Im Rahmen dieser Arbeit wird der Frage nachgegangen, inwiefern ein Zusammenhang zwischen der Ausprägung des Kohärenzgefühls und dem Auftreten eines Rückfalls bei Personen mit Abhängigkeitssyndrom besteht. Das Ziel ist es, herauszuarbeiten, welche Rolle das Kohärenzgefühl beim Auftreten eines Rückfalls spielt, um somit dessen Bedeutung im Rahmen der Rückfallprävention zu determinieren. Dafür wird eine hypothesenprüfende empirische Studie durchgeführt, angelehnt an die quantitative Datenerhebungsmethode mittels einer Einmalmessung ohne Kontrollgruppe. Die Auswahl dieses Forschungsdesigns kann mit der empirisch belegten hohen Validität des standardisierten Fragebogens zur Erfassung des Kohärenzgefühls begründet werden. Zudem war der Zeitraum, der für die Durchführung der Forschung zur Verfügung stand, begrenzt. Darüber hinaus wird für die Auswertung des Kohärenzgefühls keine Kontrollgruppe benötigt, da die ermittelten Werte mit den theoretisch abgeleiteten Referenzwerten verglichen werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Einordnung und Relevanz des Themas
1.2 Fragestellung, Zielsetzung und Vorgehensweise
1.3 Aufbau und Abgrenzung der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Das Modell der Salutogenese
2.1.1 Begriffserklärung
2.1.2 Das Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
2.1.3 Die generalisierten Widerstandsressourcen
2.1.4 Das Konzept des Kohärenzgefühls
2.1.5 Ausbildung und Veränderbarkeit des Kohärenzgefühls
2.1.6 Der Einfluss des Kohärenzgefühls auf den Umgang mit Stress
2.1.7 Das Kohärenzgefühl und die physische und psychische Gesundheit
2.1.8 Interventionen zur Steigerung des Kohärenzgefühls
2.1.9 Kritik, Grenzen und Erweiterungen des Modells
2.2 Das Phänomen des Rückfalls bei einem Abhängigkeitssyndrom
2.2.1 Begriffserklärung ‚Abhängigkeitssyndrom‘
2.2.2 Begriffserklärung ‚Rückfall‘
2.2.3 Erklärungsmodelle des Rückfalls
2.3 Stand der empirischen Forschung
2.3.1 Forschungsstand zum Modell der Salutogenese
2.3.2 Forschungsstand zum Rückfall
2.3.3 Forschungsstand zum Kohärenzgefühl beim Abhängigkeitssyndrom
2.3.4 Zusammenfassung des Stands der Forschung
3 Methodik
3.1 Untersuchungsgegenstand
3.2 Forschungsfrage und Hypothesen
3.3 Untersuchungsdesign
3.4 Rekrutierung und Beschreibung der Stichprobe
3.5 Instrumente zur Datenerhebung
3.6 Durchführung der Befragung
3.7 Operationalisierung der Stichprobe
3.8 Auswertung und Datenanalyse zur Überprüfung der Hypothesen
4 Ergebnisse
4.1 Merkmale der Gesamtstichprobe
4.2 Merkmale der Cluster
4.3 Ergebnisse der statistischen Analyse von Hypothese 1
4.4 Ergebnisse der statistischen Analyse von Hypothese 2
4.5 Ergebnisse der statistischen Analyse von Hypothese 3
5 Diskussion
5.1 Interpretation der Ergebnisse
5.1.1 Diskussion von Hypothese 1
5.1.2 Diskussion von Hypothese 2
5.1.3 Diskussion von Hypothese 3
5.1.4 Diskussion weiterer Aspekte
5.2 Beantwortung der forschungsleitenden Frage
5.3 Limitationen und Reflexion
5.4 Relevanz der Arbeit und Ausblick auf weitere Forschungen
6 Zusammenfassung 67PP
Literaturverzeichnis
Anhang
1 Einleitung
„ Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die ihn lieb haben. Niemand sage, wenn er versucht wird, daß er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand. Sondern ein jeglicher wird versucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird. Danach, wenn die Lust empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert sie den Tod.“ (Jakobus 1:12-15/LUT)
Dieser Bibeltext steht mit der moralisierend-entwertenden Sichtweise über das Abhängigkeitssyndrom und die Rückfälligkeit in Verbindung, bei der der ,suchtkranke‘ Mensch mit Sünden, Selbstzerstörung und Charakterschwäche assoziiert wird (vgl. Heinemann 2010, o. S.). Im Drogen- und Suchtbericht von 2019 (vgl. DSB 2019, S. 136) des Drogenbeauftragten der Bundesregierung wird konkludiert, dass die Diagnose Abhängigkeitssyndrom trotz gesellschaftlicher und medizinischer Fortschritte weiterhin zur Stigmatisierung der Betroffenen durch Stereotypisierung, moralisierende Bewertungen und Generalisierungen führt. Stigmatisierungs- und Ausgrenzungsprozesse werden bei einem Rückfall umso deutlicher, sie stellen ein bedeutsames Hindernis für die Annahme und Akzeptanz einer Behandlung dar und wirken sich negativ auf die Lebensqualität, die Gestaltungsmöglichkeiten und Teilhabechancen der Betroffenen am Gesellschaftsleben aus (vgl. Laging 2018, S. 18; Berger 2017).
1.1 Einordnung und Relevanz des Themas
Dennoch ist der Rückfall kein singulärer Ausnahmevorfall in der Behandlung des Abhängigkeitssyndroms und wird in der Fachliteratur eher als die Regel denn als die Ausnahme in der Suchthilfepraxis bezeichnet (vgl. Körkel/Schindler 2003, S. 48). Aktuelle statistische Erhebungen bestätigen, dass trotz bedeutsamer Fortschritte in der Vorbeugung von Rückfällen die Anzahl schwerer Rückfälle, die eine erneute Behandlung erfordern, weiterhin auf einem hohen Niveau ist: Im Jahr 2019 befanden sich offiziell beinahe 1 000 000 Personen in den verschiedenen Behandlungsformen der Suchthilfe (vgl. DSB 2019, S. 16); von ihnen waren zwischen 6 % und 14 % der Betroffenen erstbehandelte, die anderen waren mindestens einmal aufgrund der Diagnose Abhängigkeitsstörung in einer Form der Suchtbehandlung (vgl. DSHS 2019).
Aus diesen Daten kann folgende Schlussfolgerung gezogen werden: „Menschen ,wachsen‘ offenbar nicht nur über längere Zeit ,in die Sucht hinein‘, sondern sie bedürfen auch längerer Zeiträume – mit Rückfällen –, um sich ihrer Abhängigkeit wieder zu entledigen“ (Körkel 1999, S. 29).
