Ziel dieser Arbeit ist es, den Einfluss einer Erwärmung auf die plantare Empfindung des Fußes in Bezug zur dynamischen Gleichgewichtsregulierung ohne Dual-Task-Bedingungen zu untersuchen. Hierbei wird mit dem Anstieg der plantaren Temperatur erwartet, dass sich die jeweiligen Weglängen der COP-Parameter und COP-Geschwindigkeit reduzieren. Dabei wird von einer Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeit ausgegangen. Des Weiteren wird ein Vergleich zwischen den Geschlechtern bezüglich der zunehmenden COP-Wege und COP-Geschwindigkeiten durchgeführt. Hierbei werden vor allem höhere Instabilitäten in der weiblichen Gruppe im Gegensatz zur männlichen Gruppe vermutet.
Im Verlauf des menschlichen Lebens werden immerzu große Anforderungen an das Gleichgewicht gestellt. Zur Kontrolle und Erhaltung des Gleichgewichts werden vom zentralen Nervensystem antizipatorische und kompensatorische Mechanismen eingesetzt. Im Besonderen beanspruchen dynamische Bewegungsformen wie Laufen, Drehungen, Tanzen das Gleichgewicht des Menschen sehr intensiv, da hier Versuche unternommen werden, um eine sichere und stabile Körperposition aufrechtzuerhalten. Wenn zum Beispiel ein Mensch abrupt stolpert, kommt es häufig zu unerwarteten Störungen bzw. zu Pertubationen des Gleichgewichts.
In einigen wissenschaftlichen Studien wird diese Thematik aufgegriffen, bei denen die Probanden rotatorische wie auch translatorische Unterbrechungen als Stimulus erfahren. Daraufhin werden motorische und korrektive Reaktionsmuster unter Mitwirkung von Reizen unterschiedlicher sensorischer Systeme zur Regulierung des Gleichgewichts eingeleitet. Jedoch sollte berücksichtigt werden, dass einerseits die plantare Sensibilität eine zentrale Rolle bezieht, andererseits somatosensorische, vestibuläre und visuelle Inputs von unterschiedlichen sensorischen Systemen an der Gleichgewichtsregulation ebenfalls beteiligt sind.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Sensomotorisches System
2.2 Vestibuläres System
2.2.1 Das menschliche Gleichgewichtsorgan
2.2.2 Signalweiterleitung des Vestibularorgans
2.3 Das somatosensorische System
2.3.1 Mechanorezeptoren in der Haut (Oberflächensensibilität)
2.3.2 Tiefensensibilität (Kinästhetisches Sinnessystem)
2.3.3 Sensomotorische Integration
2.4 Menschliches Gleichgewicht
2.4.1 Definition und Formen
2.4.2 Das dynamische Gleichgewicht
3 Stand der Forschung
3.1 Einflussfaktoren auf die Fußsensibilität und auf das Gleichgewicht
3.1.1 Erkrankungen
3.1.2 Der Einfluss von Abkühlung
3.1.3 Geschlechtsspezifische Unterschiede
3.1.4 Der Einfluss von Erwärmung
4 Problemstellung und Hypothesen
5 Methodik
5.1 Untersuchungsgut
5.2 Instrumentarium und Versuchsaufbau
5.2.1 Posturomed
5.2.2 Kraftmessplatte
5.2.3 Klimaplatte
5.2.4 Elektromyographie (EMG)
5.2.5 Thermom eter
5.2.6 Airpad
5.3 Versuchsdurchführung
5.3.1 Messvorbereitung
5.3.2 Messablauf
5.4 Datenauswertung
5.4.1 Analyse der Daten
5.4.2 Untersuchungsparameter
5.4.3 Datenverarbeitung und statistische Verfahren
6 Ergebnisse
6.1 Deskriptive Analyse
6.2 COP-Parameter
6.2.1 Anterior-posteriore Perturbationsrichtung
6.2.2 Medio-laterale Perturbationsrichtung
6.3 Geschlechtsspezifische Unterschiede
6.3.1 Anterior-posteriore Perturbationsrichtung
6.3.2 Medio-laterale Perturbationsrichtung
7 Diskussion
7.1 COP Parameter
7.2 Geschlechtsspezifische Unterschiede
7.3 Limitation und Fehlerreflexion
8 Zusammenfassung und Ausblick
9 Literaturverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Anhang A: Einwilligungserklärung zur Studienteilnahme
Anhang B: Einwilligungserklärung zum Datenschutz
Anhang C: Messprotokoll
Anhang D: Boxplot vom Gesamtweg des COP im Intervall 1 in der anterior-posterior Perturbationsrichtung
Anhang E: Boxplot der COP-Geschwindigkeit in anterior-posteriorer Perturbationsrichtung für das Intervall 2
Anhang F: Boxplot vom Gesamtweg des COP im Intervall 2 in der medio-lateralen Perturbationsrichtung
Anhang G: Boxplot der COP-Geschwindigkeit in medio-lateralen Perturbationsrichtung für das Intervall 2
Anhang H: Boxplot vom Gesamtweg des COP der männlichen und weiblichen Gruppe für das Intervall 1 in der anterior-posteriorer Perturbationsrichtung
Anhang I: Boxplot der COP-Geschwindigkeit in anterior-posteriorer Perturbationsrichtung für das
Intervall 1 der männlichen und weiblichen Stichprobe
Anhang J: Boxplot vom Gesamtweg des COP für das Intervall 1 in der medio-lateralen Perturbationsrichtung der männlichen und weiblichen Gruppe
Anhang K: Boxplot der COP-Geschwindigkeit für die männliche und weibliche Stichprobe vom Intervall 2 in der medio-lateralen Perturbationsrichtung
Abstract
Ziel: Der Einfluss von Erwärmung auf das dynamische Gleichgewicht ohne Dual-Task Bedingungen wurde durch Untersuchungen der COP-Parameter bei der jungen gesunden Untersuchungsgruppe und für beide Geschlechter durchgeführt. Mit der Annahme, dass mit dem Anstieg der plantaren Temperatur verringerte Gesamtwege und Geschwindigkeiten des COP in den Intervallen 0, 1 und 2 bestehen. Darüber hinaus wird vermutet, dass bei der männlichen Gruppe geringere Instabilitäten als bei der weiblichen Gruppe für alle Intervalle, für alle Parameter und unter allen Bedingungen vorliegen.
Methodik: Die Messungen zur Intervention der Erwärmung wurden mit insgesamt 30 Probanden, davon 15 Männer und 15 Frauen im durchschnittlichen Alter von23 Jahren umgesetzt. Unter Anwendung des Posturomeds mit integrierter Kraftmessplatte und Klimaplatte erfolgte die Erfassung des dynamischen Gleichgewichts vor und nach der Erwärmungsintervention in der anteriorposterioren und medio-lateralen Pertubationsrichtung. Dazu wurden die COP-Parameter wie der Gesamtweg sowie die Geschwindigkeit des COP in allen Intervallen bestimmt.
Ergebnisse: Für die beiden Pertubationsrichtungen anterior-posterior und medio-lateral zeigten sich nach Zunahme der Temperatur keine signifikanten Unterschiede des Gesamtweges des COP sowie der COP-Geschwindigkeit in allen Intervallen. Des Weiteren ergaben sich für die männlichen Probanden signifikante Unterschiede vom Gesamtweg und der Geschwindigkeit des COP im Intervall 2 in der anterior-posterioren Pertubationsrichtung. Dabei weist die männliche Gruppe deutlich niedrigere Auslenkungen und Geschwindigkeiten als die weibliche Gruppe auf. Allerdings gilt dies nicht für die Intervalle 0 und 1. Im Vergleich dazu wurden keine signifikanten Differenzierungen im Hinblick auf den Gesamtweg und der Geschwindigkeit des COP bei den weiblichen Probanden in allen Intervallen und für die anterior-posteriore Pertubationsrichtung ermittelt. Zusätzlich stellten sich keine signifikanten Unterschiede des Gesamtweges des COP und der COP-Geschwindigkeit für beide Geschlechter in den drei Intervallen der medio-lateralen Pertubationsrichtung ein. Schlussfolgerungen: Insgesamt bestehen Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede innerhalb der Untersuchungsgruppe nach Erhöhung der plantaren Temperatur hinsichtlich der COP-Parameter und des Geschlechts in beiden Pertubationsrichtungen und in allen Intervallen. Durch eine analoge Adaption der Altersgruppen und Temperaturbereichen könnten mithilfe von weiteren Untersuchungen mit zwei zusätzlichen Probandengruppen, die Erwärmung als mögliche zukünftige und unterstützende Intervention im Kontext der Sturzprävention und Rehabilitation systematisch eingesetzt werden. Außerdem haben sich der Posturomed zur Ermittlung des dynamischen Gleichgewichts und die Klimaplatte zur Erwärmung der Fußsohlentemperatur als hochwertige methodische Komponenten herausgestellt.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Grundschemata zum sensomotorischen System, Laube, 2009a, S.18
Abbildung 2: Darstellung des Labyrinths, Cochlea und Makulaorgans vom Innenohr, Schmidt & Lang, 2007, S.369
Abbildung 3: Bewegungen der Haarzellen innerhalb der Macula, Bear, Connors & Paradiso, 2018, S.426
Abbildung 4: Die verschiedenen Formen der Mechanorezeptoren der Haut, Schandry, 2016, S. 228
Abbildung 5: Skizze der Funktionsbereiche von den Warm-und Kaltsensoren, Handwerker, 2006, S. 219
Abbildung 6: Übersicht über den Zusammenhang zwischen den motorischen und sensorischen Systemen, modifiziert nach Lehmann-Horn, 2007, S.145
Abbildung 7: Übersicht über die verschiedenen Klassen des Gleichgewichts, modifiziert nach Fetz, 1989, S.258
Abbildung 8: Posturomed mit Sicherheitsgurt
Abbildung 9: Magnet zur Pertubation
Abbildung 10: Abbildung 8: Trigger zur manuellen Entkopplung des Magneten und die EMG- Elektroden
Abbildung 11: Kraftmessplatte des Posturomeds
Abbildung 12: Skizze der EMG-Apparatur aus frontaler und dorsaler Perspektive der abgeleiteten
Muskeln, modifiziert nach Schreiber, 2021
Abbildung 13: Thermometer zur Bestimmung der Raumtemperatur
Abbildung 14: Infrarotthermometer
Abbildung 15: Pertubationsrichtung nach anterior-posterior (AP) und medio-lateral (ML) unter der
Bedingung Augen offen, modifiziert nach Machado et al., 2021, S. 5
Abbildung 16: Messablauf der Thermointervention für das dynamische Gleichgewicht ohne Dual
Task
Abbildung 17: Messintervalle
