher das zeitvergessende Eintauchen in Spielwelten anschaulich darlegt. Im Gegensatz zur Tätigkeit innerhalb der Alltagswelt, welche immer Zweckhaftigkeit besitzt, beschäftigt man sich beim Spiel, „ohne weiter irgend einen Zweck dabei zu beabsichtigen“ (Kant 1923: 470). Hierbei gelten die Kriterien der augenscheinlichen „Zwecklosigkeit“ für das Kinderspiel ebenso wie für das gesellschaftliche Spiel der Erwachsenen.
Das Moment der inneren Unendlichkeit spricht dem Spiel jedoch eine inhärente Freiheit ab. Wie ist das zu verstehen? Nach psychoanalytischer Auffassung ist dem Spiel ein triebhaftes Grundbedürfnis eigen, welches ähnlich dem Freud’schen Libidotrieb, nach beständiger Befriedigung schreit. Dieser Trieb ist in unserer leibseelischen Organisation tief verwurzelt (vgl. Mayer 1992: 12). Unter Befriedigung versteht man aber das Frei werden von Spannungen, Frei werden zur Konstanz, zum puren Nichts (vgl. Scheuerl 1990: 71). Der Spieltrieb verlangt ebenso nach Erfüllung. Es ist sogar notwendig, in bestimmten Situationen zu spielen, um nicht neurotisch zu werden. Allerdings wird die triebhafte Tendenz zum Spiel nicht im Spiel befriedigt, denn an ein Beenden des Spiels ist im Zustand des vertieften Spielens nicht zu denken. Die Spannung des Spiels soll demnach nicht verloren gehen, sondern erhalten werden. „So ist mit dem ‚Spieltrieb’ das merkwürdige Faktum eines ‚Triebes’ gegeben, der aus sich heraus keine Be-friedigung will. Er kann nicht ‚gesättigt’ werden (ebd.: 73). Die Zweck- oder Bedürfnishandlung hat somit linearen Charakter. Wenn ein Bedürfnis befriedigt erscheint, tritt vorerst Ruhe ein. Beim Spiel hingegen kann man eine Art Prozesshaftigkeit erkennen, denn angestrebte inhärenten Ziele sind nur „Scheinziele“ und somit durch dessen „Nichterreichen“ nur Anlässe zur dauerhaften Bewegung. Bewegung ist prinzipiell ambivalent. Jedes erreichtes Ende impliziert gleichzeitig einen neuen Anfang – die Bewegung ist in sich geschlossen (vgl. ebd.: 76).
Zahlreiche Spieltheoretiker heben die Subjektivität des Spiels als Wesensmerkmal hervor, d.h. dass das Spiel auf der Ebene von Bildern, Phantasien und Schein dauerhaft verweilt, ohne die faktische Welt des Spielenden zu berühren. Dies ist das Moment der Scheinhaftigkeit. Die innere Unendlichkeit des Spiels ist an sich ein schwebender Schein (vgl. http://socio.ch/sim/gs173.htm). Das faszinierende Spiel, das fesselnde Schöne ist manifestiert in der Welt der Erscheinung. Schönheit ist somit Schein, denn nur Erscheinendes ist „beschaubar“ und somit auch „schön“ (vgl. Kluge 1943: 539). Das Scheinhafte am Spiel kann ebenso mit dem von dem Faktischem losgelösten Gefühl der Schwerelosigkeit verglichen werden. Das Spiel verbleibt in der Ebene der Bilder ohne auf die reale Welt der Bedürfnisse und Pflichten einzuwirken. In unserem Fall sind Bilder ausschließlich virtueller Natur. Sie erzeugen ein scheinhaftes Agieren innerhalb der Computerwelt. Die Subjektivität des Computerspiels beschreibt somit, forciert durch das Moment der inneren Unendlichkeit, einen scheinhaften Prozess.