Obwohl es der Suchthilfe aktuell nicht an Erklärungsmodellen des Rückfalls fehlt, sind die Versuche, diese Theorien empirisch zu untersuchen, rar. Zudem herrscht in der Auswahl des Forschungsdesigns und der -methoden in der Suchtforschung eine ausgeprägte Heterogenität, sodass deutliche Schwierigkeiten entstehen, einen strukturierten Überblick über die Determinanten eines Rückfalls zu beschaffen (vgl. Sliedrecht 2019). Ein validierter Fragebogen zur Ermittlung des Rückfallrisikos konnte nicht gefunden werden. Angesichts dieser Situation kann die Suche nach viablen Methoden zur Ermittlung und Senkung des Rückfallrisikos nicht als abgeschlossen betrachtet werden.
Das Modell der Salutogenese, ein vielversprechendes und gefeiertes Konzept (vgl. Dollinger 2006), spielt in der Praxis der Sozialen Arbeit und allgemein im Gesundheitswesen mit Ausnahme der Suchthilfe eine entscheidende Rolle. Auf der einen Seite geht es bei der Salutogenese im Rahmen der Prävention und Gesundheitsförderung um eine holistische, gesundheitsorientierte Betrachtung des Individuums, die Steigerung und Stärkung der Selbstbestimmung, die Partizipation der Betroffenen sowie ihre Befähigung zu Expertinnen und Experten ihrer Erkrankung. Die Salutogenese wurde zum Manifest für die gesundheitliche und soziale Chancengleichheit sowie für die Förderung und den optimalen Einsatz von sozialen, gesellschaftlichen und individuellen Ressourcen zur Steigerung der Gesundheit (ebd., S. 174). Auf der anderen Seite wäre eine vermehrt salutogeneseorientierte Soziale Arbeit in der Suchthilfe im Rahmen der Rückfallprävention zentral, da Studien (vgl. Körkel/Schindler 2003) zeigen, dass insbesondere bei Personen in herausfordernden sozialen und persönlichen Situationen, beispielsweise bei Arbeits- und Wohnungslosigkeit, und bei Personen mit einem niedrigen Bildungsstand das Risiko eines Rückfalls hoch ist (ebd., S. 22).
Zudem haben die empirischen Untersuchungen zu diesem Konzept gezeigt, dass das Kernstück der Salutogenese, das Kohärenzgefühl, Beiträge im Bereich der psychischen Gesundheit leistet und es als zuverlässiger Prädiktor für den Outcome der Behandlung einer psychischen Erkrankung und für die Entwicklung der psychischen Gesundheit eingesetzt werden kann (vgl. Korkeila et al. 2003, S. 455). Dennoch wird die Salutogenese in der Suchtliteratur, Suchtpraxis und Suchtforschung marginal betrachtet (vgl. Laging 2018, S. 20).
1.2 Fragestellung, Zielsetzung und Vorgehensweise
In diesem Kontext soll im Rahmen dieser Arbeit der Frage nachgegangen werden, inwiefern ein Zusammenhang zwischen der Ausprägung des Kohärenzgefühls und dem Auftreten eines Rückfalls bei Personen mit Abhängigkeitssyndrom besteht. Das Ziel ist es, herauszuarbeiten, welche Rolle das Kohärenzgefühl beim Auftreten eines Rückfalls spielt, um somit dessen Bedeutung im Rahmen der Rückfallprävention zu determinieren. Dafür wird eine hypothesenprüfende empirische Studie durchgeführt, angelehnt an die quantitative Datenerhebungsmethode mittels einer Einmalmessung ohne Kontrollgruppe. Die Auswahl dieses Forschungsdesigns kann mit der empirisch belegten hohen Validität des standardisierten Fragebogens zur Erfassung des Kohärenzgefühls begründet werden. Zudem war der Zeitraum, der für die Durchführung der Forschung zur Verfügung stand, begrenzt. Darüber hinaus wird für die Auswertung des Kohärenzgefühls keine Kontrollgruppe benötigt, da die ermittelten Werte mit den theoretisch abgeleiteten Referenzwerten verglichen werden (vgl. Eriksson/Lindström 2005, S. 462).
1.3 Aufbau und Abgrenzung der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist, diese Einleitung nicht inbegriffen, in fünf Kapitel gegliedert. Im zweiten Kapitel werden zunächst die theoretischen Grundlagen dieser Arbeit betrachtet. Im ersten Abschnitt wird auf das Modell der Salutogenese eingegangen. Zentrale Begriffe werden erklärt und die Kernaussagen werden dargestellt und kritisch diskutiert. Im zweiten Abschnitt wird dargestellt, was unter den Begriffen ‚Abhängigkeitssyndrom‘ und ,Rückfall‘ zu verstehen ist und wie der Rückfall aus der theoretischen Perspektive betrachtet wird. Im Anschluss an das Kapitel wird ein Überblick über den Stand der Forschung sowohl in Bezug auf die Salutogenese als auch auf den Rückfall geboten. Mit dem dritten Kapitel beginnt der empirische Teil mit der Darstellung der verwendeten Methodik. Darauffolgend werden im vierten Kapitel die Ergebnisse und die Auswertung der empirischen Forschung dargestellt. Im fünften Kapitel wird auf die Interpretation dieser Ergebnisse eingegangen. Dabei wird versucht, die Ergebnisse der Forschung unter Rückbezug auf den theoretischen Teil zu erläutern, sie kritisch zu diskutieren und eventuelle Handlungsbedarfe abzuleiten. Mit der Zusammenfassung im sechsten Kapitel wird diese Arbeit abgeschlossen. Die vorliegende Arbeit begrenzt sich im vorgegebenen formalen Rahmen auf die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen dem Kohärenzgefühl und dem Rückfall, ohne dass weitere Aspekte des Abhängigkeitssyndroms oder des Suchthilfesystems berücksichtigt werden. Auch bezüglich der theoretischen Grundlagen dieser Arbeit wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
2 Theoretische Grundlagen
In diesem Kapitel werden die grundlegenden Theorien, die zugleich als Basis der empirischen Untersuchung dienen und für die Interpretation der Ergebnisse von Bedeutung sind, betrachtet. Im ersten Abschnitt wird auf das Modell der Salutogenese nach dem israelisch-amerikanischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky eingegangen. Der Schwerpunkt wird auf das Kernstück des Modells – das Kohärenzgefühl – gelegt.
Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels werden die Begriffe ‚Abhängigkeitsstörung‘ und ‚Rückfall‘ sowie die zentralen Erklärungsmodelle des Rückfalls erläutert und kritisch betrachtet. Der dritte Abschnitt des Kapitels ist dem Stand der Forschung gewidmet. Der Fokus wird auf Studien gelegt, in denen die Themen Salutogenese und Rückfall bei Abhängigkeitssyndrom behandelt werden.
2.1 Das Modell der Salutogenese
Das Modell der Salutogenese stellt sich als ein komplexes und umfangreiches Konstrukt dar, mit dem eine innovative und dynamische Perspektive auf die Gesundheit und die Krankheit geworfen werden soll. Zugleich werden soziale Aspekte in die Betrachtung eingeschlossen (vgl. Homfeldt/Sting 2006, S. 76). Es wird darauf abgezielt, die Labilität, die Dynamik und die Wechselbeziehung zwischen der Gesundheit und der Krankheit darzustellen. Zugleich soll eine Abkehr von den statischen Begriffserklärungen der Gesundheit als Wohlbefinden (vgl. WHO 2006, S. 1) oder als Zustand eines physiologischen Gleichgewichts des biomedizinischen Modells erfolgen (vgl. Franke 2012, S. 47).
