Die Zielsetzung dieser Arbeit besteht darin, die Systematik der zukunftserfolgs- und marktorientierten
Verfahren darzustellen und darauf aufbauend einen Vergleich zwischen beiden
Verfahren vorzunehmen. Der Schwerpunkt des Vergleichs soll hierbei auf der unterschiedlichen
Methodik der Ansätze und der jeweiligen Ergebnisqualität bei Veränderung von Parametern
liegen. Insbesondere soll die Frage beantwortet werden, welcher Ansatz den Wert
eines Unternehmens am genauesten bestimmt und somit für die Praxis am praktikabelsten
erscheint. Zunächst werden die Grundlagen des Themenkomplexes Unternehmensbewertung erläutert,
wobei der Schwerpunkt auf Bewertungsanlässen und Entwicklungsphasen der Unternehmensbewertung
gelegt wird. Neue Tendenzen im Zuge des Shareholder Value Ansatzes
werden ebenfalls behandelt. Anschließend erfolgt eine genaue Darstellung der zukunftserfolgsorientierten
Verfahren anhand des Ertragswert- und der DCF – Verfahren. Dabei
wird auf grundsätzliche Problemfelder, die in der Methodik der Verfahren zu finden sind
explizit eingegangen. Im weiteren Verlauf wird der marktorientierte Ansatz hinsichtlich der
Multiplikatormethode beschrieben und erörtert.
Auf Einzelbewertungs- und Mischverfahren wird in diesem Zusammenhang nicht näher
eingegangen, da zum einem die praktische Anwendung dieser Verfahren stark rückläufig
ist3 und sie zum anderen methodische Schwächen aufweisen. Diese Schwächen liegen in
der ausschließlich vergangenheitsorientierten Analyse der Handelsbilanz, die durch bilanzpolitische Maßnahmen (z.B. überhöhte Abschreibungs- oder kurzfristige Liquiditätsbildung)
nur ein verzerrtes Bild des Unternehmens liefern kann. Damit sind diese Verfahren unbrauchbar,
um den Wert eines Unternehmens objektiv und unter Einbeziehung der zukünftigen
Entwicklung zu beurteilen. Auch der Hauptfachausschuss des IDW ordnet dem Subtanzwertverfahren
als Einzelbewertungsverfahren nur noch eine untergeordnete Rolle im
Portfolio der Bewertungsverfahren zu.1 [...]
3 nach einer empirischen Untersuchung von Peemöller, Volker H./ Bömelburg, Peter/ Denkmann, Andreas [
Empirische Erhebung, 1994 ] benutzen deutsche Unternehmen nur noch zu 4 % das den Einzelbewertungsverfahren
zuordenbare Substanzwertverfahren zur Bewertung von Unternehmen.
1 vgl. IDW [ IDW S1, 2000 ], S 826, Gliederungspunkt 2.1 (6)
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Gang der Untersuchung
2 GRUNDLAGEN DER UNTERNEHMENSBEWERTUNG
2.1 Bewertungsanlässe
2.2 Die Begriffe Wert und Preis
2.3 Entwicklungsphasen der Unternehmensbewertung
2.3.1 Objektive Unternehmensbewertung
2.3.2 Subjektive Unternehmensbewertung
2.3.3 Funktionale Unternehmensbewertung
2.3.3.1 Beratungsfunktion
2.3.3.2 Vermittlungsfunktion
2.3.3.3 Kritik an der funktionalen Unternehmensbewertung
2.3.4 Marktwert und der Shareholder Value Ansatz bei Unternehmensbewertungen
3 VERFAHREN DER UNTERNEHMENSBEWERTUNG
3.1 Zukunftserfolgsorientierte Verfahren
3.1.1 Einleitende Betrachtung
3.1.2 Ertragswertverfahren
3.1.2.1 Problematik des Planungszeitraums
3.1.2.2 Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes
3.1.3 Discounted Cash-Flow Verfahren
3.1.3.1 Entity-Approach
3.1.3.1.1 Die Definition der Cash Flows
3.1.3.1.2 Durchschnittliche gewogene Kapitalkosten - WACC
3.1.3.2 APV-Verfahren
3.1.3.3 Equity-Approach
3.2 Marktorientierte Verfahren
3.2.1 Idee des marktorientierten Verfahrens
3.2.2 Definition der Vergleichsunternehmen
3.2.3 Festlegung der Multiplikatoren und Berechnung des Unternehmenswertes
4 VERGLEICH DES DCF-VERFAHRENS UND DER MULTIPLIKATORMETHODE
4.1 Konzeption des Vergleichs
4.2 Modellrechnung
4.2.1 Modellrechnung mittels Entity-Approach
4.2.2 Modellrechnung mittels Multiplikatormethode
4.2.3 Ergebnisinterpretation und Parametervariation
5 FAZIT
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Schema zur Berechnung der FCF
Abbildung 2: Überleitung FCF zu FTE
Abbildung 3: FCF des Zielunternehmens U Z
Abbildung 4: Unternehmenswerte mittels Multiplikatormethode
Abbildung 5: Unternehmenswerte mittels prognoseorientierter Multiplikatormethode
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
In den letzten zwanzig Jahren unterzog sich das Themengebiet der Unternehmensbewertung in Deutschland einem dynamischen Wandel. In der aktuellen Diskussion unterscheidet man zwei grundsätzliche Verfahren zur Bewertung von Unternehmen: die zukunftserfolgsorientierten und die marktorientierten Verfahren. Das erstgenannte Verfahren differenziert zwei Unterformen, die sich beide in Deutschland etabliert haben und das deutsche Bewertungswesen dominieren: das in Deutschland entwickelte Ertragswertverfahren sowie das angelsächsisch geprägte Discounted Cash Flow-Verfahren (DCF-Verfahren) mit seinen drei Ausprägungen (Entity-Approach, Equity-Approach und Adjusted Present Value-Methode (APV-Methode)). Neue Bewertungsansätze und Tendenzen, die in den USA entwickelt wurden, bezeichnet man als marktorientierte Verfahren. Zu diesen zählt die Multiplikatormethode, die als Alternative zu den klassischen Methoden in Deutschland diskutiert wird.1 Trotz vieler Fachartikel sowie jährlich neu publizierter Fachbücher zu dem Thema ist die Frage, welcher Ansatz der Geeignetste oder der „Richtige“ ist, noch nicht hinreichend geklärt. Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW), welches allgemeingültige Standards zur Durchführung von Unternehmensbewertungen setzt, schlägt vor, grundsätzlich nur das Ertragswertsowie das DCF-Verfahren anzuwenden. In einer anderen Weise bereichern Küting/Eidel die Diskussion.2 Sie fordern einen Einsatz der genannten Ansätze parallel nebeneinander, um eventuelle Stärken und Schwächen des jeweiligen Ansatzes ausgleichen zu können. Trotzdem können marktorientierte Methoden zur Plausibilitätskontrolle der Grundverfahren herangezogen werden, ohne diese zu ersetzen.3 Dahingegen geht Carl Helbling davon aus, dass nur die DCF- und die Ertragswertmethode langfristig überleben werden, „Andere Modelle werden entstehen, hochgejubelt und alsdann wieder in Vergessenheit geraten“ 4 . Allein diese Standpunkte verdeutlichen die Diskrepanz in der aktuellen wissenschaftstheoretischen Diskussion und die damit verbundene Notwendigkeit dieser nachzugehen.
