Diese Arbeit stellt eine Auseinandersetzung mit absurden Filmen und Serien dar und ist gleichzeitig ein Versuch, dieses Genre zu definieren und einzugrenzen. Denn das Wort "absurd" in Verbindung mit Filmen ist zunächst nicht eindeutig bzw. unterschiedlich interpretierbar. Um also deutlich zu machen, welche Art von Filmen ich meine, wenn ich das Wort "absurd" benutze, ist es hilfreich, erst einmal genauer auf die Wortbedeutung einzugehen.
Das Wort "absurd" wird mit "widersinnig, dem gesunden Menschenverstand widersprechend, abwegig, sinnlos" definiert. Es hat seinen Ursprung im lateinischen Wort "absurdus", welches sich mit "misstönend" übersetzen lässt. Das Wort "absurd" oder "Absurdität" beschreibt also einen Konflikt, einen Widerspruch und ein ambivalentes Verhältnis zur Realität. Philosoph und Schriftsteller Albert Camus (1913-1960), der bekannt für seine philosophische Auseinandersetzung mit dem Absurden ist, beschäftigt vor allem die Konstellation zwischen dem Sinn suchenden Menschen und der sinnverneinenden Welt. Das Individuum findet sich also mit einer Realität konfrontiert, die entgegen seines Dranges nach Logik und Ordnung voll von Widersprüchen, zusammenhangslosen Ereignissen und Zufällen geprägt ist. Ich denke, dass dieser Konflikt vielen der absurden Filme zugrunde liegt, mit denen ich mich beschäftigen werde.
Faszinierend an absurden Filmen ist, dass sie unberechenbar und überraschend sind. Sie erschaffen eine neue Realität, die einem die eigene Realität hinterfragen, aber auch wertschätzen lässt. Vielmehr als eine objektive, linear erzählte und klar verständliche Darstellung einer Geschichte, projizieren sie oft eine subjektiv wahrgenommenen Stimmung der Geschichte, auf die man sich erst einmal einlassen muss.
Filme sind das ideale Medium, um Absurdität aufzuzeigen, da die Darstellungsmöglichkeiten vielfältig sind. Der Zuschauer wird in eine andere Welt hinein gesogen – wie in eine Art Paralleluniversum – in der etwas anders, ungewohnt und disproportional zu sein scheint.
Gliederung
- Einleitung
- Geschichtlicher Hintergrund: „Ein andalusischer Hund“
- Unterschiedliche Arten absurder Filme
- 2D Animation
- 3D Animation / CGI
- Über Adult Swim
- Erzählstruktur und Darstellung einer wahrgenommenen Realität
- Storytelling ohne Aufklärung, Politik und Moral
- Storytelling ohne Aufklärung
- Storytelling ohne Politik
- Storytelling ohne Moral
- Bezug zur Realität / Realitätsbruch
- Übertreibungen und Provokation
- Wiederkehrende Elemente im Storytelling
- Der Tanz
- Die Szene, in der nichts passiert
- Mutationen/ plötzliche Veränderungen des Körpers
- Das Alltagsgespräch
- Umkehrung von Beziehungen
Einleitung
Diese Arbeit stellt eine Auseinandersetzung mit absurden Filmen und Serien dar und ist gleichzeitig ein Versuch, dieses Genre zu definieren und einzugrenzen. Denn das Wort "absurd" in Verbindung mit Filmen ist zunächst nicht eindeutig bzw. unterschiedlich interpretierbar. Um also deutlich zu machen, welche Art von Filmen ich meine, wenn ich das Wort "absurd" benutze, ist es hilfreich, erst einmal genauer auf die Wortbedeutung einzugehen.
Das Wort "absurd" wird mit "widersinnig, dem gesunden Menschenverstand widersprechend, abwegig, sinnlos" definiert. Es hat seinen Ursprung im lateinischen Wort "absurdus", welches sich mit "misstönend" übersetzen lässt. Das Wort "absurd" oder "Absurdität" beschreibt also einen Konflikt, einen Widerspruch und ein ambivalentes Verhältnis zur Realität. Philosoph und Schriftsteller Albert Camus (1913-1960), der bekannt für seine philosophische Auseinandersetzung mit dem Absurden ist, beschäftigt vor allem die Konstellation zwischen dem Sinn suchenden Menschen und der sinnverneinenden Welt. Das Individuum findet sich also mit einer Realität konfrontiert, die entgegen seines Dranges nach Logik und Ordnung voll von Widersprüchen, zusammenhangslosen Ereignissen und Zufällen geprägt ist. Ich denke, dass dieser Konflikt vielen der absurden Filme zugrunde liegt, mit denen ich mich beschäftigen werde.