Salutogenese ist in einem Kontext entstanden, in dem trotz der Fortschritte in der medizinischen Diagnostik und Therapie das Gefühl einer Vernachlässigung der ganzheitlichen Betrachtung des Individuums vorlag. Gefordert wird, neben den körperlichen Beeinträchtigungen auch den psychosozialen Aspekten mehr Aufmerksamkeit zu schenken (vgl. Bengel et al. 2001, S. 14). Mit dem Modell der Salutogenese wird als Ausgangspunkt der theoretischen und empirischen Überlegungen die Frage gestellt, wie erklärt werden kann, dass es manchen Individuen trotz eines vermehrten oder ständigen Kontakts mit Risikofaktoren und Belastungen gelingt, diese Zustände zu bewältigen und sich möglichst in einem gesunden Zustand zu erhalten, wobei Gesundheit im salutogenetischen Verständnis nicht mit einem Freisein von Krankheit gleichzusetzen ist (vgl. Franke 2012, S. 172). Des Weiteren wird mit dem Konzept die Frage gestellt, weswegen manche Faktoren, Ereignisse oder Lebensumstände für gewisse Individuen gesundheitsfördernd wirken und für andere neutral oder gesundheitsschädlich zu sein scheinen (vgl. Singer/Brähler 2014, S. 10).
Beim Versuch, die Entstehung und Erhaltung von Gesundheit zu erklären, liegt der Fokus bei der Salutogenese auf den Faktoren und Ressourcen, die Belastungen und Risikofaktoren entgegenwirken, zum Erhalt oder zur Wiedererlangung der Gesundheit führen und zu einer gesunden Lebensweise beitragen (vgl. Antonovsky 1997, S. 24).
2.1.1 Begriffserklärung
Der Begriff ‚Salutogenese‘ ist ein Neologismus, abgeleitet aus lat. ,salus‘ (Heil, Glück, Unverletztheit) und griech. ‚genese‘ (Ursprung, Entstehung) (vgl. Kohls 2010, S. 52), und stellt sich durch seine Morphologie im Gegensatz zur Pathogenese, die sich auf die Entstehung von Krankheiten bezieht. Hinter dem Modell der Salutogenese stehen zwei grundlegende Prämissen: Die erste Annahme ist, dass Gesundheit nicht der Normalzustand eines Menschen ist und die Krankheit das Gegenteil. Dies führt zur zweiten Prämisse der Salutogenese: Gesundheit und Krankheit sind als Pole eines Kontinuums zu betrachten, auf dem sich ein Mensch stets in Bewegung befindet (vgl. Franke 2012, S. 170). Die zentrale Frage der Salutogenese ist: Was macht einen Menschen mehr gesund als krank? (vgl. Antonovsky 1997, S. 22)
Anders als bei pathogenetisch orientierten Modellen, in denen Krankheit eine Fehlfunktion des Körpers ist, wird die Krankheit im Rahmen der Salutogenese als normales Ereignis in der menschlichen Existenz verstanden, das zum regulären Ablauf eines menschlichen Lebens dazugehört. Der Mensch wird als ein System betrachtet, das durch ständige Energiezufuhr und Anpassungs- sowie Bewältigungsarbeit gegen seine Neigung, sich aufzulösen oder zu zerfallen, ankämpfen muss. Krankheit ist in diesem Sinne weder ein Fehler oder ein Ausfall des Systems noch ein einzelner Ausnahmezustand, sondern ein Teil eines Prozesses. Der Prozess des Krankwerdens wird somit im Zusammenhang mit einem breiteren Verständnis über das Gesamtsystem Mensch betrachtet, indem nicht nur die krankhaften Anteile in den Vordergrund gestellt werden, sondern auch die Gesundheit, die Ressourcen, die Stärke sowie die inneren und äußeren Zustände. Es handelt sich um ein multidimensionales und dynamisches Verständnis von Krankheit und Gesundheit und um eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen. Am Leben zu sein, beweist ein gewisses Maß an Gesundheit (vgl. Franke 2012, S. 171 ff.). Trotz der scheinbaren Gegenüberstellung der Salutogenese und der Pathogenese werden diese Konzepte nicht als konkurrierende Sichtweisen, sondern als gegenseitige Ergänzungen betrachtet, da sie verschiedene Blickwinkel auf Gesundheit und auf Krankheit ermöglichen (vgl. Antonovsky 1997, S. 29 ff.).
2.1.2 Das Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
Abgeleitet aus ihrer Begrifflichkeit bedeutet Salutogenese die Entstehung von Gesundheit, was zu einem salutogenetischen theoretischen Verständnis von Gesundheit als Prozess führt. Menschen werden demnach nicht nur krank, sie werden auch gesund. Dies ist ein Aspekt, der manche Forschende zu der Schlussfolgerung führt, dass nicht über Gesundheit, sondern über einen Prozess der Gesundung der Menschen gesprochen werden sollte (vgl. Singer/Brähler 2014, S. 9).
Antonovsky (vgl. 1997, S. 23) beschreibt Gesundheit und Krankheit als Pole eines Kontinuums, auf dem sich ein Mensch stets in Bewegung befindet. An welcher Position sich ein Individuum auf diesem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum platziert, hängt von mehreren Faktoren ab. Diese können je nach Problemstellung unterschiedliche Gewichtungen haben oder verschiedene Sichtweisen ermöglichen (vgl. Franke 2012, S. 172).
Beispielsweise kann mithilfe von objektiven oder subjektiven Kriterien die Lokalisierung eines Individuums auf dem Kontinuum von außen bestimmt werden. Zu den objektiven Kriterien zählen alle wissenschaftlich messbaren Parameter und medizinischen Befunde, beispielsweise Funktionsbeeinträchtigungen, während die subjektiven Kriterien die nicht messbaren Parameter beinhalten, beispielsweise das Schmerzerleben oder das Befinden einer Person (ebd.).
Die Selbsteinschätzung einer Person kann den objektiven Messungen widersprechen. Eine Person kann sich trotz Untersuchungen, die auf eine körperliche Krankheit hinweisen, als gesund einschätzen. Je nachdem, welche Perspektive betrachtet wird, kann es zu unterschiedlichen, sogar widersprüchlichen Platzierungen einer Person auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum kommen (vgl. Reimann/Hammelstein 2006, S. 14; Franke 2012, S. 172).
2.1.3 Die generalisierten Widerstandsressourcen
Ausschlaggebend für die Selbstplatzierung eines Individuums auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ist laut Antonovsky (vgl. 1997, S. 124) der Umgang mit den täglichen Anforderungen und Belastungen der menschlichen Existenz, den sogenannten Stressoren. Stressoren führen zu einem Spannungszustand, der – je nachdem, wie ein Mensch damit umgeht – als stressverursachend und somit als pathogen, als neutral oder als gesundheitsfördernd eingestuft werden kann (vgl. Singer/Brähler 2014, S. 10).
