Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) und untersucht bestehende Strukturen sowie Hilfen. Es erfolgt eine Darstellung, welche Hilfsangebote im Kyffhäuserkreis aktuell vorliegen und welche neuen Regelungen des KJSG Einfluss darauf nehmen können. Ferner wird untersucht, ob sich die interpersonellen Beziehungen unter den aktuellen Bedingungen der Sars-CoV-2-Pandemie geändert haben. Der Fokus aller Untersuchungen liegt auf der Trias zwischen Pflegekindern, Herkunftsfamilien und Pflegefamilien des Kyffhäuserkreises in Thüringen.
Im ersten Teil wird konkretisiert, welche Auswirkungen das KJSG auf das SGB VIII hat. Dabei werden nur die Paragrafen erläutert, bei denen ein möglicher Zusammenhang zum Pflegekinderwesen des Landratsamtes im Kyffhäuserkreis bestehen könnte.
Im zweiten Teil wird erklärt, wie das Pflegekinderwesen strukturiert ist und welche Pflegeformen rechtlich möglich sind. Ein Kapitel widmet sich bestehenden regionalen Hilfsangeboten der freien Träger als Basis für eine Weiterentwicklung derer oder einer Projektierung neuer Möglichkeiten im Kontext des KJSG. Bestehende wie auch potenziell neue Hilfsangebote werden unter dem Schwerpunkt der Beziehungsstabilisierung der obengenannten Trias untersucht.
Im dritten Teil werden die Forschungsergebnisse zweier Umfragen an Herkunftsfamilien und an Pflegefamilien präsentiert. Zum Erkenntnisgewinn wurden zwei Online-Fragebögen veröffentlicht, die über eine deduktive und quantitative Sozialforschung deskriptiv analysiert und dokumentiert werden. Die Ergebnisse werden anhand sozialarbeiterischer Aspekte untersucht und eingeschätzt. Anschließend werden die Umfrageergebnisse zusammengefasst und die aufgestellten Hypothesen beantwortet. Im vierten Teil werden die neuen Gesetzesänderungen und die Erkenntnisse der Umfrage in die sozialarbeiterische und sozialpädagogische Praxis überführt.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Gegenstand der Abhandlung
1.2 Gliederung und methodisches Vorgehen
2 Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz
2.1 Gender Mainstreaming und Identitäten
2.2 Hilfen zur Selbsthilfe
2.3 Inter- und Transdisziplinarität / Netzwerkarbeit
2.4 Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
2.5 Beteiligung Betroffener mit präventiver Wirkung
2.6 Die Macht der Sprache
2.7 Erweiterung der Beteiligten / Ganzheitlichkeit
2.8 Ombudsstellen
2.9 Mitgestaltung von Beratungsgesprächen
2.10 Verfahrenslotse
2.11 Hilfen zur Erziehung
2.12 Notsituationen
2.13 Individualbetreuung
2.14 Inklusion in Tageseinrichtungen
2.15 Berücksichtigung von Geschwistern im Hilfeplan
2.16 Zuständigkeitsübergang im Hilfeplan
2.17 Beratung und Unterstützung von Herkunftsfamilien und Pflegefamilien
2.18 Beratung und Unterstützung für Pflegefamilien
2.19 Rechte von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien
2.20 Abwägung der Verbringung des Kindes in einer Pflegefamilie / Hilfeplan
2.21 Nach Beendigung der Hilfen / Hilfeplan
2.22 Schutzkonzepte in Einrichtungen
2.23 Einrichtungen mit und ohne Betriebserlaubnis
3 Das Pflegekinderwesen im Kyffhäuserkreis
4 Pflegeformen und zugehörige Hilfen
4.1 Vollzeitpflege und mögliche Hilfsformen
4.1.1 Hilfen zur Erziehung
4.1.2 Eingliederungshilfe
4.1.3 Hilfe für junge Volljährige
4.1.4 Inobhutnahme
4.1.5 Privates Pflegeverhältnis
4.1.6 Adoptionspflege
4.2 Herausforderungen an Pflege- und Herkunftsfamilien sowie an Fachkräfte
4.2.1 Pflegefamilien
4.2.2 Herkunftsfamilien
4.2.3 Herkunftsfamilien und Herausforderungen an Fachkräfte
4.3 Trennung der Kinder von Herkunftsfamilien
5 Auswertung der Befragung von Herkunfts- und Pflegefamilien
5.1 Forschungsfrage und Hypothesen
5.2 Angewandte Methoden
5.2.1 Studiendesign und Untersuchungsform
5.2.2 Studienpopulation und Stichprobe
5.2.3 Erhebungsinstrument
5.2.4 Durchführung
5.2.5 Datenanalyse
5.3 Ergebnisse der Stichproben
5.3.1 Lebensalter und eigene Kinder (Pflegefamilie)
5.3.2 Berufliche Aktivitäten
5.3.3 Kontakt zwischen Pflege- und Herkunftsfamilien
5.3.4 Kontaktabbrüche
5.3.5 Treffen zwischen Pflegekind und Herkunftsfamilien
5.3.6 Folgen von Treffen
5.3.7 Wahrnehmung des Entscheidungsfreiraumes
5.3.8 Unterstützungsbedarf in Lebensbereichen
5.3.9 Veränderungen der interpersonellen Beziehungen während der Sars-CoV-2-Pandemie
5.4 Zusammenfassung der Erkenntnisse - Diskussion
5.5 Beantwortung der Hypothesen
5.5.1 Herkunftsfamilien geben zunächst ihre Kinder nur interimsweise in Pflegefamilien, um prekäre lebensweltliche Herausforderungen zu bewältigen
5.5.2 Pflegefamilien streben den Erhalt des Kontaktes zu den Herkunftsfamilien an
5.5.3 Die Auswirkungen des KJSG stellen einen Förderfaktor für Pflegekinder, Herkunfts- und Pflegefamilien dar
6 Ableitungen neuer oder ergänzender Hilfen
6.1 Freie Träger der Kinder- und Jugendhilfe im Kyffhäuserkreis
6.2 Tätigkeitsfelder
6.3 Kontakt zur Herkunftsfamilie
6.4 Loyalitätskonflikte
6.5 Traumapädagogik und Biografiearbeit
6.6 Pädagogische Unterstützungen
6.7 Grundlegendes aus dem KJSG
7 Fazit
8 Würdigung und Danksagung
9 Appendix-Verzeichnis
10 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gekürzte Strukturen des Landratsamtes Kyffhäuserkreis
Abbildung 2: Hilfen für (junge) Volljährige
Abbildung 3: Hilfen für (junge) Volljährige mit seelischen Behinderungen
Abbildung 4: Trias Pflegekind, Herkunfts- und Pflegefamilie, Pflegekinderwesen
Abbildung 5: Interpretation Cramérs V
Abbildung 6: Prozentuale Verteilung nach Beschäftigungen der Pflegefamilien
Abbildung 7: Häufigkeit und Setting der Treffen zwischen Herkunfts- und Pflegefamilien
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Aufgaben des Pflegekinderwesens im Kyffhäuserkreis
Tabelle 2: Gewaltinduzierte Handlungen nach Gewaltformen
Tabelle 3: Freie Träger im Kyffhäuserkreis, Zuständigkeiten und Hilfeformen
Abkürzungsverzeichnis
In alphabetisch aufsteigender Reihenfolge:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Zum Lieben sind wir da, nicht zum Hassen, denn wir sind neurobiologisch auf soziale Resonanz und Kooperation angelegt. So ist unsere biologische Reaktion eng verwoben mit unserer Psychologie, mit unserer Seele.“
Prof. Dr. med. Joachim Bauer
Neurowissenschaftler, Facharzt und Psychotherapeut (2007)
1 Einleitung
Am 3. Juni 2021 hatte der Bundestag der Bundesrepublik Deutschland (kurz: BRD) ein neues Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen beschlossen. Das neue Kinder- und Jugendstärkungsgesetz wurde am 9. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt Teil 1 Nr. 29 verkündet und veranlasste umfangreiche Neuerungen und Änderungen, die sich hauptsächlich auf das Achte Buch Sozialgesetzbuch auswirkten (vgl. BGBl. I, 1444-1461). Es ergaben sich außerdem Änderungen bei den Fünften, Neunten und Zehnten Büchern Sozialgesetzbuch (vgl. ebd., 1461-1463). Des Weiteren wurden Inhalte des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (vgl. ebd., 1461), des Bürgerlichen Gesetzbuches, des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, des Jugendgerichtsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz geändert (vgl. ebd., 1463–1464).
Die Neuregelungen innerhalb des SGB VIII können Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ermöglichen, einen Nachteilsausgleich zu erhalten, in einer unbelasteten Lebenswelt aufzuwachsen und gesellschaftlich zu partizipieren. Der Kinder- und Jugendschutz wurde erweitert und die Rechte von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien oder Institutionen der Erziehung gestärkt. Regional können auf Basis des KJSG neue und interdisziplinäre Präventiv- und Hilfsangebote geschaffen werden, die mehr Teilhabe von Pflegekindern, Herkunftsfamilien und Pflegefamilien ermöglichen können. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung oder solchen, die von Behinderungen bedroht sind (vgl. Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG) 15.06.2021).