Mich fasziniert an absurden Filmen, dass sie unberechenbar und überraschend sind. Sie erschaffen eine neue Realität, die einem die eigene Realität hinterfragen, aber auch wertschätzen lässt. Vielmehr als eine objektive, linear erzählte und klar verständliche Darstellung einer Geschichte, projizieren sie oft eine subjektiv wahrgenommenen Stimmung der Geschichte, auf die man sich erst einmal einlassen muss.
Das Leben an sich steckt bereits voller Absurditäten und Widersprüchen, die im Alltag oft nicht wahrgenommen werden. Wir nehmen Gegebenheiten als selbstverständlich hin und denken nicht weiter darüber nach, doch wird nur ein kleines Element vom Gewöhnlichen und Alltäglichen geändert, betrachten wir es aus einem anderen Blickwinkel oder setzen es in einen neuen Kontext, entsteht bereits ein Gefühl von Absurdität. Es sind die kleinen Absonderlichkeiten und Verschiebungen der Realität, die für mich das Leben interessanter machen.
Filme sind das ideale Medium, um Absurdität aufzuzeigen, da die Darstellungsmöglichkeiten vielfältig sind. Der Zuschauer wird in eine andere Welt hinein gesogen - wie in eine Art Paralleluniversum - in der etwas anders, ungewohnt und disproportional zu sein scheint.
Es gibt kein allgemein definiertes Genre, welches sich "absurder Film" nennt. Diese Filme werden dabei immer mit dem nächst passenden Genre bezeichnet. So ist der unglaublich absurde Film "I'm a Cyborg, but that's OK" von Park Chan-wook zumindest in der Filmvorschau auf "Google" ein "Liebesfilm/Drama", "Lost Highway" von David Lynch gehört zum "Film Noir" und "Psychothriller" und der Film "Reality" von Quentin Dupieux, auf den ich später noch genauer eingehen werde, wird mit "Komödie/Drama" betitelt. Es gibt eventuell das Genre "surrealistischer Film" und diese Filme passen durchaus auch hinein, allerdings nicht zwangsläufig und ausschließlich. Auch der Dadaismus gibt Impulse, um diese Art von Filmen besser zu verstehen, die sicherlich teilweise auch von dieser Kunstrichtung inspiriert sind.
Ich werde also nicht nur Gestaltungsmittel, Gemeinsamkeiten und Muster in absurden Filmen untersuchen, es ist auch der Versuch, eine Filmrichtung zu definieren und zu entschlüsseln, die so offiziell nicht existiert. Dabei ist es durchaus problematisch, ein Genre definieren zu wollen, dass sich unter Anderem durch Widersprüche und dem Fehlen von Logik und Zusammenhängen auszeichnet. Einfacher wäre es womöglich, zwei absurde Filme zu analysieren und die absurden Elemente dieser Filme herauszuarbeiten und zu erläutern. Jedoch faszinieren mich absurde Filme in unterschiedlichen Formaten und Darstellungsformen. Das Herausarbeiten und Analysieren all der Aspekte von absurden Filmen, die mir im Laufe der Recherche aufgefallen sind, soll mir dabei helfen, mein Interesse an dem Thema besser zu verstehen und das Storytelling für meinen eigenen absurden animierten Kurzfilm zu entwickeln.
Meine Schlüsse werde ich dabei in den wenigsten Fällen aus bereits existierenden wissenschaftlichen Texten ziehen. Vielmehr werden sie sich vorrangig auf Beobachtungen stützen, die ich beim Schauen unterschiedlicher Filme gemacht habe. Ich werde dabei versuchen, sie in größere Zusammenhänge zu bringen und die Erkenntnisse mit Zitaten und Filmszenen zu belegen. Mein Anspruch ist nicht, dass alle meine Beobachtungen auf alle absurden Filme zutreffen werden, denn es wird kaum möglich sein, komplett allgemeingültige Aussagen zu treffen. Es soll jedoch eine Annäherung an die Faszination dieser Filme werden.