Demnach sind Stressoren nicht selbstverständlich schädlich und ihre erfolgreiche Bewältigung kann positive Konsequenzen für das Individuum haben und es in Richtung des Gesundheitspols auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum führen, wenn der Person ein konstruktiver Umgang mit den Stressoren gelungen ist. Die Spannungshandhabe und die Frage, ob einem Individuum ein gesundheitsfördernder und konstruktiver Umgang mit den Stressoren gelingt, hängen von einer besonderen Gruppe von Faktoren, den sogenannten generalisierten Widerstandsressourcen, ab (vgl. Franke 2012, S. 173).
Zu den Widerstandsressourcen zählen alle Faktoren, die eine erfolgreiche Bewältigung von Stressoren ermöglichen oder erleichtern. In der Fachliteratur werden zusammenfassend in der Regel die folgenden Gruppen von Widerstandsressourcen genannt (vgl. Bengel et al. 2001, S. 34 ff.; Franke 2012, S. 173; Singer/Brähler 2014, S. 11):
- gesellschaftliche Widerstandsressourcen: beispielsweise eine stabile politische und ökologische Lage, funktionsfähige und unterstützende Netzwerke, Zusammenhalt, intakte soziale Strukturen, kulturelle Stabilität, Engagement, Religion oder Philosophie;
- ökonomische und finanzielle Ressourcen: beispielsweise materieller Wohlstand, finanzielle Unabhängigkeit oder ein sicherer Arbeitsplatz;
- individuelle Widerstandsressourcen: die kognitiven Ressourcen, beispielsweise Intelligenz oder Wissen, die psychisch-affektiven Ressourcen, beispielsweise Zuversicht, Selbstvertrauen, Ich-Identität oder Zufriedenheit im Handeln, und die physiologischen Ressourcen, etwa das äußere Erscheinungsbild, körperliche Stärke usw.
Die generalisierten Widerstandsressourcen ermöglichen es einem Individuum, konstruktiv oder gelassen mit belastenden Situationen und Ereignissen umzugehen, Abstand von Stressoren zu nehmen, mit ihnen nicht auf Konfrontation zu gehen, sich von ihnen zu distanzieren und sich somit vor einer Verschlechterung der psychischen oder körperlichen Verfassung zu schützen (vgl. Franke 2012, S. 174). Des Weiteren ermöglichen ausreichende generalisierte Widerstandsressourcen die Ausbildung oder die Suche nach weiteren Ressourcen, die den Widerstand gegen Stressoren und somit die Gesundung fördern können (vgl. Singer/Brähler 2014, S. 11). Epidemiologische Studien (vgl. Bengel et al. 2001, S. 34) bestätigen, dass die generalisierten Widerstandsressourcen mit dem Gesundheitszustand signifikant korrelieren.
Das Ausmaß der generalisierten Widerstandsressourcen eines Individuums und die Möglichkeit, positive, kohärente und sinnhafte Lebenserfahrungen ansammeln zu können und sich in seinen Fähigkeiten wiederholt bestätigt zu fühlen, führen zur Formung eines starken Kohärenzgefühls, das das Kernkonzept des salutogenetischen Modells ist (vgl. Franke 2012, S. 174). Dieses wird im nächsten Abschnitt näher betrachtet.
2.1.4 Das Konzept des Kohärenzgefühls
Es bleibt die Frage offen, warum einige Individuen bei einer ähnlichen Lebensweise und unter ähnlichen Lebensverhältnissen besser mit Stressoren und Spannung umgehen können als andere. Es müsste ein individuelles Persönlichkeitsmerkmal geben, das die Spannungsbewältigung moduliert.
Antonovsky (vgl. 1997, S. 36) nennt diesen Faktor, der es einem Individuum ermöglicht, gefasst, sinnvoll und geordnet mit Spannung und Unordnung umzugehen, den ,Sense of Coherence‘ (SOC). In der deutschsprachigen Literatur wird der Begriff mit ‚Kohärenzgefühl‘, ,Kohärenzerleben‘ oder ,Kohärenzempfinden‘ übersetzt (vgl. Singer/Brähler 2014, S. 11, 15).
Das Kohärenzgefühl wurde zum zentralen Aspekt von Antonovskys salutogenetischem Modell und wird wie folgt definiert:
„Das Kohärenzgefühl ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß man ein durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass
a. die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind
b. einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen
c. die Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen.“ (Antonovsky 1997, S. 36)
Zusammenfassend beinhaltet das Kohärenzgefühl die Grundeinstellung eines Individuums sowie eine generelle Weltanschauung und die Zuversicht, dass für die meisten Lebensanforderungen eine Lösung existiert, dass sich diese meistern lassen und dass es sich lohnt, aktiv zu werden.
Das Ausmaß der Ausprägung des Kohärenzgefühls wird zum dritten und bedeutsamsten Faktor für die Platzierung eines Individuums auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum.
Antonovsky (ebd.) gibt in seiner Definition Hinweise zur Komplexität dieses Konstruktes, indem er die drei Aspekte des Kohärenzgefühls punktuell benennt, deren Summe die Ausprägung des Kohärenzgefühls bildet:
Die Verstehbarkeit (Sense of Comprehensibility) ist der Umfang, in dem ein Individuum sowohl innerliche als auch äußerliche Reize als kognitiv sinnvoll und geordnet betrachtet. Somit werden diese Reize als strukturierte, konsistente und nicht als chaotische, widersprüchliche, unerklärliche und zufällige Ereignisse wahrgenommen (vgl. Franke 2012, S. 175). Ein hohes Maß an Verstehbarkeit führt dazu, dass sich das Individuum von ungeplanten Erfahrungen nicht destabilisieren lässt, diese einordnen kann und Muster im Chaos erkennt. Es hat das Vertrauen, dass zukünftige Reize und potenzielle Herausforderungen nicht unwillkürlich und unvorhersehbar auftreten, dass sie planbar, vorhersehbar, strukturiert und kognitiv kontrollierbar sind (vgl. Singer/Brähler 2014, S. 16).
Der zweite Aspekt des Kohärenzgefühls, die Handhabbarkeit (Sense of Manageability) stellt sich als die pragmatische, handlungsbezogene Komponente des Kohärenzgefühls dar. Diese bezeichnet das Ausmaß, in dem einem Individuum bewusst oder es der Überzeugung ist, dass es über geeignete Ressourcen verfügt — seien diese eigene oder fremde –, um den Anforderungen des Lebens standzuhalten oder diesen erfolgreich begegnen zu können. Negative Erfahrungen oder Ereignisse aktivieren bei Individuen mit einem hohen Ausmaß an Handhabbarkeit eine optimistische Sicht auf die Situation und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Sie suchen nicht endlos nach Fehlern oder Schuldigen und sind in der Lage, für ihre Trauer und Verluste ein Ende zu finden. Handhabbarkeit hilft ihnen, sich nicht als Opfer der Gegebenheiten zu betrachten, sondern proaktiv zu werden und sich erfolgssicher den Herausforderungen zu stellen (vgl. Franke 2012, S. 175).
