Die vorliegende Masterarbeit zum Thema „Human Capital als Gegenstand der Unternehmensbewertung im Rahmen von M&A-Transaktionen mit besonderem Fokus auf die Personenabhängigkeit des Unternehmenserfolgs im Mittelstand“ behandelt die Bewertbarkeit und Quantifizierbarkeit von Human Capital sowie die quantitative Berücksichtigung personenbezogener Einflüsse wie Kundenbeziehungen und Spezialwissen im Rahmen der Unternehmensbewertung.
Hierzu bedarf es der Betrachtung der HR Due Diligence als Prüfungsverfahren zur Auseinandersetzung mit dem Human Capital im Rahmen von M&A, indem die zahlreichen HR-bezogenen Risiken, u.a. in den Bereichen der Unternehmensstruktur, des Personalmanagements und der Führung, analysiert werden. Es erfolgt eine direkte oder indirekte Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Due Diligence im Rahmen der Unternehmensbewertung, indem bspw. die Verfügbarkeit von Schlüsselkräften implizit im Goodwill des Unternehmenswertes widergespiegelt wird. Zur direkten Ermittlung des quantitativen Human Capital-Werts bieten sich diverse Modelle – marktwertorientierte, accountingorientierte und ertragsorientierte Bewertungsmodelle, Value Added-Ansätze, indikatorenbasierte Ansätze sowie das Mischmodell in Form der Saarbrücker Formel – an, die jedoch diverse Schwächen bzgl. der Validität und Reliabilität aufweisen.
Eine direkte Berücksichtigung der Ergebnisse der HR Due Diligence im Unternehmenswert findet hingegen statt, sofern eine starke Personenabhängigkeit in Bezug auf den Inhaber zu konstatieren ist. Eine etwaige Fokussierung von Kunden- und Lieferantenbeziehungen und speziellem Know-how auf die Person des Inhabers wird bei der Unternehmensbewertung gemäß des IDW Praxishinweises 1/2014 in Form der Abschmelzung der prognostizierten Erträge berücksichtigt. Hierzu ist der vorliegenden Arbeit ein die Sensitivität des Unternehmenswertes im Hinblick auf den gewählten Abschmelzungszeitraum aufzeigendes Praxisbeispiel zu entnehmen. Über den IDW Praxishinweis hinausgehend bilden die subjektive Korrektur um die Unternehmerqualität sowie die Berücksichtigung von Fluktuationskosten zur Abbildung der Personenabhängigkeit in Bezug auf Schlüsselkräfte weitere Möglichkeiten der Modifizierung der prognostizierten Erträge. Als alternative Stellschraube dient die Modifizierung des Diskontierungsfaktors um einen die Personenabhängigkeit implizierenden Risikoaufschlag. [...]
Inhaltsverzeichnis
Executive Summary
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Formelverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
I. Einführung
1. Problembeschreibung
2. Ziele und Struktur der Arbeit
II. Forschungsgegenstand und Themenabgrenzung
1. Mittelstandsforschung
a. Definition
b. Charakteristika
c. Motive für M&A
2. M&A-Forschung
a. Due Diligence-Verfahren zur Datenerhebung
b. Methoden der Unternehmensbewertung
c. Besonderheiten bei KMUs
III. Human Capital als Bewertungsgegenstand
1. Definition Human Capital
2. HR und Management Due Diligence
a. Ziele & Funktionen
b. Prozessuale Gestaltung
c. Risikobereiche als Analysegegenstand
d. Berücksichtigung im Rahmen der Unternehmensbewertung
3. Modelle für die Bewertung von Human Capital
a. Marktwertorientierte Ansätze
b. Accountingorientierte Ansätze
c. Value Added-Ansätze
d. Ertragsorientierte Ansätze
e. Mischmodell: Saarbrücker Formel
f. Indikatorenbasierte Ansätze
g. Kritische Würdigung
IV. Personenabhängigkeit als Bewertungsgegenstand
1. Personenbezogene Einflüsse
2. Modifizierung der prognostizierten Erträge
a. Abschmelzung personenbezogener Einflüsse gemäß des IDW
b. Subjektive Korrektur aufgrund der Unternehmerqualitäten
c. Fluktuationskostenbewertung
d. Extremfall in Form der Bewertung zum Liquidationswert
3. Modifizierung des Diskontierungsfaktors
a. Pauschale Risikozuschläge bzw. Bewertungsabschläge
b. Branchenspezifika
V. Implikationen bzgl. der Personenabhängigkeit
1. Instrumente zur Reduzierung der Personenabhängigkeit
2. Earn-Out-Klauseln im Rahmen der Vertragsgestaltung
VI. Schlussbetrachtung
1. Fazit
2. Ausblick
Literaturverzeichnis
Beiträge in Büchern/ Zeitschriftenaufsätze
Internetdokumente
Anhang: Human Capital Scorecard
Executive Summary
Die vorliegende Masterarbeit zum Thema „Human Capital als Gegenstand der Unternehmensbewertung im Rahmen von M&A-Transaktionen mit besonderem Fokus auf die Personenabhängigkeit des Unternehmenserfolgs im Mittelstand“ behandelt die Bewertbarkeit und Quantifizierbarkeit von Human Capital sowie die quantitative Berücksichtigung personenbezogener Einflüsse wie Kundenbeziehungen und Spezialwissen im Rahmen der Unternehmensbewertung.
Hierzu bedarf es der Betrachtung der HR Due Diligence als Prüfungsverfahren zur Auseinandersetzung mit dem Human Capital im Rahmen von M&A, indem die zahlreichen HR-bezogenen Risiken, u.a. in den Bereichen der Unternehmensstruktur, des Personalmanagements und der Führung, analysiert werden. Es erfolgt eine direkte oder indirekte Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Due Diligence im Rahmen der Unternehmensbewertung, indem bspw. die Verfügbarkeit von Schlüsselkräften implizit im Goodwill des Unternehmenswertes widergespiegelt wird. Zur direkten Ermittlung des quantitativen Human Capital-Werts bieten sich diverse Modelle – marktwertorientierte, accountingorientierte und ertragsorientierte Bewertungsmodelle, Value Added-Ansätze, indikatorenbasierte Ansätze sowie das Mischmodell in Form der Saarbrücker Formel – an, die jedoch diverse Schwächen bzgl. der Validität und Reliabilität aufweisen.