Gemäß der letzten Datenerhebung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2021 erfolgten im Jahr 2020 45.444 Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen innerhalb der BRD. Der häufigsten Gründe für die Trennung eines Kindes von seinen leiblichen Eltern bestand in einer dringenden Kindeswohlgefährdung sowie auf eigenem Wunsch. Dass leibliche Eltern die Trennung ihres Kindes initiiert haben, liegt häufig in Beziehungsproblemen sowie Überforderungen bei psychologischen bzw. physischen Störungen oder Erkrankungen begründet (vgl. Kinderschutz: Jugendämter nahmen 2020 rund 45 400 Kinder in Obhut 2021). Daher wird bei der Auslegung der Novellierungen durch das neuen KJSG und bei der Interpretation der empirischen Ergebnisse ein besonderer Fokus auf die Kontaktfähigkeit zwischen Herkunfts- und Pflegefamilien gelegt.
1.1 Gegenstand der Abhandlung
Das neue KJSG bietet einen willkommenen Anlass, bestehende Strukturen sowie Hilfen zu untersuchen. Auf Basis neuer Erkenntnisse durch eine Analyse der bisherigen Hilfsangebote sollen, orientiert an den Bedürfnissen der Adressat:innen, existierende Hilfsangebote erweitert oder neue realisiert werden. In diesem Kontext erfolgt eine Darstellung, welche Hilfsangebote im Kyffhäuserkreis aktuell vorliegen und welche neuen Regelungen des KJSG Einfluss darauf nehmen können. Ferner wird untersucht, ob sich die interpersonellen Beziehungen unter den aktuellen Bedingungen der Sars-CoV-2-Pandemie geändert haben (vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung o. D.). Der Fokus aller Untersuchungen liegt auf der Trias zwischen Pflegekindern, Herkunftsfamilien und Pflegefamilien des Kyffhäuserkreises in Thüringen.
In Thüringen ist für den Kinder- und Jugendschutz, und somit ebenfalls für das Pflegekinderwesen des Kyffhäuserkreises, der Landesausschuss für Bildung, Jugend und Sport zuständig. Der derzeitige Stand der Umsetzung des KJSG in Thüringen wurde beim Ausschussvorsitzenden MdL Torsten Wolf (DIE LINKE) angefragt. Ein Antwort erfolgte durch einen Referenten, der angab, dass „das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz im Bildungsausschuss des Thüringer Landtages und auch durch Anfragen im Plenum des Landages [sic] noch keine Rolle gespielt [..]“ hat (Kachel 11.01.2022). Demnach stellt diese Arbeit für den Kyffhäuserkreis erste wichtige Erkenntnisse zusammen.
Vor diesen Hintergründen ergeben sich folgende drei Hypothesen, die durch die Onlinebefragung beantwortet werden soll:
Herkunftsfamilien geben zunächst ihre Kinder nur interimsweise in Pflegefamilien, um prekäre lebensweltliche Herausforderungen zu bewältigen.
Pflegefamilien streben den Erhalt des Kontaktes zu den Herkunftsfamilien an.
Die Auswirkungen des KJSG stellen einen Förderfaktor für Pflegekinder, Herkunfts- und Pflegefamilien dar.
Eine letzte Erhebung aus dem Jahr 2019 ergab, dass im Kyffhäuserkreis 74.212 Einwohner:innen bei gleichzeitig fallender Tendenz lebten (vgl. Statistisches Bundesamt 2021, 50). Aktuell befinden sich unter den Einwohner:innen 92 Pflegekinder, die in 72 Pflegefamilien untergebracht sind (vgl. Rosenau 07.12.2021, 1). Bundesweit ist die Anzahl von Kindern in Pflegefamilien tendenziell gestiegen. Eine Erfassung aus dem Zeitraum von 2008 bis 2017 verzeichnet einen Anstieg von 60.347 auf 81.412 Minderjährige in Vollzeitpflege. Die Erfassung berücksichtigt alle innerhalb des Erfassungsjahres abgeschlossenen und über das Jahresende hinaus andauernden Hilfen (vgl. Deutscher Bundestag 23.4.2019, 3). Diese bundesweite Tendenz spiegelt sich ebenfalls im Kyffhäuserkreis wider (vgl. ebd. 07.12.2021, 1). In diesem Kontext wird untersucht, ob die Strukturen und Hilfsangebote des Pflegekinderwesens parallel zu den Fallzahlen gewachsen sind.
1.2 Gliederung und methodisches Vorgehen
Die vorliegende Arbeit lässt sich vierteilen. Im ersten Teil (Kapitel 2) wird konkretisiert, welche Auswirkungen das KJSG auf das SGB VIII hat. Dabei werden nur die Paragrafen erläutert, bei denen ein möglicher Zusammenhang zum Pflegekinderwesen des Landratsamtes im Kyffhäuserkreis bestehen könnte.
Im zweiten Teil (Kapitel 3 und 4) wird erklärt, wie das Pflegekinderwesen strukturiert ist und welche Pflegeformen rechtlich möglich sind. Ein Kapitel widmet sich bestehenden regionalen Hilfsangeboten der freien Träger als Basis für eine Weiterentwicklung derer oder einer Projektierung neuer Möglichkeiten im Kontext des KJSG. Bestehende wie auch potentiell neue Hilfsangebote werden unter dem Schwerpunkt der Beziehungsstabilisierung der obengenannten Trias untersucht.
Im dritten Teil (Kapitel 5) werden die Forschungsergebnisse zweier Umfragen an Herkunftsfamilien und an Pflegefamilien präsentiert. Zum Erkenntnisgewinn wurden zwei Online-Fragebögen veröffentlicht, die über eine deduktive und quantitative Sozialforschung deskriptiv analysiert und dokumentiert werden. Die Ergebnisse werden anhand sozialarbeiterischer Aspekte untersucht und eingeschätzt. Anschließend werden die Umfrageergebnisse zusammengefasst und die aufgestellten Hypothesen beantwortet (Kapitel 5). Im vierten Teil (Kapitel 6) werden die neuen Gesetzesänderungen und die Erkenntnisse der Umfrage in die sozialarbeiterische und sozialpädagogische Praxis überführt. Abgeschlossen wird diese Arbeit mit einem Fazit sowie einer Würdigung und Danksagung an alle Beteiligten. Im Appendix befinden sich alle nicht öffentlich zugänglichen Quellen.
Zur Feingliederung werden innerhalb der Arbeit gezielt die Begriffe Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im entsprechenden Kontext angewendet. Als Kinder werden gemäß § 7 SGB VIII alle junge Menschen bis zur Vollendung des 13. Lebensjahres bezeichnet. Jugendliche befinden sich in der Altersspanne zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr und junge Erwachsene in der Altersspanne zwischen dem 18. und 27. Lebensjahr. Auf eine Reflexion historischer Entwicklungen und Zusammenhänge zu aktuellen Gegebenheiten wird in dieser Arbeit verzichtet. Dafür finden jedoch aktuelle Erkenntnisse aus Forschung und Politik in den Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Pflegekinderhilfe Einzug.
2 Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz
Wie bereits in der Einleitung beschrieben, wurde 2021 ein neues Gesetz zur Stärkung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen verabschiedet. In diesem Kapitel werden relevante Paragrafen des KJSG aufgeführt und unter sozialarbeiterischen Aspekten untersucht und erklärt.
Die geänderten Paragrafen des SGB VIII und die zugehörigen Artikel des KJSG werdenfetthervorgehoben, die Chronologie der Änderungen folgt der Reihenfolge der Artikel des KJSG. Mitunter kann es vorkommen, dass Sachverhalte über mehrere Paragrafen bzw. Artikel verteilt sind. Um den Gesamtkontext zu erhalten, werden Gemeinsamkeiten innerhalb eines Absatzes zusammengefasst.
2.1 Gender Mainstreaming und Identitäten
Nachdem die ArbeitsgruppeGender Mainstreamingbereits 2005 mit demEQUAL-Leitfaden zu Gender MainstreamingHandlungsempfehlungen für die Gleichstellung biologischer und sozialer Geschlechter für alle EU-Staaten herausgegeben hat (vgl. Arbeitsgruppe Gender Mainstreaming der Europäischen Kommission 2005, 9), wurde das Gender Mainstreaming ebenso imArt. 1 Nr. 1b KJSGberücksichtigt. So wurde die Überschrift von§ 9 SGB VIIIwie folgt geändert: „In der Angabe zu § 9 werden die Wörter ‚Jungen und Mädchen‘ durch die Wörter ‚jungen Menschen‘ ersetzt“.
Diese kleine, jedoch relevante Änderung hat entwicklungspsychologisch für junge Menschen inmitten ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsausbildung eine starke Signalwirkung. Die individuell ausgeprägte Identität, unter starkem Einfluss ethnischer, kultureller, sozialer, politischer wie auch geschlechtsbezogener Erfahrungen, stellt ein Alleinstellungsmerkmal von Individuen dar, dient der Orientierung in Gesellschaft, Politik sowie Kultur und fördert die Persönlichkeitsentwicklung durch selbstreflektierende intrinsische und extrinsische Prozesse (vgl. Deutscher Verein für Öffentliche und Private Fürsorge 2011, 430). Durch den Verzicht auf binäre Geschlechtsbezeichnungen fühlen sich die Adressat:innen wahrgenommen, berücksichtigt und innerhalb der Gesetzgebung involviert. Die geschlechtsneutralen Bezeichnungen wurden in sämtlichen aktualisierten Inhalten des SGB VIII entsprechend angepasst und wurden bspw. ebenfalls inArt. 1 Nr. 10b KJSG(Änderung des§ 9 Nr. 3 SGB VIII) konkret formuliert: „Bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben sind [..] die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen, Jungen sowie transidenten, nichtbinären und intergeschlechtlichen jungen Menschen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern“.