Das Spiel enthält ferner das Moment der Ambivalenz. Ebenso wie bei den bereits beschriebenen Momenten, ergibt sich auch hier das Bild des Prozesses bzw. des Kreisens. Das Element des Prozesses ist hierbei die Suche nach einem Ende ohne eines zu finden. Vielmehr stellt jeder Abschluss einen neuen Beginn dar. In einem ewigen Hin und Her, Auf und Ab, Nach-rechts und Nach-links besteht das für eine Spielbewegung Charakteristische (vgl. Buytendijk 1976: 69 f.). Die spielerische Beziehung von Nah und Fern, von Vereinigungstrieb und Befreiungstrieb, von vertraut und fremd erklärt sich durch ihre Ambivalenz. Durch diese Ambivalenz allerdings gewinnt das Spiel seine Spannung. „Spannungslosigkeit wäre der Tod für das Spiel. Andererseits würde eine zu hohe Spannung sogleich einen auf Beendigung der Spannung gerichteten Befriedigungswunsch hervorrufen, der die Ambivalenz überwältigen müsste“ (Scheuerl 1990: 88). Wandelt sich die Ambivalenz in Evidenz, so wird aus dem Spiel entweder bitterer Ernst oder es verschwindet. Das Spiel wäre zu Ende. Der Schein des Spiels würde nicht mehr schweben, sondern auf den Boden des Realen zurücksinken. Der Darstellung des Überganges von spielerischer zu realer Auseinandersetzung bzw. der schlichten Beendigung des (spielerischen) „Konfliktes“ steht allerdings nicht im Blickpunkt unserer Betrachtung.
Vielmehr bleibt festzuhalten, dass innerhalb des untersuchten Netzwerkspiels die Wiederkehr von virtuellem Leben und potenziellem Tod den Kreislauf der Ambivalenz aufrecht erhält. Erst nach dessen Auflösen erlischt das Moment der Ambivalenz. Dieses könnte einerseits durch Langeweile oder andererseits durch die Beendigung des Spiels erfolgen.
Das Moment der Geschlossenheit bzw. die Harmonie eines Kreisprozesses kam ebenso bereits in den vorher beschriebenen Momenten zum Ausdruck. Der Kreis der inneren Unendlichkeit, die stetige Ambivalenz, das gegenseitige Vordringen in die Scheinsphäre der Dinge ist ein Beweis für die Geschlossenheit des Spiels. Das Spiel hat also seine eigenen Normen und Gesetze. Jedes Spiel verlangt ein eigenes Spielfeld, einen Spielplatz und entsprechende Spielregeln. Spielende Menschen sind getrennt von der gewöhnlichen Welt, sie befinden sich in einer zeitweiligen Sphäre von Aktivität mit einer eigenen Tendenz (vgl. Huizinga 1940: 13). Sie grenzen sich durch das Spiel von den Regeln des sonstigen Lebens ab. Das Spiel ist hierbei zwar frei, allerdings auch gebunden an die dem Spiel eigenen Gesetze. Der Prozess der Äquilibration findet in diesem Zusammenhang seine Bestätigung. Erst wenn der Spieler die Dimensionen der inneren Unendlichkeit, die eigenen Gesetzmäßigkeiten des Spiels sowie den schwebenden Zustand der Ambivalenz beherrscht, grenzt er sich vollständig von seiner Umwelt ab.
Zu den spielimmanenten Gesetzen gehört ebenso das Moment der Gegenwärtigkeit. Die Dauer des objektiv erlebten Spiels kann man zwar messen, aber nicht subjektiv zeitlich nachempfinden. Der Spieler vergisst im Spiel jegliches Maß an Zeit. Es besteht hierbei ein Unterschied zwischen Spiel als Ablauf und Spiel als Gebilde bzw. zwischen Spiel als Leben und Spiel als Gestalt (vgl. Scheuerl 1990: 100). Erst unmittelbar im Spiel wird aus dem Eintauchen, aus der virtuellen Bewegung ein Spiel. Erst wenn die gegenwärtige Zeit als Moment des Spielens verstanden wird, kann man vom Spiel sprechen. Zu dem jeweiligen Spiel gehört das Abstecken eines Spielfeldes, die Vereinbarung von Hilfsmitteln und Regeln als objektiver Rahmen. Dies entspricht der von außen betrachteten Form eines Spiels. Innerhalb dieses Rahmens wird „ein gegenwärtiges, in sich unendliches Spielen von Wirkungen, denen man sich zeitenthoben hingibt, erzeugt“ (ebd.: 101). Wichtig bleibt noch zu erwähnen, dass der Prozesscharakter des Spiels durch deren Gegenwärtigkeit nicht ausgeblendet wird, da auch Werdendes im jeweiligen Augenblick auch Gebilde-Charakter aufweisen kann.
All diese Merkmale manifestieren ein Spiel und zeichnen dieses auch gleichzeitig aus. Die Freiheit von äußeren Zwängen, der Anreiz des Spiels, welcher dennoch durch das Spielvergnügen nicht befriedigt werden kann, das Scheinhafte der Virtualität, die Ambivalenz von Leben und Tod, die geschlossene Regelhaftigkeit sowie das Bewusstsein der eigenen Spielzeit manifestieren ein Spiel respektive ein Computerspiel. Welche Formen die beschriebenen Merkmale innerhalb des untersuchten Netzwerkspiels „Counter Strike“ annahmen, wird darzulegen sein. Speziell der bereits kurz angesprochene Flow-Effekt, verbindet viele der vorgestellten Merkmale innerhalb virtueller Spielwelten. Auf ihn wird deshalb an späterer Stelle im Zusammenhang mit Computerspielen noch expliziter einzugehen sein.
