Sirenen sind in der griechischen Mythologie, in den Erzählungen Homers, Wesen, die vorbeifahrende Seeleute mit ihrem Gesang verführten. Die Seeleute segelten daraufhin zu den Sirenen und zerschellten mit ihren Booten an den Klippen.
Ich möchte nun in meinem Aufsatz Ornamente und Muster auf Verführung hin untersuchen. Inwieweit verführen sie, wie die Sirenen?
Muster haben etwas Verführerisches. Wenn man sie anschaut verliert man sich in ihnen, wenn eine Mustertapete im Raum ist, ertappt man sich ständig dabei darauf zu gucken und mit den Augen den Formen des Musters zu folgen. Sind Muster „optische Sirenen“?
Aufsatz im Rahmen der Vorlesung „Die Macht der Sirenen-Kunst, Kult, Kino“
von Ursula Mock
Wintersemester 04/05
Sind Ornamente „optische Sirenen“?
Sirenen sind in der griechischen Mythologie, in den Erzählungen Homers, Wesen, die vorbeifahrende Seeleute mit ihrem Gesang verführten. Die Seeleute segelten daraufhin zu den Sirenen und zerschellten mit ihren Booten an den Klippen.
Ich möchte nun in meinem Aufsatz Ornamente und Muster auf Verführung hin untersuchen. Inwieweit verführen sie, wie die Sirenen?
Muster haben etwas Verführerisches. Wenn man sie anschaut verliert man sich in ihnen, wenn eine Mustertapete im Raum ist, ertappt man sich ständig dabei darauf zu gucken und mit den Augen den Formen des Musters zu folgen. Sind Muster „optische Sirenen“?
„Verzierung ist gefährlich, weil sie uns blendet und dazu verführt, ohne viel Bedenken der Lockung zu folgen. Die Reize des Reichtums und der Pracht wirken auf kindische Gemüter, ein Erwachsener sollte solcher Verführung widerstehen und sich für das Nüchterne und Vernünftige entscheiden“ (Gombrich, S.29). Gombrich zeigt in diesem Zitat die Einstellung der Klassik auf. Hier wird alles Überschwengliche, die Verzierung zurückgewiesen. Nur Kinder und Ungebildete fielen auf Effekte wie Ornamente herein.
Schon Platon warnte seine Schüler vor „verführerischen Reizen“ (Gombrich, S.30). Er bezog dies allerdings auf die Redekunst und meinte damit, dass es möglich ist, dass durch den Überfluss von rhetorischen Ornamenten niedrige Zwecke verschleiert werden könnten. Ornamente werden als „Schwelgen in Sinnlichkeit und kindischem Vergnügen“ gesehen. Jegliche Art von rhetorischen Ornamenten, wozu auch der Rhythmus zählt, wären ein Verstoß gegen die Vernunft.
Was ist aber an Mustern, dass sie uns in der Geschichte immer wieder verführten und verführen? Wenn man sich in der Kunstgeschichte umschaut, entdeckt man Epochen, in denen Muster nicht verpönt waren, wie in der Klassik. Da wäre z. B. der Barock, der überschwengliche Ornamente in der Architektur und Inneneinrichtung liebte, die Zeit der Gotik oder, noch nicht lange her, die Op-Art, die in den 70er Jahren in den Augen flackernde Muster schuf. Ornamente sind auch heute auf Kleidungsstücken, in Kaufhäusern und in Wohnungen zu finden. Kürzlich gab es eine Retrowelle, die die Mustertapeten der 70er Jahre wieder aufleben ließ.
Gombrich erklärt unsere Vorliebe für Mustern mit dem Ordnungssinn des Menschen (vgl. Gombrich, S.17). Er hat eine beschränkte Aufnahmekapazität. Wegen dieser beschränkten Aufnahmekapazität muss das, was er wahrnimmt selektiert werden und in Kategorien sortiert werden, damit es besser verarbeitet werden kann. Muster haben meist geometrische Formen, oder Formen, die stark stilisiert wurden, und heben sich von dem „Wirrwarr“ oder Chaos der natürlichen Umgebung ab. Sie besitzen eine Einfachheit und Regelmäßigkeit, die für die menschliche Wahrnehmung leicht zu verarbeiten ist.
Dies hängt weiterhin aber auch davon ab, wie ein Muster gemacht ist, denn einige wirken zu unregelmäßig und verwirren, ein anderes ist zu einfach und langweilt nach einiger Zeit. Genau richtig gut ist ein Muster, wenn es genau zwischen Verwirrung und Langeweile liegt. Ob dies bei einem bestimmten Muster der Fall ist, hängt allerdings sehr stark von der Persönlichkeit des Betrachters ab, der Zeit in der er lebt und der Mode, die gerade aktuell ist und die Einstellung, die der Betrachter zu dieser Mode hat. Ob ein Muster für gut befunden wird ist also eine Geschmacksfrage
Hier kann auch die Industrialisierung als Beispiel dienen. Vor der Industrialisierung wurden Ornamente handwerklich hergestellt. Wollte man eine Tapete mit einem Ornament oder ein Treppengeländer verzieren, so musste ein Handwerker beauftragt werden, dies herzustellen. Ornamente waren deshalb sehr teuer und nur eine kleine Elite von Menschen konnten sich handwerklich hochwertige Verzierungen leisten. Schmuck in Form von Ornamenten waren also ein Zeichen für reiche Menschen.
Als die Industrialisierung eintrat, wurden Gebrauchsgegenstände in Massenware hergestellt. Der Prozess der Herstellung wurde durch Arbeitsteilung und Maschinen so rationalisiert, dass es möglich war viele gleiche Dinge herzustellen. Die Preise sanken, was auch dadurch zustande kam, dass Material genommen wurde, das nicht so hochwertig war, dennoch aber den Anschein erwecken konnte, hochwertig zu sein. So konnten nun z.B. Tapeten durch billige Nachahmung am laufenden Meter gedruckt werden und auch Menschen aus den ärmeren Schichten konnten sich nun Tapeten leisten und damit etwas, was sie vorher nur von den „Reichen“ kannten. In dieser Zeit war es kein Statussymbol mehr eine Tapete zu haben, denn jeder konnte sich die Tapete leisten. „Dinge werden nicht begehrt, weil man sie schön findet, man findet sie schön, weil sie begehrt werden“ (Gombrich, S.44).
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- Ursula Mock (Autor), 2004, Sind Ornamente "optische Sirenen"?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130968