Sinnhaftigkeit/Bedeutsamkeit (Sense of Meaningfulness) als dritte Komponente des Kohärenzgefühls repräsentiert die motivational-emotionale Dimension und die bedeutsamste von allen (ebd., S. 176). Sie bezieht sich auf die Art, wie ein Individuum dem Leben begegnet: ob es das Leben als sinnvoll und als die Mühe wert, als etwas, wofür es sich lohnt zu kämpfen, sieht, oder als gleichgültig, unwichtig und belastend. Sinn in herausfordernden Lebensereignissen zu finden, verleiht einem Individuum die Stärke und Motivation, diese Ereignisse nicht als Last zu betrachten, sondern sie bewältigen zu wollen, für die Zukunft weiterzukämpfen und nicht vor der Last zu kapitulieren (vgl. Singer/Brähler 2014, S. 17).
Ein stark ausgebildetes Kohärenzgefühl bedeutet jedoch nicht, dass sich ein Individuum in allen Bereichen des Lebens kompetent fühlt, sich überall auskennt und für alle Probleme eine Lösung hat. Das Kohärenzgefühl ist vielmehr die Instanz, die das Gleichgewicht zwischen den Widerstandsressourcen und den Widerstandsdefiziten reguliert und Stabilität in das System Mensch bringt (vgl. Bengel et al. 2001, S. 34).
Abbildung 1 zeigt in einer vereinfachten Darstellung des Salutogenese-Modells, wie die zentralen Komponenten der Salutogenese zusammenhängen: Im Zentrum des Konstrukts steht das Kohärenzgefühl, das durch Lebenserfahrungen unter dem Einfluss der generalisierten Widerstandsressourcen ausgebildet wird. Es ermöglicht wiederum kohärente sowie geordnete Erfahrungen und den optimalen Einsatz der Widerstandsressourcen. Ein ausgeprägtes Kohärenzgefühl ermöglicht es, jene Bewältigungsstrategien und -ressourcen einzusetzen, die zur erfolgreichen Bewältigung eines Spannungszustands führen, sodass eine Platzierung in Richtung des Gesundheitspols des Kontinuums ermöglicht wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Vereinfachte Darstellung des Modells der Salutogenese (Quelle: Bengel et al. 2001)
2.1.5 Ausbildung und Veränderbarkeit des Kohärenzgefühls
Antonovsky (vgl. 1997, S. 114) hypothetisiert, dass die Ausbildung des Kohärenzgefühls im Laufe der Kindheit und Jugend stattfindet, im Alter von 30 Jahren abgeschlossen ist und ein Leben lang relativ stabil bleibt. Für die nachhaltige Ausbildung eines starken Kohärenzgefühls spielen neben ausreichenden Widerstandsressourcen drei Erfahrungen eine zentrale Rolle:
Zunächst ist die Erfahrung der Konsistenz zu nennen, das heißt die Erfahrung, dass die Lebensbedingungen und -ereignisse sich wiederholen und Abläufe unter gleichen Voraussetzungen stabil bleiben. Diese konsistenten Erfahrungen führen insbesondere zur Ausbildung des Verstehbarkeitsaspektes des Kohärenzgefühls. Die Erfahrung von Belastungsbalance ist die zweite Voraussetzung und bedeutet, dass sich die Individuen weder andauernd unter- noch chronisch überfordert fühlen dürfen. Ein Gleichgewicht zwischen Überlastung und Unterforderung ist für die Ausbildung der Handhabbarkeitskomponente des Kohärenzgefühls notwendig. Drittens ist die Erfahrung der Partizipation zu nennen. Das bedeutet, dass sich die Menschen in den Ablauf, die Gestaltung, die Ereignisse ihres Lebens und die Umwelt involviert fühlen und diese Faktoren beeinflussen können. Partizipation trägt insbesondere zur Ausbildung eines starken Gefühls von Bedeutsamkeit bei (vgl. Antonovsky 1997, S. 43; Franke 2012, S. 176).
Diese drei Erfahrungen gemeinsam mit dem Vorhandensein von generalisierten Widerstandsressourcen bilden die Grundlage für ein geordnetes Leben und tragen somit zur Ausbildung eines ausgeprägten Kohärenzgefühls bei, da hier das Individuum die Gewissheit hat, dass keine Bedrohungen oder Gefahren aus dem Nichts auftauchen und dass es nicht mit unlösbaren Situationen und Gefahren konfrontiert wird (vgl. Franke 2012, S. 176).
Das Fehlen von bedeutsamen Lebensbereichen, persönlichen Interessen, einem Mindestmaß an eigenem Gefühlsleben, engen privaten Beziehungen, eigenen Hobbys und Beschäftigungen sowie das Fehlen eines Minimums an existenziellen Fragen über Sterben und Leben und die Unfähigkeit, Grenzen zu ziehen, sowie Erfahrungen von Instabilität, Unsicherheit und Unkontrollierbarkeit führen im Gegensatz dazu zur Ausbildung eines schwachen Kohärenzgefühls (vgl. Singer/Brähler 2014, S. 17). Es bedarf für die Ausbildung eines stark ausgeprägten Kohärenzgefühls eines Gleichgewichts zwischen konsistenten und überraschenden sowie belohnenden und frustrierenden Erfahrungen (vgl. Franke 2012, S. 177).
Antonovsky (vgl. 1997, S. 118) hält nach der vollständigen Ausbildung des Kohärenzgefühls eine bedeutsame Veränderung desselben für begrenzt möglich. Er nennt drei Situationen, die zu Veränderungen führen können: Erstens sind stark positive oder stark negative Erlebnisse, beispielsweise der Verlust des Jobs, eine Trennung oder eine Scheidung bzw. Migration, die das Kohärenzgefühl vorübergehend stärken bzw. schwächen können. Dennoch hypothetisiert Antonovsky: Das Individuum „kehrt bald wieder zu seinem Mittelwert zurück“ (ebd.).
Zweitens ist die Fachhilfe in stationären Einrichtungen zu erwähnen, wobei Antonovsky hier skeptisch ist: Es ist „utopisch […] zu erwarten, daß eine Begegnung oder auch eine Reihe von Begegnungen zwischen Klient und Kliniker das SOC [Anm.: das Kohärenzgefühl] signifikant verändern kann“ (ebd.). Die dritte Möglichkeit zur Stärkung des Kohärenzgefühls ist nach Antonovsky eine harte, intensive, lang andauernde Therapie, verbunden mit nachhaltigen Veränderungen der Lebensbedingungen und Lebenserfahrungen der Betroffenen (ebd.).
Dennoch zeigen aktuelle empirische Identitäts- und Lebenslaufforschungen (vgl. Felbinger 2010, S. 140), dass das Kohärenzgefühl nicht mehr als ein stabiles Persönlichkeitsmerkmal betrachtet werden darf. Es wird heute angenommen, dass der Aufbau, Erhalt und die Weiterentwicklung des Kohärenzgefühls unter den derzeitigen gesellschaftlichen Gegebenheiten und Veränderungsprozessen einen lebenslangen, unabgeschlossenen und kontinuierlichen Prozess darstellen (ebd.).