2.2 Hilfen zur Selbsthilfe
Der öffentlichen Jugendhilfe wurde mitArt. 1 Nr. 2b) aa) KJSGein weiterer Schwerpunkt zugeordnet, um die Rechte junger Menschen zu verwirklichen. Für eine möglichst niedrigschwellige und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, sollen das Lebensalter und die persönlichen Kompetenzen „in allen sie betreffenden Lebensbereichen selbstbestimmt“ berücksichtigt werden. Diese in§ 1 Abs. 3 Nr. 2 SGB VIIIfestgelegte Rechtsfolge beinhaltet die Umsetzung einer partizipativen Alltagskompetenz (= Empowerment) im sozialen Kontext.
Die Lernerfahrung der Adressat:innen, sich eigenmächtig oder unterstützt Kompetenzen zur Alltagsbewältigung und damit zur Handlungsfähigkeit anzueignen, fördert die Individualisierung und damit ebenso die Identitätsbildung junger Menschen. Unter Einbezug vorhandener materieller und sozialer Ressourcen der Adressat:innen, wird die gesellschaftliche Teilhabe über die damit einhergehende Stärkung von Autonomie und Autarkie nachhaltig ermöglicht, ausgebaut bzw. verbessert (vgl. Deutscher Verein für Öffentliche und Private Fürsorge 2011, 231–233).
2.3 Inter- und Transdisziplinarität / Netzwerkarbeit
Der unveränderte § 4 SGB VIIIZusammenarbeit der öffentlichen Jugendhilfe mit der freien Jugendhilfewurde durchArt. 1 Nr. 5 KJSGum§ 4a SGB VIIISelbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretungerweitert. Zum einen wird hier klar definiert, welche Voraussetzungen ein freier Träger zur Jugendhilfe erfüllen muss, um leistungsberechtigt zu werden. Zum anderen wird festgelegt, dass eine „[..] partnerschaftliche Zusammenarbeit [..] innerhalb der freien Jugendhilfe“ zwischen der öffentlichen Jugendhilfe – neben dem Jugendamt auch das Pflegekinderwesen – und freien Trägern der Jugendhilfe in Form von „selbstorganisierten Zusammenschlüssen“ bestehen soll und erhalten bleiben muss.
Der neue Paragraf ermöglicht außerdem, dass engagierte Bürger:innen bedürfnisorientiert eigene Hilfsangebote schaffen dürfen. Somit sind prospektiv inhaltlich breitgefächerte Hilfsangebote realistisch, um möglichst vielen Herausforderungen der Adressat:innen begegnen zu können. Grundsätzlich soll § 4a SGB VIII dazu anregen über inter- und transdisziplinäre Netzwerkkooperationen ein weites Spektrum zielgerichteter und qualitativer Hilfen zu schaffen. Durch diese Vorgehensweise kann der „[..] zunehmenden institutionellen Zergliederung der Lebensräume und Lebenswelten [..]“ (Thole 2015, 221) entgegengewirkt werden, indem außerhalb der bestehenden Hierarchien neue und direkte Verbindungen zwischen den Akteur:innen mit diversen Professionen geschaffen werden, die gemeinsame Herausforderungen vereinen. Für einen formellen wie auch informellen Austausch zwischen den Kooperationspartner:innen ist es notwendig, gemeinsame Ziele zu entwickeln oder sich darauf zu einigen und in einer konkreten Kooperationsplanung für alle Beteiligten festzuhalten. Eine gemeinsame Evaluation der umgesetzten Hilfen verdeutlicht Wirksamkeiten, eventuelle Defizite und steigert darüber hinaus die Qualität für die Hilfeempfänger:innen (vgl. Thole 2015, 220–221).
2.4 Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
DieBegriffsbestimmungendes SGB VIII werden ebenfalls durchArt. 1 Nr. 5 KJSGmit einer Erweiterung durch§ 7 Abs. 2 SGB VIIIum die Rechte für junge Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedroht ergänzt.
Gemäß der aktuell gültigenInternationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit für Kinder und Jugendliche(kurz: ICF-CY) von 2011 wurde eine Gesellschaftsgruppe im SGB VIII berücksichtigt, die unter einem besonderen Schutz steht (vgl. Seidel/Schneider 2021, 8). Laut ICF-CY gilt zu berücksichtigen: „Für die Beschreibung des (aktuellen) Gesundheitsstatus eines Menschen werden alle Lebensbereiche dieser Person angeschaut, unter besonderer Berücksichtigung der Kontextfaktoren (also die materielle Umwelt, andere Menschen im Umfeld, Einstellungen anderer Menschen/der Gesellschaft etc.).“ (ebd., 8). Konkretisiert werden die oben genannten Lebensbereiche im § 118 SGB IX alsInstrumente der Bedarfsermittlung. Dort steht geschrieben, dass Teilhabe- und Aktivitätsbeeinträchtigungen in den Bereichen Lernen und Wissensanwendung, Allgemeine Aufgaben und Anforderungen, Kommunikation, Mobilität, Selbstversorgung, häusliches Leben, interpersonelle Interaktionen und Beziehungen, bedeutende Lebensbereiche und zuletzt gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben analysiert und berücksichtigt werden. Der Paragraf zielt auf eine gleichberechtigte gesellschaftliche Partizipation ab, bei vorliegenden körperlichen, seelischen, geistigen oder kognitiven Defiziten. Ergänzend wurde§ 9 Nr. 4 SGB VIIIdurchArt. 1 Nr. 10c KJSGeingefügt, der beinhaltet, dass „die gleichberechtigte Teilhabe von jungen Menschen mit und ohne Behinderungen umzusetzen und vorhandene Barrieren abzubauen“ sind.
2.5 Beteiligung Betroffener mit präventiver Wirkung
EineBeteiligung von Kindern und Jugendlichenwurde durchArt. 1 Nr. 7 KJSGbezogen auf§ 8 Abs. 3 SGB VIIIweiter ausgebaut. Es wurde erkannt, dass Präventionsarbeit nicht zu unterschätzen ist. Durch die Streichung der Formulierung „wenn die Beratung auf Grund einer Not- und Konfliktlage erforderlich ist [..]“, haben Betroffene die Möglichkeit, sich Beratungen und Hilfen einzuholen, ohne dass die Herausforderungen einen akuten oder prekären Status erhalten haben oder erhalten werden. Weiter wurde festgelegt, dass Beratungen auch außerhalb der öffentlichen Jugendhilfe durch freie Träger der Jugendhilfe geleistet werden können.
2.6 Die Macht der Sprache
Eine hermeneutische Herausforderung wird Beratenden durch eine Ergänzung mit§ 8 Abs. 4 SGB VIII(hinzugefügt durchArt. 1 Nr. 7b KJSG) auferlegt. Denn diese müssen bei Maßnahmen zur Beteiligung und bei Beratungen unter Berücksichtigung der vorliegenden Kompetenzen der Adressat:innen eine barrierearme Sprache in der Kommunikation umsetzen, um die zu vermittelnden Informationen verständlich und nachvollziehbar zu gestalten.
Der gleiche Anspruch wird im Kontext des Hilfeplans erneut aufgeführt. Dazu wurde§ 36 Abs. 1 S. 2 SGB VIIIdurchArt. 1 Nr. 27 a) aa)geändert und folgendermaßen formuliert: „Es ist sicherzustellen, dass Beratung und Aufklärung [..] in einer für den Personensorgeberechtigten und das Kind oder den Jugendlichen verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form erfolgen.“.
2.7 Erweiterung der Beteiligten / Ganzheitlichkeit
Mit der Ergänzung des§ 8a Abs. 1 S. 2 SGB VIIIdurchArt. 1 Nr. 8 KJSGwurde der Personenkreis erweitert, der bei einer Gefährdungseinschätzung im Kontext einer eventuellen Kindeswohlgefährdung mitwirkt. Es soll seitens der öffentlichen Jugendhilfe im Bedarfsfall eine Zusammenarbeit mit den Personen angestrebt werden, die mögliche Missstände gemeldet haben. Zu diesem Personenkreis gehören gemäß § 4 Abs. 1 KKG u. a. Mediziner:innen; Berater:innen, Sozialarbeiter: innen und Lehrer: innen. Privatpersonen sind von dem Prozess ausgeschlossen.
Staub-Bernasconi weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Erkenntniskompetenzen einer subjektiven Prägung unterliegen können: „Solange man über einen Sachverhalt, ein Problem nichts oder wenig weiß, gibt es so etwas wie eine «fruchtbare Diffusität», «wildes Fühlen und Denken» oder «sinnvolle Ungenauigkeit».“ (Staub-Bernasconi 2018, 143). Damit spricht sie das „Bauchgefühl“ an, welches Einfluss auf Entscheidungen haben könnte, dabei jedoch nicht dem Anspruch auf Ganzheitlichkeit gerecht wird, alle vorliegenden Fakten zum Fall zu berücksichtigen. Diesem Prozess wird durch Einbindung multi-, trans- und interdisziplinärer Prozessbegleiter:innen, die ohnehin durch ihre Meldung bereits im Verfahren involviert sind, entgegengewirkt und damit der Einfluss subjektiv geprägter Wahrnehmungen verringert.
