Die Alarmglocken aufgrund des demografischen Wandels ertönen immer kräftiger und zunehmend treten Problemfelder in der Altenversorgung auf. Damit die Lebensqualität von Senior*innen in Pflegeheimen aufrecht bleibt, Pflegepersonal entlastet und mehr Zufriedenheit im Alltag ermöglicht wird, leistet das Einsetzen eines freiwilligen Engagements einen unverzichtbaren Beitrag. Angesichts der Tatsache, dass Freiwilligenarbeit sinnvoll, sinnstiftend, bereichernd und erfüllend ist, sieht das Alten- und Pflegewohnheim Haus St. Vinzenz vor, die ehrenamtliche Arbeit mehr in der Organisation zu forcieren und einzugliedern.
Das Ziel dieser Masterarbeit ist es, die Wirkung und den Nutzen eines ehrenamtlichen Engagements aufzuzeigen. Ein weiteres Hauptaugenmerk wird auf die Gelingensbedingungen des Ehrenamtskoordinators gelegt und welche strukturellen Rahmenbedingungen es benötigt, diesen zu implementieren. Die Problemstellung und die Zielsetzung geben Anlass für folgende Forschungsfragen: Wie gestaltet sich der strategische Weg zu einem innovativen Ehrenamt? Welchen Mehrwert leistet der/die Ehrenamtskoordinator*in in einem Alten- und Pflegewohnheim im Kontext der integrierten Versorgung?
Der Nutzen der wissenschaftlichen Arbeit liegt überwiegend darin, allen Zielgruppen, den Heimträgern, der Hausleitung, den Bewohner*innen, den Mitarbeiter*innen, den ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen als auch den An- und Zugehörigen aufzuzeigen, dass ein vielfältiges Betreuungsangebot im Setting Altenwohn- und Pflegeheim eine besondere Wichtigkeit aufweist und gesellschaftliche und epidemiologische Veränderungen gut strukturiert und organisiert werden müssen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage
1.3 Methodik und Vorgehensweise
1.3.1 Methodik zur Literaturanalyse
1.3.2 Methodik zur empirischen Analyse
2 Begriffserläuterung
2.1 Ehrenamtlichkeit
2.2 Freiwilligkeit
2.3 Alten- und Pflegewohnheim
2.4 Integrierte Versorgung
2.5 Schnittstellenmanagement
3 Altenversorgung im Wandel
3.1 Versorgungslandschaft in Österreich
3.2 Herausforderungen in der Altenpflege
3.3 Entwicklungen der Altersstruktur in Österreich
3.4 Veränderungen in der Pflegelandschaft
4 Entwicklung von Ehrenamt
4.1 Engagement 4.0
4.2 Hürden des Ehrenamts
4.3 Beweggründe und Motive des Ehrenamts
4.4 Einführung von Freiwilligenmanagement
4.5 Werteorientierung
5 Innovatives Ehrenamt
5.1 Abgrenzung zwischen einem traditionellen und innovativen Ehrenamt
5.2 Gewinnung von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen
5.3 5-A-Modell zur Gewinnung von Freiwilligen
5.4 Ehrenamtsmarketing
5.5 Relevanz der Ehrenamtskoordination
6 Empirischer Methodenteil
6.1 Methodik und Methodenbegründung
6.2 Zielgruppenauswahl
6.3 Entwicklung des Interviewleitfadens
6.4 Datenerhebung
6.5 Kategorienschema
6.6 Ergebnisse und Diskussion
6.6.1 Beweggründen und Motive
6.6.2 Orientierung und Erwartungshaltung
6.6.3 Rekrutierung im Ehrenamt
6.6.4 Attraktivität und Aufgabenfelder
6.6.5 Ehrenamtskoordinator*in
7 Schluss
7.1 Zusammenfassung
7.2 Beantwortung der Forschungsfragen
7.3 Limitation
7.4 Fazit und Ausblick
8 Verzeichnisse
8.1 Literaturverzeichnis
8.1.1 Literaturquellen
8.1.2 Internetquellen
8.2 Abbildungsverzeichnis
8.3 Tabellenverzeichnis
A Anhang I
A.1 Interviewleitfaden I
A.2 Teiltranskript Interview Ehrenamtskoordinator*in I
A.3 Teiltranskript Interview Ehrenamtskoordinator*in II
A.4 Teiltranskript Interview Kommune III
A.5 Teiltranskript Interview Kommune IV
A.6 Teiltranskript Interview Kommune V
A.7 Teiltranskript Interview Organisation VI
A.8 Teiltranskript Interview Organisation VII
A.9 Teiltranskript Interview Organisation VIII
A.10 Suchprotokoll
Danksagung
Ein herzliches Dankeschön richtet sich an Frau Prof. (FH) Dr. MMag. Ute Seper. Ihre unterstützende Lotsenfunktion als Betreuerin war für mich eine große Bereicherung. Frau Seper weist nicht nur eine hohe fachliche Expertise auf, sondern tritt auch ihrem Gegenüber wertschätzend auf. Sie hatte immer ein offenes Ohr für meine Anliegen. Dafür bin ich sehr dankbar und weiß dies sehr zu schätzen.