Nicht nur nach theoretischen Gesichtspunkten ergibt sich eine Begründung für einen Vergleich der beiden Ansätze, auch aus praktischen Gesichtspunkten bleibt das Thema aktuell: Unternehmensakquisitionen/ -fusionen sind heute wichtiger Bestandteil des wirtschaftlichen Geschehens. Dies wird deutlich anhand des aktuellsten Tätigkeitsberichts des Bundeskartellamtes. Nach dieser Statistik beteiligten sich im Jahr 2000 deutsche Unternehmen an Unternehmenszusammenschlüssen mit einem Volumen von ca. 500 Mrd. Euro. Des Weiteren stabilisiert sich die Anzahl der Zusammenschlüsse in Deutschland bei ca. 1500 pro Jahr1. Zusätzlich wird gerade heute die Bedeutung von verlässlichen Bewertungsverfahren in Bezug auf Aktien-, und Unternehmenswerten an den Börsen sichtbar. Aus einem wahren Aktienboom bis Ende 2000, der Aktienkurse teilweise ohne rationale und objektive Begründung ansteigen ließ, wurde ein Börsencrash mit einer noch nie da gewesenen Kapitalvernichtung, die besonders am Neuen Markt sichtbar wurde.2 Um diese Probleme in Zukunft zu begrenzen oder ganz zu vermeiden, müssen zukunftserfolgsund marktorientierte Verfahren der Unternehmensbewertung auf Verlässlichkeit und Ergebnisqualität hin beurteilt werden.
1.2 Zielsetzung
Die Zielsetzung dieser Arbeit besteht darin, die Systematik der zukunftserfolgsund marktorientierten Verfahren darzustellen und darauf aufbauend einen Vergleich zwischen beiden Verfahren vorzunehmen. Der Schwerpunkt des Vergleichs soll hierbei auf der unterschiedlichen Methodik der Ansätze und der jeweiligen Ergebnisqualität bei Veränderung von Parametern liegen. Insbesondere soll die Frage beantwortet werden, welcher Ansatz den Wert eines Unternehmens am genauesten bestimmt und somit für die Praxis am praktikabelsten erscheint.
1.3 Gang der Untersuchung
Zunächst werden die Grundlagen des Themenkomplexes Unternehmensbewertung erläutert, wobei der Schwerpunkt auf Bewertungsanlässen und Entwicklungsphasen der Unternehmensbewertung gelegt wird. Neue Tendenzen im Zuge des Shareholder Value Ansatzes werden ebenfalls behandelt. Anschließend erfolgt eine genaue Darstellung der zukunftserfolgsorientierten Verfahren anhand des Ertragswertund der DCF – Verfahren. Dabei wird auf grundsätzliche Problemfelder, die in der Methodik der Verfahren zu finden sind explizit eingegangen. Im weiteren Verlauf wird der marktorientierte Ansatz hinsichtlich der Multiplikatormethode beschrieben und erörtert.
Auf Einzelbewertungsund Mischverfahren wird in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen, da zum einem die praktische Anwendung dieser Verfahren stark rückläufig ist3 und sie zum anderen methodische Schwächen aufweisen. Diese Schwächen liegen in der ausschließlich vergangenheitsorientierten Analyse der Handelsbilanz, die durch bilanz- Empirische Erhebung, 1994 ] benutzen deutsche Unternehmen nur noch zu 4 % das den Einzelbewertungsverfahren zuordenbare Substanzwertverfahren zur Bewertung von Unternehmen.
politische Maßnahmen (z.B. überhöhte Abschreibungsoder kurzfristige Liquiditätsbildung) nur ein verzerrtes Bild des Unternehmens liefern kann. Damit sind diese Verfahren unbrauchbar, um den Wert eines Unternehmens objektiv und unter Einbeziehung der zukünftigen Entwicklung zu beurteilen. Auch der Hauptfachausschuss des IDW ordnet dem Subtanzwertverfahren als Einzelbewertungsverfahren nur noch eine untergeordnete Rolle im Portfolio der Bewertungsverfahren zu.1
Im Anschluss an die methodische Darstellung erfolgt der konkrete Vergleich der Verfahren. Dieser fußt auf einer Modellrechnung, in der ein fiktives Unternehmen anhand des zukunftsorientierten DCF-Verfahrens und der Multiplikatormethode unter bestimmten Prämissen bewertet wird. Innerhalb der Modellrechnung werden bewertungsrelevante Parameter verändert, um die Auswirkungen auf Ergebniskonsistenz und –konformität zu erkennen.