4.2 Computerspiele
Seit Anfang der 80er Jahre sind elektronische Bildschirmspiele im Alltag speziell von Kindern etabliert. Die Beschäftigung mit Computerspielen ist somit der häufigste Einstieg in die Computerwelt. „Etwa 87% der Heranwachsenden zwischen sieben und 15 Jahren spielen mehr oder weniger regelmäßig Video- und Computerspiele“ (Vollmer 2000: 28). Spiele sind oft an Märchen bzw. alte Mythen angelehnt, „die regressive Phantasien artikulieren, die die kindliche Erfahrungen von Macht und Ohnmacht, Trennung und Vereinigung, Tod und Leben wiederaufgreifen und eine bedeutende sozialisatorische Funktion haben“ (Noller und Paul 1991: 29). Computerspiele gehören zu der Alltagspraxis fast aller Altersgruppen. Dies hängt hauptsächlich mit der Vielfältigkeit der Spielmotive und der individuellen Situation des jeweiligen Spielers zusammen. Das Interesse an einem Spiel ist somit durchaus auch in der eigenen Lebenssituation begründet und wirkt sich auf die Auswahl des für den Akteur zugeschnittenen Spiels aus. Auf das Wesen der hierfür verantwortlichen strukturellen Kopplung wird nach einer groben Darstellung der gängigen Computerspielarten noch genauer einzugehen sein. Im Anschluss daran soll die allgemeingültige Struktur eines Computerspiels beleuchtet werden, um daran anschließend das Netzwerkspiel Counter Strike, welches als das spielerische Medium einer LAN-Party fungiert, anschaulich vorstellen zu können.
4.2.1 Computerspielgenres
Die Palette der verschiedenen Arten von Computerspielen ist sehr vielfältig. Sie erstreckt sich von einfachen zweidimensionalen Spielen (beispielsweise Solitär als Windowsprogramm oder Pacman als berühmtes Sammelspiel) bis hin zu graphisch ausgefeilten 3D-Programmen (beispielsweise Weltraumsimulationen oder Ego-Shootern). Die technische Entwicklung der Computerhardware gestattet es, Computerspiele immer komplexer und realistischer darzustellen (vgl. Deuber-Mankowsky 2001: 24). Somit können alle Aspekte von vorstellbaren Spielprinzipien durch eine entsprechende Programmierung graphisch ansprechend und folglich atmosphärisch umgesetzt werden. Wir wollen dennoch versuchen, die in unseren Augen wichtigsten Kategorien von Computerspielen zu unterscheiden (vgl. Schwab und Stegmann 1999: 126 ff.) und ihrem Wesen nach kurz vorzustellen.
Denk- und Geschicklichkeitsspiele beinhalten im wesentlichen die Erledigung von Aufgaben, wie z.B. das Sammeln von Punkten in Form bekannter Symbole wie etwa Geld. „Auch hier sind zum Teil taktische und strategische Elemente enthalten, im Vordergrund steht jedoch die geschickte Bewegung der Spielfigur mittels der Richtungstasten“ (Wagenhäuser 1996a: 22). Dabei ist es wichtig, fingerfertige Fähigkeiten und einen wachen Geist zu besitzen. Das in Windows integrierte Spiel „Minesweeper“ kann hierbei als Beispiel genannt werden.
Funny-Games oder Jump-and-run-Spiele haben hauptsächlich den Charakter von Geschicklichkeitsspielen, wobei eine aktionale Rolle im Zentrum steht. Es müssen gewisse Handlungsmuster (hüpfen, springen, sammeln, etc.) erfüllt werden, wobei der Spielcharakter eher an Kindercomics erinnert.
Simulationen haben schon komplexeren Charakter. Ein besonderes Merkmal von Simulationen ist der stark ausgeprägte Realitätsbezug, der beispielsweise verschiedene Freizeitbereiche umfassen kann. Es können hierbei Gestalten und Rollen (Sport-, Auto-, Wirtschaftssimulationen und Strategiespiele) dargestellt werden, welche einen realen Hintergrund besitzen können.