Eine direkte Berücksichtigung der Ergebnisse der HR Due Diligence im Unternehmenswert findet hingegen statt, sofern eine starke Personenabhängigkeit in Bezug auf den Inhaber zu konstatieren ist. Eine etwaige Fokussierung von Kunden- und Lieferantenbeziehungen und speziellem Know-how auf die Person des Inhabers wird bei der Unternehmensbewertung gemäß des IDW Praxishinweises 1/2014 in Form der Abschmelzung der prognostizierten Erträge berücksichtigt. Hierzu ist der vorliegenden Arbeit ein die Sensitivität des Unternehmenswertes im Hinblick auf den gewählten Abschmelzungszeitraum aufzeigendes Praxisbeispiel zu entnehmen. Über den IDW Praxishinweis hinausgehend bilden die subjektive Korrektur um die Unternehmerqualität sowie die Berücksichtigung von Fluktuationskosten zur Abbildung der Personenabhängigkeit in Bezug auf Schlüsselkräfte weitere Möglichkeiten der Modifizierung der prognostizierten Erträge. Als alternative Stellschraube dient die Modifizierung des Diskontierungsfaktors um einen die Personenabhängigkeit implizierenden Risikoaufschlag. Um den Bewertungsansatz zum Liquidationswert, der im Fall einer mangelnden Übertragbarkeit der Ertragskraft gewählt wird, zu vermeiden, sind der vorliegenden Arbeit Empfehlungen an die Praxis im Hinblick auf Instrumente zur Reduzierung der Personenabhängigkeit sowie der Vertragsgestaltung mittels Earn-Out-Modelle zu entnehmen.
Weiterer Forschungsbedarf ergibt sich hinsichtlich der Praktizierbarkeit der Human Capital-Bilanzierung sowie der Analyse des mit Hilfe von implementierten Maßnahmen zur Reduzierung der Personenabhängigkeit im Rahmen der Unternehmensbewertung zu erzielenden Mehrwerts.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Struktur der Masterarbeit
Abbildung 2: Themeneinordnung
Abbildung 3: Einflussfaktoren auf den Unternehmenswert
Abbildung 4: Exemplarische Übersicht von Bewertungsverfahren
Abbildung 5: Vorgehensweise bei der Bewertung von KMUs
Abbildung 6: Komponenten des Human Capitals
Abbildung 7: Prozessuale Gestaltung einer HR Due Diligence/ eines Management Audits
Abbildung 8: Exemplarische personelle Werttreiber je Risikofaktor
Abbildung 9: Mentales Modell der Saarbrücker Formel
Abbildung 10: Steuerungsgrößen zur Klassifizierung von Human Capital
Abbildung 11: EBIT-Multiples im Juli
Abbildung 12: Modifizierung der Planungsrechnung um personenbezogene Einflüsse
Abbildung 13: Überschüsse in Abhängigkeit der Übertragbarkeit der Ertragskraft
Abbildung 14: Ausgangsbasis für Earn-Out-Klauseln: Dreijahresplanung des EBITDA
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Definitionen von KMUs gemäß des IfM Bonn und der EU
Tabelle 2: Anlassbezogene Betrachtung personenbezogener Einflüsse
Tabelle 3: Abschmelzvorgang ohne Verlängerung eines Kundenvertrags
Tabelle 4: Abschmelzvorgang mit Verlängerung eines Kundenvertrags
Tabelle 5: Bewertung in Abhängigkeit des Grads der Übertragbarkeit der Ertragskraft
Tabelle 6: Barwerte der prognostizierten Erträge nach Steuern zum Zeitpunkt
Tabelle 7: Exemplarische Berechnung der Fluktuationskosten
Tabelle 8: Zuschläge zur Adjustierung des Betas um KMU-spezifische Risiken
Tabelle 9: Zahlung des Earn-Outs in Abhängigkeit des gewählten Standards
Tabelle 10: Indikatoren einer Human Capital Scorecard
Formelverzeichnis
Formel 1: HC-Bewertung mittels des DCF-Verfahrens
Formel 2: WorkonomicsTM
Formel 3: Human Capital Return on Investment
Formel 4: Human Capital Pricing Model
Formel 5: Saarbrücker Formel
Formel 6: Sensitivität der Unternehmenswerte hinsichtlich des Kalkulationszinssatzes
Abkürzungsverzeichnis
ACP average personnel cost per person employed
AWH Arbeitskreis der wertermittelnden Berater im Handwerk
CAPM Capital Asset Pricing Model
CDD Commercial Due Diligence
CVA Cash-Value-Added
DCF Discounted Cash Flow
DGFP Deutsche Gesellschaft für Personalführung
DHK Dynamisches Humankapital
EBIT earnings before interest and taxes
EBITDA earnings before interest, taxes, depreciation and amortization
EK Eigenkapital
EVA Economic Value Added
ErbStR Erbschaftsteuer-Richtlinien
FDD Financial Due Diligence
FKE Führungskraftentwicklung
GuV Gewinn- und Verlustrechnung
HC Human Capital
HEVA Human Economic Value Added
HGB Handelsgesetzbuch
HR Human Resources
IAS International Accounting Standards
ICM Intellectual Capital Management
IDW Institut der Wirtschaftsprüfer
IFRS International Financial Reporting Standards
IHK Individuelles Humankapital
IPO Initial public offering
KMUs Kleine und mittlere Unternehmen
KPI Key Performance Indicator
LBO Leveraged-Buy-out
LoI Letter of intent
M&A Mergers & Acquisitions
MBI Management-Buy-in
MBO Management-Buy-out
MVA Market-Value-Added
PE Private Equity
PMI Post-Merger-Integration
ROI Return on Investment
SHK Strukturelles Humankapital
TM Trademark
VAP Value added per person
WP Wirtschaftsprüfer
I. Einführung
Im Folgenden werden die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegenden Problemfelder der Human Capital-Bewertung sowie der Berücksichtigung der Personenabhängigkeit im Unternehmenswert betrachtet, woraus sich anschließend die Ziele, die damit einhergehenden Forschungsfragen sowie der strukturelle Aufbau ableiten lassen.