Abbildung 18: Übersicht über den Ablauf der statistischen Auswertung
Abbildung 19: Boxplot vom Gesamtweg des COP im Intervall 0 in der anterior-posterior
Perturbationsrichtung
Abbildung 20: Boxplot vom Gesamtweg des COP im Intervall 2 in der anterior-posterior
Perturbationsrichtung
Abbildung 21: Boxplot der COP-Geschwindigkeit in anterior-posterior Perturbationsrichtung für das
Intervall 0
Abbildung 22: Boxplot der COP-Geschwindigkeit in anterior-posteriorer Perturbationsrichtung für
das Intervall 1
Abbildung 23: Boxplot vom Gesamtweg des COP für das Intervall 0 in der medio-lateralen
Perturbationsrichtung
Abbildung 24: Boxplot vom Gesamtweg des COP für das Intervall 1 in der medio-lateralen
Perturbationsrichtung
Abbildung 25: Boxplot der COP-Geschwindigkeit vom Intervall 0 in der medio-lateralen
Perturbationsrichtung
Abbildung 26: Boxplot der COP-Geschwindigkeit vom Intervall 1 in der medio-lateralen
Perturbationsrichtung
Abbildung 27: Boxplot vom Gesamtweg des COP im Intervall 0 für die weiblichen und männlichen Probanden der anterior-posterior Perturbationsrichtung
Abbildung 28: Boxplot vom Gesamtweg des COP im Intervall 2 für die weiblichen und männlichen Probanden der anterior-posterior Perturbationsrichtung (signifikante Unterschiede: * p < 0,05)
Abbildung 29: Boxplot der COP-Geschwindigkeit im Intervall 0 für die weiblichen und männlichen Probanden der anterior-posterior Perturbationsrichtung
Abbildung 30: Boxplot der COP-Geschwindigkeit im Intervall 2 für die weiblichen und männlichen Probanden der anterior-posterior Perturbationsrichtung (signifikante Unterschiede: * p < 0,05)
Abbildung 31: Boxplot vom Gesamtweg des COP im Intervall 0 für die weiblichen und männlichen Probanden der medio-lateralen Perturbationsrichtung
Abbildung 32: Boxplot vom Gesamtweg des COP im Intervall 2 für die weiblichen und männlichen Probanden der medio-lateralen Perturbationsrichtung
Abbildung 33: Boxplot der COP-Geschwindigkeit im Intervall 0 für die weiblichen und männlichen Probanden der medio-lateralen Perturbationsrichtung
Abbildung 34: Boxplot der COP-Geschwindigkeit im Intervall 1 für die weiblichen und männlichen Probanden der medio-lateralen Perturbationsrichtung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht über die rezeptiven Felder und Adaptation der Mechanosensoren, modifiziert
nach Schmidt & Lang, 2007, S.309
Tabelle 2: Anthropometrische Daten nach Gruppen und Geschlecht (Mittelwert ±
Standardabweichung)
Tabelle 3: Abkürzungen und Untersuchungsparameter des COP
Tabelle 4: Vergleich der Auslenkungen in anterior-posteriorer Perturbationsrichtung (Mittelwert ±
Standardabweichung)
Tabelle 5: Vergleich der Auslenkungen in medio-lateraler Perturbationsrichtung (Mittelwert ±
Standardabweichung)
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Im Verlauf des menschlichen Lebenswerden immerzu große Anforderungen an das Gleichgewicht gestellt. Zur Kontrolle und Erhaltung des Gleichgewichts werden vom zentralen Nervensystem antizipatorische und kompensatorische Mechanismen eingesetzt (Germano et al.,2016).Im Besonderen beanspruchen dynamische Bewegungsformen wie Laufen, Drehungen, Tanzen das Gleichgewicht des Menschen sehr intensiv, da hier Versuche unternommen werden, um eine sichere und stabile Körperposition aufrecht zu erhalten (Meusel, 1992; Shumway-Cook & Woolla- cott, 2001).Wenn zum Beispiel ein Mensch abrupt stolpert, kommt es häufig zu unerwarteten Störungen bzw. zuPertubationendes Gleichgewichts.In einigen wissenschaftlichen Studien wird diese Thematik aufgegriffen, bei denen die Probanden rotatorische wie auch translatorische Unterbrechungen als Stimulus erfahren. Daraufhin werden motorische und korrektive Reaktionsmuster unter Mitwirkung von Reizen unterschiedlicher sensorischer Systeme zur Regulierung des Gleichgewichts eingeleitet(Latashet al.,1995).Jedoch sollte berücksichtigt werden, dass einerseits die plantare Sensibilität eine zentrale Rolle bezieht, andererseits somatosensorische, vestibuläre und visuelle Inputs von unterschiedlichen sensorischen Systemen an der Gleichgewichtsregulation ebenfalls beteiligt sind(Germanoet al., 2016; Knuchel & Schädler, 2004; Nashneret al., 1982). Ergänzend dazu kann sich in Abhängigkeit zum Alter die Gleichgewichtskontrolle positiv als auch negativ verändern(Charabuga, 1967; Sturniekset al., 2008). Bereits ab dem 50.bis 65. Lebensjahr treten altersbedingte Veränderungen in den Bereichen der motorischen, sensorischen und kognitiven Fähigkeiten auf(Laube, 2009; Li & Lindenberger, 2002). Der aktuelle Forschungsstand betrachtet besonders die mit zunehmendem Alter verminderte koordinative Funktion und Gleichgewichtsfähigkeit, was letztendlich mit einemsteigendem Sturz-und Unfallrisiko verknüpft ist (Do- nathet al., 2016; Laughtonet al., 2003; Pizzigalli et al., 2016).Laut einer Studie treten bei ungefähr 30%der über 65-Jährigen Gleichgewichtsdefizite sowie Stürze einmal pro Jahr auf, die folglich zu chronischen Schädigungen und Einbußen der Selbstständigkeit im alltäglichen Leben führen können(Freiberger, 1998).
Außerdem steht dies ebenfalls eng im Zusammenhang mit der Degeneration des fortschreitenden Alterungsprozesses und den damit verbundenen Erkrankungen, welche die ganze Entwicklung noch weiter verstärken (Mayr, 2006). Hinzukommt, dass sich diese altersbedingten Veränderungen gleichermaßen aufdie sensorische Funktion auswirken (Burke & Barnes, 2006).Das heißt, auf- grunddes Rückgangs der sensorischen Neuronen sowie Rezeptoren in der Haut kommt es infolge von Re- und Demyelinisierungsprozessen zu einer Verlangsamung der Leitungsgeschwindigkeit der sensiblen und motorischen Neuronen(Earleset al., 2001). Dadurch bilden sie den Grund für eine verringerte Verarbeitungsgeschwindigkeit als auch Integration von sensorischen Informatio- nenund die Beeinträchtigung des Vibrationssinnes ab (Laube & Heymann, 2012; Scaglioniet al., 2003). Zudem stellt sich im zunehmenden Alter eine Abnahme der Anzahl der MeissnerKörperchen ein. Demzufolge weist nicht nur die taktile Sensibilität eine deutliche Schwäche auf, sondern ebenso einenAnstieg der Wahrnehmungsschwellen(Benninghoff & Drenckhahn, 2004; Iwasaki et al.,2003; Laube, 2009).
Des Weiteren wurde auf Basis der veröffentlichten Literatur der Einfluss von Mechanorezeptoren an der Fußsohle bei der Gleichgewichtskontrolle disputiert und belegt(Nashner,1970; Peterka & Black, 1990; Woollacott et al., 1986). Darüber hinaus wurden in verschiedenen Untersuchungen die Rolle der Sensibilität im Gleichgewicht mittels akuter Interventionen erforscht. Dieser Eingriff kann in Form einer Abkühlung der Haut erfolgen mit dem Ziel die Empfindlichkeit zu reduzieren (Bron & Steck, 2006; Germano et al., 2016; Inglis et al., 2002; Kennedy& Inglis, 2002; Meyer et al., 2004; Nashner,1970).Die Intention ist unter anderem Krankheiten wie zum Beispiel eine periphere Neuropathie zu simulieren wie auch zu analysieren, bei denen es zu einer verminderten Sensibilität und damit zu einer Beeinträchtigung bzw. Störung des Gleichgewichts kommen kann (Bron & Steck, 2006). Neuere Studien haben herausgefunden, dass wenn die Hauttemperatur steigt, es zu einer größeren Empfindlichkeit führt. Die aktuelle Studie von Machado et al. (2021) stellte nach einem Eingriff bei der Kontrolle des quasistatischen Gleichgewichts eine Erhöhung der Hauttemperatur und gleichzeitig eine Verbesserung des Gleichgewichtsfest.Allerdings wurde das dynamische Gleichgewicht nicht bewertet(Machadoet al., 2021).
Aus diesem Grund ist das Ziel dieser Arbeit den Einfluss einer Erwärmung auf die plantare Empfindung des Fußes in Bezug zur dynamischen Gleichgewichtsregulierung ohne Dual-TaskBedingungen zu untersuchen. Hierbei wird mit dem Anstieg der plantaren Temperatur erwartet, dass sich die jeweiligen Weglängen der COP-Parameter und COP-Geschwindigkeit reduzieren. Dabeiwird von einer Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeit ausgegangen. Des Weiteren wird ein Vergleich zwischen den Geschlechtern bezüglich der zunehmenden COP-Wege und COPGeschwindigkeiten durchgeführt. Hierbei werden vor allem höhere Instabilitäten in der weiblichen Gruppe im Gegensatz zur männlichen Gruppe vermutet.
Die folgenden Kapitel beinhalten den theoretischen Rahmen derProblemstellung bzw. der Hypothesen hinsichtlich des sensomotorischen, vestibulären sowie somatosensorischen Systems, des menschlichen Gleichgewichts und die verschiedenen Einflussfaktoren des Gleichgewichts. Im Anschluss wird die methodische Vorgehensweise erläutert, was zu den nächsten Abschnitten der Ergebnisseüberleitet. In den darauffolgenden Schritten werden unter Einbezug der theoretischen Grundlagen die Resultate interpretiert und diskutiert. Abschließend erfolgt eine Vorstellung der Stärken und Limitationen der vorliegenden Arbeit.
2 Theoretische Grundlagen
Das nachfolgende Kapitel thematisiert den theoretischen Hintergrund. Dabei werden insbesondere das sensomotorische System,das vestibuläre System, das somatosensorische System, die Me- chanorezeption, die Tiefensensibilität, die sensomotorische Integration und das menschliche Gleichgewicht dargelegt.