Ebenso möchte ich mich bei Herrn Prof. (FH) Ing. Mag. Peter J. Mayer, MAS, MSc, MBA für seine ruhige und verständnisvolle Persönlichkeit bedanken. Seine netten Worte waren immer sehr aufbauend und stärkend für mich.
Ein herzliches Dankeschön richtet sich auch an meine Vorgesetzte, Frau Claudia Prenner und an, alle Mitarbeiter*innen und Bewohner*innen des Haus St. Vinzenz. Mit einer überaus verständnisvollen Art und dem rücksichtsvollen Halt in dieser schnelllebigen Zeit, wurde mir sehr oft der Rücken freigehalten und gestärkt. Mir ist bewusst, dass dies nicht selbstverständlich ist. Vielen herzlichen Dank dafür.
Auch meiner Familie, besonders meine Mutter und meinem Stiefvater, möchte ich danken, dass sie mich täglich bekräftigte diese Arbeit zu vollenden und immer hinter mir standen. Vor allem für die Verköstigungen in der finalen Phase.
Aber dennoch gilt das allergrößte Dankeschön- meinem Lebenspartner- danke, dass du immer für mich da warst und mich in jeden Lebenssituationen unterstützt hast und wirst. Ohne dein Verständnis, deine Liebe und deine Geduld, hätte ich dieses Werk nicht vollenden können.
Bei meinen Interviewpartner*innen möchte ich mich herzlich für die intensiven und anregenden Gespräche bedanken.
Last but not least, danke liebe Verena für dein großartiges Lektorat.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kurzfassung
Problemstellung: Die Alarmglocken aufgrund des demografischen Wandels ertönen immer wie kräftiger und zunehmend treten Problemfelder in der Altenversorgung auf. Damit die Lebensqualität von Senior*innen in Pflegeheimen aufrecht bleibt, Pflegepersonal entlastet und mehr Zufriedenheit im Alltag ermöglicht wird, leistet das Einsetzen eines freiwilligen Engagements einen unverzichtbaren Beitrag. Ziel der Arbeit ist es, inwiefern ein ehrenamtliches Engagement für Pflegeeinrichtungen nützlich ist.
Methodik: Die Masterarbeit bezieht sich auf eine literarische und empirische Analyse. In erster Linie wurde die IST- Situation der Thematik anhand einer systematischen und umfassenden Literaturrecherche erfasst und dargestellt. Um eine Nachvollziehbarkeit zu gewähren, wurde dies in einem Flussdiagramm und Suchprotokoll festgehalten. Für die empirische Analyse wurden acht leitfadengestützte und problemzentrierte Interviews mit Personengruppen durchgeführt, aus den Bereichen der Ehrenamtskoordination, Sozialen Setting und Vertreter von kommunalen Einrichtungen. Die Datenauswertung erfolgte im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.
Ergebnisse: Um eine ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben sind zahlreiche Motivationsfaktoren dafür ausschlaggebend, beispielsweise die Selbstverwirklichung. Die Langzeitpflege weist die Tatsache auf, dass sie an personelle Grenzen kommen und kaum Zeitressourcen für die Betreuung zur Verfügung stehen. Dies gibt Anlass dafür, dass ehrenamtliches Engagement zukünftige einen hohen Stellenwert in der integrierten Versorgung einnehmen wird. Um dies zu forcieren braucht es einen klar angestrebten Weg von der Akquirierung bis hin zum ansprechenden Aufgabenprofil. Schlussfolgerung: Die Realität ist, dass weniger Personen eine Pflegeausbildung absolvieren, der Zeitdruck in der Pflege intensiviert wird und dass ältere Menschen Sehnsüchte nach Geborgenheit, Schutz und Anerkennung haben. Dies lässt darauf schlussfolgern, dass die Chance des Ehrenamts in Pflegeeinrichtungen ergriffen werden soll. Obendrein wird eine zusätzliche Leistung in der integrierten Versorgung aufgewiesen.