1. Problembeschreibung
Die Bewertung von Human Capital (HC) als Gegenstand der vorliegenden Arbeit gewinnt vor dem Hintergrund, dass die Bedeutung der Wissensressource die der „klassischen Produktionsfaktoren Boden, Kapital und Arbeit“ bereits überholt hat , insbesondere für interne Steuerungszwecke zunehmend an Bedeutung. Doch nicht nur intern, auch intraorganisational ist die Analyse und Bewertung von HC bspw. im Rahmen von M&A relevant:
„…executives who have been through the merger process now recognize that in today’s economy, the management of the human side of change is the real key to maximizing the value of a deal.”
Obwohl die Ergebnisse der Analyse des Human Capitals in Form der HR Due Diligence isoliert betrachtet kein Entscheidungskriterium einer M&A-Transaktion darstellen, gilt die Durchführung dieser Prüfungsform als Erfolgsfaktor bedingt durch die hohe Bedeutung der individuellen und zieladäquaten Kompetenzen der Mitarbeiter und des Managements für den Unternehmens- und Transaktionserfolg, da auch die Sicherung von HC ein primäres Ziel einer Unternehmensakquisition darstellen kann. Über die Analyse hinaus stellt sich jedoch die Frage nach dem Anteil des Human Capital-Wertes am gesamten Unternehmenswert. Zwar wurde das Aktivierungsverbot für Human Capital nach HGB inzwischen aufgehoben ; ein paralleles Verfahren zur Bilanzierung von Fußballspielern, die als immaterielles Vermögen zu Anschaffungskosten bewertet werden , ist jedoch in der Unternehmenspraxis aufgrund der Schwierigkeit der Quantifizierbarkeit des HC-Wertes noch nicht zu konstatieren, weshalb in der vorliegenden Arbeit ebenfalls quantitative Bewertungsmöglichkeiten sowie deren Grenzen vorgestellt werden.
Obwohl der Umgang mit HR-Risiken im Rahmen von M&A und die Gewinnung von Schlüsselpersonen für das zukünftige Unternehmen als Erfolgsfaktoren gelten, ist eine nur geringe Beachtung der HR-Thematik im Rahmen der Unternehmensbewertung zu kontestieren. Während zahlreiche Studien den Untersuchungsgegenstand HC insbesondere im Rahmen der PMI-Phase betrachten , ist der Literatur die Forderung nach einer Auseinandersetzung mit HR-Themen im Rahmen der Pre-Merger-Phase zu entnehmen . Häufig wird die Bedeutung des Personalmanagements für den Erfolg einer M&A-Transaktion übersehen, obgleich „ungelöste personalwirtschaftliche und kulturelle Fragestellungen heute als zentrale Ursache für den Misserfolg von M&A“ gelten und nicht bewusst gegengesteuerte Faktoren ursächlich für die sog. „Hidden Costs“ einer Transaktion sind. Trotz diverser M&A-Forschungsansätze spiegelt sich die häufige Unterschätzung der HR-Thematik in der Managementpraxis empirisch in der hohen Misserfolgsquote von M&A-Transaktionen wider. Etwaige Transaktionsfehler können die Fluktuation von qualifizierten Mitarbeitern bedingen und führen sodann zu sinkenden Erfahrungspotenzialen in den betroffenen Mitarbeitergruppen. Falls diese Mitarbeiter als Schlüsselpersonen über besonderes Know-how verfügen, kann sich deren Ausscheiden aus dem Unternehmen nachteilig auf die zukünftige Unternehmensentwicklung auswirken. Insbesondere im Fall der im Mittelstand zu verzeichnenden Nachfolgethematik stellt sich die Frage nach den finanziellen Auswirkungen des Unternehmensaustritts des Alt-Inhabers:
Obgleich eine erfolgreiche Nachfolgeregelung von Stakeholdern wie Banken und Geschäftspartnern zwecks Absicherung der bestehenden Beziehungen erwünscht ist , zeichnet sich in der Praxis häufig eine Verschlechterung der Umsatz- und Ertragslage nach einem Generationswechsel ab , zumal eine hohe Anzahl von Firmennachfolgen vor dem Hintergrund der mangelnden Vorbereitung bedingt durch psychologische Gründe hinsichtlich der eigenen Ersetzbarkeit der Umsetzung gänzlich misslingt . Aufgrund der z.T. starken Prägung von KMUs durch den Unternehmer bzw. der Unternehmerfamilie kann deren Ausscheiden eine relevante Unternehmensnachfolgeproblematik hervorrufen. Während im Rahmen der klassischen Unternehmensbewertung ein unendlicher Bewertungszeitraum unterstellt wird, sind hingegen bei KMUs häufig zentrale Wertschöpfungsfaktoren mit der Person des operativ tätigen Eigentümers verbunden. Im Fall einer Veräußerung können sein Know-how sowie seine (Kunden-) Beziehungen nicht erworben werden, sodass der Erwerber den Unternehmenserfolg nur durch eigene Fähigkeiten oder durch den Erwerb der Fähigkeiten eines Dritten aufrechterhalten kann. Der Einfluss des Ausscheidens der personenbezogenen Einflüsse des Inhabers (bzw. von anderen Schlüsselpersonen) auf den zukünftigen Unternehmenserfolg und die Berücksichtigung der wegfallenden Einflüsse im Rahmen des zu ermittelnden Unternehmenswerts von KMUs im Rahmen von M&A stellen über die o.g. Bewertung von Human Capital den zweiten zentralen Forschungsbestandteil der vorliegenden Arbeit dar, woraus sich die im nächsten Kapitel dargestellten Ziele ableiten lassen.
