Die Weltpolitik nach Ende des zweiten Weltkriegs wurde, bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991, in nahezu allen Bereichen durch die Weltordnung des seither schwelenden ‚Kalten Krieges‘ zwischen den Staaten des ‚Ostblocks‘ und den ‚Westmächten‘ bestimmt. Allen voran aufgrund der riesigen Nuklearwaffenarsenale der beiden Lager kam es im Verlaufe des Ost-West-Konflikts zu keinen offenen militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Mächten. Gleichwohl versuchten beide Lager ihre Einflusssphären auszubauen. Dies führte zu einer Vielzahl von Interventionen in Drittstaaten.
Der Anfang der 1960er-Jahre brachte eine Vielzahl von Veränderungen in die weltpolitische Landschaft und markierte zugleich eine der ‚heißesten‘ Phasen des ‚Kalten Krieges‘: So wurde das Jahr 1960 zum „Afrikanischen Jahr“, in welchem 18 afrikanische Kolonien ihre Unabhängigkeit erlangten. Dabei lief die Erlangung der Unabhängigkeit nicht immer reibungslos ab. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist die ‚Kongo-Krise‘ von 1960 - 1964, welche den Kongo zwischen die Fronten des ‚Kalten Krieges‘ geraten lässt.
Darüber hinaus wurde Afrikas Dekolonisation in besonderer Weise durch den Nord-Süd-Gegensatz zwischen den jungen Staaten Afrikas und ihren (ehemaligen) Kolonialmächten bestimmt. Die Verbindung der Konfliktlinien von Nord-Süd- und Ost-West-Konflikt zeigt dabei, dass in Afrika die Konfrontation zwischen Imperialismus und Anti-Imperialismus eine große Rolle spielte.
Zur Klärung des Frage, welchen Einfluss die zentralen Akteure des ‚Kalten Krieges‘ auf die Dekolonisation Afrikas ausübten, wird in dieser Arbeit am Beispiel der ‚Kongo-Krise‘ die Rolle der involvierten internationalen Akteure vor dem Hintergrund des Ost-West-Gegensatzes analysiert. Dazu werden zunächst die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung vor der Unabhängigkeit dargestellt. Im Anschluss daran erfolgt eine Skizzierung des Verlaufs der Krise. Auf der Grundlage dieser Skizzierung sollen im anschließenden Kapitel die jeweiligen Rollen der entscheidenden internationalen Akteure beleuchtet werden. Aufgrund der ihrer jeweiligen dominierenden Stellung innerhalb ihrer Machtblöcke, konzentriert sich diese Arbeit auf die Analyse der beiden Supermächte USA und UdSSR. Zusätzlich wird die Bedeutung der UN für den Konflikt und ihre Einbettung in das Machtsystem des ‚Kalten Krieges‘ näher analysiert. Die Rolle ehemalige Kolonialmacht Belgien wird zudem ebenfalls analysiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Afrika zwischen Nord-Süd- und Ost-West-Gegensätzen
2. Die Entwicklung des Kongo vor der Unabhängigkeit
2.1. Naturräumliche Begebenheiten und wirtschaftliche Entwicklung
2.2. Gesellschaftliche und politische Entwicklung
3. Überblick über die „Kongo-Krise“ (1960 - 1964)
4. Internationalisierung der Krise im Lichte des „Kalten Krieges“
4.1. Die Rolle der Vereinten Nationen (UN)
4.2. Die Rolle der Vereinigten Staaten von Amerika (USA)
4.3. Die Rolle der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR)
5. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Afrika zwischen Nord-Süd- und Ost-West-Gegensätzen
Die Weltpolitik nach Ende des zweiten Weltkriegs wurde, bis zur Auflösung der Sowjetunion im Jahre 1991, in nahezu allen Bereichen durch die dualistische Weltordnung des seither schwelenden ,Kalten Krieges‘ zwischen den Staaten des ,Ostblocks‘ und den ,Westmächten‘ bestimmt. Die Führungsrolle dieses Ost-WestKonflikts übernahmen die beiden Supermächte USA und UdSSR. Entsprechend ihrer konträren politischen Ideologien wurde der ,Kalte Krieg‘ in erster Linie auch ein Wettstreit zwischen dem Kapitalismus auf der einen und dem Sozialismus bzw. Kommunismus auf der anderen Seite. Allen voran aufgrund Abschreckung durch die enormen Arsenale an Nuklearwaffen der beiden Lager kam es im Verlaufe des Ost-WestKonflikts zu keinen offenen militärischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Supermächten. Gleichwohl versuchten beide Lager ihre Einflusssphären auszubauen bzw. den Einfluss der Gegenpartei einzudämmen. Dies führte u. a. bis hin zur Austragung von sog. „Stellvertreterkriegen“ (z. B. Koreakrieg 1950) und zu einer Vielzahl von direkten und indirekten Interventionen in Drittstaaten wie bspw. im Kongo.