2.1 Sensomotorisches System
Das sensomotorische System umfasst eine Wechselwirkung zwischen dem sensorischen System und dem motorischen System (Fetz, 1990).Somit stehen beide Systeme eng in Interaktion bei der Durchführung jeglicher Bewegungen und beeinflussen das motorische, kognitive sowie affektive Verhalten des menschliches Körpers (Olivier et al.,2013; Wilke, 2003). Infolgedessen kann davon ausgegangen werden, dass auf Grundlage dieses Zusammenhangs alle körperlichen Prozesse, die zur Bewahrung des Gleichgewichts dienen mithilfe von sensomotorischen Mechanismen veranlasst werden(Fetz, 1990).In diesem Kontext setzt sich das sensomotorische System aus einem vestibulären, somatosensorischen und visuellen Netzwerk zusammen. Außerdem werden die Propriozeption, die entsprechende Gelenkbeweglichkeit, Muskelkraft und die afferenten, taktilen Sensoren hinzugezogen. Hinsichtlich des motorischen Systems, dessen Funktion bei der Einleitung und anschließend bei der Überprüfung sowie Weitergabe der körperlichen Bewegungsprozesse liegt. Des Weiteren werden die Effekte der Bewegungen und die damit verbundenen Antworten für die Durchführung kontrolliert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Abbildung 1 sindalle Strukturen des sensomotorischen Systems illustriert, die wie ein Kreislauf miteinander verbunden sind. Mit den Funktionen der zielgerichteten bewussten sowie unbewuss- tenneuronalenAufarbeitung und Bewegungsdurchführung, die Übersetzung der Signale wie auch die Informationsvermittlung. Das bedeutet, es agiert als gesamtes aktives System bei allen Bewegungendes menschlichen Körpers. Jedoch läuft es unabhängig von einem Reflexab, bei dem es sich, auf eine unbewusste Reflexreaktion oder wenn es sich aufeine bewusst beabsichtige Bewegung bezieht. Aus diesem Grund stellt jeder Bewegungsvorgang gleichzeitig eine kognitive Aufga- bedar, damit er ebenfalls mit in die zentralen Bestandteile des zentralen Nervensystems integriert wird. Der komplette Zyklus setztsich aus verschiedenen Prozessen mit den entsprechenden Elementen zusammen. Zunächst werden die internen sowie externenStimuli afferent verarbeitet und über aufsteigende Bahnen an das zentrale Nervensystem weitergeleitet. Danach werden die In- formationenvon den supraspinalen und spinalen neuronalen Systemen zu einer gezielten Reaktion umgewandelt. Über die efferenten Bahnen werden die Befehlsmuster weitertransportiert, um letztendlich eine spezifische Muskelantwort zu generieren. Zu den einzelnen Strukturelementen zählen Rezeptoren bzw. Sensoren, supraspinale sowie spinale neuronale Netzwerke, Muskeln, Gelenke, afferente und efferente Bahnsysteme (Laube, 2009).
2.2 Vestibuläres System
Das vestibuläre System ist eng verknüpft mit der Somatosensorik, Propriozeption, mit den visuellen und akustischen Systemen. Darum handelt es sich auchum ein Zusammenwirken von mehreren Netzwerken zur Regulierung des Gleichgewichtssinns (Meinel & Schnabel, 2007). Im Nachfolgenden wird auf das menschliche Gleichgewichtsorgan und auf die Signalweiterleitung des Ves- tibularorgans Bezug genommen.
2.2.1 Das menschliche Gleichgewichtsorgan
Der Vestibularapparat, was als Gleichgewichtsorgan bekannt ist, stellt einen entscheidenden Faktor bei der Regulierung des Gleichgewichtsinns dar (Häfelinger & Schuba, 2007).Das bedeutet er analysiert sehr präzise und fast ohne Ermüdung (Tittel, 2016). Insbesondere dann, wenn sich der Körper im aufrechten Stand auf eine instabile Unterlage oder Körperhaltung einstellen muss (Wilke, 2003; Zenner, 2006). Hinzukommt, dass das vestibuläre System die Funktion der räumlichen Orientierung übernimmt (Birklbauer, 2012).Dieses befindet sich wie auch der akustische Apparat im Innenohr. Gemeinsam bilden sie eine funktionelle Einheit. Ergänzend dazu handelt es sich beim Vestibularorganum einen knöcherneren Hohlraum mit Bogengängen, in denen die Flüssigkeit der Endolymphe vorkommt. Die Schnecke als verknöcherter Teil des Gehörsinnes namens Chochlea bestehend aus einem Nervenstrang von Vestibular-Nerv und Cochlear-Nerv transportieren die Informationen aus dem Hör-undVestibularorganzum Gehirn. Darüber hinaustritt ein verknöcherter Hohlraum mit der Bezeichnung Labyrinth, wo die Zähflüssigkeit namens Endolymphe fließt, hervor. Das im Kammersystem vorkommende Makulaorgan ist das erste sensorische Organ und wird in Utriculus sowie Sacculus untergliedert. Daher vereinen sie zusammen die Otolithensysteme mit den Haarzellen, die gemeinsam mit Stereocilien und Kinocilien in einer dickflüssigen, gallertartigen Lamellenanordnung eingebaut sind. Innerhalb dieser gelatinösen Lamellenstruktur häufen sich die Haarzellen mit den Kinocilien und Stereocilien an. Des Weiteren liegen die sogenannten
Otolithen, also Kalksteine bestehend aus Kalziumcarbonat, in der gelatinartigen Masse vor. Sie sind zuständig für die Wahrnehmung von Schwerkräften und Beschleunigungen. Die beiden Maku- laorgane übernehmen verschiedene Positionen in dem knöchernen Labyrinth. Das bedeutet Sac- culus bezieht die vertikale Position und Utriculus die horizontale Position, durch diese sich jeweils eine vertikale wie auch horizontale Achse durchzieht. Aufgrund dessen sind die beiden Bestandteile für die Funktionen der dynamischen Messung von linearen Beschleunigungen, Lageempfindungen und statischen Erfassung der Kopfposition verantwortlich. Das Schemata zu den einzelnen Strukturen ist in der Abbildung 2 skizziert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Darstellung des Labyrinths, Cochlea und Makulaorgans vom Innenohr, Schmidt & Lang, 2007, S.369
Zur sensorischen Registrierung stellt das Abbiegen der Haarzellen wegen der gelatinen Masse den adäquaten Reiz dar. Hinzukommt, dass die zwei Makulaorgane die Hyperpolarisation und Depolarisation in Form eines Aktionspotentials weitertransportieren (Schmidt & Lang, 2007). Im Zentrum des Labyrinths in der Crista ampullaris mit der Ortsbestimmung der verknöcherten, ursprünglichen Bogengänge erstreckt das zweite sensorische Organ. Dieses setzt sich aus Epithelzellen, die von der Cupula, eine dickflüssige Masse, überstülpt wird, mit Haarzellen zusammen. Hier bewirkt ebenfalls der adäquate Reiz eine Biegung der Haarzellen. Im Falle einer Kopfdrehung kommt es zu einer Verzögerung des Fließens der endolymphen Flüssigkeit in den Bogengängen angesichts ihrer Trägheit. Durch das entsprechende Nachfließen führt dies zu einem Abbiegen der Cupula in Fließverlauf. Zusätzlich werden die Haarzellen der Cupula abgebogen und der wahrgenommene Impuls wird als Aktionspotenzial über den sensorischen Nerv weitertransportiert. Hierdurch kann die Winkelgeschwindigkeit bestimmt werden. Letztendlich bilden die drei Bogengänge mit der Crista ampullaris ein dynamisches System zur Erfassung der Winkelbeschleunigung in allen drei Ebenen ab (Waldeyer & Mayet, 2013). Daneben sind die Sinnesorgane des Gleichgewichts die Ampul- len und Bogengänge, welche dem Menschen ermöglichen aufrecht zu gehen aufgrund der Erfassung von translatorischen Beschleunigungen oder Drehbeschleunigungen(Zalpour, 2016).
2.2.2 Signalweiterleitung des Vestibularorgans
Zu Beginn vermitteln Haarzellen des Vestibularorgans die Inputs hin zu den Ganglien im Bereich des inneren Gehörkanals, in denenNervenzellkörpervorkommen(Zalpour, 2016).Außerdem werden die Mechanorezeptoren des vestibulären Systems ausgelöst und über dievestibulären Analysatoren registriert(Schmidt& Lang, 2007).Diese Informationen des Gleichgewichtsorgans werden vom Thalamus ausgehend hin zur Großhirnrinde übertragen (Zalpour, 2016). Als Folge dessen erfolgt die Verarbeitung der wahrgenommenen Reize wie auch die Weiterleitung der Erregungen über den Nervus vestibularis zu dem Kleinhirn im zentralen Nervensystem. Dort werden für die Verarbeitung zusätzliche Informationen aus den propriozeptiven, somatosensorischen und optischen Systemen mit eingeschlossen (Olivier et al., 2013). Das heißt das Kleinhirn nimmt einen wichtigen Anteil beim Bewegungsprozess ein. Daraufhin ergeben sich deutliche Eindrücke über Veränderungen von Körperpositionen oder Stellungen (Zalpour, 2016). Ergänzend dazu wird mithilfe von Reflexen die gesamten Aktivitäten der Augen, Extremitäten und des Rumpfes korrigiert und gesteuert. Die wichtigsten Reflexe, die vom Vestibularapparat entspringen, sind die vestibu- lospinalen wie auch die vestibulookulären Reflexe,um zum Beispiel durch die geeignete Verwendung der Augenbewegungen bei der Ausführung von Körperbewegungen oder im Falle eines Sturzes entsprechend zureagieren.In Bezug zum Verarbeitungsprozess des Vestibularorgans werden ebenfalls schnelle Bewegungen sowie Positionen von Körperteilen wie Kopf oder andere Extremitäten und die Körperlage bewusst wahrgenommen (Häfelinger & Schuba, 2007; Zenner, 2006). Folglich werden motorische Aktivitäten eingeleitet, um das Gleichgewicht zu bewahren (Olivier et al., 2013; Tittel, 2016).
Um die Muskeln aktiv miteinzubinden zu können, wird eine Verbindungzwischen den Informationen des Gleichgewichtsorgans und derMotorik geschaffen (Zalpour, 2016).Zusätzlich erhält das vestibuläre System auf der vertikalen sowie horizontalen Ebene die damit verbundene Beschleunigung und Schwerkraft. Zudem identifiziert es Drehbewegungen wie auch deren Verlaufsprozesse, was in der Abbildung3sichtbar ist (Mencheet al., 2020; Vaupel et al., 2015). Im Falle einer Störung des Gleichgewichtsorgans reagieren die Mehrzahl der betroffenen Menschen mit Schwindelanfällen. Die Wirkung der Reflexe ist eher inadäquat und dies resultiert wiederum zu Stürzen oder Gangunsicherheiten (Zenner, 2006).Somit bewirkt eine vestibuläre Beeinträchtigung eine ersichtliche Erhöhung der Sway-Wege undabnorme motorische Reaktionen nach entsprechenden Pertur- bationen(Manchesteret al.,1989).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3 Das somatosensorische System
Bei dem somatosensorischen System handelt es sich um ein vielseitiges System mit zahlreichen Bestandteilen und nimmt einen hohen Stellenwert bezüglich der posturalen Kontrolle ein (Simo- neauet al., 1995). Der Begriff Somatosensorik bezieht sich auf die Bereiche wie Sensorik des Bewegungsapparates (Propriozeption), Sensorik der inneren Organe (Interozeption) und Sensorik der Körperoberfläche(Exterozeption). Allerdings schließt diesdas Gleichgewichtsempfinden sowie die Sinneim Kopf wie Riechen, Schmecken, Hören und Sehen nicht mit ein(Handwerker, 2006). Folglich beinhaltet das somatosensorische System verschiedene Eigenschaften für Propriozeption, Schmerzen, Temperaturen und Berührungspunkte (Fahlbusch, 2006). Außerdem zählen zu ihren Rezeptoren die primären Sinneszellen, welche in der Lage sind ihre Aktionspotenziale sowohl selbst hervorzurufen als auch zu übertragen und besitzen ein individuelles Axon(Drews, 2006).