2.1.6 Der Einfluss des Kohärenzgefühls auf den Umgang mit Stress
Die Hauptannahme bei der Salutogenese ist, dass Individuen stets mit Reizen konfrontiert werden, die wiederum Spannungszustände erzeugen, auf die eine Reaktion erfolgen muss. Diese Reize üben Druck aus und erfordern Ressourcen und Handlungen. Ob diese Reize als positiv oder negativ, als gesundheitsfördernd oder gesundheitsschädlich, eingestuft werden, hängt von der persönlichen Bewertung der Betroffenen ab. Individuen mit starkem Kohärenzgefühl interpretieren diese Reize überwiegend als nicht bedrohlich, irrelevant, neutral oder als positive Herausforderungen. Sie sind sicher, dass sie über ausreichende Ressourcen verfügen, die ihnen in Grenzsituationen hilfreich sein werden. Dadurch sinkt die Spannung. Sie bleiben handlungsfähig und können in Ruhe über Bewältigungsstrategien nachdenken oder entscheiden, ob eine Intervention oder ein Ressourceneinsatz notwendig sind (vgl. Franke 2012, S. 178).
Bei Individuen mit einem gering ausgeprägten Kohärenzgefühl hingegen werden Reize überwiegend als störend und bedrohlich wahrgenommen. Herausfordernde Situationen werden nicht differenziert betrachtet, sodass diese die Betroffenen demotivieren und emotional destabilisieren (vgl. Antonovsky 1997, S. 139). Da sie über weniger Widerstandsressourcen verfügen oder wenige nutzen, setzen sie wiederholt die gleichen zur Reduzierung des Spannungszustands ein, auch wenn diese dafür nicht geeignet sind. Es handelt sich um einen rigiden, undifferenzierten Einsatz derselben eingeschränkten Ressourcen (vgl. Bengel et al. 2001, S. 30.).
Es werden drei Wirkungsweisen des Kohärenzgefühls auf den Spannungszustand vermutet: Erstens handelt es sich um einen direkten Einfluss auf den menschlichen Organismus, indem verschiedene Reaktionen des Nerven-, Immun- und Hormonsystems gesteuert und gedämmt werden. Bei der kognitiven Gewissheit, dass Situationen kontrollierbar oder ungefährlich sind, finden Stressreaktionen nicht statt. Zweitens geht es um eine indirekte Wirkung, indem die vorhandenen Ressourcen effizient mobilisiert werden, sodass die Spannung reduziert wird. Drittens bewirkt das Kohärenzgefühl ein gesundheitsförderndes Verhalten, das den Stress reduziert und die Gesundheit steigert (vgl. Bengel et al. 2001, S. 37).
Das Kohärenzgefühl ist in sich keine Ressource zur Stressreduktion, sondern in diesem Sinne eine globale Bewältigungsstrategie, eine übergeordnete Ressource, die die optimale Auswahl, den Einsatz und die flexible Steuerung von Widerstandsressourcen und Bewältigungsstrategien koordiniert. Es schafft eine positive kognitiv-affektiv-motivationale Ausgangssituation, die dazu beträgt, dass die Betroffenen ihre Gefühle und Ressourcen flexibel und zielgerichtet einsetzen und die notwendigen Ressourcen aktivieren (vgl. Franke 2012, S. 178).
2.1.7 Das Kohärenzgefühl und die physische und psychische Gesundheit
Antonovsky (vgl. 1997, S. 140 ff.) geht von der Annahme der Stressforschung aus, dass ein zu hohes Maß an chronischem Stress zusammen mit körperlichen Risikofaktoren eine Gefahr für die Gesundheit darstellt. Er nimmt an, dass sowohl durch direkten als auch durch indirekten Einfluss das Kohärenzgefühl den Stresszustand und das Stressempfinden positiv beeinflusst. Diesbezüglich sieht er auch einen direkten Zusammenhang zwischen der Gesundheit und dem Kohärenzgefühl (ebd., S. 148).
Dennoch sieht Antonovsky eine deutliche Verbindung zur physischen Gesundheit und zeigt sich zurückhaltend in Bezug auf die Möglichkeit einer Verbindung zwischen dem Kohärenzgefühl und der psychischen Gesundheit: „Sollten andere Forscher von Daten berichten, die Zusammenhänge des Kohärenzgefühls mit anderen Aspekten des Wohlbefindens nachweisen, wäre ich natürlich geschmeichelt, aber ich werde von eher mäßigen Ergebnissen nicht enttäuscht sein“ (ebd., S. 163). Wie nachfolgend in Abschnitt 2.3.1 ausgeführt wird, wurden in den Forschungen entgegen Antonovskys Annahme schwache Korrelationen zur körperlichen Gesundheit aufgedeckt, während signifikante Zusammenhänge zur psychischen Gesundheit ermittelt wurden.
2.1.8 Interventionen zur Steigerung des Kohärenzgefühls
Antonovskys (vgl. 1997, S. 127) Hauptannahme ist, dass ein stark ausgeprägtes Kohärenzgefühl der bedeutendste Faktor für eine erfolgreiche Bewältigung von Lebensanforderungen sowie Stressoren und somit für die Erhaltung oder Wiedererlangung der Gesundheit ist. Obwohl Antonovsky das Kohärenzgefühl als relativ stabil betrachtet, sobald es vollständig ausgebildet ist, stellt er zugleich vorsichtig fest, dass bestimmte Maßnahmen und Handlungen zu einer Steigerung des Kohärenzgefühls beitragen können (vgl. Bengel et al. 2001, S. 69).
Darunter stellen therapeutische Maßnahmen bedeutende Instrumente zur Steigerung des Kohärenzgefühls dar, gemeinsam mit nachhaltigen strukturellen, sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen der Lebenswelt und -weise der Betroffenen. Insbesondere die Maßnahmen zur Steigerung der Partizipation der Betroffenen werden als eine aussichtsreiche Option zur Steigerung des Kohärenzgefühls betrachtet, beispielsweise durch konkrete gemeindepsychologisch verortete Interventionen, die das Leben der Betroffenen erlebbar und lebbar machen (vgl. Felbinger 2010, S. 138).
In Bezug auf die Rückfallprävention bei einem Abhängigkeitssyndrom spielen die Einzel- und Gruppenpsychotherapie eine zentrale Rolle. Dennoch wird im Rahmen der Psychotherapie das Modell der Salutogenese kaum erwähnt, in der Regel in Bezug auf die Förderung von Faktoren, die die psychische Gesundheit schützen oder steigern, da in diesem Fachbereich konkurrierende Ansätze eingesetzt werden. Jedoch kann das Konzept der Salutogenese für die Therapie und Rückfallprävention bei einem Abhängigkeitssyndrom bedeutend sein, da hierbei die Ressourcenorientierung und die Steigerung der Partizipation nicht nur als Maßnahmen zur Senkung der Symptomatik, sondern als Interventionen zur Verbesserung der Kompetenzen der Betroffenen betrachtet werden (vgl. Bengel et al. 2001, S. 76).