2.8 Ombudsstellen
Zur Konfliktbewältigung sollen alle Bundesländer Schiedsstellen für junge Menschen und ihren Familien einrichten.Art. 1 Nr. 11 KJSGhat dafür den§ 9a SGB VIIIgeschaffen, der sogenannteOmbudsstellenverpflichtend vorschreibt. Die Ombudsstellen sind unabhängige Instanzen und „fachlich nicht weisungsgebunden“. Sie unterstützen bei allen Konflikten im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe unter Einbindung öffentlicher und freier Träger der Jugendhilfe.
Die inhaltliche Umsetzung obliegt einer föderalistischen und somit regionalen juristischen Ausgestaltung. Dr. Bob Franklin (Universität Keele, England) hat 1994 die These aufgestellt, dass der gegenüber Kindern gewährte Schutz „[..] oft nicht viel mehr als eine Maske für eine paternalistische Praxis [ist], die die kindliche Autonomie beschneidet und der Verwirklichung von Rechten zuwiderläuft“ (Steindorff 1994, 43). Dieses Zitat weist daraufhin, dass ein Rechtsrahmen zugunsten der Bedürfnisse von Kindern zwar gegeben ist, jedoch im Arbeitsalltag der Professionellen aus diversen Gründen nicht vollumfänglich berücksichtigt wird oder werden kann. Aufgrund intransparenter Entscheidungen der Handelnden, mangelnde Anpassung des Kommunikationsniveaus an die Kompetenzen der Adressat:innen oder schlichtweg durch vorliegende Überbelastungen der Akteur:innen, kann ein Spannungsfeld entstehen, welches den Einbezug unabhängiger Dritter zur Klärung des Sachverhalts notwendig macht. An dieser Stelle sind ausgebildete und niedrigschwellig zu erreichende Mitarbeiter:innen in Ombudsstellen eine sinnvolle, schlichtende und schadenabwendende Instanz zugunsten aller Beteiligten.
2.9 Mitgestaltung von Beratungsgesprächen
Angeknüpft an Franklins Zitat aus dem vorhergehenden Absatz wurden mit dem neuen§ 10a SGB VIIIBeratungdurchArt. 1 Nr. 13 KJSGermöglicht, dass Ratsuchende zur „Wahrnehmung ihrer Rechte“ ein Recht zur Mitgestaltung des Beratungssettings haben. Sofern Klient:innen einer Beratung Verständnisprobleme erwarten, haben sie die Möglichkeit, eine Person ihres Vertrauens in die Beratungssituation hinzuzuziehen. Dies gilt für Beratungen zu persönlichen sowie Familiensituationen, zu Leistungen, bei unklaren Folgen einer angenommenen Hilfe, bei Verwaltungsabläufen und bei Verweisen auf externe Beratungsangebote. Des Weiteren wird u. a. bei Antragsstellungen und Mitwirkungspflichten geholfen. Auch Träger der öffentlichen Jugendhilfe können bei Zustimmung durch Personensorgeberechtigte beratend am Gesamtplanverfahren nach § 117 SGB IX teilnehmen.
Diese Neuerung bemächtigt Kinder, Jugendliche und jungen Erwachsene sowie deren Angehörige auf Augenhöhe mit den Berater:innen zu kommunizieren, indem sie ihr Recht auf eine leichtverständliche Kommunikation geltend machen oder externe Unterstützung in die Beratungssituation einbinden können. Ein Machtgefälle kann dadurch relativiert werden. Staub-Bernasconi hat diese Herausforderung erkannt und wie folgt zusammengefasst: „Die Regeln ungerechter Ungleichheitsordnungen beziehen sich [..] auf die Verteilung von sozialen Positionen und Befehlschancen in einer hierarchisch-arbeitsteiligen Anordnung von Menschen in sozialen Systemen bzw. Organisationen und die dabei vorgesehene oder fehlende Partizipations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten“ (Staub-Bernasconi 2018, 281–282).
2.10 Verfahrenslotse
Die Tätigkeitsfelder der Unterstützung und der Begleitung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei vorliegender oder drohender Behinderung im Kontext der Eingliederungshilfe, werden durch sogenannteVerfahrenslotsenbedient. Der durchArt. 1 Nr. 14 KJSGneugeschaffene§ 10b SGB VIIIfordert kommunal die Schaffung solcher Personalstellen. Dabei unterstützt der Verfahrenslotse nicht nur die oben genannten Leistungsempfänger:innen, sondern auch Mütter, Väter sowie Erziehungs- und Sorgeberechtigte. Zusätzlich erfahren die regionalen Träger der öffentlichen Jugendhilfe Unterstützung bei der Koordination von Leistungen und erhalten halbjährlich eine Evaluation über die Wirksamkeit der Kooperationsprozesse zwischen den beauftragten Beteiligten.
Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen sind mögliche Verfahrenslotsen und „bringen als ihre besondere Expertise sozialrechtliches und pädagogisch-psychosoziales Wissen in die B. [Beratung] ein sowie die Fähigkeit, Lebensweltbezug herzustellen und Ressourcenaktivierung zu unterstützen“ (Deutscher Verein für Öffentliche und Private Fürsorge 2011, 93–94). An dieser Stelle wird erneut der Anspruch auf Ganzheitlichkeit in der Arbeit mit Betroffenen deutlich. Der Anwendung möglicher Maßnahmen und das Bereitstellen von Leistungen, die auf die Lebenswelt der Adressat:innen einwirken, sollte immer einer Erfassung der aktuellen Situation vorausgehen, um einen genauen Bedarf festzustellen. Der Anspruch der Träger sollte es sein, möglichst effektive Hilfen anzubieten bei gleichzeitiger Kosteneffizienz.
2.11 Hilfen zur Erziehung
Eine Kompetenzvermittlung für Erziehungsverantwortliche wurde durch eine Änderung des§ 16 Abs. 1 S. 2 SGB VIII, geändert durchArt. 1 Nr. 18 KJSG, festgelegt. Dies gilt „insbesondere in Fragen von Erziehung, Beziehung und Konfliktbewältigung, von Gesundheit, Bildung, Medienkompetenz, Hauswirtschaft sowie der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit“. Wie bereits in2.2 Hilfen zur Selbsthilfethematisiert,zielt diese Änderung ebenfalls auf die unterstütze Befähigung in Erziehungsfragen ab. Die Adressat:innen sind hierbei nicht Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, es sei denn, dass sie vor dem 25. Lebensjahr Nachwuchs bekommen. Dieser Paragraf bezieht sich auf Eltern und Sorgeberechtigte. Somit stehen diese Hilfen ebenfalls Pflegefamilien zu.
Von Hasseln hat die gegenwärtige Erziehung als Anspruch „[..] in einer offenen multikulturellen High-Tech-Zivil-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts in friedlicher Nachbar-schaft mit anderen [..]“ (Hasseln 2002, 64) mithalten zu können, definiert. Die damit einhergehende Komplexität kann für viele Erziehende eine große Herausforderung darstellen, die diese nur in bilateraler Zusammenarbeit mit bspw. Kindertagesstätten, Grund- und Regelschulen, Gymnasien oder auch Vereinen bewältigen können. Demokratische Werte als Grundsatz unserer Gesellschaft sollten Kindern und Jugendlichen altersgerecht vermittelt werden. Bedürfnisse sollten erkannt und erfüllt, sowie Verantwortungsbewusstsein geschaffen werden. Ein gesundes Maß an Toleranz gegenüber zuwiderlaufenden Meinungen kann vielen Alltagskonflikten vorbeugen. Zu Erziehenden sollte die persönliche Wertigkeit bewusst gemacht und Gewalterfahrungen in jeglicher Form verhindert werden (vgl. ebd., 64–68).
Nach Meinung des Verfassers kommen gegenwärtig im Zuge der Digitalisierung weitere Herausforderungen auf die Erziehungsverantwortlichen zu. Die große Verbreitung und Nutzung sozialer Medien hat enormen Einfluss auf die Identitätsausbildung, wie auch auf die psychische Gesundheit junger Menschen. Ohne Beteiligung an sozialen Medien kann mittlerweile von einem Teilhabedefizit gesprochen werden. Aufgrund von Informations-blasen,LikesundDislikessowie dem Streben nach perfektenSelfies(häufig mit einher-gehender Fotomontage) bauen Nutzer:innen eine Schattenidentität auf, die der des realen Alltags zuwiderlaufen kann. Eine Studie, u. a. vom Deutschen Ärzteblatt im Januar 2022 veröffentlicht, kam zu folgendem Ergebnis: „Kinder und Jugendliche leiden häufig darunter, dass Gleichaltrige in den sozialen Medien immer attraktiver und beliebter zu sein scheinen als sie selber [sic]. Studien haben gezeigt, dass dies bei sensiblen Teenagern Minderwertigkeitsgefühle und Depressionen auslösen kann.“ (Soziale Medien mit Depressionen bei Erwachsenen assoziiert 2022). Dieser nicht zu unterschätzende Aspekt wurde neben anderen wichtigen Kriterien im § 16 Abs. 1 S. 2 SGB VIII alsMedien-kompetenzberücksichtigt.