2. Ziele und Struktur der Arbeit
Aufgrund der o.g. Problembeschreibung zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, die Frage nach der Bewertbarkeit und Quantifizierbarkeit des bedeutsamsten Wertschöpfungsfaktors unserer Zeit sowie nach der Berücksichtigung der Personenabhängigkeit des Unternehmenserfolgs im Unternehmenswert zu beantworten. Hierzu soll die im Rahmen von M&A anzuwendende HR Due Diligence zur Auseinandersetzung mit dem Human Capital (siehe Kap. III.2) sowie deren Einfluss auf den Unternehmenswert vorgestellt werden. Da die Ergebnisse der HR Due Diligence z.T. nur indirekt im Unternehmenswert eingespeist werden, stellt sich zudem die Frage, welchen Anteil der Human Capital-Wert u.U. am Goodwill des Unternehmenswertes darstellt, aufgrund dessen die Vorstellung quantitativer Bewertungsverfahren in Kap. III.3 erfolgt.
Darüber hinaus zielt die vorliegende Arbeit auf die Vorstellung der personenbezogenen Einflüsse des Inhabers bzw. von Schlüsselpersonen ab (siehe Kap. IV). Zunächst wird die Berücksichtigung der partiellen Übertragbarkeit der Ertragskraft in Form der Modifizierung der prognostizierten Erträge gemäß des IDW Praxishinweises 1/2014 betrachtet. Als weitere Stellschraube zur Berücksichtigung der Personenabhängigkeit wird ein auf den Kapitalisierungszinssatz zu erhebender Risikoaufschlag thematisiert.
Um diese Ziele zu erreichen, kann das Thema der vorliegenden Arbeit anhand folgender Forschungsblöcke operationalisiert werden, deren Beantwortung in Form des Fazits in Kap. VI erfolgt:
1. Welche Methoden gibt es zur Bewertung von Human Capital?
a. Wie wird das Human Capital definiert?
b. Wie erfolgt die z.T. qualitative Bewertung von Human Capital mittels der HR Due Diligence im Rahmen von M&A?
c. Welche Modelle gibt es zur quantitativen HC-Bewertung und welche Grenzen weisen diese auf?
2. Wie wird die Personenabhängigkeit des Unternehmenserfolgs im Mittelstand im Rahmen einer Unternehmensbewertung berücksichtigt?
a. Welche Formen der personenbezogenen Einflüsse gibt es?
b. Inwiefern können prognostizierte Erträge um personenbezogene Einflüsse eliminiert werden?
c. Inwiefern bietet sich eine Modifizierung des Risikozuschlags um das Risiko der Personenabhängigkeit an?
3. Welche Implikationen lassen sich hieraus ableiten?
Unter der Berücksichtigung der Forschungsfragen ergibt sich folgender visualisierte Aufbau der vorliegenden Arbeit:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Struktur der Masterarbeit
II. Forschungsgegenstand und Themenabgrenzung
Die Themeneinordnung der vorliegenden Arbeit erfolgt anhand der Einzelbetrachtung der in Abbildung 2 aufgezeigten Themenbereiche, deren Schnittmenge das Thema der vorliegenden Arbeit – die Bewertung des Human Capitals bzw. der Personenabhängigkeit bei KMUs im Rahmen von M&A – darstellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Themeneinordnung
Die Auseinandersetzung mit der Mittelstandsforschung bzgl. der Definition, Charakteristika und der Motive für M&A ermöglicht eine Begründung der Fokussierung der Arbeit auf Transaktionen im Mittelstand. Da die Analyse von Human Capital im Rahmen von M&A mittels der HR Due Diligence erfolgt, beinhaltet der aufzuzeigende M&A-Forschungsgegenstand Due Diligence-Verfahren allgemein, da diese mit der HR Due Diligence z.T. Schnittstellen aufweisen. Grundlagen der Unternehmensbewertung werden angeschnitten, um die Berücksichtigung der Personenabhängigkeit im Rahmen der Unternehmensbewertung in Kap. IV in diesem Kontext verstehen zu können. Ebenso werden die Besonderheiten für KMUs bei der Unternehmensbewertung angeschnitten, wozu letztlich auch die zu berücksichtigende Personenabhängigkeit zu zählen ist.
1. Mittelstandsforschung
Im Folgenden werden zunächst KMUs definiert und charakterisiert, um begründen zu können, warum die Personenabhängigkeit als vorliegender Untersuchungsgegenstand des Kapitels IV speziell bei diesen Unternehmen vorliegt. Darüber hinaus werden die Gründe für M&A von mittelständischen Unternehmen aufgezeigt, um die Relevanz der Thematik für die Unternehmenspraxis von KMUs zu verstehen.
a. Definition
Literatur, Institutionen und Gesetze bieten diverse Begriffsbestimmungen von KMUs , von denen die Definitionen der EU und des IfM Bonns exemplarisch der folgenden Tabelle zu entnehmen sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Definitionen von KMUs gemäß des IfM Bonn und der EU
Während die Definition des Mittelstandes anhand quantitativer Merkmale erfolgt , werden Familienunternehmen auf qualitativer Basis hinsichtlich der Einheit von Eigentum und Unternehmenstätigkeit charakterisiert, wobei „bis zu zwei natürliche Personen oder ihre Familienangehörigen mindestens 50% der Anteile eines Unternehmens halten und diese natürlichen Personen der Geschäftsführung angehören“. Obgleich es sich nicht um deckungs-gleiche Begriffe handelt , nimmt der in Kap. IV.2.a behandelte IDW-Praxishinweis die Anwendung der Besonderheiten bei der Bewertung von KMUs losgelöst von der Unternehmensgröße basierend auf qualitativen Unternehmensmerkmalen vor , weshalb auch in der vorliegenden Arbeit keine Differenzierung von KMUs und Familienunternehmen vorgenommen wird.