Die Art von Filmen, mit denen ich mich beschäftigen möchte, werden oft auch als "verstörend" bezeichnet. Eine kuratierte Filmliste auf der Filmplattform "Mubi", auf die ich öfter zurückkomme, hat den Titel "What the fuck?! Weird films" mit der Beschreibung: "Strange, bewildering, experimental, confusing, metaphorical, surreal, mind-fuck films that at the very least will evoke a hearty, “What the fuck?” out of you." (Dave Gunn) Ich finde diese Beschreibung ist bereits sehr passend. Das "What the fuck?!“, das tatsächlich die erste Reaktion vieler Menschen auf diese Art von Filmen ist, macht wohl die Schwierigkeit deutlich, sich auf solche Filme einzulassen und der erste Impuls ist, sich davon distanzieren zu wollen. Unter anderem wurde das beim animierten Kurzfilm „Hi Stranger“ von Kristen Lepore deutlich, der auf Facebook viral gegangen ist und für viel Belustigung und Verwirrung in den Kommentarspalten gesorgt hat. Es kann manchmal fordernd, anstrengend oder auch unangenehm sein, absurde Filme zu schauen.
Oft aber lösen Sie auch eine große Faszination und Begeisterung aus und geben einem ein Gefühl von Freiheit.
Bei meiner ersten Recherche zu dem Thema in der Filmbibliothek am Potsdamer Platz hatte ich gehofft, bereits wissenschaftliche Texte über mein Thema zu finden. Hauptsächlich gab es dort jedoch Abhandlungen über surrealistische Filme, die aus den Anfängen der Filmgeschichte stammen oder bis spätestens Mitte des 20. Jahrhunderts produziert wurden. Ein großer Teil meiner Argumentation wird sich aber darauf stützen, dass ein absurder Film einen gewissen Bezug zur Realität und zum Alltag braucht, um damit brechen zu können. Die Realität, die zur Zeit dieser Filme herrschte, unterscheidet sich sehr stark von unserer heutigen gewohnten Realität, so dass der damals absurde Effekt aus heutiger Sicht nicht mehr wirkungsvoll ist. Demnach fallen sie aus der Kategorie.
Im Gespräch mit Kommilitonen zu meinem Thema wurde ich gefragt, ob ich mit absurden Filmen "trashige" Filme meine. Damit waren wohl Filme wie "Sharknado" gemeint, dessen Absurdität aufgrund filmischer Unzulänglichkeiten und niedrigem Budget zustande kam und sich dadurch zum Kult entwickelten. Diese eher unfreiwillige Art von Absurdität ist allerdings nicht die, nach der ich auf der Suche bin.
Ich werde mich sowohl mit Spielfilmen, als auch mit Kurzfilmen und Serien sowohl in Live Action, als auch in der Animation beschäftigen. Zusammengefasst also mit allen "Motion Pictures" - im Sinne eines flüssigen Schreibstils werde ich mich im Text aber nur allgemein auf "Filme" beziehen. Viele dieser Filme sind sehr unterschiedlich, tragen aber alle diese bestimmte Faszination des Skurrilen und der Absurdität in sich und erzeugen ein bestimmtes Gefühl beim Betrachter.
Im Folgenden werde ich demnach festhalten, was "absurder Film" für mich bedeutet, welche Eigenschaften viele dieser Filme haben und dies mit Beispielen aus verschiedenen Filmen oder Filmszenen deutlich machen. Des Weiteren möchte ich die Muster aufzeigen und Gestaltungsmittel herausarbeiten, die immer wieder auftauchen. All das soll als Hilfe und Anhaltspunkt für meinen eigenen animierten Kurzfilm dienen.
Geschichtlicher Hintergrund: "Ein andalusischer Hund"
Zur Einstimmung auf das Thema werde ich mich dem Film "Ein andalusischer Hund" aus dem Jahre 1929 von Salvador Dali und Luis Bunuel widmen. Der 17-minütige Kurzfilm gilt als Meisterwerk des surrealistischen Filmes. Zusammen mit ihrem anderen Film "Das goldene Zeitalter" sogar als einziger rein surrealistischer Film. Es ist nicht zu leugnen, dass man den Film als "absurd" bezeichnen kann. Zudem deckt er einige Merkmale eines absurden Filmes ab, auf die ich im weiteren Verlauf noch weiter eingehen werde.