Keywords: ehrenamtliches Engagement, Koordination im Ehrenamt, ältere Menschen, integrierte Versorgung, Schnittstellenmanagement, Altenversorgung
Abstract
Problem: The alarm bells due to demographic change are ringing ever more strongly and problem areas in the care of the elderly are increasingly emerging. In order to maintain the quality of life of senior citizens in nursing homes, to relieve nursing staff and to enable more satisfaction in everyday life, the use of voluntary commitment makes an indispensable contribution. The aim of this work is to find out to what extent voluntary commitment is useful for care institutions.
Methods: The master thesis refers to a literary and empirical analysis. First and foremost, the current situation of the topic was recorded and presented by means of a systematic and comprehensive literature search. In order to ensure traceability, this was recorded in a flow chart and search protocol. For the empirical analysis, eight guided and problem-centred interviews were conducted with groups of people from the fields of volunteer coordination, social setting and representatives of municipal institutions. The data was analysed using qualitative content analysis according to Mayring.
Results: There are many motivating factors for doing voluntary work, such as self-fulfilment. Long-term care shows the fact that they are reaching staffing limits and hardly any time resources are available for care. This gives reason to believe that volunteer work will play a major role in integrated care in the future. In order to push this, there needs to be a clearly targeted path from acquisition to an appealing task profile.
Conclusion: The reality is that fewer people are completing care training, the time pressure in care is intensified and older people have longings for security, protection and recognition. This suggests that the opportunity of volunteering in care institutions should be seized. On top of that, an additional service in integrated care is shown.
Keywords: volunteering, coordination in volunteering, older people, integrated care, interface management, care for the elderly
1 Einleitung
Schon damals bekam der karitative Aspekt des „Ehrenamtes“, überwiegend im Care- Kontext, eine hohe Bedeutung zugesprochen, bei dem es um die gesundheitliche Versorgung der Armen ging. Die Wurzeln des wohltätigen Ansatzes des Ehrenamtes entstanden in ehrenamtlichen Vereinskulturen zur Wohlfahrtspflege, in dem Armenpfleger*innen unentgeltlich eingesetzt wurden. So wie damals, ist auch heute noch das System der Wohlfahrtspflege durch duale Strukturen, welche in der Hand der Gesamtverantwortlichkeit der öffentlichen Träger liegt, gekennzeichnet (Fleckinger, 2018, S. 59).
Aufgrund dessen können innovative Lösungsansätze geschaffen und implementiert werden, um ältere Menschen zu integrieren und sie abzuholen, wo deren Bedürfnisse und Wünsche liegen. Ganz nach dem Motto: „Tu ich dir Gutes, tu ich mir Gutes.“ kann das Einsetzen von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen der Schlüssel zum Erfolg in der Langzeitpflege sein.
1.1 Problemstellung
Das Pflege- und Betreuungssystem in Österreich steht vor einem Wendepunkt und die wachsende und alternde Bevölkerung ertönt als Warnsignal insbesondere im Kontext der Altenversorgung. Für das Jahr 2040 werden in Österreich 7,8 % bis 9,7 % der Bevölkerung, Hochbetagte prognostiziert (Statistik Austria, 2021, www). Darüber hinaus wechselt der Trend von informeller Pflege zur formellen Pflege, da es aufgrund unterschiedlichster Faktoren, beispielsweise den häuslichen Rahmenbedingungen oder der niedrigen Pflegekompetenz, für An- und Zugehörige nicht möglich ist, ihre älterwerdenden Liebsten zu betreuen und zu pflegen (Heusinger, Hämel, & Kümpers, 2017, S. 439-440).
Der mediale Alarmglockenschlag wurde in den letzten Jahren häufiger getätigt und der Mangel an Pflegefachkräften gab Anlass, alarmierende Schlagzeilen zu propagieren. Jedoch löst Alarmismus keine Probleme, sondern weist gegebenenfalls nur darauf hin (Nowossadeck, 2013, o.S.).
Ganzheitliche Lösungswege müssen geschaffen werden, um den andauernden Prozess des demografischen Wandels zu entsprechen. Nichts desto trotz gehen mehr Pflegekräfte in den Ruhestand, als junge Menschen den Pflegeberuf ergreifen möchten. Das Image des Berufes hat sicher eine sehr große Bedeutung für die Berufswahl junger Menschen (ebd., o.S.).