Die Struktur des deutschen Mittelstandes impliziert die Relevanz des Untersuchungsgegenstands der Personenabhängigkeit, wenn die Annahme getroffen wird, dass insbesondere bei kleinen Dienstleistungsunternehmen eine Fokussierung auf den Eigentümer vorliegt: Bei 82% der mittelständischen Unternehmen in Deutschland arbeiten unter 5 Beschäftigte; weitere 9% beschäftigen 5-9 Mitarbeiter. Die Branchenstruktur birgt eine Fokussierung auf den Dienstleistungssektor, da 36% der mittelständischen Unternehmen in der wissensintensiven und weitere 39% in der sonstigen Dienstleistungsbranche tätig sind. Tendenziell ist ‒ bedingt durch die z.T. fehlende funktionierende Governance ‒ bei einem kleinen Handwerksbetrieb mit weniger als 10 Mitarbeitern, in dem der Inhaber selbst mitarbeitet, zwangsläufig von einer stärkeren Personenabhängigkeit als bei einem mittelständischen Industrieunternehmen auszugehen. Doch auch letzteres kann trotz der höheren Mitarbeiteranzahl eine starke Personenbezogenheit aufweisen, sofern bspw. der Unternehmer gleichzeitig als Produktentwickler fungiert und entsprechend stark die operative Ertragskraft prägt.
b. Charakteristika
Aufgrund der „Einheit von Eigentum und Leitung“ sind Führungspersonen in KMUs für alle relevanten Unternehmensentscheidungen verantwortlich. Diese (fast) ausschließliche Fokussierung von Entscheidungsprozessen und -befugnissen auf den Inhaber spiegelt einen organisationalen Aufbau gemäß des „ad personam“-Prinzips wider, welches greift, wenn bspw. ein Chef einer Unternehmensgruppe zugleich die Produktionsleitung der wichtigsten Tochtergesellschaft übernimmt, da er der Meinung ist, dass die Produktion andernfalls Verluste aufweisen könnte.
Die o.g. Einheit gilt als charakteristische Stärke von KMUs, da diese sich durch besonderes Engagement und einem hohen Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Unternehmen im Hinblick auf Unternehmensentscheidungen u.a. bzgl. der Strategie und Finanzabteilung sowie gegenüber der Belegschaft auszeichnen. KMUs können ‒ bedingt durch flache Unternehmenshierarchien ‒ flexibel auf Marktveränderungen reagieren, in deren Zusammenhang ebenso die Charakteristika der Marktnähe sowie der Transparenz zu sehen sind. Während sich KMUs durch eine „stärkere Personal- als Prozessorientierung“ auszeichnen , gilt als Eckpfeiler der Corporate Governance die Nachfolgeregelung, damit im Fall eines Ausfalls der Unternehmensführung Arbeitsplätze und entsprechend die Existenz der Mitarbeiter gesichert sind .
„Der mittelständische Unternehmer wird nur dann erfolgreich sein, wenn er sich seiner Alleinverantwortlichkeit und seiner finalen Entscheidungsfähigkeit bewusst ist und diese auch im unternehmerischen Alltag umsetzt.“
Das in der Literatur als ein Erfolgskriterium von KMUs herausgearbeitete Bewusstsein des Eigentümers im Hinblick auf seine Alleinverantwortung kann jedoch im Rahmen der Nachfolgethematik, bei der, wie aus Kap. IV.1 hervorgeht, personenbezogene Einflüsse mit dem Unternehmensaustritt des Inhabers wegfallen, kritisch gesehen werden. Im Hinblick auf die Eigentümer- bzw. Governance-Struktur von KMUs, welche sich hinsichtlich inhabergeführt, familiengeführt, familienkontrolliert und fremdgesteuert differenzieren lässt, liegt tendenziell die größte Personenabhängigkeit bei einem vom Alleininhaber geführten Unternehmen vor, dessen Ausprägung auf 20% der Familienunternehmen zutrifft. Diese Personenabhängigkeit entsteht, da seine persönlichen Grenzen in Bezug auf seine Ausbildung, seinen Wissensstand, Erfahrungen und Intuition zugleich die Unternehmensgrenzen definieren und insbesondere ein ungeplanter Inhaberausfall für diese Eigentümer- bzw. Governance-Struktur eine relevante Nachfolgeproblematik hervorrufen kann. Hinsichtlich der Entwicklungsphase eines Unternehmens sind insbesondere Jungunternehmen ‒ bedingt durch die starke Abhängigkeit von der Geschäftsidee und der Persönlichkeit des Gründers ‒ von der Personenabhängigkeit betroffen.
Einhergehend mit dieser Fokussierung auf den Unternehmer kann eine weitere charakteristische Schwäche von KMUs das häufig durch eine hohe Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten, Kunden oder Produkten geprägte Geschäftsmodell darstellen. Darüber hinaus sind bei KMUs häufig nur begrenzte Informationsquellen, ein simples, oftmals steuerlich determiniertes Rechnungswesen sowie eine mangelnde formale Unternehmensplanung zu konstatieren. Die einerseits eine Flexibilität implizierenden flachen Hierarchien von KMUs können sich gleichzeitig auch negativ in Form einer mangelnden Funktionstrennung und der damit einhergehenden Schwächung eines internen Kontrollsystems äußern, was jedoch durch die Installation eines unabhängigen Beirats wettgemacht werden kann.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Untersuchungsgegenstand der Personenabhängigkeit (siehe Kap. IV) bei der Bewertung von Unternehmen als relevant gilt, sofern diese ‒ unabhängig von ihrer Unternehmensgröße ‒ charakteristische Strukturen von KMUs, insbesondere die Einheit von Eigentum und Unternehmensführung sowie die organisationale Gestaltung gemäß des „ad personam“-Prinzips betreffend, aufweisen.
c. Motive für M&A
Trotz der hohen wirtschaftlichen Bedeutung, die KMUs mittels der Bezeichnung als Rückgrat der Wirtschaft beigemessen wird , weisen diese Unternehmen häufig die charakteristische Schwäche eingeschränkter Finanzierungsmöglichkeiten auf, wie die geringe EK-Quote des Mittelstandes, die im Jahr 2013 auf 28,6% angestiegen ist, impliziert . Gleichzeitig weisen KMUs im Vergleich zu Konzernen strukturell einen höheren Kapitalbedarf auf: Gründe hierfür stellen u.a. die im Rahmen eines jeden Generationswechsels anfallende Erbschaftssteuer sowie das Entnahmebedürfnis zur Existenzsicherung auch in unternehmensschwierigen Zeiten, woraus die Herausforderung der Liquiditätssicherung resultiert. Inwiefern das Wachstum sowie eine Refinanzierung für KMUs von Bedeutung sind, wird u.a. vom Familieneinfluss sowie von der Unternehmensgröße determiniert.