So befindet sich die Handlung des Filmes zwischen Realität und Traumwelt und ist sogar von den Träumen der beiden Künstler inspiriert. Es gibt keine traditionelle Narration und keine logisch aufeinander aufbauende Szenenabfolge. Den Künstlern war es wichtig, dass die Handlung weder erklärbar, noch konkret interpretierbar ist. Selbst der Titel ist absurd, da in dem Film kein Hund vorkommt. Es fehlt sowohl Absicht als auch Moral und sie beschlossen „keine Idee, kein Bild zuzulassen, zu dem es eine rationale, psychologische oder kulturelle Erklärung gäbe; die Tore des Irrationalen weit zu öffnen, nur Bilder zuzulassen, die sich aufdrängten, ohne in Erfahrung bringen zu wollen, warum.“ (Joachim Kurz zitiert nach Luis Bunuel aus dessen Autobiographie Mein letzter 'Seufzer') Und trotzdem habe ich zuvor festgehalten, dass ich absurde bzw. surrealistische Filme, die aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts stammen, nicht mit einbeziehen möchte, da ihnen der Bezug zur heutigen Realität fehlt. Das gilt auch für diesen Film. Es ist ein gutes Stück Film- und Kunstgeschichte und hat zweifellos den Weg für weitere surrealistische und absurde Filme geebnet.
Der Film konnte sein Publikum damals schockieren, irritieren und beunruhigen und er hat sowohl für Begeisterung als auch für Empörung gesorgt. Filmwissenschaftler Klaus Eder schrieb dazu:
"Doch der Skandal, den der Prolog, den der ganze Film meinte und der in ihm angelegt war, ist heute konsumierbar geworden, ein Stück Klassik, eine Erinnerung an alte Zeiten, in denen die Zerstörungen, die einer auf der Leinwand anrichtete, das Publikum noch verschrecken mochten. Die Grausamkeiten, die uns dieses Jahrhundert bescherte, haben den Schnitt durchs Auge, haben die Diskrepanzen und Disharmonien, die Bunuel in seinem Debüt arrangierte, vergleichsweise harmlos gemacht, zu obskuren Einfällen, die von einer ungleich disharmonischeren Wirklichkeit längst überholt wurden.“ (Cinemathek Wunderlin-Online zitiert nach Klaus Eder in: Peter W. Jansen/Wolfram Schütte (Hrsg.), Bunuel)
Es ist also nicht nur so, dass der Film in einer Zeit spielt, die sich zu stark von unserer heutigen Zeit unterscheidet, um einen Bezug zu unserer Realität herstellen zu können. Auch unsere Sehgewohnheiten haben sich zu stark geändert, als dass man sich von diesem Film noch wirklich überraschen und mitziehen lassen könnte. War das Fehlen jeglicher Struktur und Handlung damals noch neu und ungewohnt, lässt sich dieser Stil heute schnell entschlüsseln. So ist der Film aus unserer heutigen Sichtweise vorhersehbar. Trotzdem hat er durch seine neuartige, experimentelle Erzählstruktur eine neue Art von Filmgenre geschaffen, ohne die viele spätere absurde Filme wahrscheinlich nicht zu Stande gekommen wären.
Unterschiedliche Arten absurder Filme
Die Möglichkeiten, eine absurde Geschichte zu erzählen, sind quasi unbegrenzt. Die kleinste Verschiebung der Realität und schon betrachtet man eine zumindest sonderbare Situation. Das Betrachten eines uns gewohnten Phänomens aus einem anderen Blickwinkel, und somit die Neuinterpretation dieses Phänomens, kann bereits zu absurden Ergebnissen führen. Die Verschiebung einer Geschichte ins Absurde kann demnach durch kleine Details bedingt sein, es kann aber auch sein, dass die Realität vollkommen aus den
Fugen gerät und nichts mehr zu stimmen scheint. Filme, dessen Realität sich im Gegensatz zu unserer Realität stark unterscheidet, haben oft eine surrealistische und/oder psychedelische Tonalität. Sie kommen Alptraum- bzw. Traum-ähnlich daher, wirken außerirdisch oder geben uns das Gefühl, als würden wir uns in einem halluzinatorischen Zustand wie auf einem Drogen-trip oder in einem Fieber-Traum befinden.