Unter der Sensorik werdenalle Empfindungenzusammengefasst, die durch Impulse unterschiedlicher Sinnessensoren des menschlichen Körpers induziert werden (Handwerker, 2006). Die verschiedenen Mechanorezeptoren werdenin den vorliegendenUnterabschnittenaufgezeigt.
2.3.1 Mechanorezeptoren in der Haut (Oberflächensensibilität)
Im Kontext der somatoviszeralen Sensibilitäthaben die Mechanorezeptoren eine wichtige Rolle für die Oberflächensensibilität, Tiefensensibilität wie auch für Bereiche aus der viszeralen Sensibilität (Speckmann, 2019). Anhand von unterschiedlichen Arten von Sinneszellen, die auch als Mechanorezeptoren bekannt sind, werden die mechanischen Reize aus der Umweltsowie aus körperinternen wie auch -externen Prozessen aufgenommen und verarbeitet. Diese sind in der behaarten wie auch unbehaarten Haut anzutreffen (Olivier et al., 2013; Schandry, 2016b). Weiterhin differenzie- ren sie sich aufgrund ihres Adaptionsverhaltens in ihrer Empfindlichkeit und Größe der rezeptiven Felder (Schmidt & Lang, 2007).
Die Unterteilung der Mechanorezeptoren erfolgt in Merkel-Tastzellen, Meissner-Körperchen, Vater- Pacini-Körperchen, Ruffini-Körperchen und den freien Nervenendigungen. Die Abbildung 4 illustriert die bereits aenannten Sensoren
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3.1.1 Merkel-Tastzellen
Die Merkel-Tastzellen sind vorwiegend in der behaarten wie auch in der unbehaarten Haut vorhanden. Sie werden bei Haarbewegungen verformt und erstrecken sich deutlich dichter an den Haarwurzeln in der behaarten Haut. Ergänzend dazu zeichnen sich die Merkel-Tastzellen durch eine sehr hohe Empfindlichkeit aus. Diese sind langsam adaptierend als Intensitätsdetektor vom Typ I und besitzen kleine rezeptive Felder. Die Merkel-Tastzellen sind zuständig für die Codierung der Intensität eines Drucksignales und antworten mit einer kontinuierlichen Impulssequenz auf einen stetig auftretenden mechanischen Reiz. Das heißt, sie sind ohne einen Stimulus nicht aktiv. Eine übereinstimmende Reaktion liegen ebenfalls bei den Ruffini-Endigungen vor, jedoch läuft die Reaktion eher direkt und aktiv ab (Schandry, 2016).
2.3.1.2 Meissner-Körperchen
In den Innenflächen der Hände und Füße befinden sich hauptsächlich die Meissner- Tastkörperchen. Vor allem in den Bereichen der Fingerbeeren besteht eine besonders hohe Dichte. Im Falle einer mechanischen Deformation der Hautoberfläche kommt es zu einer Translation im Inneren des Tastkörperchens über die Faserbündel. Sie registrieren insbesondere Vibrationen, die etwa 20-50 Hz betragen, und erkennen Bewegungen der Haut über einem Objekt. Charakteristisch für die Meissner-Körperchen sind kleine rezeptive Felder und eine schnelle Adaptation. In der unbehaarten Haut empfangen sie die Geschwindigkeitssignale, wenn in den Haaren eine Bewegung wahrgenommen wird. Im Vergleich dazu nehmen die Haarfollikel-Rezeptoren die gleiche Rolle in der behaarten Haut ein (Schandry, 2016; Speckmann et al., 2015).
2.3.1.3 Vater-Pacini-Körperchen
Die Vater-Pacini-Körperchen sind im subkutanen Fettgewebe bzw. in der Subcutis vorzufinden (Schmidt& Schaible, 2006). Angesichts der Deformierung und der damit verbundenen Entlastung werden diese erregt. Allerdings übermitteln sie die Veränderung und nicht die andauernden Drucksignale (Schandry, 2016). Die Vater-Pacini-Rezeptoren weisen große rezeptive Felder auf undsind schnell adaptierend. Auf den Frequenzbereich zwischen 200-300 Hz sprechen sie bevorzugt empfindlich an und eher auf weiter entfernte Hautgebiete mit entsprechenden Vibrationssti- muli(Schmidt& Lang, 2007).
2.3.1.4 Ruffini-Körperchen
Die Ruffini-Körperchen liegen im Bindegewebe der Dermisvorund sind vorzugsweise in den tieferen Hautbereichen weit verbreitet. Sie verfügen über große rezeptive Felder und adaptierenals Intensitätsdetektor vom Typ II langsam(Schandry, 2016).Zudem werden sie besonders gut von Dehnungs- und Druckreizen der Haut stimuliert. Im Gegensatz zu den Vater-Pacini-Körperchen werden sie vorrangig vonandauerndenReizenaktiviert(Laube, 2009; Zimmermann, 1993).
2.3.1.5 Freie Nervenendigungen
Die Freien Nervenendigungen sind in der Haut sowie inziemlich allen Geweben des Körpersgele- gen.Das bedeutet auch, dass diese sich in allen Gebieten der Epidermis und der Dermis ausdehnen. Zusätzlich nehmen sieThermo-und Schmerzreizewahrundagieren als Berührungssensor in der behaarten Haut, was durch das Umwinden des Haarwurzelschaftes bedingt ist. Bei Haarbewegungen kommt es zu Druck und Zug, welche auf die Nervenendigungen einwirken und daraufhin als Berührungssignale weitertransportiertwerden(Schandry, 2016).
Die folgende Tabelle 1 veranschaulicht die Gesamtheit der rezeptiven Felder und Adaptationsverhaltender Mechanosensoren.
Tabelle 1: Übersicht über die rezeptiven Felder und Adaptation der Mechanosensoren, modifiziert nach Schmidt & Lang, 2007, S.309
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3.1.6 Temperatursinn
Im Rahmen des Temperatursinns der menschlichen Haut werden zwei unterschiedliche Aufgabenbereiche bewältigt. Zum Einen liefern die freien Nervenendigungen wichtige Informationen über die Temperatur von Gegenständen, welche wir berührenan das zentrale Nervensystem,zum Anderen sind die dabei enthaltenen Thermosensoren entscheidend, um die Thermoregulation zu kontrollie- ren insbesondere die Durchblutung der Haut. Hinzukommt, dass zwischen Kalt-und Wärmerezeptoren unterteilt wird (Handwerker, 2006).Sie sind im Inneren des Körpers, in der Haut und im Hypothalamus vorzufinden (Zalpour, 2016).Beide Rezeptortypen weisen eine langsame Adaption auf und zählen zum Typ SA I.Des Weiteren verfügen die Wärmesensoren über Afferenzen vom Typ C. Im Kontrast dazu besitzen die Kältesensoren eher den Typ Aö (Romanovsky, Garami, Imeri, Madden & Steiner, 2018). Jedoch zeigen die Hautareale keine Temperatursensibilität, die sich unmittelbar an den Rezeptoren befinden(Friedrich, 2007).Da sie an verschiedenen Kontaktpunkten der Haut wahrgenommen werden, sprechen sie unterschiedlich empfindlich auf Temperaturveränderungen an (Handwerker, 2006). Das bedeutet unter den Bedingungen von Hitze führt es eher zu einer erhöhten Durchblutung der Haut und Evaporation (Romanovsky et al., 2018). Aufgrund dessen, dass in einem Hautbereich mehr Kälte- als Wärmepunkte bestehen, kommt es zu einer wirkungsvolleren Erregung des Körpers auf die ansteigende Kälte. Dies zeigt sich vor allem durch Vasokonstriktion, also eine Verengung der Blutgefäße, und Muskelzittern. Hierbei geschieht unter anderem ein venöser Rückstrom mit dem Ziel die Abkühlung entgegenzusteuern (Friedrich, 2007).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Skizze der Funktionsbereiche von den Warm- und Kaltsensoren, Handwerker, 2006, S. 219
Außerdem erstrecken sich die Wärme-und Kältesensoren niemals übereinander. Anhand der Abbildung 5 wird deutlich, dass die Wärmerezeptoren ab ungefähr 30°C anfangen zu reagieren und über ein Entladungsmaximum von ungefähr 42°Cverfügen.Folglich kommt es zu einer Abnahme der Aktivität und schließt bei ungefähr 46 °C ab. Im Gegensatz dazu liegt die Tätigkeit der Kaltsensoren im Optimalbereich bei ungefähr 27°C. Eine Entladung dieser findet bei einer Temperatur von ungefähr 10 °C statt undihre Aktivitätkommt bei ungefähr 36°Can. Allerdings tritt einekurzzeitige Tätigkeit bei etwa 50°C auf.Bei einer raschen Erwärmung erfolgt eine gesteigerte Antwort der Wärmerezeptoren und eine verminderte Aktivität der Kälterezeptoren. Das heißt bei einer Abkühlung wird ein umgekehrtes Reaktionsverhalten initiiert(Friedrich, 2007).
2.3.2 Tiefensensibilität (Kinästhetisches Sinnessystem)
Das kinästhetische Sinnessystem bezieht sich auf Bereiche der Propriozeption, was auch als Tiefensensibilität beschrieben wird. Es übernimmt eine wesentliche Rolle bei der Regulierung der menschlichen Motorik unter Einschluss der Gleichgewichtsfähigkeit. Unter anderem werden die Stellungender Extremitäten, der Kraftaufwand bei den Muskelbewegungen und die Gelenkaktivitäten, welche passiv als auch aktiv ausgeführt werden, ermittelt (Vaupel etal., 2015).
Die Qualität der Gleichgewichtsfähigkeit hängt insbesondere von der Stabilität der Gelenke ab, wobei die Sehnenorgane, Muskelspindel,Gelenkkapseln und die Mechanorezeptoren mit inbegriffen sind(Lephart, Pincivero & Rozzi, 1998).