Angesichts dieser Tatsache und Entwicklung ist es ungewiss, wer sich künftig würdig um die älteren Menschen, die Schwachen und die Kranken der Gesellschaft sorgen wird (Fleckinger MA, 2013, S.9).
Die Schere zwischen Pflegebedarf und Pflegepotenzial öffnet sich mehr und mehr und die Thematik der sozialen Ehrenamtlichkeit bekommt zunehmend Relevanz in der Versorgung (ebd., S.9).
Das bekannte Sprichwort „die kleinen Dinge des Lebens machen das Leben lebenswert“ schlägt im Bereich des Ehrenamts einen Paukenschlag. Denn 88 % der Bevölkerung fehlt im beruflichen Alltag die Sinnhaftigkeit. Oftmals fehlt die Begeisterung und Demotivation führt zur inneren Kündigung (Wurster & Prinzessin von Sachsen-Altenburg, 2019, XI-XII).
Rund 3,4 Millionen Menschen in Österreich engagieren sich ehrenamtlich. Knapp 1,2 Millionen Menschen der Engagierten sind im formellen als auch informellen Freiwilligensektor aktiv (BMSGPK, 2019, S. 14-15).
Das Ehrenamt hat mit seinem sinnstiftenden Aspekt in Österreich bereits an hoher Bedeutung erlangt und findet vor allem im Setting Alten- und Pflegewohnheim deren Wertigkeit und Wichtigkeit. Durch den Einsatz von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen gelingt es nicht nur, dass das Selbstwertgefühl gestärkt, sondern zielt auch darauf ab, dass das Zusammenleben der Gesellschaft bereichert wird (BMLRT, 2021, www).
Große Lücken der Versorgungsketten in Bezug auf die Altenpflege werden sichtlich und bleiben oftmals unbehandelt. Basierend auf dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, der älterwerdenden Bevölkerung und der Mangel an Pflegefachkräften, müssen alle Möglichkeiten für die Betreuung und Pflege ausgeschöpft werden.
Das Ziel welche die Ehrenamtlichkeit in der Pflege verfolgt ist, dass die Autonomie bewahrt wird, dass soziale Bindungen aufgebaut und dass Pflegekräfte und Bezugspersonen entlastet werden. Nebstdem wird die Ich- Wichtigkeit der Pflegebedürftigen in den Vordergrund gestellt und die eigene Persönlichkeit wird zeitgleich gestärkt, welches einen wesentlichen Beitrag auf die Lebensqualität abzielt.
1.2 Zielsetzung und Forschungsfrage
Angesichts der Tatsache, dass Freiwilligenarbeit sinnvoll, sinnstiftend, bereichernd und erfüllend ist, sieht das Alten- und Pflegewohnheim Haus St. Vinzenz vor, die ehrenamtliche Arbeit mehr in der Organisation zu forcieren und einzugliedern.
Das Ziel dieser Masterarbeit ist es, die Wirkung und den Nutzen eines ehrenamtlichen Engagements aufzuzeigen. Ein weiteres Hauptaugenmerk wird auf die Gelingensbedingungen des Ehrenamtskoordinators gelegt und welche strukturellen Rahmenbedingungen es benötigt, diesen zu implementieren.
Die Problemstellung (s. Kapitel 1.1) und die Zielsetzung (s. Kapitel 1.2) geben Anlass für folgende Forschungsfragen:
- Wie gestaltet sich der strategische Weg zu einem innovativen Ehrenamt?
- Welchen Mehrwert leistet der/die Ehrenamtskoordinator*in in einem Alten- und Pflegewohnheim im Kontext der integrierten Versorgung?
Der Nutzen der wissenschaftlichen Arbeit liegt überwiegend darin, allen Zielgruppen, den Heimträgern, der Hausleitung, den Bewohner*innen, den Mitarbeiter*innen, den ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen als auch den An- und Zugehörigen aufzuzeigen, dass ein vielfältiges Betreuungsangebot im Setting Altenwohn- und Pflegeheim eine besondere Wichtigkeit aufweist und gesellschaftliche und epidemiologische Veränderungen gut strukturiert und organisiert werden müssen.
1.3 Methodik und Vorgehensweise
Um die obliegenden Forschungsfragen zu beantworten, gliedert sich die Masterarbeit in einen theoretischen und einen empirischen Teil. In den darauffolgenden Untergliederungen erfolgt eine detaillierte Methodenbeschreibung.
1.3.1 Methodik zur Literaturanalyse
Primär wird eine Ist- Literaturanalyse des Masterarbeitsthemas vollzogen, theoretisch abgegrenzt und narrativ in Form gebracht.