2.12 Notsituationen
Komplett neugefasst wurde§ 20 SGB VIIIBetreuung und Versorgung des Kindes in NotsituationendurchArt. 1 Nr. 20 KJSG. Es ist für alle Eltern möglich, unterstützende Leistungen zu beziehen, wenn die Betreuung „aus gesundheitlichen oder anderen zwingenden Gründen ausfällt“, das Kindeswohl nicht gewährleistet werden kann, das System Familie erhalten bleiben soll und die Angebote von Institutionen zur Erziehung nicht ausreichen. Die zu leistenden Hilfen sind nun auch außerbehördlich in Form einer Patenschaft möglich. Patinnen und Paten haben hierbei Anspruch auf Hilfen durch regionale Beratungsdienste.
Der neuformulierte Paragraf ermöglicht es einen familialen Bezug in prekären Situationen zu erhalten, indem Hilfeleistende gleichzeitig Bezugspersonen sind. Personen mit einer Patenschaft als Teil einer Peergroup kommen aus dem gleichen Milieu oder kennen zumindest detailliert die Lebenswelt, geben Orientierungshilfe und haben generell mehr Zugang und eine größere Bedeutung als eine Behörde und deren Mitarbeiter:innen für die Adressat:innen. Bezugspersonen bieten vor allem Kindern und Jugendlichen wichtige Sozialisationsfunktionen zur Alltagsbewältigung und bei Entwicklungsprozessen (vgl. Deutscher Verein für Öffentliche und Private Fürsorge 2011, 626–627).
2.13 Individualbetreuung
Eine Ergänzung des§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB VIIIdurchArt. 1 Nr. 21 KJSGbewirkt, dass im Bedarfsfall jedes einzelne Kind eine/n persönliche/n Betreuer:in zur pädagogischen Unterstützung in Kindertageseinrichtungen erhalten kann. Dieser Bedarf und der genaue Umfang sind vertraglich festzuhalten. Erziehungsberechtigte wie auch Träger der öffentlichen und privaten Jugendhilfe sollen dabei einbezogen werden. Darüber hinaus sollten zusätzlich und im Bedarfsfall ebenso die Rehabilitationsträger involviert werden.
Die juristische Umsetzung des Individualisierungsprinzips berücksichtigt die bedarfsbezogenen Besonderheiten des Kindes unter Einbezug der vorliegenden Ressourcen und lebensweltlichen Bedingungen. Diese Unterstützungsform soll Kinder dazu befähigen, aus eigener Kraft und Resilienz heraus unbeschadet aufzuwachsen (vgl. ebd., 432–433).
2.14 Inklusion in Tageseinrichtungen
Durch die Änderung des§ 22a Abs. 4 SGB VIIIdurchArt. 1 Nr. 22 KJSGwurde eine Kann-Klausel zu einer Muss-Klausel und aus Integration wurde Inklusion. Sollten durch den vorhergehende Paragrafen Kinder mit Behinderungen nach Möglichkeit in Gruppen gefördert werden, was einer Definition von Integration entspricht, schreibt der geänderte Paragraf vor, dass „Kinder mit Behinderungen und Kinder ohne Behinderungen [..] gemeinsam gefördert werden [..]“ sollen. Dabei sind besondere Bedürfnisse der Kinder zu berücksichtigen.
„Inklusion bemüht sich, alle Dimensionen von Heterogenität in den Blick zu bekommen und gemeinsam zu betrachten. Dabei kann es um unterschiedliche Fähigkeiten, Geschlechterrollen, ethnische Herkünfte, Nationalitäten, Erstsprachen, [..] soziale Milieus, Religionen und weltanschauliche Orientierungen, körperliche Bedingungen und anderes mehr gehen.“ (Hinz 2012, 33). Dieses Zitat verdeutlicht, wie facettenreich, professionsübergreifend und vor allem, wie wichtig Inklusion ist und welche Diversitätsdimensionen berücksichtigt werden sollten. Der Paragraf bezieht sich auf Tageseinrichtungen, nicht auf Schulen. Somit lernen alle beteiligten Kinder, egal ob mit oder ohne Behinderung, dass Normalität in Bezug auf Menschen ein relativer und wandelbarer Begriff ist bzw. durch den Begriff Heterogenität ersetzt werden sollte. Diese Lernerfahrung gleicht einem Paradigmenwechsel und führt segregierte Menschen wieder zurück in die Gesellschaftsmitte. Mähler verzichtet gänzlich auf den BegriffBehinderungund bevorzugt die Begriffe derLern- und Bildungsbarrieren, was den gesellschaftlichen Umgang mit Behinderungen genauer entspricht. Strukturelle Barrieren wurde lange Zeit ohne Rücksicht auf Menschen mit Behinderungen in nahezu allen Lebensbereichen etabliert und nur bei konkreten Bedarfen berücksichtigt. Gegenwärtig setzt sich durch, dass „Heterogenität und Vielfalt als besonderer Reichtum geschätzt“ (Bätge et al. 2021, 99) und strukturelle Barrieren abgebaut werden.
2.15 Berücksichtigung von Geschwistern im Hilfeplan
Im Hilfeplan wird daraufgeachtet, dass Familiensysteme inklusive der bestehenden Bindungen bei nicht vorliegender Kindeswohlgefährdung erhalten bleiben. Dahingehend wurde im Kontext des Hilfeplanverfahrens§ 36 Abs. 2 S. 3 SGB VIIIdurchArt. 1 Nr. 27b) aa) KJSGgeändert und festgehalten, dass „Geschwisterbeziehungen bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfeplans sowie bei der Durchführung der Hilfe Rechnung getragen werden“ soll.
Das Pflegekinderwesen muss innerhalb des Hilfeplans berücksichtigen, dass Kinder und Jugendliche, wie auch den leiblichen Eltern, ein Umgangsrecht bzw. eine Umgangspflicht obliegt (§ 1684 BGB). Damit wurde eine Handlungsbasis geschaffen, den Lebenskontext junger Menschen zu erhalten, auch wenn es sich dabei um prekäre Lebensverhältnisse handelt. Bei einer zeitweiligen Trennung von Kindern und Jugendlichen von ihren Familien, muss die Option einer Rückführung erhalten bleiben. Während dieser Zeit soll in Zusammenarbeit mit der öffentlichen Jugendhilfe und deren Kooperationspartnern durch Beratungen und unterstützende Leistungen die Situation in den Herkunftsfamilien verbessert und Bindungen stabilisiert werden. Die Art und Weise der umzusetzenden und bedürfnisorientierten Hilfen sind inkrementeller Bestandteil des Hilfeplans (vgl. Emanuel et al. 2017, 126–127).
2.16 Zuständigkeitsübergang im Hilfeplan
Auf Hilfen ohne bürokratie-induzierte Unterbrechungen zielt der neue§ 36b SGB VIIIab, der durchArt. 1 Nr. 29 KJSGeingeführt wurde. Zuständige öffentliche Stellen (z. B. Träger von Sozial- und Rehabilitationsleistungen) sollen eng im Hilfeplanverfahren zusammenarbeiten, um entsprechende Regularien für einen Zuständigkeitsübergang festzulegen. Konkret soll vereinbart werden, welche bedarfsbezogenen Leistungen durch welchen Leistungserbringer realisiert werden. Es muss sichergestellt sein, dass die Leistungsgewährung nach dem Leistungsübergang geplant und nahtlos erfolgt. Absatz zwei legt außerdem fest, dass sich die daraus ergebende Teilhabeplanung ein Jahr vor dem anstehenden Zuständigkeitswechsel eingeleitet werden soll. Personensorge-berechtigte können durch ihre Zustimmung eine Teilhabekonferenz durchführen lassen, an der sie aktiv mitwirken können.
Zuständigkeiten unterteilen sich in sachliche und örtliche Zuständigkeiten. Die sachlichen Zuständigkeiten beinhalten konkrete Hilfsangebote sowie deren Leistungserbringer, während örtliche Zuständigkeiten regionale Hilfsangebote an die Leistungsempfänger:innen koordinieren. Dabei ist nicht der Wohnsitz das berechtigende Kriterium für den Leistungsbezug, sondern der gewöhnliche Aufenthalt der Adressat:innen (vgl. Deutscher Verein für Öffentliche und Private Fürsorge 2011, 1010–1011). Diese juristisch festgelegte Vorgehensweise gibt ein planvolles und ergebnisorientiertes Handeln der im Hilfeplan involvierten Fachkräften vor, sorgt für Transparenz gegenüber den Leistungsempfänger:innen, bewirkt ein Gefühl der Sicherheit sowie der Planbarkeit und fördert die Mitwirkung (= Compliance) der Adressat:innen im Hilfeprozess.