Darüber hinaus kann die o.g. niedrige EK-Quote und die damit einhergehenden beschränkten Finanzierungsmöglichkeiten das Interesse an M&A-Transaktionen, welche neben Finanz- und strategischen Investoren, Venture Capital, Private Equity und einem IPO als eine der EK-Finanzierungsmöglichkeiten für den Mittelstand gilt , begründen. Eine Erhöhung der EK-Quote von KMUs würde nicht nur zu einer verbesserten Verhandlungsposition gegenüber Banken führen, sondern darüber hinaus auch die Nutzung von Wertsteigerungspotenzialen ermöglichen. Ebenso ist im Rahmen einer Unternehmensnachfolgeregelung – insbesondere im Fall eines MBIs oder eines MBOs – eine gestärkte Eigenkapitalbasis von Bedeutung: Bei hohen Transaktionspreisen kann ein übernehmendes Management das notwendige Kapital häufig nicht alleine aufbringen, sodass die Transaktion nur mit einem dem Management zur Seite stehenden finanzstarken Partner abgeschlossen wird. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund eines LBOs zu betrachten, da hierbei der Kaufpreis z.T. über Fremdkapital finanziert wird, dessen Bedienung i.d.R. aus dem Cashflow des akquirierten Unternehmens erfolgt, weshalb es einer die Erhöhung des Cashflows erzielenden Unternehmenswertsteigerung bedarf.
Über die Finanzierungsmöglichkeiten hinausgehend stellen zudem ein ansteigender Wettbewerbsdruck, persönliche und profitorientierte Gründe, Erbfälle sowie die externen Einflussfaktoren in Form des Kapitalmarkts und Wettbewerbsfaktoren Gründe für M&A im Mittelstand dar. Als wichtigster interner Einflussfaktor auf M&A gilt jedoch die mangelnde familieninterne Nachfolgeregelung, die neben Spin-Offs von Konzerntöchtern den deutschen M&A-Markt determiniert. Obwohl die familieninterne Nachfolge als häufig präferierte Nachfolgeform gilt, kann diese, u.a. aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit sowie aufgrund der Schwierigkeit der Nachfolgefinanzierung ‒ bedingt durch etwaige Steuer- oder Zahlungsverpflichtungen gegenüber Erben bzw. Pflichtanteilsberechtigter ‒ nicht immer erreicht werden: Der in Deutschland jährlich von ca. 71.000 Unternehmen vollzogene Eigentümerwechsel erfolgt lediglich in 43,8% der Fälle familienintern. 8,3% der übergabereifen Unternehmen, die 33.500 Beschäftigte hatten, mussten im Zeitraum von 2005 bis 2009 aufgrund eines fehlenden Nachfolgers stillgelegt werden, weshalb die Sicherung der Unternehmensnachfolge als eine der „größten Herausforderungen im eigentümergeführten Mittelstand“ gilt. Im Rahmen der familienfremden Nachfolge wird der MBO bzw. MBI präferiert; eine weitere Möglichkeit bildet der Verkauf an einen Finanz- oder strategischen Investor, von denen insbesondere letzterer am (technischen) Know-how, an Patenten oder am Kundenstamm interessiert ist , sodass für ihn das in Kap. IV betrachtete Thema der personenbezogenen Einflüsse besonders relevant sein dürfte.
2. M&A-Forschung
Aufgrund des im vorherigen Kapitel aufgezeigten Anstiegs der Gründe für M&A sowie weiterer steuerlicher und rechnungslegungsbezogener Gründe steigt das Interesse seitens von KMUs an dem eigenen Unternehmenswert und damit einhergehend die Bedeutung der im Rahmen von Unternehmensbewertungen durchzuführenden Due Diligence-Verfahren.
Da die Auseinandersetzung mit dem Human Capital als ein Themenbereich der vorliegenden Arbeit im Rahmen von M&A mittels der HR Due Diligence erfolgt und dieses Prüfungsgebiet Schnittstellen zu anderen Due Diligence-Verfahren ausweisen kann, indem u.U. die im Rahmen der FDD aufbereitete Lohnübersicht sowie die im Rahmen der Legal Due Diligence betrachteten arbeitsrechtlichen Regelungen in die HR Due Diligence einbezogen werden, beinhaltet dieses Kapitel zunächst eine Übersicht der Due Diligence-Verfahren.
Um eine solide Verständnisbasis für die im Kontext der Unternehmensbewertung zu betrachtende Personenabhängigkeit zu erzielen, schließen sich an die Due Diligence-Verfahren Grundlagen zur Unternehmensbewertung sowie Besonderheiten diesbezüglich für KMUs an.
a. Due Diligence-Verfahren zur Datenerhebung
Linguistisch betrachtet bedeutet der englische Begriff Due Diligence „mit gebotener Sorgfalt“ bzw. „prospektive Risikoprüfung“ . Trotz der fehlenden rechtlichen Durchführungspflicht im Rahmen von M&A in Deutschland wird insbesondere den klassischen Verfahren Financial, Tax und Legal Due Diligence ‒ bedingt durch die herrschende Durchführungspraxis ‒ der „Rang einer Verkehrssitte“ zugesprochen, weshalb ein Verzicht auf die Due Diligence seitens des Erwerbers als grobe Fahrlässigkeit bewertet wird. Während die Due Diligence ursprünglich ausschließlich im Vorfeld einer Akquisition durchgeführt wurde, ist diese inzwischen bei vielfältigen Transaktionsarten wie bspw. Umstrukturierungen verbreitet. Die inhaltliche Ausgestaltung des Prüfkatalogs wird von der Transaktionsart, dem Transaktionsziel, vom Zielunternehmen und der Branchenzugehörigkeit determiniert.