Im abschließenden Fazit ergeben sich eine Ergebniszusammenfassung der Modellrechnung, Ausblicke und neue Tendenzen der Unternehmensbewertung.
2 Grundlagen der Unternehmensbewertung
Bevor in diesem Kapitel auf Begrifflichkeiten, Bewertungsfunktionen und weitere Grundlagen der Unternehmensbewertung eingegangen wird, sollen zunächst Anlässe der Unternehmensbewertung und deren Systematik erläutert werden. Dies ist darin begründet, dass der Unternehmenswert und das anzuwendende Bewertungsverfahren vom Zweck der Bewertung abhängen. Der Zweck ist somit eng mit dem jeweiligen Anlass einer Bewertung verknüpft.2
2.1 Bewertungsanlässe
Die aktuelle Literatur versucht, Bewertungsanlässe systematisch zu strukturieren. Grundsätzlich werden dabei entscheidungsabhängige und entscheidungsunabhängige Anlässe unterschieden.3,4 Entscheidungsabhängige Anlässe beabsichtigen eine geplante oder tatsächliche Änderung der Eigentumsverhältnisse in Bezug auf das Bewertungsobjekt. Diese können weiterhin in dominierte (beherrschte) und nicht dominierte (nicht beherrschte) Anlässe untergliedert werden. Bei dominierten Anlässen ist es einer Partei (z.B. einem Gesellschafter einer Personengesellschaft) möglich, Eigentumsverhältnisse gegen den Willen der anderen Partei zu ändern. Ein Beispiel hierfür findet sich beim Ausscheiden eines Gesellschafters einer OHG durch Kündigung (§ 738 BGB). Im Gegensatz dazu erlauben nicht dominierte Anlässe die Änderung von Eigentumsverhältnissen nur aufgrund der Zustimmung von beiden Parteien.
Die Maßgabe von entscheidungsunabhängigen Anlässen besteht darin, dass keine Änderung der Eigentumsverhältnisse als Ziel einer Bewertung vorliegt. Sie besitzen oft nur erklä- renden Charakter (z.B. Bewertungsanlass aus steuerlichen Gründen), hinter dem nur selten betriebswirtschaftliche Überlegungen stehen.1 Deshalb erfolgt im weiteren Verlauf der Arbeit eine Fokussierung auf die entscheidungsabhängigen Anlässe.2
2.2 Die Begriffe Wert und Preis
Für diese Arbeit sind die Grundbegriffe Wert und Preis von entscheidender Bedeutung, deshalb ergibt sich die Notwendigkeit diese im Folgenden zu definieren und abzugrenzen.
In der Literatur existieren unterschiedliche Ansätze zur betriebswirtschaftlichen Definition der Begriffe. Zunächst können Werte für Objekte, Sachen, Rechte und Dienstleistungen bestimmt werden. Diese sind nach Karl Born im Bezug auf eine Wertgebung, immer subjektiv, da ihnen Eigenschaften und Nutzen von einer Person zugesprochen werden.3 Eine andere Person könnte also ganz andere Eigenschaften und Nutzungsmöglichkeiten hervorheben und damit den Wert verändern. Bellinger/Vahl verknüpfen den Begriff Wert eng an den Begriff „Gut“.4 So ergeben sich für den Eigentümer eines Gutes Handlungsmöglichkeiten und –befugnisse. Der Grad zur Benutzung dieser Möglichkeiten und Befugnisse äußert sich somit wieder in dem Wert des jeweiligen Gutes. Beide Definitionsversuche gehen weiterhin davon aus, dass die Wertfindung eines Gutes nur anhand von Vergleichen mit Alternativgütern stattfindet.
Der Wert eines Gutes ist jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Preis dieses Gutes. So können z.B. bei Unternehmensakquisitionen Wertvorstellungen und Preise von Käufer und Verkäufer weit auseinander liegen. Damit ist der Preis letztendlich der tatsächliche gezahlte Wert eines Gutes in Form von monetären Mitteln.