Zur Wahrnehmung der Reize aus dem Körper dienen die Mechanorezeptoren, welche in den Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken vorkommen(Häfelinger & Schuba, 2007; Handwerker, 2006; Menche et al., 2020). Daraufhin werden die Informationen über die Sehnendehnung bzw. - spannung, Gelenkstellung, Muskellänge wie auch weitere Faktoren des Körpers bzw. einzelne Extremitätenim Hinblick auf die Stellung und Bewegungen im Raum an das zentrale Nervensystem gesendet(Handwerker, 2006; Weineck, 2000). Die Propriozeptoren schließen die Sehnenorgane, Gelenkrezeptoren, Rezeptoren in den Faszien und die Muskelspindeln mit ein. Dazu zählt ebenso das Vestibularorgan. Den Muskelspindeln wird die größte kinästhetische Auffassung zuge- ordnet(Häfelinger & Schuba, 2007). Die Basis zur Regulierungund Aufnahme von Informationen des Gleichgewichts bildendie Rezeptoren der unterschiedlichen Analysatoren. Die komplexe Verarbeitung der visuellen, auditiven, taktilen, vestibulärenund kinästhetischen Signalegeschieht im zentralen Nervensystem(Hirtz, Hotz & Ludwig, 2005).
Als bedeutender Dehnungsanalysator gilt das Golgi-Sehnenorgan, dessen Übergangsbereich fortlaufend zu den Muskelfasern von den Muskeln zu den Sehnen reicht. Zusätzlich ist es für die Er- mittlungder Kraftentfaltung im entsprechenden Muskel zuständig (Speckmann, 2019).Die Rezeptoren bestehen aus einer Bindegewebskapsel, die sich wiederum aus einem Kollagenfaserbündel zusammensetzen und in Verbindung mit den Sehnen- und Muskelfasern stehen. Die Versorgung erfolgt über die myelinisierten afferenten Nervenfasern (Ib-Fasern), welche sie schraubenförmig umgeben und sich inmitten der Kollagenfasern aufgliedern. Letztendlich neigen sie zu kleinen Scheiben und zahlreichen blasenartigen Verdickungen(van den Berg, 2000).
Die Golgi-Sehnenorgane ermitteln reine Spannungsänderungen der Muskelnundadaptieren langsam. Das heißt, während einer Verkürzung des Muskels tritt eine Dehnung der Kollagenfasern auf undführt letztendlich zu einer Depolarisation. Das daraus entstandene Aktionspotenzial wird über dieIb-Fasern an das Rückenmark weitertransportiert, derweil die Stärke der Muskelkontraktion auf Basis der Frequenz repräsentiert wird. Ergänzend dazu ergibt sich eineHemmung der Motoneuro- nedes gleichen Muskels durch die Ib-Neuronenzeitgleich werden die Motorneurone des Antagonisten aktiviert. Diese Rückmeldung ist ein relevanter Bestandteil bei der Kontrolle von Eigenreflexen und Muskelspannungen (Speckmann, 2019; van den Berg, 2000). Wenn Störungen des propriozeptiven Feedbacks auftreten, wirkt es sich negativ auf alle Elemente des motorischen Kontrollmechanismus aus. Das bedeutet, es kann zu einer Umstellung des grundlegenden Bewegungsmusters kommen.Im Falle einer deutlich eingeschränkten Gleichgewichtsfähigkeitkann dies zueiner negativen Beeinflussung der Gesamtkoordinationsowiezu möglichen Risiken von Stürzen undalltäglichenBeanspruchungenführen (Häfelinger & Schuba, 2007).
Eine grundsätzlich andere Rolle spielen die Gelenkrezeptoren,da sie für die Ausrichtung derKör- perteileim Raum bei geschlossenen Augen verantwortlich sind. Die Funktion dieser Rezeptoren bezieht sich vor allem auf die Abschätzung der Winkelveränderungen, -stellungen und die Geschwindigkeiten in den jeweiligen Gelenken (Zalpour, 2016).Diese Rezeptoren lassen sich in den Bindegewebskapseln, welche größtenteils die Gelenke umschließen, lokalisieren. Diesbezüglich können vier Typen unterschieden werden. Der Typ I ist vergleichbar mit den Ruffini-Körperchen, weil sie als kleine Körper mit einer langsamen Adaption und auf entsprechende Reize wie Dehnung ansprechen. Diese Art von Sensoren entspringtam Ende von dünnen,markhaltigen, afferenten Fasern. Außerdem gibt es noch die sichtbar größeren Gelenkrezeptoren von Typ II, bei denen die Faser aus mitteldicken, myelinisierten Afferenzen bestehen.Sie weisen ein ähnliches Auftreten im Hinblick auf die schnelle Adaptation der Vater-Pacini-Körperchen aufund registrieren insbesondere rasche Stellungsänderungen (McGinnis, 2005). Wohingegen Typ III mit den Golgi- Sehnenorganen übereinstimmt aufgrund der hohen Schwelle des Stimulus und der damit verbundenen tonischen Reaktion. Die Fasern stammen von dicken und myelinisierten Fasern ab, die sich auch aufspalten und letztendlich kompakte Verzweigungen aufzeigen. Diese sind im Areal der Li- gamenteunmittelbarvon Gelenkkapseln anzutreffen. Der Typ IV entspricht eher den unmyelinisier- tenund freienNervenendigungen, welche der Haut entsprechen(Speckmann, 2019).Darüber hinaus kommt es im Falle von extremen Gelenkstellungen vorwiegend zu einer Aktivierung der tonischen Rezeptoren und weniger in den biologisch funktionellenBereichen(Shepherd, 1993).
Die Längensensoren in den Muskelspindeln dienen zur Bestimmung der gegenwärtigen Längenänderung eines einzelnen Muskels während einer entsprechenden Dehnung. Infolgedessen werden die hervorgegangenen Antworten über die Ia- und II-Afferenzen an das zentrale Nervensystem übermittelt. Somit nehmen sie nicht nur eine bedeutendeAufgabe im Zusammenhang mit den Afferenzen der Bindegewebsgelenksstrukturen an, sondern auch mit dem Ziel der Bewegungsregulierung, bei dem die Bewegungskoordination, die Informationsübertragung und die zielgerichtete Gelenkführung mitinbegriffen sind. Dabei treten diese innerhalb der Muskulatur in Erscheinung und nehmen die Form einer Spindel an (Birklbauer, 2012) (Menche et al., 2020). Sie sind langsam oder auch schnell adaptierend (Speckmann, 2019). Weiterhin registrieren die Muskelspindeln sämtliche Informationen über die Gelenkbewegungen wie auch -stellungen. Hinzukommt, dass sie parallel zur arbeitenden Muskulatur, auch extrafusale Fasern genannt, verlaufen und intrafusale Muskelfaser aufweisen. Zum einen sind diese Fasern aus kontraktilen Komponenten angeordnet und zum anderen werden sie spiralförmig von den freien Nervenendigungen umhüllt. Die Innervation der intrafusalen Muskelfasern erfolgt an deren Polen durch die y- Motoneurone. Die damit verbundene Kontraktionder Fasern und Dehnung der Sensoren führt zu einer Aktivierung der Afferenzen. Demzufolge sind die y-Motoneuronezuständig für die Einstellung der Sensorensensibilität(Illert & Kuhtz-Buschbeck, 2006).
Aufgrund des Aufbaus der Kerne lassen sich die intrafusalen Muskelspindelfasern in zwei verschiedene Elemente unterteilen. Einerseits gibt es die Kernkettenfasern, die wie eine Art Kette aneinandergereiht sind, andererseits sind noch die Kernsackfasern vorzufinden, welche innerhalb der Fasern eher klumpenartige Kerne aufzeigen. Zudem reagieren die beiden Fasern unterschiedlich auf die dynamischen und statischen Typen hinsichtlich der Muskelkontraktionen (van den Berg, 2000). Die Kernkettenfasern nehmen primär die statische Muskellänge mit afferenten II- Fasern auf und entwickeln mehr proportionales Verhalten. Aus diesem Grund zählen sie zu der Gruppe der sekundären Muskelspindelafferenzen mit Aß-Fasern, die eine signifikant niedrigere Empfindlichkeit aufzeigen. Im Gegensatz dazu messen die Kernsackfasern eher die dynamische Längenänderung und Geschwindigkeit über Afferenzen mit Ia-Fasern und neigen zu differentiellen Verhalten. Diese werden der Gruppe der primären Muskelspindelafferenzen mit Aa-Fasern zugewiesen (Illert & Kuhtz-Buschbeck, 2006; van den Berg, 2000).
Des Weiteren stelltdie Muskelspindel einen relevanten Baustein eines vielfältigen Kontrollsystems innerhalb der Propriozeption dar, dass zur Einstellung bzw. Erhaltung eines konstanten Muskeltonus und zum Schutz vor einer Überdehnung des Muskels eingesetzt wird.Dieses Konstrukt wird anhand des Muskeldehnungsreflexes gewährleistet (Laube, 2009a). Dieser koordiniert unter anderem das Zusammenspiel mit der synergistischen Muskulatur. Die Muskeldehnungsreflexe beruhen auf einer spontan ausgelösten Dehnung, die mit einer sofortigen Kontraktion beantwortet wird und damit einemerneuten Längenzuwachs entgegenwirkt. Dabei handelt es sich um einen Eigenreflex, da sich der Rezeptor und Effektor im gleichen Organ befinden. Im funktionellen Sinne wird auf eine konstante Muskellänge mittels Dehnungsreflexes abgezielt. Mithilfe des Y-Systems haben spinale sowie supraspinale Zentren nicht nur die Möglichkeit auf die Rezeptoren des Reflexes zuzugreifen, sondernüberprüfenebenso die Mitwirkung für die beabsichtigte motorische Bewegung.
Wenn die Muskelspindel eine Längenänderung beispielweise eine Dehnung des Muskels registriert, verlaufen die Signale über Ia-Afferenzen in das Hinterhorndes Rückenmarks. Dortwerden siemonosynaptisch über efferente Bahnen auf ein a-Motoneuron im Vorderhorn des Rückenmarks verschaltet. Durch die Aktivierung des a-Motoneurons leitet das dabei entstandene Aktionspotenzial zu einer Kontraktion ein.Hinzukommteinewichtige Funktion innerhalb der Motorik, der sogenannte Antischwerkraftreflex. Dadie Schwerkraft einen dauerhaften Einfluss auf den Körper ausübt, gewährleistet dieser Reflex eine aufrechte Haltung. Im Falle von unerwarteten Instabilitäten des Gleichgewichtserfolgt demnach ein schneller und exakter Ausgleichsmechanismus.Aus diesem Grund nimmt er eine zentrale Bedeutung für das Stehen und Gehen ein (Illert & Kuhtz- Buschbeck, 2006; Speckmann, 2019).
2.3.3 Sensomotorische Integration
Unter Beteiligung des motorischen Komplexes sowie verschiedener sensomotorischer Elemente des zentralen Nervensystems wie die Großhirnrinde, die Basalganglien, der Thalamus, der Hirnstamm, das Rückenmark, das Kleinhirnund andere subkortikale Bereiche wird die Steuerung der motorischen Vorgänge ermöglicht. Das gesamte Nervensystem umfasst spezifische und vielfältige Apparate von Nerven. Die in stetiger Interaktion miteinander verknüpften Strukturen erlauben ebenfalls die Durchführung von systematischen Bewegungen. Dadurch können die entstandenen Befehlsmuster über das Rückenmark unmittelbar auf die Muskulatur übermittelt werden(Hollmann & Strüder, 2009).