Einzelne Risikofelder werden u.a. im Rahmen der Financial, Commercial, Tax, Legal sowie der im Rahmen der vorliegenden Arbeit relevanten HR Due Diligence adressiert. Einzelne für die Betrachtung der HR Due Diligence relevanten Schnittstellen ergeben sich u.a. im Rahmen der Durchführung der Legal Due Diligence, welche sich der Prüfung rechtlicher Risiken annimmt und entsprechend neben urheber- und kartellrechtliche auch arbeitsrechtliche Aspekte analysiert werden. Eine weitere Schnittstelle weist das HC mit der Unternehmenskultur auf, deren gemeinsame Analyse im Rahmen einer sog. Psychological Due Diligence erfolgt, die insbesondere bei Startups aufgrund der mangelnden klassischen Analyseparameter sowie im Rahmen von strategischen Transaktionen, bei denen die organisatorische Integration des Akquisitionsobjektes als ein potenzieller Erfolgsfaktor angesehen wird, von großer Bedeutung ist, da der psychologische Anteil der Organisation einen erheblichen Einfluss auf die Flexibilität im Unternehmen und u.U. auf die Mitarbeitereffizienz ausübt. Die Herausforderung dieser Due Diligence impliziert jedoch der Bewertungsgegenstand als solcher: Aufgrund der Schwierigkeit der Quantifizierung der Auswirkungen von „Soft Facts“ lassen sich Regeln für die Durchführung nur beschränkt darstellen. Das im engen Zusammenhang zur HR Due Diligence zu betrachtende Management Audit wird über M&A hinausgehend bei HR-Fragen wie bspw. der Nachfolgethematik eingesetzt und aufgrund der thematischen Nähe ebenfalls in Kap. III.2 angeschnitten.
Obwohl die Legal Due Diligence sowie die in Form von KPIs der Vermögens- und Kapitalstruktur, der Ertrags- und Rentabilitätslage sowie des operativen Geschäfts ermittelte Datenbasis der Financial Due Diligence als wichtigster Prüfungsgegenstand gelten, sind letztlich die an der Transaktion beteiligten Menschen ausschlaggebend für den Erfolg einer Transaktion , die im Rahmen der im folgenden Kapitel dargestellten HR Due Diligence im Fokus stehen.
b. Methoden der Unternehmensbewertung
Um die Wahl der Modifizierungsstellschrauben zur Berücksichtigung der Personenabhängigkeit in Kap. IV zu verstehen, bietet sich an dieser Stelle ein Blick auf die in Abb. 3 dargestellten unterschiedlichen Funktionen der Unternehmensbewertung gemäß des IDW an.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Einflussfaktoren auf den Unternehmenswert
Während der WP als „neutraler Gutachter“ für die Ermittlung eines „objektivierten, von den individuellen Wertvorstellungen betroffener Parteien unabhängigen“ Unternehmenswertes verantwortlich ist, welcher sich bei „unveränderter Konzeption und mit allen realistischen Zukunftserwartungen im Rahmen seiner Marktchancen und -risiken, finanziellen Möglichkeiten sowie sonstigen Einflussfaktoren ergibt“ , wird der objektivierte Unternehmenswert im Fall einer Beratungsfunktion um subjektive Annahmen des Auftraggebers bzgl. einzuleitender Strukturveränderungen und potenzieller Synergieeffekte modifiziert. Die die individuelle Erfolgs- und Risikobewertung beider Transaktionsparteien berücksichtigende Schnittmenge der Kaufpreisspanne bildet den sog. „Verhandlungs- oder Eignungsbereich“ im Rahmen der Kaufpreisermittlung. Zwar muss eine Unternehmensbewertung „auf objektivierten Grundlagen“ – die Unternehmenssituation betreffend – beruhen und für Dritte nachvollziehbar und validierbar sein, jedoch gibt es unter ökonomischen Gesichtspunkten keinen objektiv richtigen Unternehmenspreis, da es sich beim Unternehmenswert vielmehr „um eine subjektive Angelegenheit mit einer Brandbreite von verschiedenen Unternehmenswerten“ handelt. Aus diesem Grund dienen Bewertungsverfahren primär als Argumentationshilfe.
Die nachfolgende Abbildung dient der Einordnung der im Rahmen der vorliegenden Arbeit thematisierten Multiplikatorverfahren (siehe Kap. IV), Liquidationswertverfahren (siehe Kap. IV.2.d) und Ertragswertverfahren (siehe Kap. IV.2.a).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Exemplarische Übersicht von Bewertungsverfahren
Das Ertragswertverfahren stellt den größten Untersuchungsgegenstand in Kap. IV.2 dar, weshalb folgende Grundlagen dem Verständnis dienen sollen. Im Rahmen der kapitalwertorientierten Verfahren erfolgt eine Diskontierung der Prognosewerte – zukünftige Erträge bzw. Cashflows – mit Hilfe des Kapitalisierungszinssatzes auf den Bewertungsstichtag. Dem Kalkulationszinssatz wird die ökonomische Bedeutung der aufgrund der getätigten Investition in das Bewertungsobjekt am Kapitalmarkt entgangenen Rendite beigemessen, weshalb es einer Äquivalenz u.a. der Investitionslaufzeiten und zukünftigen Zahlungsströme, Ausfallrisiken und Besteuerung zwischen dem Bewertungsobjekt und der des verwendeten Zinssatzes zugrunde liegenden Alternativanlage bedarf. Die Ermittlung des Zinssatzes erfolgt über ein zweistufiges Verfahren: Bedingt durch die i.d.R. gegebene Langfristigkeit der Investition in Unternehmen werden die am Bewertungsstichtag erzielbaren Renditen für langfristige Kapitalanlagen berechnet. Anschließend erfolgt i.d.R. eine Erhöhung des Kapitalmarktzinses um einen Risikozuschlag, der mit Hilfe des CAPM-Modells aus den Kursdaten eines nach Möglichkeit dem Risikoprofil des Bewertungsobjektes äquivalenten Aktienportfolios errechnet wird.