Die Zeit zwischen der Mitte der 1950er-Jahre bis zur Mitte der 1960er-Jahre brachte eine Vielzahl von Veränderungen in die weltpolitische Landschaft und markierte zugleich eine der ,heißesten‘ Phasen des ,Kalten Krieges‘: So wurde das Jahr 1960 zum sog. „Afrikanischen Jahr“, in welchem 18 afrikanische Kolonien - darunter auch BelgischKongo - ihre Unabhängigkeit erlangten. (KACZA 1990: 57) Dabei lief die Erlangung der Unabhängigkeit nicht immer reibungslos und ohne Konflikte ab. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür ist die in dieser Arbeit behandelte ,Kongo-Krise‘ von 1960 - 1964, welche in ihrem Verlauf den Kongo zwischen die Fronten des ,Kalten Krieges‘ geraten lässt. Auf der anderen Seite des Atlantiks ließ zudem die sozialistische Revolution in Kuba und die folgende Zuspitzung hin zur Kuba-Krise von 1962 die Gefahr eines dritten Weltkrieges mehr als realistisch erscheinen. (LEIMGRUBER 1990: 61)
Darüber hinaus wurde Afrikas Dekolonisation in besonderer Weise durch den Nord-SüdGegensatz zwischen den jungen Staaten Afrikas und ihren (ehemaligen) Kolonialmächten bestimmt. Die Verbindung der Konfliktlinien von Nord-Süd- und Ost-West-Konflikt zeigt dabei, dass in Afrika - und auch speziell im Kongo - die Konfrontation zwischen Imperialismus und Anti-Imperialismus eine große Rolle spielte. (MATTHIES 1988: 83) Zur Klärung des Frage, welchen Einfluss die zentralen Akteure des ,Kalten Krieges‘ auf die Dekolonisationsprozesse in Afrika ausübten, wird in dieser Arbeit am Beispiel der ,Kongo-Krise‘ (1960 - 1964) die Rolle der involvierten internationalen Akteure vor dem Hintergrund des Ost-West-Gegensatzes analysiert. Dazu werden zunächst die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung vor der Unabhängigkeit dargestellt. Im Anschluss daran erfolgt eine Skizzierung des Verlaufs der Krise. Auf der Grundlage dieser Skizzierung sollen im anschließenden Kapitel die jeweiligen Rollen der entscheidenden internationalen Akteure beleuchtet werden. Aufgrund der ihrer jeweiligen dominierenden Stellung innerhalb ihrer Machtblöcke, konzentriert sich diese Arbeit vorrangig auf die Analyse der beiden Supermächte USA und UdSSR. Zusätzlich wird die Bedeutung der Vereinten Nationen (UN), einem weiteren entscheidenden Handlungsträger in der Kongo-Krise, für den Konfliktverlauf und ihre Einbettung in das Machtsystem des ,Kalten Krieges‘ näher analysiert. Auf die Rolle der ehemaligen Kolonialmacht des Kongos, Belgien, wird in dieser Arbeit im Rahmen der Analyse des Unabhängigkeitsprozesses sowie des Konflikthergangs näher eingegangen.
2. Die Entwicklung des Kongo vor der Unabhängigkeit
Die heutige Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) war vor ihrer Unabhängigkeit im Juni 1960 seit 1908 als „Belgisch-Kongo“ eine Kolonie des belgischen Staates. Zuvor war das Gebiet seit 1885 als „Kongo-Freistaat“ (frz. Etat Indépendant du Congo) im Besitz der Association Internationale du Congo (AIC), einer Gesellschaft im alleinigen Eigentum des belgischen Königs Leopold II (1835 - 1909), welcher das Land und vor allem die Einheimischen brutal ausbeuten ließ. (WIRZ 1982: 427f.)