2.17 Beratung und Unterstützung von Herkunftsfamilien und Pflegefamilien
Neu im§ 37 SGB VIII(geändert durchArt. 1 Nr. 37 KJSG) ist der Einbezug von Herkunftsfamilien als Leistungsempfänger für Beratungen und Unterstützungen. Hilfsangebote fokussieren die Förderung der Bindung zwischen Herkunftsfamilien und deren Kindern bzw. Jugendlichen sowie auf Verbesserungen in den Bereichen Entwicklung, Teilhabe und Erziehung. Das Ziel aller Bestrebungen ist es, die Herkunftsfamilien insofern zu befähigen, dass sie autonom ihre Kinder bzw. Jugendlichen innerhalb eines angemessenen Zeitraums erziehen können. Ist absehbar, dass im angestrebten zeitlichen Rahmen der Hilfeleistungen kein Erfolg zu erreichen ist, gehen der Anspruch auf die oben genannten Hilfen auf die Pflegefamilien über. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen zum Wohl der Kinder und Jugendlichen mit den Pflegefamilien zusammenarbeiten. Überdies haben Pflegefamilien die Möglichkeit das Jugendamt zu beteiligen, wenn seitens der Herkunftsfamilie durch mangelnde Mitwirkung die Entwicklung und das Wohl der Kinder bzw. Jugendlichen bedroht sind. Für eine Schlichtung bei vorliegenden Spannungsfeldern zwischen Herkunfts- und Pflegefamilie ist ebenfalls das Jugendamt zu involvieren. In solchen Fällen würden dann die in2.8 Ombudsstellengenannten Verantwortlichen aktiviert.
Während in den vorhergehenden Kapiteln bereits viel über Beratungs- und Unterstützungsleistungen geschrieben wurde, werden an dieser Stelle die Kompetenzen der Fachkräfte und die Herausforderungen an die Ombudsstellen in den Vordergrund gerückt. Diese sollten befähigt sein, „Konflikte kommunikativ zu klären, zu steuern, zu lösen oder die dafür notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln“ (Beck 2016, 58).
Zur Erfüllung dieser Aufgabe spielt die persönliche Haltung eine relevante Rolle. Fachkräfte sollten sich der Neutralität verpflichten und tolerant, kritiklos und wertfrei mit anderen Perspektiven, Lebensentwürfen und -einstellungen bei gleichzeitiger Unabhängigkeit von den Konfliktparteien umgehen. Die Bedeutung der Allparteilichkeit ist nicht zu unterschätzen. Dabei geht es um eine für alle Beteiligten faire Verteilung von Aufmerksamkeit, Unterstützung und Einbindung zur Lösungssuche, ohne das Gefühl einer Benachteiligung entstehen zu lassen bzw. tatsächlich eine Partei bewusst oder unbewusst zu benachteiligen. Die eigene Rolle der Fachkräfte sollte im Schlichtungsprozess selbstreflektiert werden, um sich die persönliche Haltung bewusst zu machen. Als Mitarbeiter:in einer Behörde oder eines Trägers liegt eine höhere Machtposition vor als bei den Konfliktparteien. Dennoch muss eine Kommunikation auf Augenhöhe mit allen Beteiligten angestrebt und realisiert werden, ohne dass ein Machtgefälle ausgeübt oder manifestiert wird. Spannungsfeldern zu begegnen ist häufig mit stark ausgeprägten Emotionen gekoppelt, die innerhalb von Gesprächen seitens der Adressat:innen deutlich zum Ausdruck gebracht werden können. Nicht nur in solchen Situationen ist aktives und verstehendes Zuhören mit einem einhergehenden Perspektivenwechsel seitens der Fachkräfte eine Kernkompetenz, um alle übermittelten Informationen zu erfassen und in den richtigen Kontext zur Lösungssuche zu bringen. Mit ausgedrücktem Lob und Respekt kann die Fachkraft die Individualität der Parteien anerkennen und eine weitere Compliance stärken (vgl. ebd, 66–67).
2.18 Beratung und Unterstützung für Pflegefamilien
Vor und während der Aufnahme eines Kindes in ein Pflegeverhältnis haben Pflegefamilien einen Anspruch auf Unterstützung und Beratung zur Erziehung und Wiedereingliederung. Der neugeschaffene§ 37a SGB VIII(basierend aufArt. 1 Nr. 30 KJSG) ermöglicht dies, auch ohne, dass amtsseitig Hilfen zur Erziehung oder Eingliederungshilfe gewährt wurden. Einzige Voraussetzung ist, dass ein „Grund der Vermittlung durch das Jugendamt“ (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII) besteht und eine Dauer von acht Wochen nicht überschritten wird (§ 44 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII). Beim Jugendamt sind Pflegefamilien für Kurzzeit- oder Bereitschaftspflege (siehe4.1.4 Inobhutnahme) registriert und freie Kapazitäten sind bekannt. Diese Form der Pflege bedingt innerhalb der Pflegefamilien eine dauerhafte Erreichbarkeit.
Diese Gegebenheiten sind eine notwendige juristische Voraussetzung, um Kinder und Jugendlichen möglichst schnell, bei Verdacht oder tatsächlich vorliegender Kindeswohlgefährdung, bei Pflegefamilien in Obhut zu geben. Die behördliche Reaktionsschnelligkeit, in der ebenso Familienrichter:innen und Polizist:innen im Zuge eines Amtshilfegesuchs eingebunden werden, ist notwendig um (weitere) Traumatisierungen junger Menschen zu verhindern oder Gefahren für die psychische und physische Gesundheit abzuwenden (vgl. Deutscher Verein für Öffentliche und Private Fürsorge 2011, 436–437).
2.19 Rechte von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien
Unter dem Aspekt der Prävention und des weiteren Schutzes von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege (= Bezeichnung der Pflegeform für Pflegefamilien), wurde ebenfalls durchArt. 1 Nr. 30 KJSGder neue§ 37b SGB VIIIgeschaffen. Pflegefamilien müssen sich demnach an das „Konzept zur Sicherung der Rechte des Kindes oder des Jugendlichen und zum Schutz vor Gewalt“ richten. Das Jugendamt hat darüber hinaus ein Beschwerdemanagement zu schaffen und dessen Existenz an Kinder und Jugendliche zu kommunizieren. Ebenso vollzieht das Jugendamt eine Sichtprüfung im Haushalt der Pflegefamilien, um das Wohl von Kindern und Jugendlichen abzusichern. Eine bidirektionale Kommunikation zwischen Pflegefamilien und Jugendämtern soll zum einen die Pflegefamilien bezogen auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen sensibilisieren und zum anderen sollen Pflegefamilien das Jugendamt über „[..] wichtige Ereignisse [..], die das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen betreffen“ unterrichten.
Liebel hat angelehnt an die UN-Kinderrechtskonvention (im Folgenden KRK) geschrieben: „Als Träger eigener Rechte wird das Kind in der KRK nicht nur als Objekt vonSchutz und Fürsorge verstanden, sondern auch als Subjekt seines eigenen Lebens und seiner eigenen Entwicklung, die es selbst mitbestimmen soll und kann.“ (Liebel 2007, 42). Er stellt damit fest, dass der besondere Schutz von Kindern und ebenso von Jugendlichen ein unumgänglicher basaler Ansatz ist. Mit der kindlichen Entwicklung steigern sich Autonomie und Eigenverantwortlichkeit, zu der sich Kinder und Jugendliche mit oder ohne Unterstützung hin entwickeln sollen.
Damit sich junge Menschen nicht ausgeliefert, hilflos, segregiert, diskriminiert oder in ihren Rechten beschränkt fühlen, was dem Streben nach Autonomie und einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung zuwiderlaufen würde, haben sie unabhängig vom Lebensalter die Möglichkeit, auf Missstände innerhalb der Familienpflege hinzuweisen. Pflegefamilien haben ebenso die Möglichkeit, eine Überlastung im Zusammenleben mit Pflegekindern zu melden und angemessene Hilfen zu beanspruchen. Sollte eine Inkompatibilität zwischen Pflegekind und Pflegeeltern vorliegen, können neue Pflegefamilien mit entsprechenden Kompetenzen den Pflegeauftrag übernehmen.
2.20 Abwägung der Verbringung des Kindes in einer Pflegefamilie / Hilfeplan
Der letzte Paragraf denArt. 1 Nr. 30 KJSGebenso neu geschaffen hat, ist§ 37c SGB VIII. Hierbei handelt es sich um eine prospektive Planung des weiteren Aufenthaltsortes der zu fördernden Kinder bzw. Jugendlichen. Maßgeblich ist hierbei die Feststellung, ob innerhalb eines für „die Entwicklung des Kindes oder Jugendlichen vertretbaren Zeitraums“ die Herausforderungen von Entwicklung, Teilhabe und Erziehung durch die Herkunftsfamilien bewältigbar sind. Liegt hierfür keine Perspektive vor, wird unter Einbezug von Herkunftsfamilie und Kind bzw. Jugendlichen eine „auf Dauer angelegte Lebensperspektive erarbeitet“, die in Familienpflege oder in Institutionen zur Erziehung erfolgen kann. Dabei werden Vorstellungen und Wünsche seitens der Sorgeberechtigten wie auch des jungen Menschen berücksichtigt. Sollte der neue gewöhnliche Aufenthaltsort außerhalb des regionalen Zuständigkeitsbereichs des Jugendamts liegen, wird der zuständige Träger des entfernten Aufenthaltsortes involviert. Alle getroffenen Regelungen, festgelegte Beratungs- und Unterstützungshilfen sowie Zuständigkeiten sind im Hilfeplan festzuhalten.