Zunächst erstellt der motorische Assoziationskortex das Bewegungsschemata und aus dessen Inputs wird das Bewegungsprogramm durch den Motorkortex vollzogen (Schmidt, R. F. & Lang, 2007).
Als wichtiger Komplex trägt die Großhirnrinde zur Gleichgewichtskontrolle bei und inmitten sind ungefähr 70% aller Nervenzellen des Gehirnsvernetzt, welche in ausgewählten kortikalen Arealen mit ihren entsprechenden Funktionen eingeteilt werden.Insbesonderekommt es in den sensorischen Rindenbereichen zur Verarbeitung von Sinnesreizen und in den motorischen Rindenbereichen erfolgt die Kontrolle sowie Steuerung der Muskeln (Menche et al., 2020). Hinsichtlich der drei sekundären Rindenfeldern, die Bewegungen einleiten und planen, ist der primäre Kortexbei der Durchführung mitinvolviert (Illert & Kuhtz-Buschbeck, 2006).
Die Basalganglien zählen wie die Großhirnrinde unter anderem zum elementaren Apparat im menschlichen Gehirn (Ceballos-Baumann & Conrad, 2005). Dabei beziehen sich diese auf tiefer liegende Kernareale des Zwischen- und Großhirns (Menche et al., 2020). Zu dessen Strukturen gehören das Striatum, welches sich aus dem Nucleus subthalamicus und Pallidum aufbaut. Es handelt sich hierbei, um eine zentrale Sammelstelle für motorische Reize mit einer hemmenden und integrativen Aufgabe. Das heißt, der Nucleus subthalamicus besitzt die inhibitorische Kontrolle von motorischen Bewegungen. Das Pallidum dient eher zur Förderung von Bewegungen (Trepel, 2022). Zu den Leistungen der Basalganglien zählen die Steuerung sowie Planung von Bewegungsmustern in Interaktion mit dem Kleinhirn und dessen Durchführung. Hinzufügend spielen sie eine maßgebliche Rolle bei der Koordination von ausgewählten Charakteristiken wie Lage, Geschwindigkeit, Amplitude, Kraft und Verlauf (Olivier et al., 2013). Aus der Großhirnrinde erhalten sie alle notwendigen und ausgewerteten Impulse (Bader-Johansson, 2000). Außerdem sind die Basalganglienverantwortlich für die Initiierung sowie Umsetzung von gezielten, langsamen Bewegungen und unbewusst stattfindende Bewegungsmustern wie zum Beispiel Gestik oder Mimik (Lehmann-Horn, 2007).
Der Thalamus übernimmt ein wichtiges Kerngebiet des Zwischenhirns als Umschaltposition von sämtlichen Sinnesempfindungen,was Fühlen, Sehen, Hören und die Wahrnehmung von Schmerzen und Temperatur miteinschließt. Zudem umfasst dieser unterschiedliche Kernareale, in welchen die Umschaltung der motorischen und sensorischen Bahnen abläuft. Das bedeutet, von den Tha- lamuskernen erstrecken sich die Faserverknüpfungen, die zur Großhirnrinde leiten. Darüber hinaus existieren Berührungspunkte zu den Basalganglien, zum Hypothalamus und Kleinhirn(Vaupel et al., 2015).
Die sensomotorischen Funktionen des Hirnstamms beinhalten die Bewahrung der posturalen Stabilität, die physiologische Körperstellung, die Koordination der Ziel-und Stützmotorik jedoch ohne Mitwirkung des Bewusstseins (Birbaumer & Schmidt, 2010). Zusätzlich erfolgt die Erhaltung unter Zuhilfenahme von Labyrinth- und Körperstellreflexen als Gleichgewichtsreaktionen. Bei Veränderungen des muskulären Gleichgewichts beispielsweise aufgrund von Tätigkeiten werden diese akut von den kinästhetischen, taktilen Überprüfern und die im vestibulären System bestehenden Propriozeptoren wahrgenommen. Daraufhin ergibt sich eine Anpassung der Bewegung und Haltung mittels Muskelaktivität(Hirtz et al., 2005).Des Weiteren sind im Hirnstamm noch andere vegetative Regulierungsbereiche lokalisiertzum BeispielZentren der Atmung sowie der allgemeinen Kreislaufkoordination, Koordinierung von Saugen, Erbrechen, Schlucken, Husten, Niesenund des Magen-Darm-Traktes(Vaupel et al., 2015).
Die relevantesten Bestandteile des zentralen Nervensystems stellen das Rückenmark und das Gehirn dar(Frotscher & Kahle, 2013);(Weineck, 2000).Dabei ist das Rückenmark für die Kontrolle der Bewegungen wie der Gesichtsmuskeln,des Rumpfes, des Halses und aller Körperextremitäten zuständig unter Einbezug des Hirnstamms (Illert & Kuhtz-Buschbeck, 2006). Die Versorgung erfolgt über die Spinalnerven. Ergänzend dazu setzt sich das Rückenmark aus weißer und grauer Substanz zusammen. Dabei besteht die graue Substanz aus Zellkörpern von Neuronen.Weiterhin bildet das Vorderhirn den vorderen Teil der grauen Substanz ab und enthält die Motorneuronen. Hingegen befinden sich die vegetativen Nervenzellen im Seitenhorn und die sensiblen Nervenzellen im Hinterhorn. Bezüglich der weißen Substanz in dem Dendriten und Axone von Neuronen vorkommen(Trepel, 2022).
Für die Integration und für den allgemeinen Bewegungsprozess ist das Kleinhirn bedeutend. Anhand von visuellen, propriozeptiven und vestibulären Sinnesreizen kontrolliert die Koordinierung der Bewegungen und den Grundtonus der Muskulatur (Klockgether, Bürk & Dichgans, 2005); (Menche et al., 2020). Außerdem sind im Kleinhirn funktionell verschiedene Kompositionen wie Pontocerebellum, Vestibulocerebellum und Spinocerebellum vertreten. Hierbei übernimmt das Pontocerebellum den Aufbau von Bewegungsprogrammen mit dem Ziel der schnellen Zielmotorik. Das Vestibulocerebellum ist verantwortlich für die Abstimmung der Augenbewegungen sowie für die Stütz- und Haltemotorik. Hinzukommt, dass das Spinocerebellum die Stütz- und Zielmotorik reguliert, was gemeinsam letztendlich wieder zu einer Bewahrung des Gleichgewichts führt(Men- che et al., 2020).
Innerhalb des motorischen Thalamus werden die erzielten Programme der Basalganglien mit denen des Pontocerebellums separiert vereinigt. Danach werden die Informationen vom Thalamus speziell zum sekundär-motorischen Areal die in der Großhirnrinde transportiert. Somit wird der Motorkortex beim Umsetzen der Bewegungen mithilfe dieser Programme entsprechend gefördert (Lehmann-Horn, 2007). Die Zusammenhänge der einzelnen Schaltzentralen und Einflussfaktoren des motorischen Systems mit den sensorischen Informationen sind in Abbildung 6 veranschaulicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.4 Menschliches Gleichgewicht
Die menschliche Bewegung und Haltung zählen zu den fundamentalen Voraussetzungen für das Gleichgewicht, ohne die ein funktionsfähiges Gleichgewicht im Zusammenhang mit alltäglichen Bewegungen wie Stehen, Gehen, Laufen oder Treppen steigen unrealisierbar wären (Meusel, 1992).
2.4.1 Definition und Formen
Wie die Abbildung 7 zeigt, kann das motorische Gleichgewicht in drei Hauptformen unterteilt werden: dynamisches Gleichgewicht, statisches dynamisches Gleichgewicht und Objektgleichgewicht. Darüber hinaus setzt sich das Körpergleichgewicht aus dem dynamischen und statischen Gleichgewicht zusammen. Beim Gleichgewicht handelt es sich um den Versuch, die Kontrolle sowie Modifizierung der Körperstellung bzw. -bewegungen im Raum wiederzuerlangen und wahrzunehmen (Marées, 2006; Shumway-Cook & Woollacott, 2001). Um einen Gegenstand im Gleichgewicht zu bewahren, ist das Objektgleichgewicht entscheidend. Dabei kann es sich frei bewegen oder fest an einem Ort gebunden sein (Fetz, 1989).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Übersicht über die verschiedenen Klassen des Gleichgewichts, modifiziert nach Fetz, 1989, S.258
Die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung und Wiederherstellung des Gleichgewichts des gesamten Körpers nach ausgedehnten oder bei gleichzeitig vorkommenden Körperverlagerungen, wird als Gleichgewichtsfähigkeit bezeichnet (Meinet & Schnabel, 2007). Zusätzlich lässt sie sich zu den koordinativen Fähigkeiten eingliedern, zu denen ebenfalls die Differenzierungs-, Reaktions-, Um- stellungs-, Orientierungs-, Kopplungs- und Rhythmisierungsfähigkeit gelten. Unter den koordinativen Fähigkeiten können umfangreiche Leistungsbedingungen verstanden werden, welche vorwiegend die Bewegungen steuern wie auch abgleichen. Zudem beinhaltet dies den Prozess der Bewegungsüberprüfung mittels Zusammenwirkens des zentralen Nervensystems und der Muskulatur (Meusel, 1992).
Bereits im frühen Kindheitsalter bildet sich die Gleichgewichtsfähigkeit heraus. Dabei kommt es im zunehmenden Alter zu hohen Ansprüchen an das Gleichgewicht. Zu Anfang müssen schwankende Gehversuche bis hin zu Anpassungen bei der Verlagerung des Körperschwerpunktes reguliert
werden. Das Training der Gleichgewichtsfähigkeit kann präventiv fürVerletzungen eingesetzt werden. Mithilfe von erhöhten und zielgerichteten Trainingsmaßnahmen kann die Fähigkeit bis zu einem gewissen Grad erhalten werden. Die Faktoren wie Geschwindigkeit, Qualität der Umgestaltung wie auch die Länge der Bewahrung des Gleichgewichts können diese beeinflussen (Hirtz et al., 2005).
Im Kontrast dazu wird das statische Gleichgewicht als Fähigkeit definiert dem Körper die relative Ruheposition zu gewährleisten(Meinel & Schnabel, 2007). Je länger diese Position gehalten werden kann, desto kleiner und geringer fallen die Umfänge der Ausgleichsbewegungen für die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts aus. Daraus folgt, dass die Gleichgewichtskontrolle ebenfalls ausgeprägter ist (Neumaier, 2006). Bei Körperschwerpunktverlagerungen, sehr langsamen Tätigkeiten oder Bewegungen des Stehens wird mithilfe von Muskelarbeit das Gleichgewicht reguliert (Oswald & Ackermann, 2009).Dies wird auch als korrektive Reaktion bezeichnet. Hierbei verlässt der Körper seine Lage nicht beispielweise während des Vorbeugens des Oberkörpers, Duschens oder Zähneputzens im aufrechten Stehen (Knuchel & Schädler, 2004). Im Kontext des quasistatischen Gleichgewichts treten derweil ebenfalls kleine Ausgleichsbewegungen im einfachen, aufrechten Stand auf(Chow, Lauk & Collins, 1999).