Eine bedeutendere Rolle in der Rückfallprävention nehmen die Maßnahmen der medizinischen Suchtrehabilitation ein. Die moderne Suchtrehabilitation stützt sich auf eine holistische und positive Betrachtung des Menschen und des Gesundheitsbegriffes, sodass sowohl die psychische als auch die körperliche Gesundheit berücksichtigt werden. Gesundheit wird im Rahmen der Suchtrehabilitation als ein lebenslanger Prozess betrachtet, der von der individuellen Biografie und den ökonomischen, sozialen und umweltbedingten Gegebenheiten und Zusammenhängen beeinflusst wird. Zielsetzungen sind der Abbau von Risikofaktoren und die Modifizierung des Risikoverhaltens sowie die Steigerung der Motivation zu einem selbstverantwortlichen Gesundheitsverhalten (ebd., S. 79).
Aufgrund dieser Spezifität und Zielsetzungen können weitere salutogeneseorientierte Maßnahmen in die medizinische Rehabilitation bei einem Abhängigkeitssyndrom integriert werden, indem neben den pathogeneseorientierten Maßnahmen zur Reduktion von Risikofaktoren vermehrt kompetenzorientierte Interventionen eingesetzt werden. Das Ziel solcher salutogeneseorientierter Konzepte ist es, nicht nur die krankmachenden, sondern auch die schützenden und gesund erhaltenden Widerstandsressourcen sowie die sozialen Faktoren in den Vordergrund der Behandlung und Rückfallprävention zu stellen (vgl. Bengel et al. 2001, S. 76).
Zudem wird durch salutogeneseorientierte Interventionen daran gearbeitet, nicht das individuelle Verhalten der Betroffenen zu verändern, sondern sie dabei zu unterstützen und zu bestärken, ihre Lebens- und Umweltbedingungen selbst gesundheitsfördernd zu gestalten und umzuwandeln. Die Betroffenen werden in diesem Sinne als selbstverantwortliche und gleichgestellte Beeinflussende ihres Prozesses der Gesundung betrachtet, die proaktiv an Entscheidungen teilnehmen und in soziale und gesellschaftliche Prozesse integriert sind (vgl. Felbinger 2010, S. 104).
2.1.9 Kritik, Grenzen und Erweiterungen des Modells
Antonovsky (vgl. 1997, S. 92 ff.) nennt einige Faktoren, die der Anpassung an die Umwelt dienen sollen, beispielsweise Fantasie, Spiel oder Liebe. Dennoch werden sie nicht in eine direkte Verbindung mit ihren gesundheitsfördernden Auswirkungen gebracht. Aufgrund der ausgeprägten Fixierung auf die krankheits- und stressverursachenden Aspekte und ihre Bewältigung wird das ursprüngliche Modell der Salutogenese von Antonovsky häufig als pathogenetisch orientiert eingestuft. Das Kohärenzgefühl wird reaktiv und ausschließlich in Verbindung mit einer Reaktion auf Stressoren formuliert (vgl. Reimann/Hammelstein 2006, S. 15; Bengel et al. 2001, S. 42). Zustände und Faktoren, die in sich gesundheitsfördernd wirken, werden nicht betrachtet, weswegen Erweiterungsversuche des Modells unternommen wurden.
Franke (vgl. 2012) ergänzt das Modell mit individuellen und sozialen Ressourcen, gesundheitsfördernden Kognitionen, Affekten und Verhaltensweisen, die zur Stärkung oder Erzeugung von Gesundheit, positiven Gefühlen, Wohlbefinden, Motivation oder Selbstwachstum beitragen; beispielsweise Optimismus, Humor, Motivation zur Selbstentwicklung, Zielstrebigkeit, Entschlossenheit o. Ä. Diese Ressourcen tragen durch ihre entspannende und erholsame Wirkung zur Aktivierung der Bewältigungsressourcen und zur Steigerung des Gefühls des Belastungsgleichgewichts bei (ebd., S. 183).
Mit der Weiterentwicklung der Salutogenese wird nicht nur die reaktive Betrachtung der Gesundheit und der Widerstandsressourcen, sondern es werden auch die gesundheitsfördernden Bedingungen und Faktoren sowie die sozialen, politischen und ökologischen Gegebenheiten als Grundvoraussetzungen für die Gesundheit der Individuen in den Vordergrund gerückt. Salutogenese wird somit zu einem Erklärungsmodell der Gesundheitsförderung, in dem nicht nur die Stärkung der individuellen Ressourcen eine Rolle für die Erhaltung und Wiedererlangung der Gesundheit spielen, sondern auch die der gesellschaftlichen: Die Quelle des Kohärenzgefühls findet sich in der Gesellschaft und im sozialen Umfeld des Individuums, da diese die individuellen Erlebnisse formen und prägen (ebd., S. 185).
Ein weiterer Kritikpunkt und zugleich eine Grenze von Antonovskys Modell ist die Reduzierung des Gesundheitsbegriffes nahezu ausschließlich auf die körperliche Gesundheit. So nimmt Antonovsky an, dass zwischen dem Kohärenzgefühl und den Indikatoren der psychischen Gesundheit, beispielsweise dem Wohlbefinden, mäßige Zusammenhänge bestehen (vgl. Antonovsky 1997, S. 163). Die Ergebnisse der Forschung widersprechen dieser Annahme, da nicht nur starke Korrelationen zwischen den beiden Aspekten nachgewiesen werden konnten, sondern entgegen der Annahme Antonovskys ein geringer oder kein direkter Einfluss des Kohärenzgefühls auf die physische Gesundheit empirisch ermittelt werden konnte (vgl. Bengel 2001 et al. 2001, S. 44).
Nicht zuletzt wurde der Annahme eines relativ stabilen Kohärenzgefühls im Rahmen von Identitäts- und Lebenslaufforschungen widersprochen. Ähnlich dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum wird gegenwärtig angenommen, dass es sich um ein Kohärenzentwicklungskontinuum handelt. Ein Individuum pendelt in seinem Leben permanent auf diesen beiden Kontinuen zwischen den Polen. Insbesondere aufgrund von steigendem gesellschaftlichem Leistungsdruck und individuellen Anforderungen ist zu erwarten, so die Forschenden, dass eine große Gefahr in der Überforderung der Individuen besteht, was zu bedeutsamen Schwächen des Kohärenzgefühls auch bei stabilen Individuen führen kann (vgl. Felbinger 2010, S. 140).
2.2 Das Phänomen des Rückfalls bei einem Abhängigkeitssyndrom
Der Begriff ‚Rückfall‘ ist in der deutschen Sprache weiterhin mit negativen Konnotationen verbunden und kommt in der öffentlichen Wahrnehmung nicht selten einem Zeichen therapeutischen und/oder persönlichen Versagens gleich. Dies führt dazu, dass dem Rückfallbegriff in der Praxis ein Entweder-oder-Verständnis zugeschrieben wird: entweder Abstinenz oder alle Anstrengungen sind sinnlos (vgl. Körkel 1999, S. 24).