2.1. Naturräumliche Begebenheiten und wirtschaftliche Entwicklung
Der Kongo ist überaus reich an natürlichen Ressourcen und verfügt über ein großes agrarisches Potential. So lieferte der Kongo 1960 bspw. „70% der Kobalt-, 70% der Industriediamanten-, 10% der Kupfer- und 10% der Zinnweltproduktion.“ (LEIMGRUBER 1990: 55) Die koloniale Wirtschaftspolitik des belgischen Staates war ausgerichtet auf eine exportorientierte Rohstoffrentenwirtschaft und schloss zudem die Vergabe von Monopolen und Konzessionen ein, welche sich fest in der Kontrolle weniger, überwiegend belgischer oder britischer Großkonzerne befanden. Als Folge dessen zeigte sich im Kongo „das typische Bild einer dualistischen Enklavenwirtschaft“ (WIRZ 1982: 441) mit einer stagnierenden, marginalisierten einheimischen Subsistenzwirtschaft.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Geographische Verteilung der Rohstoffvorkommen im Gebiet der DR Kongo (Quelle: LE MONDE DIPLOMATIQUE 2006)
Das rasante Wirtschaftswachstum, welches der Kongo, mit einigen Unterbrechungen, in der Zeit nach der Übernahme durch den belgischen Staat bis zur Unabhängigkeit erfuhr, gründete sich überwiegend auf die industriell betriebenen Erzproduktion und erfuhr seinen Höhepunkt in der Zeit nach dem zweiten Welktkrieg. So lag der Anteil des Bergbaus 1959 an den gesamten Exporten der Kolonie bei 59,4%. (WIRZ 1982: 442) Die mineralischen Bodenschätze des Kongos waren und sind allerdings nicht gleichmäßig über die gesamte Fläche des Landes verteilt, sondern konzentrieren sich vor allem auf die südliche Region Katanga mit riesigen Kupfer- und Zinnvorkommen. (JAMES 1996: 13; vgl. auch Abbildung 1) Der Anteil Katangas an der Erzproduktion des Kongos bspw. betrug 1957 80,2%. (WIRZ 1982: 542) Darüber hinaus verfügte Katanga über „das grösste bis 1960 in der westlichen Welt bekannte Uranvorkommen.“ (LEIMGRUBER 1990: 55) Weitere Regionen mit nennenswerten mineralischen Bodenschätzen sind die Provinzen Kasai (gesamtes damalig bekanntes Diamantenvorkommen des Kongos) und Kivu. (vgl. Abbildung 1) Eine dominierende Stellung in der kolonialen Wirtschaft des Kongos übernahm die Finanzgruppe Société générale de Belgique (SGB). Sie kontrollierte die wichtigsten Gesellschaften und Monopole wie bspw. die Union minière du Haute-Katanga (UMHK), welche 1960 80% der kongolesische Erzproduktion ausmachte. Der Staat selbst griff nur wenig in die Wirtschaft ein, profitierte allerdings mit einer Vielzahl an Beteiligungen (u. a. an der SGB) als stiller Teilhaber am wirtschaftlichen Erfolg. Neben dem Abbau von Rohstoffen, bemühten sich die belgischen Kolonialherren früh um eine Industrialisierung des Landes, wobei sich die Industriellen Betriebe vor allem in der kolonialen Hauptstadt Leopoldville sowie in Elisabethville, der Provinzhauptstadt Katangas, ansiedelten.(WIRZ 1982: 442f.) Hauptabnehmer der kongolesischen Rohstoffe waren vor der Unabhängigkeit vor allem Belgien, die USA sowie die weiteren westeuropäischen Staaten. (LEIMGRUBER 1990: 55)
2.2. Gesellschaftliche und politische Entwicklung
Gesellschaftlich und politisch war die Kolonie stark durch Rassentrennung und Diskriminierung der einheimischen Bevölkerung geprägt. So entwickelte sich erst in den 1950er Jahren ein elementares staatliches Schulsystem für die schwarze Bevölkerung. Die Folge war, dass zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit zwar ca. 70% der Bevölkerung eine Primarbildung aufwies (GIBBS 1991: 55), allerdings lediglich zwischen 14 - 31 der ca. 14 Millionen Kongolesen einen Universitätsabschluss besaßen. Hinzu kam, dass die einheimische Bevölkerung sowohl in der Forcepublique (Kolonialarmee) als auch in der öffentlichen Verwaltung lediglich die unteren Dienstgrade besetzen konnten. Dementsprechend waren noch 1959 alle Armeeoffiziere sowie die Beamten in den obersten drei Stufen der Verwaltung ausnahmslos Weiße. (JAMES 1996: 14) Ähnlich verhielt es sich mit der Verteilung des Volkseinkommens: Während die weiße Bevölkerung lediglich 1% der Gesamtbevölkerung ausmachte, vereinigte sie über 50% des Volkseinkommens auf sich. (JOHNSON 2014: 29) Generell konnte die Bevölkerung des Kongos nicht von den reichen Rohstoffvorkommen ihres Landes profitieren, da seit 1928 gesetzlich nur Konzessionshalter zum Abbau berechtigt waren und der Verstoß dagegen unter Strafe gestellt wurde. (JOHNSON 2014: 27)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Ethnische Gliederung des Kongo (Quelle: NAMIKAS 2013: 37)