Hinzukommt noch die Unterscheidung zwischen reaktives Gleichgewicht und proaktives Gleichgewicht. Im Falle einer unerwarteten Störung dient das reaktive Gleichgewicht zur Stabilisierung des Körpers von außen, während beim proaktiven Gleichgewicht der Körper auf direkte folgenschwere, unsichere Einwirkungen zum Beispiel mithilfe von Muskelkontraktionen reagiert (Shumway-Cook & Woollacott, 2001). Das bedeutet, die dabei beteiligte Muskulatur muss aufeinander abgestimmt sein und gleichzeitig werden Ausgleichsbewegungen eingeleitet, um den Körper wieder ins Gleichgewicht bzw. in den sicheren Stand zu bringen (Olivier et al., 2013).
2.4.2 Das dynamische Gleichgewicht
Als Bestandteil des Körpergleichgewichts gilt das dynamische Gleichgewicht. Dabei übernimmt dieses die Funktion der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichts während einer Bewegung. Außerdem beziehen sich die Lageveränderungen auf Translation und Rotation sowie Fortbewegungen(Baumhoer, 2009; Fetz, 1990).Diese Funktion tritt deutlich in Erscheinung, je umfassender diese Bewegung durchgeführt und gleichzeitig die Menge an Kompensationsbewegungen gering gehalten wird (Neumaier, 2006). Im Falle, dass sowohl die gegenwärtige Ausgangsposition als auch der Körperschwerpunkt verlassen wird, muss das Gleichgewicht fortdauernd wiederhergestellt werden (Oswald & Ackermann, 2009). Diese protektiven Maßnahmen des Körpers imSinne von Fußstrategien mittels Aktivierung der distalen Muskeln des oberen Sprunggelenkes kommenzum Einsatz, wenn die Unterstützungsfläche des Körpers eine geringe Störung des Gleichgewichts erfährt. Somit wird das Gleichgewicht neu gebildet. Im Gegensatz dazu wird bei größeren Störungen die Vorgehensweise der Hüfte genutzt. Das bedeutet, zuerst wird die Muskulatur der Hüfte angesteuert unddirekt im Anschluss in Richtung des Rumpfes. Diese protektiven Reaktionen zeigen sich zum Beispiel beim Setzen auf einem Stuhl oder beim Gehen (Horak & Nashner, 2012; Knuchel & Schädler, 2004). Des Weiteren wird das dynamische Gleichgewicht vor allem über das vestibuläre System gesteuert. Im Vergleich dazu wird für das statische Gleichgewicht eher das extrapyramidale System genutzt. Wenn ein Ausfall des vestibulären und/ oder des extrapyramidalen Systems auftritt, kommen das optische System wie auch die Pyramidenbah- nen zum Einsatz (Reicke, 1979), wodurch sich das Beschleunigungsvermögen herausbildet und die im Raum durchgeführten Bewegungen des Körpers erfasst werden. Infolgedessen wird es besonders bei Sportarten und Bewegungen wie Skisprung oder Geräteturnen verwendet, bei denen es zu schnelleren und größeren Lageveränderungen kommt (Hirtz et al., 2005).
3 Stand der Forschung
Im vorliegenden Kapitel wird der Stand der Forschung zur Messung der Fußsensibilität und der dynamischen Gleichgewichtsfähigkeit erläutert. Darüber hinaus werden auf die wesentlichen Einflussfaktoren des Gleichgewichts wie der Erwärmung und der damit verbundenen Vibrationssensibilität des Fußes eingegangen.
3.1 Einflussfaktoren auf die Fußsensibilität und auf das Gleichgewicht
Im Rahmen der posturalen Kontrolle in Bezug zur plantaren Sensibilität und Hyperthermie liegen kontroverse Befunde vor. Aus diesem Grund sollten unterschiedliche Einflussfaktoren und damit einhergehende Folgen bei der Erfassung der dynamischen Gleichgewichtsfähigkeit und der Fußsensibilität mit einbezogen werden. In den nachfolgenden Abschnitten werden die relevantesten Elemente analysiert.
3.1.1 Erkrankungen
Die Auswirkungen einer diabetischen Neuropathie auf die Fußsohlenempfindlichkeit unter Durchführung von dynamischen Gleichgewichtsaufgaben haben Simmons, Richardson und Pozos (1997) überprüft. Insgesamt nahmen 50 Probanden teil mit dem Ziel die posturale Stabilität zu erfassen. Davon waren 27 Patienten mit insulin-abhängiger Diabetes mellitus und 23 Patienten mit einer bilateralen kutanen Sensibilitätsstörung im Fuß in der Untersuchungsgruppe und 50 Probanden ohne Diabetes mellitus dienten als Kontrollgruppe. Unter Verwendung eines objektiven Gleichgewichtstests mit einer computergesteuerten doppelten Kraftmessplatte wurde die dynamische und statische Gleichgewichtsfähigkeit gemessen. Dabei gab es sechs unterschiedliche Testbedingungen. Außerdem wurde die Fußsensibilität mithilfe eines Monofilament-Tests ermittelt. Die Resultate deuten auf eine signifikant posturale Instabilität bei den Patienten mit kutanen Sensibilitätsdefiziten im Gegensatz zu den Kontrollpatienten hin. Hinzukommt, dass in Verbindung mit dieser Gruppe ein signifikanter Verlust des Gleichgewichts und dem damit verbundenen erhöhten Sturzrisiko sowie die Beeinträchtigung der Fußmechanik besteht. Hierbei zeigen sie hinsichtlich der posturalen Kontrolle eine uncharakteristische Verschiebung der Hüft- und Knöchelbewegung (Simmons et al., 1997). Bezüglich der Haltungsinstabilitäten konnten Simoneau, Ulbrecht, Derr, Becker und Cavanagh (1994) eine Signifikanz zwischen dem ruhigen Stehen und der diabetischen Polyneuropathie feststellen (Simoneau, G. G. et al., 1994). Hinzufügend treten nicht nur Instabilitäten bei der Haltung auf, sondern auch speziell erhöhte Sway, die unter anderem vermehrte Amplituden der Auslenkungen und erhöhte Geschwindigkeiten im Kontrast zu den Kontrollgruppen ohne Diabetes aufweisen (Boucher, Teasdale, Courtemanche, Bard & Fleury, 1995; Corriveau,
Prince, Hébert, Raiche, Tessier, Maheux & Ardilouze, 2000). Bereits der Einsatz des Einbeinstands, welcher drei Sekunden durchgeführt wurde, untermauert, dass sich eine signifikant höhere Auslenkung des Center of Pressure (COP) aufzeigt (Lee, S., 1993). Jedoch kam es lediglich zu dieser Asymmetrie der peripheren Neuropathie, da es nicht nur die 1a-Afferenzen, sondern auch die II-Afferenzen miteinschließt. Allerdingsliegen bei nicht allenTypender Erkrankung eineäqui- valenteStörungder zwei verschiedenen Afferenzformen vor. Am Beispiel von diabetischen Patientenhat sich gezeigt, dass diese im Gegenzug zu den anderen gesunden Patienten wesentlich in- stabiler waren (Nardone, Grasso & Schieppati, 2006; Nardone & Schieppati, 2004). Außerdem haben Richardson und Hurvitz (1995) in ihrer Studie die Effekte bei Patienten mit peripherer- neuropathischer Erkrankung ebenfalls erforscht mit den Resultaten, dass eine Verschlechterung der propriozeptiven Empfindung in den unteren Extremitäten auftritt (Richardson, J. K. & Hurvitz, 1995), besonders in Hinblick auf eine signifikant eingeschränkte Propriozeption der Inversion und Eversion im Knöchelbereich (van den Bosch, Gilsing, Lee, Richardson & Ashton-Miller, 1995). Weiterhin zeigte sich eine negative Wirkung auf die Gleichgewichtskontrolle im einbeinigen sowie beidbeinigen Stand jedoch ohne Einfluss von jeglichen visuellen Impulsen (Richardson, J. K. & Hurvitz, 1995). Weitere Studien unterstützen die Aussage, dass eine periphere Neuropathie mit Sturzrisiken korrelieren (Richardson, J. K., Ching & Hurvitz, 1992). Das bedeutet, eine periphere neuropathische Krankheit ist speziell im Einbeinstand ein wesentliches Indiz für Stürzeund bewirkt gleichzeitig einen negativen Einfluss auf das Gleichgewicht (Richardson, J. K., Ashton-Miller, Lee & Jacobs, 1996; Richardson, J. K. & Hurvitz, 1995).
Kang, Zahiri, Lepow, Saleem und Najafi (2019) haben sich ebenfalls mit dem Einfluss einer diabetischen peripheren Neuropathie auf die Vibrationssensibilität, das Gleichgewicht und den Gang auseinandergesetzt. Dafür wurden 30 Patienten mit Diabetes Typ 2 über einen vier-wöchigen Messzeitraum rekrutiert unter Nutzung eines Fußkompressionsgeräts, welches in den Schuhsohlen integriert wurde. Um die Sensibilität des Fußes zu diagnostizieren, wurde ein Biothesiometer am ersten und fünften Mittelfußknochen an beiden Füßen angewandt. Zur Einschätzung des Gleichgewichts sollten die Probanden für 30 Sekunden im beidbeinigen Stand ruhig Stehen. Für jede Gleichgewichtsanforderung wurde die Gesamtschwankungsfläche des Knöchels, der Hüfte, des Massenschwerpunkts Center of Mass (COM) sowie in mediolateraler Richtung bei geschlossenen und offenenAugen gemessen. Anhand der Effekte wurde geschlussfolgert, dass nach dem Behandlungszeitraumeine Verbesserung der Vibrationswahrnehmung wie auch der Sway Werte in mediolateraler Richtung unter den Bedingungen der offenen und geschlossenen Augen vorliegt. Zudem veränderte sich die Schrittgeschwindigkeit für normales, schnelles Gehen und unter DualTask-Aufgaben positiv (Kang et al., 2019).
Die zunehmenden COP-und COM- Amplituden stehen im Zusammenhang mit dem ansteigenden Grad einer peripheren-neuropathischen Erkrankung (Corriveau et al., 2000). In Anbetracht dessen sind mögliche Ursachen, die sich während einer länger andauernden Krankheit entwickeln auf erhöhte Einbußen von somatosensorischen Inputs der Füße sowie Hände zurückzuführen (Simmons et al., 1997). Daraus wurde abgeleitet, dass die Abnahme der plantaren Empfindung bei einer diabetischen Neuropathie einen entscheidenden Stellenwert in Bezug auf die Sturzgefahr erhalten könnte (Eils, Nolte, Tewes, Thorwesten, Völker & Rosenbaum, 2002).