Dieser Teil der Masterarbeit basiert auf einschlägiger Fachliteratur. Nach einer umfangreichen Literaturrecherche wurden Forschungsberichte, Fachbücher und Artikel aus Fachzeitschriften zu den Themen Ehrenamtlichkeit, ehrenamtliche Mitarbeiter*innen, integrierte Versorgung, Schnittstellenmanagement und Alten- und Pflegewohnheim als Grundlage für diese Arbeit verwendet.
In relevanten Datenbanken, wie Google Scholar, Bibliothek der Fachhochschule Burgenland und in der hauseigenen Bibliothek des Haus St. Vinzenz, wurde eine systematische Literatursuche durchgeführt. Zusätzlich wurde eine Handsuche vollzogen. Abgerundet wurde die Suchstrategie mit Internetquellen von einschlägigen Organisationen wie zum Beispiel der Statistik Austria oder des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, um gezielte Publikationen und Links zum Thema Ehrenamt entnehmen zu können.
Um dem Suchfeld einen Feinschliff zu verleihen wurden folgende Keywords ausgewählt: Ehrenamtlichkeit, Freiwilligkeit, freiwilliges Engagement, Alten- und Pflegeheim, Ehrenamtskoordinator*in, gesellschaftliche Entwicklungen, demografischer Wandel, soziales Engagement, volunteer work, volunteer engagement und social change. Zudem wurden die Suchbegriffe mit booleschen Operatoren ODER (OR), UND (AND) oder NICHT (NOT) in Verbindung gesetzt, um eine gezieltere Auswahl der Literatur zu ermöglichen.
Um die Eingrenzung der Literatur festlegen zu können, wurden Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt. In der folgenden Tabelle wird dies veranschaulicht dargestellt (s. Tabelle 1).
Tabelle 1: Ein- und Ausschlusskriterien, Quelle: Eigene Erstellung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Um eine Konkretisierung der Literatur vorzunehmen, wurde in folgenden drei Schritten angesetzt: primär wurde ein Titelscreening, gefolgt von einem Abstractscreening und letztendlich ein Volltextscreening durchgeführt. Dieser Vorgang wurde so oft wiederholt, bis sich eine Sättigung abzeichnete.
Um die Nachvollziehbarkeit darzustellen, wurde im Zugedessen ein Flussdiagramm erstellt. Dieses Instrument beschreibt, welche Werke nach der Anwendung der diversen Screenings ausgeschlossen werden mussten (s. Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Flussdiagramm, Quelle: Eigene Erstellung
1.3.2 Methodik zur empirischen Analyse
Um neue Erkenntnisse gewinnen und zukunftsorientierte Perspektiven aufzeigen zu können, weist diese Masterarbeit einen empirischen Charakter auf. Diesbezüglich wurde die Methode eines qualitativen, problemzentrierten, leitgestützten Interviews gewählt. Für die Beantwortung der Forschungsfragen werden acht Interviews durchgeführt. Unter den Interviewpartner*innen befinden sich Leitungspersönlichkeiten von Sozialeinrichtungen in Österreich, Ehrenamtsbeauftragte aus einer Pflegeeinrichtung in München, regionale Gebietskörperschaften, ehrenamtliche Vereine und eine Ordensgemeinschaft rund um und in Pinkafeld.
Der detaillierte Aufbau der empirischen Untersuchung, der Methodenanwendung und der Datenerhebung wird im Kapitel „empirischer Methodenteil“ (s. Kapitel 6) erläutert. Die Inhaltsanalyse nach Mayring findet sich in der Interviewauswertung wieder.
2 Begriffserläuterung
Die Pflege und die Betreuung älterer Menschen gelten in der österreichischen Sozialpolitik als zentrale Themen. In Österreich passiert ein Großteil der Pflege durch informelle Pflege, welche sich ausschließlich durch die Pflege und die Betreuung An- und Zugehöriger im häuslichen Umfeld widerspiegelt. Jedoch sollen Angehörige und Betreuungspersonen entlastet werden und pflegebedürftige Menschen wieder zurück in die Sozialisation finden. Daher ist es bedeutend, dass in der Lebenswelt Alten- und Pflegeheim neue Strukturen ergriffen und erschaffen werden.
Mithilfe der Begriffserläuterungen „Ehrenamtlichkeit“ und „Freiwilligkeit“ wird ein Überblick über das allgemeine Verständnis gegeben und warum es von Bedeutung ist, diese beide Definitionen abzugrenzen.