2.3 Entwicklungsphasen der Unternehmensbewertung
Wie in der Problemstellung, schon erwähnt, wird die deutsche Bewertungslehre viel diskutiert. Auch in der Vergangenheit ergaben sich unterschiedliche Lehrmeinungen, die alle die Problematik der Zuverlässigkeit und Aussagekraft von Ansätzen zur Unternehmensbewertung hinterfragten und versuchten, diese zu beantworten. Die Literatur ordnet dieser Entwicklung Phasen zu. Es ergibt sich jedoch keine einheitliche Phasenbildung. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus nennen drei Phasen der Entwicklung: Die objektive, die subjektive und die funktionale Unternehmensbewertung.1 Drukarczyk, Jochen ergänzt diese durch eine vierte Phase, die durch das DCF-Verfahren geprägt wird.2 Neuere Verfahren, wie die angelsächsische Multiplikatormethode, die ebenfalls Bestandteil dieser Arbeit sind, finden keinen Platz in der Phasenbildung, obwohl diese auch für die Bewertungspraxis immer bedeutender werden. Aus diesen Gründen erfolgt in der im Anhang befindlichen Abbildung die Ergänzung der Phasen durch eine fünfte.3
2.3.1 Objektive Unternehmensbewertung
Bis zum Ende der 50er Jahre galt die objektive Unternehmensbewertung als die einzig wahre. Sie geht davon aus, dass es einen objektiven Unternehmenswert gibt, der für jedermann Gültigkeit besitzt.4 Um einen solchen Wert zu erhalten, dürfen alle subjektiven Absichten, Fähigkeiten, Eigenschaften und Interessen eines potentiellen Käufers oder Verkäufers nicht berücksichtigt werden. Somit beschränkt sich der objektive Wert nur auf das Unternehmen als solches ohne Einbeziehung subjektiver Kriterien. Ein solcher objektiver Wert errechnet sich ausschließlich mit Hilfe der in Punkt 1.3 erläuterten Einzelbewertungsverfahren, welche vergangenheitsorientiert und statisch vorgehen. Das vergangenheitsorientierte Vorgehen war einer der Punkte, die Ende der 50er Jahre diesen Ansatz kritisierten und ihn als unbrauchbar erklärten. Der objektive Wert sei eine „Fiktion“ 5, da jeder Wert subjektive Komponenten enthält, die entscheidenden Einfluss auf eine Wertfindung ausüben.6 Im Zuge dieser Diskussion entwickelte sich die subjektive Unternehmensbewertung.
2.3.2 Subjektive Unternehmensbewertung
Der subjektive Wert beinhaltet alle subjektiven Kriterien, die in der Definition des objektiven Wertes ausgeklammert sind. Ein solcher Wert ist somit nicht mehr allgemeingültig, sondern individuell geprägt, da er subjektive Ziele, Möglichkeiten und Erwartungen von Käufer und Verkäufer berücksichtigt. Dies hat zur Folge, dass die ermittelten Unternehmenswerte der Bewertungsparteien nicht mehr objektiv, also identisch sind. Aufgrund der Einbeziehung dieses gesamten Entscheidungsfeldes stellt der subjektive Unternehmenswert für jede Partei einen Grenzpreis dar; für den potentiellen Käufer liegt dieser im maximal zahlbaren Kaufpreis, für den Verkäufer in dem mindestens zu erzielenden Verkaufspreis.7 Die Literatur stellt in diesem Zusammenhang die Forderung nach einer Betrachtung von Synergieeffekten.1 Nicht nur das zum Kauf anstehende Unternehmen muss bewertet werden, auch das Unternehmen des Käufers muss sich einer gleichartigen Bewertung unterziehen, um mögliche Synergieeffekte zu erkennen.2