Den Zusammenhang zwischen der Vibrationsschwelle mit dem Gleichgewicht und dem Gang bei Patienten mit Multipler Sklerose haben Uszynski, Purtill und Coote (2015) analysiert. In dieser Studie wurden 34 Patienten mit Multipler Sklerose untersucht. Mithilfe eines Horwell- Neurothesiometers wurde die Vibrationssensibilität am großen Zeh, am Met I, am Met V und an der Ferse bestimmt. Zur Ermittlung der Gleichgewichtsfähigkeit wurde die Berg Balance Scale (BBS), für die Gangfähigkeit der Timed Up and Go (TUG) und der 6 min Walking Test (6MWT) eingesetzt. Der stärkste Zusammenhang zeigte sich zwischen der BBS und der Vibrationssensibilität. Hinzukommt, dass ebenfalls ein Zusammenhang zwischen dem TUG und dem 6MWT festgestellt wurde. Bezüglich der Vibrationssensibilität wies am Met I die höchste Korrelation auf. Die Patienten ohne Gangbeeinträchtigungen erzielten eine deutlich niedrigere Vibrationsschwelle im Vergleich zu den Patienten mit Gangbeeinträchtigungen (Uszynski et al., 2015).
Hinsichtlich der Parkinsonerkrankung wurde in der Studie von Prätorius, Kimmeskamp und Milani (2003) herausgefunden, dass eine Verringerung der sensorischen Informationen der Fußsohlen im zunehmenden Stadium der Krankheit eintritt und ebenfalls negative Einschränkungen der Haltungskontrolle sowie Sturzrisiken zur Folge hat (Bloem, Hausdorff, Visser & Giladi, 2004; Prätorius et al., 2003). Des Weiteren liegt ein Zusammenhang zwischen antizipatorischen Perturbationen und korrigierenden Mechanismen der posturalen Kontrolle während der Erkrankung vor (Bloem, Beckley, Remler, Roos & van Dijk, 1995; Latash et al., 1995). Ergänzend dazu weisen Patienten mit Parkinson eine Limitation in Hinblick auf die Grenzen der Resistenz in lateraler und posteriorer Richtung auf, sodass eine Verschlechterung der Regulierung der Störungen auftreten kann (Horak, Dimitrova & Nutt, 2005). In weiteren Untersuchungen wurde im Verlauf einer ruhigen aufrechten Position mit und ohne Einbezug von visuellem Input keine Signifikanz bezüglich des Sways zwischen der Gruppe der Parkinsonpatienten im Gegensatz zu der gesunden Patientengruppe festgestellt (Schieppati & Nardone, 1991). Zusätzlich dazu ergaben sich bei diesen Patienten mit Parkinson auch verminderte Flächenwerte des Sways und bei jahrelangen Parkinsonpatienten ein abnehmender Sway in anterior-posteriorer Richtung (Schieppati, Hugon, Grasso, Nardone & Galante, 1994). Solche Sway Ergebnisse sind bei der Ausführung von multiplen Haltungsanforderungen auf mögliche distale und proximale Gelenkversteifungen zurückzuführen, die mit einer gesteigerten Steifigkeit der Muskeln des Knöchels wie auch der intrinsischen Muskulatur einhergehen kann (Bloem et al., 1995; Termoz, Halliday, Winter, Frank, Patla & Prince, 2008). Folglich kann es zu Stürzen kommen, weil die Informationen der Haltungsmuskulatur auf äußere Störungen deutlich an Effektivität verlieren (Dimitrova, Horak & Nutt, 2004).
Allerdings sollte hier berücksichtigt werden, dass weitere Erkrankungsbilder zu Verschlechterungen der posturalen Kontrolle führen können wie beispielsweise Ischämie oder anästhetische Substanzen (Meyer et al., 2004; Wang, T.-Y. & Lin, 2008).
3.1.2 Der Einfluss von Abkühlung
Germano et al. (2016) konnten Veränderungen der dynamischen Gleichgewichtsreaktionen aufgrund einer Hypothermie nachweisen. Insgesamt nahmen 52 gesunde junge Probanden, davon 26 Frauen und 26 Männer, im Alter von 23,6 ± 3,0 Jahren teil. Um unerwartete Störungen hervorzurufen und die dynamische posturale Kontrolle zu quantifizieren, wurde ein Posturomed verwendet. Eine eingebaute Kraftmessplatte diente zur Beurteilung der Gleichgewichtsfähigkeit. Unter Anwendung der Elektromyographie (EMG) wurde die Muskelaktivität bewertet. Die Messung der Fußtemperatur erfolgte an der Ferse, am ersten und fünften Mittelfußknochen des dominanten Fußes. Mithilfe einer thermischen Plattform wurde die Abkühlung der Fußtemperatur in der Reihenfolge von 25°C, 12°C und 0°C induziert. Dabei wurden 12 randomisierte Versuche mit je vier kombinierten Bedingungen im einbeinigen und zweibeinigen Stand mit Störungen in anterior-posteriorer und medio-lateraler Richtung durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass keine signifikanten COP- und EMG-Unterschiede bezüglich der antizipatorischen Gleichgewichtsreaktionen im Intervall 0 und 1 zwischen den drei Temperaturstufen vorliegen. Im Hinblick auf die kompensatorischen Gleichgewichtsreaktionen im Intervall 2 und für die zweibeinige Standbedingung wurden deutlich geringere COP-Gesamtausschläge festgestellt aufgrund der abnehmenden Temperatur bei allen Stufen. Zudem wurden signifikante Unterschiede im Einbeinstand bei 25°C ermittelt (Germano, A. M. C. et al., 2016).
Die Studie von Ferguson, Polskaia und Tokuno (2017) befassten sich neben den Veränderungen einer Abkühlung auf die Fußsensibilität auch mit den Effekten der posturalen Muskelreaktionen auf einen unerwarteten Gleichgewichtsverlust. Hier haben 20 junge Erwachsene im Alter von 22,0 ± 1,4 Jahren teilgenommen. Mithilfe des Semmes-Weinstein Monofilamenttests wurde die Empfindlichkeit der Fußsohle und die Gleichgewichtsfähigkeit mittels einer beweglichen Plattform mit Vorwärts- oder Rückwärtsbewegungen ermittelt. Die Aktivität der Muskulatur erfolgte über die Elektromyographie. Um eine Reduktion der Fußtemperatur zu erzielen, wurden die Füße in ein Eiswasserbad von 0°C bis 2°C für 12 Minuten getaucht. Die Daten der Fußsensibilität und der postura- len Muskelreaktionen wurden jeweils vor und nach der Abkühlungsintervention entnommen. Die Ergebnisse ergaben eine abnehmende Fußsensibilität, welche während der gesamten Messdauer reduziert blieb. Als Folge dessen führt dies zu einer verzögerten Anfangslatenz um 3 ms der Soleus Muskel EMG-Amplitude. Im Gegensatz dazu nahmen bei den Versuchen der Gleichgewichtsstörungen beim Soleus Muskel und beim medialen Gastrocnemius Muskel die EMG-Amplituden um 14 bis 23 % zu. Im Allgemeinen wurden nur geringfügig funktionelle Auswirkungen auf das Gleichgewicht detektiert (Ferguson et al., 2017).
Eine weitere Untersuchung von McKeon und Hertel (2007) unterstützen die Aussage, dass nach einer 10-minütigen Kühlung die plantare Empfindung und Druckwahrnehmungsschwelle des Fußes abnahmen. Die Resultate deuten unter anderem darauf hin, dass signifikant höhere COPAuslenkungen bei geschlossenen Augen im beidbeinigen Stand vorliegen. Demgegenüber wurden im ungekühlten Zustand unter denselben Bedingungen wesentlich niedrigere Werte festgestellt. Im Kontrast dazu ergaben sich bei offenen Augen im Beidbeinstand keine signifikanten Differenzen hinsichtlich der COP-Schwankungen unter der Reduktion der Fußsohlentemperatur.
Den Einfluss von Kühlung auf die plantare Fußempfindlichkeit und auf die Gleichgewichtskontrolle betrachteten Billot, Handrigan, Simoneau, Corbeil und Teasdale (2013). Es wurden 10 gesunde Männer untersucht. Um die Vibrationssensibilität zu bestimmen, wurden die Zweipunktschwelle und ein Monofilamenttest verwendet. Die Herabsetzung der Fußtemperatur wurde durch das Eintauchen in Eiswasser erreicht. Unter Einsatz einer Kraftmessplatte erfolgte die Messung der Gleichgewichtskontrolle mit 7 Versuchen vor wie auch nach dem Eintauchen in das Eiswasser und mit einer Messdauer von 30 Sekunden. Daraufhin wurde die Elektromyographie genutzt, um die Muskelaktivität in den unteren Extremitäten während der Gleichgewichtskontrolle zu erfassen. Die Abkühlung der Fußtemperatur führte zu einer Reduktion der plantaren Fußempfindlichkeit. Bei der kurzfristigen Veränderung der Gleichgewichtssteuerung tritt lediglich beim 1. Versuch eine signifikant höhere Geschwindigkeit und RMS der Geschwindigkeit des Druckzentrums im gekühlten Zustand auf, im Vergleich zu den Kontrollversuchen vor der Reduktion der Fußtemperatur. Zudem wurde eine Zunahme der Muskelaktivität nach dem 1. Versuch festgestellt (Billot et al., 2013).
Yasuda, Nakagawa, Inoue, Iwamoto und Inokuchi (1999) haben vergleichbare Effekte auf die Vibrationssensibilität und posturalen Kontrolle aufgrund einer Kühlung des Fußes erzielt. Dazu wur- den9 Patienten mit schweren propriozeptiven Funktionsstörungen und 10 gesunde Teilnehmer, welche 20 Minuten ihre Füße in Eiswasser tauchten, betrachtet. Die gesamten Messungen fanden im Beidbeinstand zur Bestimmung der funktionellen Standstabilisation für 60 Sekunden vor und nach dem Abkühlen der Füße statt. Die Fläche der Körperschwankungen sowie die Geschwindigkeiten wiesen auf eine signifikante Erhöhung durch die Abkühlung hin (Yasuda et al., 1999). Magnusson, Enbom, Johansson und Pyykkö (1990) kamen auch zu dem Ergebnis, dass unter den Konditionen der offenen und geschlossenen Augen eine signifikante Zunahme der Geschwindigkeit des Körperschwankens besteht (Magnusson et al., 1990).
Eine Hypothermie zeigt eine bedeutende Wirkung auf die Vibrationssensibilität und Gleichgewichtskontrolle, um beispielsweise vorübergehend Erkrankungen des peripheren Nervensystems oder die damit verbundenen Symptomatiken zu simulieren.
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- Citation du texte
- David Reißig (Auteur), 2022, Der Einfluss der Erwärmung der Fußsohle auf das dynamische Gleichgewicht ohne Dual-Task-Bedingungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1309398
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