In der darauffolgenden Untergliederung wird die Wichtigkeit eines Alten- und Pflegewohnheims beschrieben. In diesem Kapitel erlangen die Begrifflichkeiten „Integrierte Versorgung“ und „Schnittstellenmanagement“ ihre Bedeutsamkeit und werden detailliert erläutert.
Die darauffolgende Abbildung (s. Abbildung 2) zeigt, welche Vielzahl an Begrifflichkeiten im Kontext des Ehrenamts in der Literatur gefunden wurden. In diesem Kapitel werden aufgrund der Vielfältigkeit die Begriffe Ehrenamtlichkeit, Freiwilligkeit, Alten- und Pflegewohnheim, Integrierte Versorgung und Schnittstellenmanagement gewählt und näher beleuchtet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 : Vielfältige Begriffsbestimmungen des Ehrenamts, Quelle: Eigene Erstellung
2.1 Ehrenamtlichkeit
Im Jahr 1980, bereits in einem modernen Zeitalter, bekam der Begriff Ehrenamt eine deutliche Zuwendung zu spüren. Die klassische Definition für Ehrenamtlichkeit ist eine freiwillige, unbezahlte und uneigennützige Tätigkeit, deren Lohn die „Ehre“ ist. Im Vordergrund steht die Institutionalisierung des ehrenamtlichen Handelns im Rahmen eines Amtes. Auch moderne Bezeichnungen beispielsweise „bürgerschaftliches Engagement“ und „freiwilliges Engagement“ ziehen in den Begriffskatalog ein und stehen für die Aspekte der Partizipation und der Individualisierung (Weber, 2020, S. 3).
Der Ausgangspunkt des Ehrenamts war bereits schon viel früher. Im 19. Jahrhundert, in der nachnapoleonischen Zeit, führte der Weg von den Reformen bis zur kommunalen Selbstverwaltung, in dem Bürger*innen bereits verpflichtet wurden öffentliche Stadtämter zu übernehmen, ohne dafür eine monetäre Leistung zu erhalten und erwarten zu können (Weber, 2020, S. 3).
Ein weiterer geschichtlicher Meilenstein erschließt sich mit einer weiteren sozialen Reform, das „Elberfelder System“. Mitte des 19. Jahrhunderts machten die Beamten aus dem Bürgertum Hausbesuche bei hilfsbedürftigen Personen, um festzustellen, ob die Hilfsbedürftigkeit würdig war, um die Armenhilfe durch die kommunale Verwaltung zu erhalten. Um als Armenpfleger*in qualifiziert zu werden, bedarf es damals an lokaler Vertrautheit und an Präsenz. Die Entwicklungsgeschichte des Ehrenamts zeigt, dass es sich um eine staatlich abgeleitete Tätigkeit handelt. Dadurch, dass der/die Einzelne etwas Gutes für deren Kommune tut, wird dies dafür am Ende mit der Ehre für das Geleistete belohnt (ebd., S. 3).
Im heutigen Zeitalter kommt man üblicherweise durch Wahl, Berufung oder Beauftragung zu einem Ehrenamt. Zahlreiche Positionen beispielsweise Gemeinde- oder Stadtrat, Schöffe oder Elternbeirat werden von Personen besetzt, deren Engagement als eine selbstverständliche Tätigkeit verstanden wird. Vor allem wird Ehrenamt auch als eine moralisch-ethische Verpflichtung verstanden, die die besondere Verbundenheit zu einem Amt oder Organisation, mit der Belohnung oder mit dem Ausgleich „Ehre“ gewährt wird (ebd., S. 3).
Von diesem Hintergrund des Ehrenamtes, ausgerichtet auf die Staatsinteressen, bündeln sich unterschiedliche Formen von freiwilligen, nicht materiellen gewinn- und gemeinsinnorientierte Tätigkeiten. In der folgenden Abbildung werden essentielle Kriterien des Ehrenamts erkenntlich gemacht (s. Abbildung 3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Kriterien des Ehrenamts, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Weber; Fleckinger (2020, S.4; 2018, S. 56-57)
In der obliegenden Abbildung ist gut die Bedeutung von Ehrenamt erkennbar und welchen Ansatzpunkt dieser verfolgt. Ein ehrenamtliches Engagement wird nicht nur freiwillig ausgeübt, sondern eigeninitiativ, regelmäßig und unabhängig. Des Weiteren orientiert sich das Ehrenamt nicht auf einen materiellen Gewinn sondern es verfolgt den Gemeinwohlsinn, findet im öffentlichen Raum statt und widerspiegelt sich in der Regel in der Gemeinschaftlichkeit und in der Zusammenarbeit. Die Funktion eines Ehrenamts wird als formal und als nicht formal legitimiert betrachtet, sowie kann mit oder ohne Qualifikation ausgeübt werden (Weber, 2020, S. 4; Fleckinger, 2018, S. 56-57).