2.3.3 Funktionale Unternehmensbewertung
Ende der 70er Jahre wurde die strikte Differenzierung in eine objektive und subjektive Unternehmensbewertung aufgegeben und durch die bis heute anerkannte Funktionenlehre ersetzt. Diese betont den Zusammenhang zwischen dem Zweck einer Bewertung, der jeweiligen Bewertungsmethode und dem daraus resultierendem Unternehmenswert. So ist jeder Bewertungszweck mit einer bestimmten Bewertungsmethode verknüpft, welche für den speziellen Zweck das geeignete Ergebnis liefert. Auch Adolf Moxter, der die „Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung“ formulierte3, betrachtet den richtigen Unternehmenswert, als den jeweils zweckadäquaten, woraus er das gleichnamige „Zweckadäquanzprinzip“ entwickelte.4
Die Funktionenlehre typisiert Zwecke und ordnet jedem Zweck eine Funktion zu. Dabei wird zwischen Hauptund Nebenfunktionen unterschieden. Als Hauptfunktionen werden die Beratungs-, die Vermittlungsund die Argumentationsfunktion angeführt. 5 Die Zuordnung dieser Funktionen zu den Hauptfunktionen findet in der Literatur jedoch nicht identisch statt. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus nennen als Hauptfunktionen nur die beiden erstgenannten; die Argumentationsfunktion wird als Nebenfunktion begriffen, da diese kaum allgemeingültige Regeln besitzt und somit nicht als Hauptfunktion verstanden werden darf.6 Weitere Funktionen werden ebenfalls als Nebenfunktionen aufgefasst; exemplarisch sollen die Steuerbemessungsfunktion und die Vertragsgestaltungsfunktion genannt werden. Im Folgenden werden die in der Bewertungspraxis am Häufigsten zur Anwendung kommenden Funktionen, die Beratungsund Vermittlungsfunktion, kurz erläutert. Die übrigen Funktionen sind für den Kern dieser Arbeit irrelevant und werden deshalb nicht weitergehend beleuchtet.
2.3.3.1 Beratungsfunktion
Gegenstand der Beratungsfunktion ist die Bestimmung eines Entscheidungswertes für Käufer und Verkäufer. Dieser liegt beim Verkäufer in der Preisuntergrenze UW V und beim Käufer in der Preisobergrenze UW K eines potentiell zur Transaktion anstehenden Unternehmens. Der Verkäufer wird sein Unternehmen somit dann verkaufen, wenn der tatsächliche Transaktionspreis TP > UW V ist, da ein Verkauf nur in diesem Fall für ihn wirtschaftlich vorteilhaft erscheint. Gleichzeitig erfolgt auf Seiten des Käufers nur ein Kauf, wenn TP < UW K. Eine Transaktion findet nach diesen Überlegungen nur dann statt, wenn ein tatsächlicher Preis verhandelt wird, der in dem Einigungsbereich zwischen UW V und UW K liegt. Externe Gutachter treten in diesem Zusammenhang als Berater für Verkäufer oder Käufer auf, um die „Grenze der Konzessionsbereitschaft“ 1 der einzelnen Verhandlungspartei zu ermitteln, die sich aus den jeweiligen Grenzpreisen ergibt. Diese individuelle Grenze darf jedoch für die jeweils andere Verhandlungspartei nicht offensichtlich sein, da dies eine Schwächung der eigenen Verhandlungsposition zur Folge hätte.