Eine solche enge, dichotome Definition des Rückfalls verhindert ein differenziertes Verständnis des Phänomens und führt zu ähnlich eingeschränkten Rückfallpräventionsmaßnahmen (vgl. Körkel/Schindler 2003, S. 1). Aus diesem Grund ist eine Untersuchung des Begriffs in Verbindung mit einer Darstellung der zentralen theoretischen Erklärungsmodelle notwendig, um die bedeutsamsten und manchmal widersprüchlichen Auslegungen der Termini zu klären.
2.2.1 Begriffserklärung ‚Abhängigkeitssyndrom‘
Eine vertiefte Betrachtung des Rückfalls bei einem Abhängigkeitssyndrom kann dann unternommen werden, wenn die Kriterien zur Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms definiert sind. In der Suchthilfe werden für die Definition des Abhängigkeitssyndroms zwei Systeme benutzt: die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation – diese wird eher im klinischen Kontext verwendet – und das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) der American Psychiatric Association, das überwiegend in der medizinischen Suchtrehabilitation eingesetzt wird.
Gemäß ICD-10 handelt es sich bei einem Abhängigkeitssyndrom um „eine Gruppe von Verhaltens-, kognitiven und körperlichen Phänomenen, die sich nach wiederholtem Substanzgebrauch entwickeln“ (ICD-10-GM 2018, o. S.). Im Vergleich wird im DSM-5 die Substanzgebrauchsstörung mithilfe von elf Kriterien definiert. Die folgende Tabelle 1 bietet eine Zusammenfassung der Kriterien eines Abhängigkeitssyndroms nach der ICD-10 und einer Substanzgebrauchsstörung nach dem DSM-5:
Tabelle 1: Kriterien zur Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms bzw. einer Substanzgebrauchsstörung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: ICD-10-GM 2018 o. S. und Rumpf/Kiefer 2011)
Die Diagnose eines Abhängigkeitssyndroms wird im klinischen Kontext dann gestellt, wenn innerhalb des letzten Jahres drei oder mehr der Kriterien nach ICD-10 wiederholt festgestellt wurden (vgl. Batra et al. 2016, S. 306). Für eine Diagnose nach DSM-5 gilt beim Auftreten von zwei Kriterien innerhalb von zwölf Monaten die Substanzgebrauchsstörung als vorhanden (vgl. Rumpf/Kiefer 2011, S. 46).
2.2.2 Begriffserklärung ‚Rückfall‘
Zudem ist eine begriffliche Klärung des Terminus ‚Rückfall‘ für die anschließende empirische Studie zentral, da er unterschiedlich aufgefasst werden kann. Unter einem Rückfall wird im traditionellen Sinne der erneut eintretende Konsum einer oder mehrerer Substanzen verstanden, aufgrund derer die Betroffenen vor der freiwilligen Abstinenzphase ein Abhängigkeitssyndrom entwickelt haben (vgl. Körkel 1999, S. 24).
Zum einen muss ein nicht erzwungener Wunsch nach Abstinenz vorliegen. Das heißt, Betroffene, die in einer geschlossenen Entzugsklinik untergebracht waren, sich im weiteren Verlauf die Abstinenz nicht als Ziel gesetzt haben und dann nach der Entlassung erneut konsumiert haben, werden nicht als rückfällig betrachtet. Um von einem Rückfall reden zu können, müssen die Betroffenen die zuvor dargestellten Kriterien eines Abhängigkeitssyndroms erfüllt haben. Eine Person, die unter einem Abhängigkeitssyndrom leidet, beispielsweise von Heroin, und nach einer erfolgreichen Entwöhnung eine andere Substanz konsumiert, beispielsweise Alkohol, für die die Kriterien eines Abhängigkeitssyndroms nicht vorliegen, kann nicht als rückfällig erfasst werden (ebd.).
Des Weiteren muss die – für die Suchtpraxis sinnvolle und empirisch haltbare, wenn auch nicht trennscharfe – Differenzierung zwischen Rückfall und Ausrutscher erläutert werden. Marlatt (siehe Abschnitt 2.2.3.4) nahm als Erster in Opposition zum traditionellen dichotomen Verständnis von Rückfall und Abstinenz eine Differenzierung vor: Der (schwere) Rückfall (Full-blown Relapse) ist eine Rückkehr zum vor der Abstinenzphase unkontrollierten Konsumverhalten und Konsumniveau, während ein Ausrutscher (Lapse, Slip) ein geringfügiger und zeitlich begrenzter Suchtmittelkonsum ist, ein diskreter Vorfall, der kurzfristig den Weg zur Abstinenz unterbricht. Der Ausrutscher entspricht nicht dem traditionellen Verständnis eines Rückfalls und führt nicht zwingend zu einem schweren Rückfall (vgl. Körkel/Schindler 2003, S. 2).
2.2.3 Erklärungsmodelle des Rückfalls
Dem Bereich der Suchthilfe und Suchtforschung fehlt es nicht an Erklärungsversuchen zum Rückfall. Lettiere et al. (vgl. 1980) versuchen in ihrer Monografie einen Überblick über 43 Theorien und Konzepte zu erstellen und diese nach Fachrichtung und Schule einzuordnen. Inzwischen ist die Anzahl an Erklärungsansätzen weiter gestiegen. Aus diesem Grund ist es in diesem Rahmen nicht möglich, einen vollständigen Überblick über die Theorien zur Erklärung des Rückfalls bei einem Abhängigkeitssyndrom anzubieten. In diesem Abschnitt wird darauf abgezielt, die Rückfallmodelle darzustellen, die für das moderne Verständnis des Rückfalls bei einem Abhängigkeitssyndrom und für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind. Charakteristisch für die Theoriebildung und die empirische Suchtforschung ist, dass sich auf der einen Seite die Rückfalltheorien nicht stets trennscharf voneinander abgrenzen lassen. Häufig handelt es sich um Weiterentwicklungen anderer Theorien. Auf der anderen Seite bedienen sich die Suchtforschenden für die Erklärung des Rückfalls unterschiedlicher Fachrichtungen und Therapieschulen, da keine von den in der Regel eindimensionalen Theorien das multifaktorielle Phänomen des Rückfalls in seiner vollen Komplexität zufriedenstellend erfassen kann (vgl. Krauth 2002, S. 82).
2.2.3.1 Das moralische Modell des Rückfalls
Bis zum Urteil des Bundessozialgerichts von 1968, in dem das Abhängigkeitssyndrom als Krankheit anerkannt wurde, galt der Rückfall als ein Paradebeispiel für persönliches Versagen. Inzwischen eine veraltete Theorie zur Erklärung des Rückfalls blieb dieses Verständnis noch lange nach diesem Urteil, v. a. in Bezug auf das Abstinenzparadigma der Gesundheitspolitik mit den Versagenszuschreibungen an Betroffene, aktuell (vgl. Klos/Görgen 2020, S. 31).
[...]
- Arbeit zitieren
- Alexandra Brunet (Autor:in), 2022, Salutogenese und Suchthilfe. Kohärenzgefühl in der Rückfallprävention, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1305863
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