Filme mit nur leichter Verschiebung der Wirklichkeit hingegen haben den Anschein, als würde man sich in einem Paralleluniversum oder einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft befinden. Absonderliche Details werden eher sparsam und subtil eingesetzt oder es gibt ein einziges großes Element, das nicht zu passen scheint. Und dann gibt es Filme, die sich irgendwo dazwischen befinden. Die Absurdität wird in allen diesen Fällen verstärkt, wenn der Grund für die Änderung der Realität nicht aufgeklärt wird. Würde beispielsweise für den Zuschauer ersichtlich werden, dass man sich auf Planeten XY befindet, würde es sich wahrscheinlich in erster Linie um einen Science-Fiction-Film und weniger um einen absurden Film handeln. Würden die Realitätsverschiebungen innerhalb eines Filmes auf eine psychische Störung des Protagonisten zurückzuführen sein, würde sich dieser thematisch wohl eher mit Psychoneurosen auseinandersetzen und gegebenenfalls darüber aufklären wollen.
Es gibt allerdings auch Filme, die kaum absurde Elemente aufweisen, aber einzelne absurde Szenen beinhalten, die derart elementar sind, dass sie dem ganzen Film eine absurde Stimmung verleihen oder zumindest interessant genug sind, um sich damit auseinanderzusetzen.
Diese Unterscheidung von absurden Filmen mit unterschiedlichem Absurditätsgrad wird der weiteren Analyse als Orientierung dienen.
2D Animation
Die Möglichkeiten, die Realität anders wiederzugeben - sie zu ändern und zu verzerren - sind in der 2D Animation beinahe unbegrenzt. Auch entsteht bereits durch das Medium eine Entfremdung der Wirklichkeit, da die gezeichneten Bilder, aus denen sich die Animation zusammensetzt, die Realität höchstens imitieren. Das unterscheidet das Medium zunächst vom Realfilm, bei dem die Realität, ähnlich wie bei der Fotografie, zunächst so wiedergegeben wird, wie wir sie kennen und dann eventuell durch Filmtricks oder "Special-Effects" verfremdet wird. Da wir mit der Ästhetik von Zeichentrickfilmen und Cartoons jedoch seit unserer Kindheit vertraut sind, wirken Animationsfilme nicht zwangsläufig absurd. Die Art und Weise, wie etwas gezeichnet und animiert wird, kann - neben dem Storytelling - jedoch das Gefühl von Absurdität hervorrufen oder verstärken. Animatorin Sally Cruikshank sagte in den 80er Jahren in einem Interview dazu:
"Animation is this open door to fantasyland, which can be sort of awesome when you are sitting down looking at a white paper but it can also be a real delight. [...] I like to create sort of anthropromorphic universes where anything can talk back to you, any door can say "hello, goodbye", any food can get up and walk away before it's eaten. And that's one of the real delights of animations, having all those possibilities there before you. It bothers me a little bit that most people don't explore the possibilities of animation. There is a current trent to put all the animals back in the meadows [...] Instead I'd rather have them dressed up and and let them running around in those crazy worlds of mine. What's so wonderful is that everyone can do anything. Time can roll back. There just are no laws. Gravity doesn't even exist.“ (Sally Cruikshank, 1980)
Darüber hinaus gibt sie einen Einblick darüber, wie sie es schafft, allein durch Gestaltung und Animationstechniken Witz und skurrile Momente zu erschaffen:
"I really like using kinda weird motions and I think you can get all kinds of strange emotions, strange effects by the kind of motions you draw: creepy characters or dancing characters. Distorting the characters in their motion can often lead to a funny feeling without it actually being funny with a gag. Without somebody actually being hit over the head it still can crack you up.“ (Sally Cruikshank, 1980)
Stark beeinflusst von Sally Cruikshank wurde nach eigenen Aussagen auch Filmemacherin Sophie Koko Gate, eine 2D Animatorin aus Großbritanien, die den absurden Animationsfilm auf ein neues Level bringt. Sie erschafft mit ihren Filmen fantastische Welten mit absurden Charakteren mit eigenartigen Obsessionen und Charaktereigenschaften. Die offizielle Filmbeschreibung ihres neusten Kurzfilms "Slug Life" ist dabei zum Beispiel: "We follow a day in the life of Tanya, a curious woman who has developed a taste for non human lovers." Protagonistin Tanya widmet sich darin ihrem Projekt, das darin besteht, einen hybriden Liebhaber aus einer Nacktschnecke zu züchten.