Politisch hatten die Kongolesen - inklusive der weißen Siedler - keine Mitspracherechte und Opposition zur Regierungsgewalt wurde rigoros bekämpft. Die zentralistische Kolonialverwaltung war im ganzen Land zudem durch ein enges Verwaltungsnetz und paternalistische Kooperationen mit Stammesobersten (localchiefs) sehr präsent. (GIBBS 1991: 56f; JOHNSON 2014: 28) Die Macht zentrierte sich im Kongo vor allem auf den Generalgouverneur, die Parlamente der sechs Provinzen des Kongos (vgl. Abbildung 2) waren praktische ohne politische Macht ausgestattet. Als weiteres Hindernis einer gemeinsamen nationalen Opposition fungierten die große ethnisch und linguistische Vielfalt und die Rivalitäten zwischen den in sehr homogenen ethnischen Gemeinschaften lebenden „Kongolesen“. Ferner erschwerte auch die geographische Größe des Landes landesweit-koordinierte Proteste gegen die Staatsgewalt enorm. (GIBBS 1991: 58f; vgl. auch Abbildung 3)
Nach der Ansicht des Journalisten Dominic Johnson (2014: 29) ähnelte der Kongo im innerafrikanischen Vergleich in den 1950er Jahren hinsichtlich seinem Industrialisierungsgrad sowie seiner strengen gesellschaftlichen Segregation am ehesten Südafrika und zählte damit, vor allem in den Augen der Belgier, zu einer der fortschrittlichsten Kolonien des Kontinents, obwohl der wirtschaftliche Erfolg keinerlei politische Partizipationsmöglichkeiten für die Kongolesen mit sich brachte. Trotz fehlender politischer Rechte und Emanzipations- und Dekolonisationserscheinungen in anderen afrikanischen Ländern ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre kam die US Regierung 1958 in einem Dossier zum dem Schluss: „[T]here is nothing to indicate that the Belgians will forced out soon.“ (zit. nach GIBBS 1991: 59)
Wieso kam es trotzdem innerhalb kürzester Zeit zum Erstarken einer landesweiten Unabhängigkeitsbewegung? Wie bereits zuvor erwähnt, kam es in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zu einer massiven Dekolonisierungsbewegung in Afrika, die 1960 ihren Höhepunkt erreichte. Parallel wurde auch in den Industrienationen der Ruf nach „Entkolonisierung“ und dem Prinzip der „Selbstbestimmung der Völker“ immer lauter. In der Folge änderte sich auch das innenpolitische Klima in Belgien sowie im Kongo rapide. Der Beginn der kongolesischen Emanzipationsbewegung stand noch im Zeichen eines „ethnischer Nationalismus“. Prominentestes Beispiel dafür war die Alliance des Bakongo (Abako) mit ihrem Präsidenten Joseph Kasavubu. (MARTE 1994: 177) Die einzige landesweite nationale Unabhängigkeitsbewegung war das 1958 gegründete Mouvement National Congolais (MNC) unter der Führung von Patrice Lumumba. Entsprechend ihren politischen Vorstellungen, strebte Kasavubu für die Zeit nach einer möglichen Unabhängigkeit eine lose kongolesische Föderation an, wohingegen Lumumbas MNC zu einem „Vorkämpfer eines alle ethnischen Unterschiede transzendierenden radikalen antikolonialen Nationalismus“ (WIRZ 1982: 485) avancierte und unitaristische Ziele verfolgte. Unmittelbar nach dem Lumumba im Dezember 1958 an der „All African People ‘s Conference“ teilgenommen hatte, forderte er bei einer Massenkundgebung in Leopoldville die Unabhängigkeit des Kongo in naher Zukunft. Anfang Januar kam es zu Unruhen in Leopoldville, bei denen Kasavubu öffentlich die sofortige Unabhängigkeit des Kongo forderte. Im Zuge der Unruhen radikalisierte sich die Unabhängigkeitsbewegung, woraufhin sich in Belgien die Sorge vor einem Konflikt im Stile des blutigen Unabhängigkeitskrieges zwischen Algerien und seiner ehemaligen Kolonialmacht Frankreich (1954 - 1962) verbreitete. (JAMES 1996: 16) Um die explosive Stimmung im Kongo einzudämmen, versprach der belgische König Baudouin den Kongolesen am 13. Januar 1959 die Gewährung der Unabhängigkeit innerhalb einer kurzen Zeit. (NAMIKAS 2013: 39f.) Ein Jahr später wurde dann ein „Runder Tisch“ in Brüssel zur Diskussion über die Unabhängigkeit des Kongos abgehalten. Die Ergebnisse des „Runden Tisches“ waren folgende:
- Das Datum der Unabhängigkeit wird auf den 30. Juni 1960 festgelegt,
- Verfassung, Staatsaufbau und Wahlrecht werden am belgischen Vorbild orientiert,
- die Staatsform umfasst einen dezentralisierten Einheitsstaat mit ausgeprägt bundesstaatlichen Elementen, bestehend aus 6 Provinzen und
- die von belgischen, aber auch kongolesischen Politkern Mitte der 1950er Jahre ins Spiel gebrachte Belgisch-Kongolesische Gemeinschaft bzw. Konföderation wird nicht weiterverfolgt. (WIRZ 1982: 495f.)