Während die internationale Bewertungspraxis sich üblicherweise dem DCF-Modell bedient , findet bei der Bewertung von KMUs das Ertragswertverfahren am häufigsten Anwendung, gefolgt vom Stuttgarter-, Multiplikator- und DCF-Verfahren. Schlusslichter bilden gemäß dieser Untersuchung das Substanzwert-, das Zuschlags- und Liquidationsverfahren. Kommt es jedoch im Rahmen der Nachfolgeregelung von KMUs zu einer starken Unsicherheit über die Fortführbarkeit der Geschäftstätigkeit als Folge des Ausscheidens des Alt-Inhabers, sodann stellt sich die Frage, inwiefern eine Modifizierung der Gesamtbewertungsverfahren ausreicht oder ob die Anwendung eines Einzelbewertungsverfahrens notwendig wäre, weshalb über die in Kap. IV.2.a aufgezeigte Modifizierung des Ertragswertverfahren hinausgehend das den Einzelbewertungsverfahren zugehörige Liquidationswertverfahren in Kap. IV.2.d thematisiert wird.
c. Besonderheiten bei KMUs
Die Unternehmensbewertung von KMUs erfordert Fingerspitzengefühl aufgrund der u.U. vorliegenden Unkenntnis bzgl. des eigenen Unternehmenswertes sowie der Heterogenität von KMUs bzgl. Fachwissen, Erfahrungshorizont und Eignung bzgl. M&A. Aus den oben beschriebenen Charakteristika von KMUs lassen sich folgende Transaktionsspezifika im Mittelstand ableiten: Während kürzere Kommunikationswege und die schnellere und flexiblere Abwicklung des Transaktionsprozesses vorteilhaft sind, ist die begrenzte Mitarbeiteranzahl zur Durchführung von Due Diligence-Prüfungen sowie die emotionale Bindung des Inhabers an sein Lebenswerk nachteilig. Darüber hinaus gelten M&A-Prozesse bei KMUs oftmals als umfangreicher und schwieriger aufgrund möglicher „Schwächen im internen Kontrollsystem“, unzureichender Berichtsysteme und der Fokussierung auf den Inhaber als zentraler Wissensträger des Unternehmens. Ferner gilt bei mittelständischen Unternehmen insbesondere die Intransparenz der Marktpreise für Unternehmen als weitere Hürde im Rahmen der Unternehmensnachfolge aufgrund der mangelnden Transaktionsdaten , weshalb das Multiplikatorverfahren aufgrund der – bedingt durch die Unbekanntheit der Unternehmensstrukturen – u.U. nicht adäquaten Branchen-Peergroup lediglich als grobe Indikation bzw. der Plausibilisierung eines zuvor ermittelten Unternehmenswerts fungieren kann . Aus diesem Grund werden im Folgenden die Besonderheiten bei der Durchführung der in Abbildung 4 (siehe Kap. II.2.b) dargestellten kapitalwertorientierten Bewertungsverfahren fokussiert.
Um für die in Kap. IV.2 beschriebene Modifizierung der zukünftigen Erträge unter Berücksichtigung der Personenabhängigkeit eine valide Datengrundlage zu schaffen, bedarf es zunächst der Betrachtung der Bewertung von KMUs, da diese nicht als sog. „Unternehmensbewertung light“ angesehen werden kann: Der IDW Praxishinweis 1/2014 sieht keine Vereinfachungen für die Bewertung von KMUs vor, sodass der IDW S 1 i.d.F.2008 auch für KMUs als Bewertungsbasis bestehen bleibt und die Durchführung einer Due Diligence bei KMUs „nach den allgemeinen Regelungen“ in allen „für das Gesamtbild des Unternehmens wesentlich[en]“ Bereichen erfolgt . Jedoch erfordert die Unternehmensbewertung von KMUs – wie aus dem in Abbildung 5 dargestellten schematischen Ablauf zu entnehmen ist – vor dem Hintergrund der „Individualität der Unternehmer und ihrer Unternehmen“ diverse Anpassungen:
Zunächst bedarf es einer „Abgrenzung des Bewertungsobjekts“ gemäß IDW S1 hinsichtlich des betrieblichen und privaten Vermögens. Es folgt eine im Hinblick auf Vollständigkeit und Verlässlichkeit zu prüfende Vergangenheitsanalyse sowie die Erstellung einer z.T. bei KMUs nicht immer vorliegenden integrierten Planungsrechnung.
Die qualitative Analyse kann in Form der diversen Due Diligence-Verfahren Anwendung finden (siehe Kap. II.2.a) und dient u.a. der Beurteilung der Unternehmensstruktur im Hinblick auf die Corporate Governance in Bezug auf die personelle Abhängigkeit, deren Ausprägungen Kap. IV.1 zu entnehmen sind, der Kunden- und Lieferantenstruktur, der Marktposition sowie der Unternehmensstrategie. Die quantitative Analyse erfolgt auch bei KMUs mit Hilfe der traditionellen Bilanzanalyse – die Erfolgs- und Finanzanalyse beinhaltend. Hierzu erfolgt eine Bereinigung der Finanzdaten, da i.d.R. steuerlich orientierte Jahresabschlüsse vorliegen und somit u.U. im Privatvermögen gehaltene Grundstücke im Anlagevermögen bilanziert sind. Weitere Betrachtungsfelder bilden der kalkulatorische Unternehmerlohn, die Finanzierung, die persönliche Haftung sowie persönliche Steuern. Basierend auf den bereinigten Finanzdaten erfolgt die Erstellung der Planungsrechnung , deren Adjustierung u.a. in Form der Abschmelzung der Erträge unter Berücksichtigung der Personenabhängigkeit – wie in Kap. IV.2 beschrieben – erfolgen kann.
Die anschließende Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes mit Hilfe des CAPM-Modells birgt die Schwierigkeit, adäquate Vergleichsunternehmen zu finden, weshalb die Bemessung des Risikozuschlags einer subjektivierten Wertermittlung gleicht, deren Wertauswirkungen – der mangelnden Objektivität und der Schwierigkeit der Quantifizierung zum Trotz – mit Hilfe von Sensitivitätsrechnungen überprüft werden sollte. Der ermittelte Zinssatz kann unter Berücksichtigung der Risikoanalyse modifiziert werden und bietet somit eine zur Abschmelzung der Erträge alternative Vorgehensweise der Berücksichtigung der Personenabhängigkeit, die Gegenstand des Kapitels IV.3 ist. Anschließend kann die klassische Barwertermittlung mit Hilfe der in Kap. II.2.b abgebildeten Verfahren der Unternehmensbewertung ‒ in diesem Fall das DCF- bzw. Ertragswertverfahren ‒ vorgenommen werden.
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- Kristin Lethaus (Author), 2015, Human Capital als Gegenstand der Unternehmensbewertung im Rahmen von M&A-Transaktionen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1308720
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