Die Literatur zeigt, dass es keine einheitliche begriffliche Bestimmung für das Ehrenamt gibt. Wie bereits beschrieben, werden zahlreiche Synonyme für Ehrenamt verwendet. Im Wesentlichen zeigt die beträchtliche Definition eine Unklarheit, in der Verbindung beider Aspekte des Engagements, also auf der individuellen und der institutionellen Ebene (ebd., S. 56).
Viele Bürger*innen stehen nicht voll und ganz deren Arbeitsverhältnis (Wurster & Prinzessin von Sachsen- Altenburg, 2019, o. S.).
Oftmals fehlen die Begeisterung und der tiefere Sinn hinter all dem, was im beruflichen Alltag gefordert wird (Wurster & Prinzessin von Sachsen- Altenburg, 2019, o. S.).
Die Erkenntnis welche erlangt wird ist, dass, die tiefer gehende Bedeutung vermisst wird, was getan wird. Demnach entdecken mehr und mehr Menschen bei der Suche nach dem „fehlenden Etwas“, schließlich das ehrenamtliche Engagement. Unter anderem finden engagierte Persönlichkeiten den tieferen Sinn im sozialen, gemeinnützigen Bürger*innenengagement und somit entsteht parallel zum Berufsleben eine zweite Identität im Privatleben. Die Realität zeigt, dass engagierte Personen somit ein Doppelleben führen. Am Tag sind sie ein/e unmotivierte/r Bankangestellte/r und sobald der Feierabend einläutet, werden die Rollen gewechselt und diejenige/derjenige Engagierte ist Vorstand eines Vereins und führt mit Begeisterung erfolgreich ein Ehrenamtsteam (ebd., o. S.).
2.2 Freiwilligkeit
In europäischen Ländern engagieren sich zwischen 92 und 94 Millionen Menschen über 15 Jahre freiwillig, das sind rund 23 % der Europäer*innen. Dicht gefolgt von Niederlanden, Schweden und Großbritannien ist Österreich europäischer Spitzenreiter. In Österreich leisten 46 % der Erdenbürger*innen ab 15 Jahren Freiwilligenarbeit (BMSGPK, 2021, www).
Freiwilligkeit ist ein bereits etablierter Begriff und orientiert sich am englischen „volunteering“. Nach dem geschichtlichen Hintergrund übernahmen vorwiegend Männer freiwillige Ämter und erworben in der Armenpflege somit Respekt und Anerkennung. Im täglichen Sprachgebrauch werden die Begriffe Ehrenamtlichkeit und Freiwilligkeit mit einander assoziiert. Jedoch erbringen freiwillige Engagierte außerhalb des eigenen Haushaltes unentgeltlich gemeinnützige Leistungen. Dies kann eine einmalige Tätigkeit sein, beispielsweise in einem Projekt befristet mit einem bestimmten Zeitraum oder regelmäßig passieren. Die Freiwilligenarbeit wird in zwei große Bereiche geteilt (BMASK, 2012, S.8).
Zum einen die formelle Freiwilligenarbeit und zum anderen die informelle Freiwilligenarbeit. Zur formellen Freiwilligenarbeit zählen jene ehrenamtlichen Tätigkeiten in Vereinen, Institutionen und Organisationen. Eine informelle Freiwilligenarbeit im privaten Bereich kann die Nachbarschaftshilfe sein (BMASK, 2012, S.8).
Ferner werden Maßnahmen zur persönlichen und fachlichen Aus- und Fortbildung für diese Tätigkeit angestrebt. Fallen im Rahmen der Freiwilligentätigkeit Kosten an, wie zum Beispiel: Fahrtkosten, Porto, Telefonkosten oder Materialaufwand, können diese zum Teil ersetzt werden (Österreichischer Integrationsfonds, 2017, www; Hansen, 2008, S. 24).