Die Bundesregierung hat mit § 37c SGB VIII einen relevanten Aspekt berücksichtigt, den Forschende festgestellt haben: „Die Pflegekinderforschung hat gezeigt, dass es für die Entwicklung eines Kindes nicht förderlich - in manchen Fällen gar gefährdend - ist, wenn es keine Klarheit über seinen zukünftigen stabilen Lebensmittelpunkt hat.“ (Emanuel et al. 2017, 113). Dem wird mit dem obengenannten Paragrafen entgegengewirkt. Weiter wurde innerhalb der Pflegekinderforschung deutlich, dass Kinder, die im jungen Alter in Familienpflege gekommen sind, schnell eine Rückführung in die Herkunftsfamilie erfahren sollen, wenn die Herkunftsfamilien ihre Herausforderungen mit oder ohne Unterstützung bewältigen können und die notwendigen Kompetenzen vorliegen. Gegenwärtig ist es gängige Praxis, dass ein über zwei Jahre andauerndes Pflegeverhältnis auf Dauerpflege umgestellt wird und nur selten Rückführungen stattfinden (vgl. ebd., 113).
2.21 Nach Beendigung der Hilfen / Hilfeplan
Dem HandlungsfeldNachbetreuung –auch Nachgehende Hilfe genannt-wurde durchArt. 1 Nr. 32 KJSGein eigenständiger neuer§ 41a SGB VIIIeingeräumt. Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen „innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Beendigung der Hilfe bei der Verselbständigung [..] beraten und unterstützen“. Der beratende und unterstützende Umfang wird im Hilfeplan dokumentiert und regelmäßig evaluiert.
Durch diese Vorgehensweise ist es möglich, die Wirksamkeit der geleisteten Hilfen festzustellen und eventuelle Anpassungen bei zukünftiger Leistungserbringung für Adressat:innen in ähnlichen Situationen zu realisieren. Durch den Erhalt des Kontakts zu den jungen Erwachsenen sind darüber hinaus präventive Hilfsangebote möglich, um bspw. mehrgenerationale Pflegeverhältnisse zu verhindern. Es soll erreicht werden, dass der erzielte Erfolg durch die vorhergehenden Maßnahmen auf Dauer abgesichert ist (vgl. Deutscher Verein für Öffentliche und Private Fürsorge 2011, 597–598).
2.22 Schutzkonzepte in Einrichtungen
MitArt. 1 Nr. 35 b) ddd) KJSGwurde§ 45 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 SGB VIIIdahingehend geändert, dass Einrichtungen ein Konzept zur Sicherung der Rechte und zum Wohl des Kindes entwickeln, anwenden und evaluieren müssen. Des Weiteren soll den Adressat:innen die Möglichkeit zur Schaffung von Interessenvertretungen und Partizipation eingeräumt werden. Innerhalb und außerhalb der Einrichtung muss es möglich sein, subjektive Beschwerden abzugeben.
Ein Konzept mit festgelegten Standards dient der gemeinsamen Zielerreichung bei Fachkräften und Adressat:innen. Das dieses nicht auf Dauer inhaltlich unverändert bleiben kann, liegt am Fortschritt der gesellschaftlichen Entwicklung wie auch an sozialpolitischen Entscheidungen. Evaluationen machen deutlich, welche inhaltlichen Änderungen das Konzept wieder zeitgemäß gestalten können.
„Kinderpolitik [..] kann politisches Handeln von Erwachsenen mit Kindern, aber auch politisches Handeln der Kinder selbst sein. Im ersten Fall ist es daran gebunden, die Kinder nicht nur zu ‚vertreten‘, sondern die politischen Initiativen mit ihnen abzustimmen und ihnen wesentlichen Einfluss auf die politischen Entscheidungen zu ermöglichen [..]. Im zweiten Fall sind die Kinder selbst die primären Akteure und es stellt sich die Frage, in welchen Formen sich ihr politisches Handeln manifestiert und inwieweit die bestehende Gesellschaft ihr Wollen, Handeln und ihre Entscheidungen akzeptiert, respektiert und berücksichtigt.“ (Liebel 2007, 210). Interessenvertretungen mit einhergehendem politischen Verständnis lassen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene Demokratie als Grundsatz unserer Gesellschaft früh erleben und im weiteren Lebensverlauf davon profitieren. Diese Form einer niedrigschwelligen und altersgerechten Politischen Bildung schafft eine solide Basis für das weitere Verständnis politischer Zusammenhänge in Schule, Ausbildung sowie im Berufs- und Privatleben.
2.23 Einrichtungen mit und ohne Betriebserlaubnis
Der neue§ 45a SGB VIIIEinrichtung, eingeführt durchArt. 1 Nr. 36 KJSG, definiert in den Eingangssätzen, welche Gegebenheiten eine Einrichtung grundsätzlich aufweisen muss, um eine Betriebserlaubnis zu erhalten. Darunter fällt eine notwendige Trägerschaft, eine festgelegte Dauer, die formelle sowie zweckmäßige Kopplung von räumlichen, personellen und sachlichen Ressourcen im Fokus von Erziehung, Bildung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen außerhalb ihrer Familie. Es wurde zusätzlich festgelegt, dass das Landesrecht familienähnliche Betreuungsformen ohne betriebserlaubnispflichtige Trägerschaft realisieren kann. Dieser Umstand wird in den folgenden Kapiteln erneut aufgegriffen.
Eine Betriebserlaubnis unterliegt der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit des Landesjugendamts. Dieses prüft innerhalb der Einrichtung, ob alle Voraussetzungen für die erstmalige oder weiterbestehende Erteilung einer Betriebserlaubnis gemäß § 46 SGB VIIIPrüfung vor Ort und nach Aktenlageerfüllt sind.Kann das Wohl von Kindern und Jugendlichen innerhalb der Einrichtung durch Leistungserbringer oder Träger nicht gewährleistet werden, kann die Betriebserlaubnis wieder entzogen werden (vgl. Deutscher Verein für Öffentliche und Private Fürsorge 2011, 133).
Die, mit dem neuen Paragrafen angestrebten Ziele, eine Einheitlichkeit in der Trägerlandschaft zu erreichen und die Qualität der Leistungen gegenüber den Leistungsempfänger:innen abzusichern, erwirkt eine Vergleichbarkeit der Einzelleistungen und schafft einen dezenten Konkurrenzdruck, der die Weiterentwicklung auf Basis von Evaluationen und Analysen der Lebenswelt der Adressat:innen fördert. Das damit einhergehende Register aller regionalen Einrichtungen erzeugt einen Überblick der vorhandenen Träger und deren Leistungsportfolio.
Nachdem nun ein Überblick der Gesetzesänderungen des SGB VIII geschaffen wurde, wird im folgenden Kapitel dargestellt, wie die von den Änderungen betroffenen Abteilungen, deren Aufgaben und Hierarchien strukturiert sind. Das soll dem Gesamtverständnis der nachfolgenden Pflegeformen, der strukturellen Einordnungen sowie den Zuständigkeiten dienen.
3 Das Pflegekinderwesen im Kyffhäuserkreis
Im Kyffhäuserkreis ist das Pflegekinderwesen, auch Pflegekinderdienst genannt, innerhalb des Allgemeinen Sozialen Dienstes integriert (vgl. Konzeption Pflegekinderdienst 01.05.2021, 2). In der Hierarchie des Landratsamtes befinden sich die Landrätin, der Verwaltungsleiter und die Kreisbeigeordnete auf der obersten Ebene. Auf der zweiten Ebene befinden sich vier Dezernate. Dazu gehören der Fachbereich für interne Verwaltung, der Fachbereich für Soziales, Jugend, Gesundheit und Sport, der Fachbereich Ordnung sowie der Fachbereich Wirtschaft und Recht. Das Jugend- und Sozialamt ist dem Fachbereich für Soziales, Jugend, Gesundheit und Sport unterstellt. Eine Ebene tiefer ist das Referat Jugend untergeordnet, dem wiederum der Allgemeine Soziale Dienst untergeordnet ist. Auf der gleichen Hierarchieebene wie der ASD und im gleichen Gebäude ansässig sind die Abteilungen Jugendhilfe, Elterngeld und Vormundschaft, die Abteilungen Prävention, Kita und Planung sowie die Abteilung für Unterhalt. Auf gleicher Ebene, jedoch im Referat für Soziales befinden sich ebenfalls im gleichen Gebäude die Abteilungen für Sozialhilfe, für Eingliederungshilfe und für Schwerbehindertenrecht. Auf der fünften Ebene sind Sozialarbeiter:innen und Fachpersonal für unbegleitet eingereiste minderjährige Flüchtlinge das Adoptions- und Pflegekinderwesen verortet.
