In dieser Arbeit möchte ich zeigen, dass die in den Buddenbrooks dargestellte Entbürgerlichung ein spezifischer innerfamiliärer Prozess ist, der aus psychologischen Gründen entsteht und der in beiden Protagonisten dieser Untersuchung nahezu zeitnah verläuft. Dieser Prozess läuft aber keineswegs parallel ab, ganz im Gegenteil verläuft er in den unterschiedlichsten Stufen und Schüben. Damit versuche ich dann übergeordnet zu belegen, dass die Buddenbrooks nicht aber das sind, für was sie lange gehalten worden sind und was sogar Thomas Mann später so zu begreifen meinte: Buddenbrooks als „Stück der Seelengeschichte des deutschen Bürgertums“, ja „des europäischen Bürgertums überhaupt“ . Schon gar nicht kann der Roman den Verfall des patrizischen Bürgertums gegenüber imperialistischen, ‚bourgeoisen’ Eindringlingen repräsentieren. Natürlich schließt das nicht die Legitimität sozialer Fragestellungen an den Roman aus, aber man muss sich der Beiläufigkeit der sozialhistorischen Fakten bewusst sein, die nur als halbbewusste Erwähnungen ihren Platz finden, um dem Roman die lokale und zeitliche Atmosphäre zu verleihen. Der Roman zeigt nicht den Verfall des Bürgertums im Allgemeinen, sondern die schrittweise Entbürgerlichung einer bestimmten patrizischen Kaufmannsfamilie in einem bestimmten Milieu.
Um diese These zu belegen, werde ich im Folgenden die in den Buddenbrooks dargestellte Bürgerlichkeit und das Milieu, in dem es sich entwickelt, beschreiben und kritisch betrachten. Um den Blick dann auf die innerfamiliären Probleme zu richten, werde ich die beiden Brüder Buddenbrook einer genauen Analyse unterziehen und Thomas’ Position als eine „Mittelstellung zwischen Konservatismus und Neuerungstrieb“ identifizieren und an Christian eine ungehemmte Entbürgerlichung feststellen.
Zum Schluss dieser Arbeit wird man sehen können, ob sich meine These erhärtet oder ob man doch auch an Thomas und Christian Buddenbrook ein Stück deutscher oder sogar europäischer Seelengeschichte des Bürgertums erkennen kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Gedichtete Bürgerlichkeit in den Buddenbrooks
- Der Begriff des „Bürgerlichen“
- Das Milieu: Die Freie Hansestadt Lübeck
- Das Bürgerliche in den Buddenbrooks
- Die Bürger des alten Stils
- Der gefährdete Bürger
- Identitätskrise und ungehemmte Entbürgerlichung
- Thomas
- Christian
- Schlussbetrachtung
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit dem Motiv der Entbürgerlichung in Thomas Manns Roman Buddenbrooks. Sie analysiert die Entwicklung der beiden Brüder Thomas und Christian Buddenbrook und untersucht, wie ihre individuellen Lebenswege und Entscheidungen zu einer schrittweisen Entfremdung von der bürgerlichen Lebensform führen. Die Arbeit zielt darauf ab, die Entbürgerlichung als einen innerfamiliären Prozess zu beleuchten, der aus psychologischen Gründen entsteht und in beiden Protagonisten, wenn auch in unterschiedlichen Stufen und Schüben, verläuft.
- Die Entwicklung des Begriffs „Bürgerlichkeit“ im Kontext der Buddenbrooks
- Die Rolle des Milieus der Freien Hansestadt Lübeck in der Gestaltung der bürgerlichen Lebensform
- Die Identitätskrise und Entfremdung von der bürgerlichen Lebensform bei Thomas Buddenbrook
- Die ungehemmte Entbürgerlichung Christians Buddenbrooks
- Die Frage, ob die Buddenbrooks als Beispiel für den Verfall des deutschen oder europäischen Bürgertums dienen können
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die beiden Brüder Thomas und Christian Buddenbrook als Symbolfiguren für entkräftete Bürgerlichkeit vor und skizziert die zentrale These der Arbeit: Die Entbürgerlichung in den Buddenbrooks ist ein spezifischer innerfamiliärer Prozess, der aus psychologischen Gründen entsteht und in beiden Protagonisten nahezu zeitnah, aber in unterschiedlichen Stufen und Schüben verläuft. Die Arbeit widerlegt die gängige Interpretation der Buddenbrooks als „Stück der Seelengeschichte des deutschen Bürgertums“ und argumentiert, dass der Roman nicht den Verfall des Bürgertums im Allgemeinen, sondern die schrittweise Entbürgerlichung einer bestimmten patrizischen Kaufmannsfamilie in einem bestimmten Milieu darstellt.
Das zweite Kapitel beleuchtet die in den Buddenbrooks dargestellte Bürgerlichkeit und das Milieu, in dem sie sich entwickelt. Es analysiert den Begriff des „Bürgerlichen“ im historischen Kontext und untersucht die Rolle des Bürgerrechts und der ständischen Ordnung. Das Kapitel beleuchtet auch die spezifische Situation der Freien Hansestadt Lübeck als Milieu der Buddenbrooks und zeigt, wie die bürgerliche Lebensform in diesem Kontext geprägt ist.
Das dritte Kapitel widmet sich der Analyse der beiden Brüder Thomas und Christian Buddenbrook. Es untersucht die Identitätskrise und Entfremdung von der bürgerlichen Lebensform bei Thomas und stellt fest, dass er eine „Mittelstellung zwischen Konservatismus und Neuerungstrieb“ einnimmt. Das Kapitel analysiert dann die ungehemmte Entbürgerlichung Christians und zeigt, wie er sich von den bürgerlichen Normen und Werten löst.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Entbürgerlichung, die Identitätskrise, die Bürgerlichkeit, das Milieu, die Familie, die Psychologie, Thomas Mann, Buddenbrooks, Lübeck, Thomas Buddenbrook, Christian Buddenbrook, Konservatismus, Neuerungstrieb, Verfall, Seelengeschichte, Deutsches Bürgertum, Europäisches Bürgertum.
- Citar trabajo
- Mario Schüler (Autor), 2008, Identitätskrise und ungehemmte Entbürgerlichung - Das Motiv der Entbürgerlichung in Thomas Manns Buddenbrooks, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130612
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