In allen ihren Filmen befinden wir uns in einer post-apokalyptischen Traumwelt, in der die selben Charaktere immer wieder auftauchen. Sie haben abstruse Hintergrundgeschichten, die in den Filmen nicht erwähnt werden, Sophie Koko Gate aber dabei helfen, ihrem sonderbaren Verhalten eine innere Logik zu verleihen.
Ihren Illustrationsstil bezeichnet sie selbst als hässlich, was sie aber keinesfalls als negativ betrachtet, sondern es als eigene Qualität ansieht. ”I like the idea of realising and trying to own this” Auch thematisch fasziniert sie die Hässlichkeit. „I'm really attracted to ugly confidence. I think that's an incredible thing.“ (Sophie Koko Gate)
Sie lässt ihre eigenen Obsessionen mit einfließen. So ist sie fasziniert von winzig kleinen Dingen wie beispielsweise Krill und Plankton. Ihre Filme scheinen sich weit weg von der Wirklichkeit zu befinden, nehmen aber oft Bezug auf wissenschaftliche Fakten und Naturphänomene und spiegeln die Unbeholfenheit menschlicher Beziehungen und Sex wider. So beschäftigt sich ihr Film "Half Wet" mit dem Phänomen, wie der menschliche Körper im Laufe des Lebens an Flüssigkeit verliert, was als metaphorische
Auseinandersetzung mit dem älter werden zu verstehen ist. Ein Artikel auf Cartoon Brew über sie fasst all das folgendermaßen zusammen:
„Her surreal meditations on sex and romance are populated with flamboyantly ugly humanoids whose physical quirks are magnified to grotesque proportions. Tiny organic matter — flies, krill, the floaters you get in your eyes — clings to them, for no reason other than that Gate wants it that way.“ (Alex Dudok de Wit, Cartoon Brew)
Dieses irritierende, manchmal unangenehme Gefühl des Betrachters bei absurden Filmen, das ich bereits erwähnt habe, wird auch hier bewusst provoziert. Das geschieht einerseits durch die bewusst hässliche Darstellung ihrer Charaktere, aber auch durch Details im Storytelling. Die Vorstellung, dass eine Frau sich mit einer Nacktschnecke oder einem Nacktschnecken-ähnlichen Wesen paart, löst wohl bei den meisten Menschen Ekel aus. Sie überschreitet bewusst die Grenzen zwischen Erotik und widersprüchlichen perversen Fantasien, die ebenfalls Teil der menschlichen Natur sind. Das wird auch in ihrem Film „Love“ deutlich, in der sich einer ihrer Charaktere auf einer Dating-Plattform in einer postapokalyptischen Welt vorstellt. In einer Szene sehen wir ihn nackt und „verführerisch“ in Töpfe urinieren, aus denen daraufhin riesige Blumen wachsen.
Sie benutzt eine eigene Analogie, um das Gefühl zu erklären, die ihre Filme beim Betrachter auslösen sollen:
"You know that feeling you get when you watch a pimple popping video and you want it to stop, but you can't stop watching, and look for more, secretly, when everyone's at lunch and no one can see your screen? That's the vibe I was going for with Darcy and this film [bezieht sich auf Love].” (Sophie Koko Gate)
3D Animation
Ganz andere Möglichkeiten in der Verfremdung und Imitation der Realität hingegen hat die 3D bzw. CGI Animation. Während die meisten Menschen wohl bei dem Wort an süßlich unterhaltsame Kinderfilme von Disney Pixar denken, hat sie doch auch eine ganze Menge experimenteller und absurder Kurzfilme zu bieten. Die 3D Technik ist hier interessant, da sie die Wirklichkeit in verschiedenen Abstraktionsgraden bis hin zur perfekten, hyperrealistischen Darstellung wiedergeben kann. Dabei kann sie genutzt werden, um ähnlich wie bei der 2D Animation cartoon-ähnliche, abstrahierte Charaktere und Umgebungen zu erstellen, die allerdings mehr räumliche Tiefe und gegebenenfalls realistisch anmutende Texturen haben. Es ist aber oft auch ein Spiel zwischen realistischer Darstellung und dem plötzlichen, unerwartetem Bruch damit.