Wirtschaftliche Themen wurden bei diesem belgisch-kongolesischen Gipfel allerdings ausgeklammert und auf einem zweiten „Runden Tisch“ besprochen, bei dem der Kongo von sechszehn Wirtschaftsstudierenden vertreten wurde und bei dem sich Belgien die Kontrolle über die wichtigsten Wirtschaftszweige über die Unabhängigkeit hinaus sicherte. (NAMIKAS 2013: 45, 51) Bei den im Mai 1960 stattfindenden konstitutiven Parlamentswahlen konnte Lumumbas MNC-Flügel mit 24,08% (WIRZ 1982: 499) als stärkste Partei hervortreten. Nach zähen Verhandlungen wurde Lumumba als designierter Premierminister mit der Regierungsbildung beauftragt. Der erste Präsident des Kongos wurde hingegen Abako-Führer Joseph Kasavubu. (KACZA 1990: 43)
3. Überblick über die „Kongo-Krise“ (1960 - 1964)
Der Ausbruch der Krise im Kongo begann ziemlich bald nach der Unabhängigkeit. So war es während der Unabhängigkeitsfeierlichkeiten am 30. Juni 1960 zu einem Eklat gekommen, als Lumumba als Reaktion auf die paternalistische Rede zur Unabhängigkeit von König Baudouin eine Rede hielt, in der er mit den 80 Jahren der Kolonialzeit und den Belgiern abrechnete. (KACZA 1990: 45)
Eine Woche nach der Unabhängigkeit meuterte ein Großteil der Force publique (später umbenannt in Armée Nationale Congolaise (ANC)), da diese trotz Unabhängigkeit weiter fest in der Hand belgischer, weißer Offiziere war. (WIRZ 1982: 506f.) Als Reaktion auf die Meuterei, intervenierte das im Kongo verbliebene belgische Militär und besetzte strategische Punkte im Land, um die angeblich bestehende Gefahr von Übergriffen auf die Weißen im Land zu unterbinden. Diese Intervention stellte eine klare Missachtung des kurz vor der Unabhängigkeit geschlossenen Freundschaftsvertrags zwischen den beiden Ländern, welcher zwar den Bestand zweier belgischer Militärbasen an strategischen Positionen im Land (vgl. Abbildung 2) anerkannte, allerdings vorsah, dass die Truppen nur mit Genehmigung der kongolesischen Regierung ausrücken durften. Da dies nicht erfolgte, stellte die Intervention Belgiens damit einen Eingriff in die Souveränität eines unabhängigen Staates dar. (KACZA 1990: 52f.)
Die aus der Meuterei der kongolesischen Armee resultierende Schwäche der Zentralregierung nutzte der Führer der katangisches Partei Confédération des associations tribales du Katanga (Conakat) Moise Tshombe, um, unterstützt durch die UMHK und das ausgerückte belgische Militär, die Sezession Katangas zu verkünden. Die Conakat verfolgte vor der Unabhängigkeit bereits das Ziel eines autonomen Katangas in einem losen kongolesischen Bundesstaat. (WIRZ 1982: 481) Als Begründung für die Sezession gab er eine angebliche Bedrohung durch die in seinen Augen „kommunistenfreundliche Zentralregierung“ an. International wurde die Sezession zwar nicht formell anerkannt, jedoch erhielt Tshombe neben militärischen Schutz durch die Belgier, enorme finanzielle und technische Unterstützung aus dem Ausland, neben Belgien, vor allem von Großbritannien via Rhodesien. Zu Beginn sahen darüber hinaus auch die USA wohlwollend auf die katangische Sezession (KACZA 1990: 54) Am 09.
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- B.A. (Bachelor of Arts) Jonah zur Brügge (Autor:in), 2019, Dekolonisation im Spannungsfeld des Kalten Krieges am Beispiel der "Kongo-Krise" (1960 – 1964), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1306515
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