Die örtlichen Gegebenheiten und die Nähe der Abteilungen und ihrer Mitarbeiter:innen untereinander ermöglichen ein effizientes wie auch effektives multi-disziplinäres Arbeiten miteinander (vgl. Rosenau 07.12.2021, 1). Die Abteilung für unbegleitete minderjährige Ausländer:innen ist in einem anderen Gebäude ansässig. Die folgende Darstellung visualisiert die obengenannten Strukturen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Gekürzte Strukturen des Landratsamtes Kyffhäuserkreis
Eigene zusammengefasste Darstellung in Anlehnung an den Verwaltungsgliederungsplan LRA Kyffhäuserkreis (vgl. Verwaltungsgliederungsplan LRA Kyffhäuserkreis 05.01.2022) und dem Organigramm des Jugend- und Sozialamtes (vgl. Organigramm des Jugend- und Sozialamtes 01.03.2022)
Das Pflegekinderwesen übernimmt folgende Aufgaben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Aufgaben des Pflegekinderwesens im Kyffhäuserkreis
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Konzeption Pflegekinderdienst (vgl. Konzeption Pflegekinderdienst 01.05.2021, 4–5)
4 Pflegeformen und zugehörige Hilfen
Die möglichen Pflegeformen sind bundesweit einheitlich. Sie können inhaltlich jedoch von Bundesland zu Bundesland wie auch von Landkreis zu Landkreis differieren. Es wird allgemein unterschieden in Vollzeitpflege, die sich in Kurzzeit-, Langzeit- oder Dauerpflege, in Verwandtenpflege, in Bereitschaftspflege und sozial-, sonder- und heilpädagogische Pflegestellen unterteilt (vgl. Helming et al. 2011, 47). Grundsätzlich ist die Kinder- und Jugendhilfe anstelle von invasiven Maßnahmen an förderlichen Maßnahmen ausgerichtet, die wiederum eng an regional vorliegenden Hilfsstrukturen gekoppelt sind. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe müssen gewährleisten, dass die regional benötigten Hilfen, Dienstleistungen und Einrichtungen ausreichend vorhanden sind. Dabei muss das Subsidiaritätsprinzip eingehalten werden, welches beinhaltet, dass die zu erbringenden Leistungen primär von geeigneten regionalen Kooperationspartner:innen umgesetzt werden sollen (vgl. Schaumberg 2018, 211–212).
In den folgenden Kapiteln werden nur die für den Kyffhäuserkreis im Zusammenhang stehenden Inhalte präsentiert. Das hat zur Folge, dass Inobhutnahmen unbegleitet eingereister minderjähriger Ausländer:innen zwar in den abgebildeten Statistiken zugunsten des Gesamtbildes aufgeführt sind, diese aber nicht explizit in dieser Arbeit berücksichtigt werden. Dieser geringe Anteil ist im Kyffhäuserkreis zu vernachlässigen, da auf telefonische Anfrage bei der zuständigen Sachbearbeiterin mitgeteilt wurde, dass es in den letzten Jahren „nur wenige kurzweilige Fälle im einstelligen Bereich“ (Kellermann 25.02.2022) gab und ebenfalls migrierte Angehörige die Betreuung und Pflege, teilweise in Unterkünften für Geflohene und Verfolgte, übernommen haben. Eine zweite Anfrage zur Konkretisierung der tatsächlichen Fallzahlen wurde von einem Sachbearbeiter des Amtes für Ausländer‐ und Flüchtlingswesen, Integration, Einbürgerung und Namensänderung, Standes‐ und Meldeamtsaufsicht wie folgt beantwortet: „Die vorläufigen Inobhutnahmen gem. § 42 a SGB VIII hielten sich in all den Jahren in Grenzen. Hier wurden tatsächlich nur 10 Personen ermittelt.“ (Greschuchna 01.03.2022, 2). Gemeint ist hierbei der Zeitraum von 2015 bis 2022.
Grundsätzlich besteht als mögliche Pflegeform, wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln erwähnt, ebenso eine institutionelle Unterbringung der Kinder in Pflegeheimen. In dieser Arbeit wird ausschließlich das Verhältnis von Pflegefamilien, Herkunftsfamilien und Pflegekind untersucht. Demnach wird nicht auf die Heimerziehung eingegangen.
Im Folgenden wird dargestellt, auf welchen Paragrafen die Pflegeformen fundieren und welche Schwerpunkte sie beinhalten.
4.1 Vollzeitpflege und mögliche Hilfsformen
Gesetzlich geregelt sind Vollzeitpflegen gestuft nach dem Schweregrad der notwendigen Hilfen, um das Wohl des Kindes oder Jugendlichen nicht zu gefährden. Dabei gilt der Leitsatz: So wenig wie möglich und so viel wie nötig. Die Autonomie von Familien und die im Grundgesetz verankerte Unverletzlichkeit der Familie (Art. 6 GG) bilden einen Handlungsrahmen, dem unbedingt Folge zu leisten ist. Die Kapitel4.1.5 Privates Pflegeverhältnisund4.1.6 Adoptionspflegedienen ausschließlich der Vollständigkeit sowie als Ergänzung und werden in weiteren Kapiteln nicht berücksichtigt. In der Regel finden diese Hilfen außerhalb des Handlungsfeldes des Jugendamtes statt bzw. stellen sie keine Pflegeform per se dar. Somit existieren - in aufsteigender Reihenfolge nach Eskalationsstufen bei Störungen innerhalb der Familie - die folgende Hilfen zur Vollzeitpflege.
4.1.1 Hilfen zur Erziehung
Auf dieser Ebene muss keine Notlage in Form einer Kindeswohlgefährdung vorliegen. Vielmehr handelt es sich um präventive Maßnahmen zur Verhinderung einer Kindeswohlgefährdung. Die Rechtsgrundlage für einen Leistungsbezug für Hilfen zur Erziehung sind in den Paragrafen §§ 27, 33 SGB VIII festgelegt. Das Recht gibt vor, dass das Kind einen Bedarf an Erziehung haben muss, die für dessen Entwicklung notwendig sind. Ist das der Fall, werden geeignete Hilfen unter Einbezug der Eltern und des Kindes vom Jugendamt gesucht, empfohlen und vermittelt. Die Hilfen adressieren die Eltern wie auch das Kind und sollen dabei helfen, die gestörte Familiensituation zu überwinden, indem durch unterstützende Hilfen die Kompetenzen in Bezug auf die Erziehung gesteigert werden.
Die Eltern haben in diesem Zusammenhang Anspruch auf finanzielle Unterstützung zum Unterhalt nach § 39 SGB VIII. Davon gedeckt sind Erziehung in der Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII), Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII), Heimerziehung, sonstige betreute Wohnformen (§ 34 SGB VIII) und intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII). Zusätzlich erhalten Eltern Krankenhilfe ohne Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen nach § 40 SGB VIII. Sollten die Adressat:innen keine freiwillige Krankenversicherung vorweisen können, kann das Jugendamt die Kosten dafür im Bedarfsfall übernehmen (vgl. Helming et al. 2011, 48).
4.1.2 Eingliederungshilfe
Die Eingliederungshilfe stellt eine besondere Leistung innerhalb der Vollzeitpflege dar. Diese adressiert gemäß § 90 SGB IX ausschließlich junge Menschen, die für einen Zeitraum von mehr als sechs Monate von einer seelischen Behinderung betroffen oder bedroht sind. Die Leistungserbringung erfolgt in der Regel über sonderpädagogische Pflegestellen. Für die Beantragung der Leistung(en) sind eine fachärztliche Diagnose bezogen auf das Störungsbild bzw. Krankheitsbild notwendig und überdies eine sozialpädagogische Bewertung, wie stark das vorliegende oder zu erwartende Teilhabedefizit ausgeprägt ist oder sein wird. Eine Entscheidung zur Leistungsbewilligung obliegt dem Jugendamt (vgl. Helming et al. 2011, 51).
4.1.3 Hilfe für junge Volljährige
Basierend auf dem Mikrozensus von 2020, hat das Statistische Bundesamt folgende Feststellung publiziert: „Vielejunge Erwachsenewohnen noch bei ihren Eltern.Im Jahr 2020lebte mehr als ein Viertel (28%) der25-Jährigenin Deutschland nochimelterlichenHaushalt [..]. Die Söhne lassen sich mit dem Auszug etwas mehr Zeit: Im Alter von 25 Jahren lebtennochgut jeder Dritte(35%)bei den Eltern.Bei den Töchtern war esgutjede fünfte(21%).“ (Pressemitteilung Nr. N 069 2021). Solche Entwicklungen spiegeln sich ebenfalls in der Vollzeitpflege wider. Eine abgeschlossene Persönlichkeitsentwicklung und das Erreichen von Selbstständigkeit müssen nicht zwangsläufig mit der Vollendung des 18. Lebensjahres einhergehen. Unter Berücksichtigung einer schwierigen Kindheit und Jugend können durchaus Entwicklungsverzögerungen vorliegen. Bei jungen Menschen mit seelischen Behinderungen ist dieser Aspekt von besonderer Bedeutung und kann mit Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB XII kombiniert werden. Daher ermöglicht § 41 in Verbindung mit § 33 SGB VIII einen Leistungsanspruch auf finanzielle sowie pädagogische Unterstützung für junge Erwachsene, die sich an der gegebenen Lebenswelt der Adressat:innen orientiert. Der Gesetzgeber schreibt die Fortführung der Hilfen bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres vor, kann diese Hilfen in „begründeten Einzelfällen“ jedoch bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres verlängern (vgl. ebd. 2011, 51–53). Folgende Darstellung gibt einen Überblick über die gültigen Paragrafen aufgrund des Lebensalters.
[...]
- Citar trabajo
- Sebastian Koch (Autor), 2022, Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz. Beteiligung von Herkunftsfamilien bei Inobhutnahme von Kindern in Pflegefamilien, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1307970
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