2.3.3.2 Vermittlungsfunktion
In der Vermittlungsfunktion tritt der externe Gutachter nun nicht mehr für eine Partei gesondert auf, er bedient beide Verhandlungsparteien gleichzeitig. Seine Aufgabe besteht darin, einen fairen, angemessen Wert, der für beide Parteien akzeptabel ist, zu ermitteln. Ein solcher Wert wird daher als Schiedswert, Einigungspreis, Vermittlungswert oder Arbitriumwert bezeichnet,2 der häufig bei gerichtlichen Entscheidungen herangezogen wird. Um diesen zu bestimmen, muss der Gutachter nicht nur Kenntnis über die UW V und UW K besitzen, um einen Einigungsbereich festlegen zu können, sondern auch parteienspezifische Erwartungen und Interessen in Bezug auf eine Transaktion mit in die Wertfindung einbeziehen.3 In diesem Aspekt spiegelt sich die Schwierigkeit für einen Gutachter wieder: Inwieweit kann er gerecht, die subjektiven Kriterien der Parteien beurteilen und abgrenzen und letztendlich auf einen objektiven Wert zusammenführen? Besonders kompliziert stellt sich seine Situation bei einem dominierenden Bewertungsanlass dar, bei dem evtl. sogar kein Einigungsbereich existiert. Die Hauptanforderung an den Gutachter besteht deshalb darin, die von den Parteien ihn zur Verfügung gestellten Informationen zur Findung der Grenzpreise auf Glaubwürdigkeit und Qualität hin zu prüfen. Trotzdem ermöglichen es betriebswirtschaftliche Analysemethoden nicht, einen festgesetzten Schiedswert vollständig nur unter Berücksichtigung objektiver Kriterien nachzuvollziehen.1
2.3.3.3 Kritik an der funktionalen Unternehmensbewertung
Die funktionale Unternehmensbewertung ist in Deutschland zunehmender Kritik ausgesetzt. Diese Kritik kristallisiert einen Hauptaspekt heraus: Die Funktionenlehre betrachtet ausschließlich Anlässe und Zwecke, bei denen ein externer Gutachter eine Bewertung vornimmt mit dem Ziel, am Ende des Prozesses mit einer Transaktion abzuschließen. In der Praxis ergeben sich jedoch oft Fälle, in denen eine Unternehmensbewertung nur von dem Unternehmen selbst vorgenommen wird, ohne die Einbeziehung eines Gutachters und mit dem Ziel einer Transaktion. Genau diese Zielsetzung verfolgt z.B. der Shareholder Value Ansatz, indem dieser Entscheidungsgrundlagen für weiteres innerbetriebliches Handeln liefert. Aufgrund dieser Überlegungen ergibt sich die Erkenntnis, dass die klassische Funktionenlehre nicht in der Lage ist, allen Bewertungszwecken Funktionen zuzuordnen und in diese einzubeziehen. Die Notwendigkeit eines allgemeingültigen „Funktionenkatalogs“ wird somit in Frage gestellt.2 Daher erfolgt im Kapitel 2.3.4 die nicht durch die Funktionenlehre abgedeckte, aber in der Praxis immer bedeutsamer werdende Bewertung von Unternehmen hinsichtlich ihrer Marktwerte im Bezug auf den Shareholder Value Ansatz.
2.3.4 Marktwert und der Shareholder Value Ansatz bei Unternehmensbewertungen
Zu der Zeit, in der die Funktionenlehre entwickelt wurde, galt ein Unternehmen ausschließ- lich dann als erfolgreich, wenn es seinen Gewinn und Umsatz maximierte. Mit dieser kurzfristigen Steuerung des Unternehmens anhand von Gewinnund Umsatzwachstum ist aber nicht gleichzeitig die Schaffung von Mehrwerten für die Anteilseigner des Unternehmens verbunden. Deshalb wandelte sich die Ausrichtung der Unternehmensstrategien hin zu einem langfristigen wertorientierten Handeln, welches auf die Erzeugung von Mehrwerten für die Eigenkapitalgeber gerichtet ist.3 Diese neue Unternehmensstrategie findet sich heute in dem von Rappaport 4 geprägten Begriff des Shareholder Value wieder. Dieser ist eng verbunden mit dem Gesamtmarktwert eines Unternehmens, der sich aus Marktwert des Fremdkapitals und Eigenkapitals zusammensetzt, wobei der Marktwert des Eigenkapitals synonym als Shareholder Value betrachtet wird.5
[...]
1 vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus [ Praxisorientierte Einführung, 1999 ], S. 17 und Zitzelsberger, Stephan [ Ertragsüberschussrechnung, 2000 ], S.9
2 vgl. Born, Karl [ Unternehmensanalyse,1995 ], S.43
3 vgl. Bruns, Carsten [ HGB- und IAS-Abschlüsse, 1998 ]
1 vgl. Bausch, Andreas [ Multiplikatormethode, 2000 ], S.448-459
2 vgl. Küting, Karlheinz und Eidel, Ulrike [ Marktwert contra Ertragswert und DCF-Ansatz,1999 ], S.231
3 vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) [ IDW S 1, 2000 ], S.840-841
4 Helbling, Carl [ Unternehmensbewertung im Wandel, 2001 ], S.611
1 vgl. und nähere Informationen Bundeskartellamt [ Tätigkeitsbericht 1998/200 ], S.8 ff.