Adventures sind, wie der Name schon ausdrückt, Abenteuerspiele. Innerhalb des Spiels entwickelt sich eine abenteuerliche Geschichte, deren Ziel es ist, verschiedene Bewährungsproben zu bestehen. Hierbei wird eine sehr breite Handlungspalette (Kampf, Handel, Lösen von Rätseln) angeboten, d.h. es sind sehr komplexe Spiele, bei denen kampfbetonte und strategische Rollen zugleich übernommen werden können. Die ursprünglichste Form dieser Computerspiele waren sogenannte Textadventures. Mittlerweile werden phantasievolle Räume und Umgebungen nicht allein durch Texte sondern durch graphisch hochwertig dargestellte Animationen wiedergegeben. Fantasie-Rollenspiele wie „Dungeons and Dragons“, als Klassiker für graphisch animierte Rollenspiele, können hierbei als Beispiel dienen (vgl. Hirseland/Schneider 1996: 228).
Kampfspiele bzw. Actionspiele basieren im wesentlichen auf einem ausschließlich kampfbetonten Handlungsmuster. Inhalte dieser Art von Spielen können reine Abschießspiele aber auch komplexe Bewegungssimulationen einer kämpfenden Figur sein, wobei hauptsächlich eine aktionale Rolle im Vordergrund steht. Das Spielprinzip limitiert sich zumeist auf das Eliminieren der feindlichen Figur.
Diese Klassifizierung stellt lediglich eine grobe Unterteilung bzw. Zusammenfassung der verschiedensten Arten von Computerspielen dar. Counter Strike ist hierbei ein Kampfspiel mit simultanem Hintergrund. Die dargestellten Auseinandersetzungen von Anti-Terroreinheiten mit Terroristen sind weitestgehend der realistischen Vorgabe nachempfunden. Abgebildete Umgebungen und spielbezogene Handlungsmuster haben durchaus simultanen Charakter. Allerdings beinhaltet Counter Strike weit mehr als das stupide Töten von feindlichen Teammitgliedern. Was den Reiz dieses Netzwerkspiels im speziellen auszumachen scheint, wird an späterer Stelle noch genauer zu erläutern sein.
4.2.2 Strukturelle Kopplung von Lebenswelt und Computerwelt
Vorgestellte Computerspiele faszinieren, weil sie etwas mit der Lebenswelt der Spieler zu tun haben können. Für die Spieler besteht einerseits die Möglichkeit, ihre Lebensinteressen, Hobbies, persönliche Eigenschaften usw. im Spiel weiterzuführen bzw. daran anzuknüpfen. Wie bereits an anderer Stelle angedeutet, spricht man hierbei von paralleler Kopplung. Andererseits können auch Spiele gewählt werden, welche eine völlig neue Welt bereithalten, die im normalen Leben undenkbar erscheinen würde, aber gleichwohl vom Spielenden gewünscht wird (vgl. Fritz und Fehr 1997: 67). Die Rede ist in diesem Sinne von Prinzipien der kompensatorischen Kopplung.
Das Computerspiel stellt nun sozusagen in seiner Vielfalt das Angebot dar, das der Computerspieler mit seiner individuellen Erwartung nutzen möchte. Man spricht hierbei, wie bereits kurz erwähnt, von dem Regelkreis der strukturellen Kopplung zwischen Spiel und Spieler. Der Kontext (Lebenssituation, Rollen usw.) sowie die Persönlichkeit (Wünsche, Gefühle, Motive, Fähigkeiten) des Spielers stellen die Erwartung an das Spiel dar, welche mit dem Angebot des Spiels (Themen, Rollenangebote, Realität, Schwierigkeitsgrad usw.) strukturell gekoppelt wird. Eben jene Rollenangebote und Skripte, „insbesondere jedoch dynamische Elemente des Spiels, die durch Dramaturgie des Spielablaufs und der Szenen hervorgebracht werden, können für den Spieler zu Bezugspunkten für das eigene, reale Leben werden“ (ebd.: 68). Wenn dies der Fall ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Prozesse der strukturellen Kopplung „gegriffen“ haben bzw. die Lebenswelt des Spielers durch das Spiel bestätigt wurde. Die zentrale Ursache der strukturellen Kopplung sind die Motive der Macht, Kontrolle und Herrschaft. Die Muster dieser Motive, die sich in der realen sowie in der virtuellen Welt wiederfinden lassen, sind zumeist: Kampf, Duell, Ausdehnung und Verbreitung, Lösen von Rätseln bzw. generell Ziele erreichen (vgl. ebd.: 68).