Ein Beispiel dafür ist Filmemacher Nikita Diakur, dessen Welten sich zwischen Realität, Abstraktion und visuellen Elementen seines 3D-Programms sowie dessen teils zufälligen Störeffekten ("Glitch") befinden. Seine Filme sind dabei von dem Zusammenspiel zwischen Hässlichkeit und Kitsch geprägt - rosaroter Abendhimmel erstreckt sich über eine Plattenbausiedlung. Für seinen Kurzfilm „Ugly“ hat er erstmals diesen Stil entwickelt, den er seitdem für seine weiteren Projekte beibehalten hat. Während "Ugly" noch einen groben Handlungsstrang verfolgt, fehlt dieser im folgenden Film "Fest" bereits. Wir beobachten deformierte, stark übergewichtige Figuren in Jogginganzügen, die in den Straßen der Plattenbausiedlung einen Rave veranstalten und sich ohne Rücksicht auf Verluste mit einem Bungee-Seil vom Dach stürzen. Inspiriert sind diese Bilder unter Anderem von Aufnahmen russischer Teenager auf YouTube.
Insbesondere die Gestaltung und Art der Animation ist jedoch bei Nikita Diakur einzigartig und erwähnenswert für die Auseinandersetzung mit absurden Filmen. Während viele CGI Animatoren eine realistische oder zumindest technisch versierte Darstellung anstreben, parodisiert Nikita Diakur diesen Anspruch beinahe. So ummantelt er seine 3D-Models einfach mit Fotos, ohne auf richtiges Licht, Blickwinkel oder Perspektive zu achten.
Die Animationen generiert er mit sogenanntem "Rigging" der Figuren in Verbindung mit Codes, die eine automatische Bewegung der Figuren ermöglichen. Die Figuren können sich also frei im 3D-Raum innerhalb des Programms bewegen. Da es aber vom Computer generierte Bewegungen sind, verhalten sich die Figuren dabei höchst unnatürlich. Es ist vor allem ein Spiel mit dem Zufall. Der Computer lässt durch seine fehlerhaften Einstellungen eigenartige Bewegungen und Fehler im Bild zu, die zu witzigen und absurden Momenten führen. Es gibt ein Beispiel, auf welches er in seinen Vorträgen genauer eingeht und das diesen Effekt gut verdeutlicht. So wollte er seinen Figuren Haare geben, aber das Programm war ohne sein Wissen so eingestellt, dass die Haare auf dem Kopf unendlich weiter gewachsen sind. Das war eines dieser Zufälle, die ihn begeistert haben. Seine Gestaltung geht dabei gegen alle Regeln des 3D-Modellings, was unter Kennern zunächst als Faulheit missinterpretiert werden könnte. So war seine Motivation hinter dieser Technik zunächst auch, damit Zeit sparen zu können. Die Produktion seines ersten, circa 12-minüten Films hat allerdings 4 Jahre gedauert, da diese Art der Animation unberechenbar ist und im Prozess sehr viele Experimente und Fehlversuche durchgeführt wurden.
Auch seine Filme sind für viele Menschen eine Herausforderung. „It's nice that“ beschreibt den Effekt, den seine Filme auf seine Zuschauer haben kann und seinen Stil allgemein, folgendermaßen:
"Warning: do not watch the above video if you're sensitive, hungover or a bit stressed. The work of Russian-born, Mainz-based filmmaker Nikita Diakur might just break you. As part of a hotshot team of animators, Nikita has created Ugly, a film project inspired by stories mined from the internet, each filled with bizarre characters, high-octane urban environments and terrifyingly unpredictable physics.“ (Laura Snoad, It's nice That)
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- Shenja Tatschke (Autor:in), 2020, Merkmale und Besonderheiten absurder Filme und Serien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1311532
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