2 nähere Informationen siehe Anhang-Abbildung 1
3 nach einer empirischen Untersuchung von Peemöller, Volker H./ Bömelburg, Peter/ Denkmann, Andreas [
1 vgl. IDW [ IDW S1, 2000 ], S 826, Gliederungspunkt 2.1 (6)
2 vgl. Bruns, Carsten [ HGB- und IAS-Abschlüsse, 1998 ], S.9 sowie Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus [ Praxisorientierte Einführung, 1999 ], S.12
3 vgl. Bruns, Carsten [ HGB- und IAS-Abschlüsse, 1998 ], S.9 sowie Mandl, Gerwald [ Praxisorientierte Einführung, 1999 ], S.12 sowie Born, Karl [ Unternehmensanalyse, 1995 ], S.17-18
4 Die Literatur bietet auch eine Unterscheidung in transaktionsbezogene und nicht transaktionsbezogene Anlässe, siehe dazu Mandl, Gerwald /Rabel, Klaus [ Unternehmensbewertung, 1999 ], S.13.
1 vgl. Bruns, Carsten [ HGB- und IAS-Abschlüsse, 1998 ], S. 11
2 siehe Anhang-Abbildung 2 zur Verdeutlichung der Systematisierung von Bewertungsanlässen
3 vgl. Born, Karl [ Unternehmensanalyse, 1995 ], S.21
4 vgl. Bellinger, Bernhard/ Vahl, Günter [Theorie und Praxis, 1992 ], S.17-18
1 vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus [ Unternehmensbewertung,1999 ], S.6
2 vgl. Drukarczyk, Jürgen [ Unternehmensbewertung, 2001 ], S.126
3 siehe Anhang-Abbildung 3
4 vgl. Born, Karl [ Unternehmensanalyse, 1995 ], S.39
5 Tichy, Geiserich E. [ Bewertung, 1994 ], S.30
6 vgl. hierzu Gliederungspunkt 2.2 Wert und Preis
7 vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus [ Praxisorientierte Einführung, 1999 ], S.7-8
1 vgl. Born, Karl [ Unternehmensanalyse,1995 ], S.40
2 siehe dazu Anhang-Abbildung 4
3 im weiteren Verlauf der Arbeit wird nicht gesondert auf Moxters „Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung“ eingegangen, da diese sich aus der Funktionenlehre ergeben und somit keine neuen Erkenntnisse liefern. Trotzdem sind aus Gründen der Vollständigkeit die Grundsätze im Anhang-Abbildung 5 hinterlegt.
4 vgl. Moxter, Adolf [Grundsätze, 1983 ], S.5 ff.
5 vgl. Bruns, Carsten [ HGB- und IAS-Abschlüsse. 1998 ], S.12
6 vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus [ Praxisorientierte Einführung, 1999 ], S.22
1 vgl. Zitzelsberger, Stephan [ Ertragsüberschssrechnung, 2000 ], S. 11
2 vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus [ Praxisorientierte Einführung, 1999 ], S.16
3 vgl. Achleitner, Ann-Kristin / Wollmert, Peter (Hrsg.) [ Stock Options, 2000 ], S.4
4 weitere Informationen siehe Rappaports Werk: „Creating Shareholder Value – The New Standard for Business Performance“(1986)
5 vgl. Mandl, Gerwald / Rabel, Klaus [ Praxisorientierte Einführung, 1999 ], S.18 ff.
- Citar trabajo
- Jan-Pascal Mellies (Autor), 2002, Darstellung und Vergleich zukunftsorientierter und marktorientierter Verfahren der Unternehmensbewertung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13101
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