Kinder und Jugendliche haben beispielsweise ein ausgeprägtes Interesse an Kampfsportarten. Aussagen wie „Ich mache verschiedene Kampfsportarten. Deswegen bin ich auch Fan von Kampfspielen.“ (ebd.: 70) sind charakteristisch für beispielsweise junge Computernutzer. Sportliche Neigungen finden generell oft ihre virtuelle Umsetzung. Fußballbegeisterte Computerspieler können demnach in diversen Sportsimulationen ihre Befriedigung finden. Strukturelle Kopplungen können somit von Assoziationen, Vorlieben und Abneigungen, Persönlichkeitsmerkmalen und Lebenssituationen der Spieler aber auch von aggressiven Kontexten abhängig sein (vgl. ebd.: S. 68 ff.).
Der Spieler sieht in der Erfüllung seiner Erwartung an das Computerspiel „eine Stabilisierungshilfe für die eigene Lebenswelt“ (Schwab und Stegmann 1999: 143). Das Spiel ist also verbunden mit der individuellen Struktur des Spielers und seiner Sozialisation bzw. seiner kulturellen Wertehaltung.
Die Interaktivität, vermittelt durch vier Funktionskreise (vgl. ebd.: 143), ist das Bindeglied zwischen dem Motivationspotential des Spiels und der Persönlichkeitsstruktur bzw. des Lebenskontextes des Spielers.
Zunächst versteht man den pragmatischen Funktionskreis als den verlängerten Arm des Spielers, welcher Informationen durch die Steuerungselemente (Maus, Tasten, Joystick) an das Spiel weiterleitet. „Hier geht es um die Auge-Hand-Koordination – um Schnelligkeit, Geschicklichkeit und Konzentrationsfähigkeit“ (Vollmer und Fromme 2000: 147). Diese Fähigkeiten sind speziell für Counter Strike enorm wichtig.
Der semantische Funktionskreis stellt die Bedeutungsübertragung dar, in der Spielinhalte mit den sozialisatorisch erworbenen Deutungsmustern verbunden bzw. assimiliert werden. „Daraus ergeben sich in der Regel bereits mögliche Rollen und Handlungsmuster für den Spieler. Vermittelt wird ihm zugleich die eigene Bedeutung in dieser Spielwelt“ (ebd.: 147). Der Hintergrund der Spielgeschichte wird mit den individuellen Erfahrungen gekoppelt, was eine eigene Einstellung zum Spiel folgen lässt.
Im syntaktischen Funktionskreis steht das Erlernen der spieleigenen Regeln im Vordergrund. „Die ‚Welt’ entfaltet sich, indem ‚ich’ in der Hülle meines ‚elektronischen Stellvertreters’ handle. In meinem Handeln werden mir zugleich die Regeln dieser ‚Welt’ bewusst“ (Fritz 1998: 192). Durch das Erlernen der Regeln wächst der Spieler in die virtuelle Spielwelt hinein und lernt sich in der Spielrealität zurechtzufinden. Durch das Beherrschen und Anwenden von diesen Regeln kommt der Spieler zu Erfolgen bzw. er erlernt innerhalb der virtuellen Spielwelt das Gefühl von Kompetenz. Der syntaktische Funktionskreis hat demnach einen zwingenden Bezug zu Regelspielen, wie z.B. Counter Strike. Prinzipien der Assimilation und Akkomodation sind hierbei gut nachzuvollziehen.
Der dynamische Funktionskreis schafft letztendlich den Selbstbezug, welcher die Verknüpfung der virtuellen mit der realen Welt bzw. der eigenen Lebenswelt darstellt. „Erfolg im Spiel und die Spielfigur werden mit der eigenen Person und dem eigenen Lebenskontext verbunden“ (Schwab und Stegmann 1999: 144). Es existiert eine Beziehung zwischen Thematiken, Rollenangeboten, Skripten oder einzelnen Szenen des Spiels mit kulturellen Hintergründen und Rollen des Spielers. Durch virtuelle Handlungsmuster, welche strukturell mit ähnlichen, realen Grundmustern gekoppelt sein können, kann man einen wichtigen Motivationsgrund für das gewählte Spiel erkennen. Reale Vorgaben werden virtuell weitergeführt. Beispiele hierfür können sein: Bereicherung, Verbreitung, Ordnung und vor allem Kampf (vgl. Vollmer und Fromme 2000: 147). Im Zusammenhang mit Counter Strike wird demnach näher auf eventuell bekannte reale Handlungsmuster einzugehen sein. Dennoch kann bereits an dieser Stelle vorweggenommen werden, dass zwar mitunter reale Handlungsvorgaben ihren Eingang in das Computerspiel „Counter Strike“ fanden, aber dennoch keiner der Befragten aufgrund einer etwaigen Vorliebe für Krieg dieses Spiel gewählt hat.
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