Freiwillig engagierte Personen ersetzen keine hauptberuflichen Kräfte, sondern weisen eine Unterstützungsfunktion auf und gliedern sich in die Arbeitsmarktneutralität ein. Insbesondere ist die Arbeitsmarktneutralität gegeben durch den Einsatz Freiwilliger, die aufgrund Einstellung neuer unselbstständigen Beschäftigten nicht verhindert werden kann. Einer kritischen Analyse bedarf dies jedoch, vor allem wenn engagierte Personen herangezogen werden, um personelle oder finanzielle Engpässe auszugleichen. Demzufolge würde sich dies, mit der Intention der Arbeitsmarktneutralität widersprechen. Aus diesen Gründen sind Institutionen gefordert, arbeitsmarktneutral vorzugehen, klare Tätigkeitsbereiche, Funktionen und ein Tätigkeitsausmaß für Hautberufliche und Freiwillige festzulegen (BMSGPK, 2022, www).
Die Freiwilligkeit ist vielfältig. Menschen engagieren sich in Sportvereinen, in dem sie Kinder und Jugendliche trainieren oder als eine Schiedsrichterfunktion agieren, gestalten Konzerte und Ausstellungen, sowie engagieren sich aktiv in einem Chor. Auch die eigenen Interessen werden vertreten. Engagierte tauschen sich in Selbsthilfegruppen aus, welche sich in einer ähnlichen Situation befinden. Aus diesen Gründen ist ein freiwilliges Engagement in einem sozialen Umfeld unverzichtbar und hat in den letzten Jahren einen hohen Stellenwert bekommen. Die Debatte des freiwilligen Engagements zeigt wesentliche Vorteile auf (Simonson, Vogel, Ziegelmann & Tesch- Römer, 2017, S. 31; Weber, 2020, S, 3).
Die Erwartungen der gesellschaftliche Partizipation ist positiv gestiegen, die Individualisierung eines Einzelnen nimmt zu, der Zusammenhalt der Gesellschaft wird verbessert, die Demokratie wird weiterentwickelt und innovative Problemlösungen werden nachhaltig aufgezeigt (Simonson, Vogel, Ziegelmann & Tesch- Römer, 2017, S. 31; Weber, 2020, S, 3).
2.3 Alten- und Pflegewohnheim
Die Wartelisten von stationären Alten- und Pflegewohnheimen platzen aus allen Nähten. Verschuldet dafür sind Gründe wie zum Beispiel: der Mehraufwand der Pflege im häuslichen Setting, geringe Verfügbarkeit von selbstständigen Pfleger*innen, die häuslichen Gegebenheiten, Pflege zu vollziehen und Isolation von einem sozialen Umfeld. Überdies spüren Alten- und Pflegeeinrichtungen deutlich die Auswirkungen des demografischen Wandels. Die Pflegebedürftigen werden immer älter, sind gekennzeichnet von Multimorbidität, der Pflegebedarf steigt dadurch und mobile soziale Dienste reichen nicht mehr aus. Das Prinzip der Freiwilligkeit ist ausschlaggebend für eine Aufnahme in einer stationären Einrichtung. Das bedeutet, dass der/die Pensionist*in bzw. der/die ausgewählte Erwachsenenschutzvertreter*in ausdrücklich für eine Aufnahme zustimmen muss (Öffentliches Gesundheitsportal Österreich, 2021, www).
Im Jahr 2020 wurden knapp 96.000 Erdenbürger*innen in ein stationäres Alten- und Pflegewohnheim aufgenommen und betreut. In etwa 7.000 Personen nahmen eine Kurzzeitpflege in der Langzeitversorgung in Anspruch (Statistik Austria, 2020, www).
Um An- und Zugehörige in der formellen Pflege zu entlasten gibt es weitere Abgrenzungen zur stationären Pflegeeinrichtung für ältere Personen (s. Abbildung 4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 : Abgrenzungen der Altenversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Öffentliches Gesundheitsportal Österreich (2021, www)
Nehmen An- und Zugehörige eine Übergangspflege in Anspruch, erstreckt sich der Aufenthalt in einem Pflegeheim prinzipiell nur auf die Dauer der Pflegebedürftigkeit. Dies kann zum Beispiel nach einem Spitalsaufenthalt zur Rehabilitation sein. Durch die Pflege und Therapie kann die Rückkehr in das häusliche Umfeld gewährt werden, wobei mobile und soziale Dienste eine durchaus selbstbestimmte Lebensführung gewährleisten (Öffentliches Gesundheitsportal Österreich, 2021, www).
Können pflegende Angehörige eine adäquate häusliche Pflege nicht verrichten, besteht die Möglichkeit, einer vorübergehenden, stationären Betreuung (Kurzzeitpflege) des pflegebedürftigen Menschen in einem Alten- und Pflegeheim. Gesundheitliche oder berufliche Gründe der pflegenden Angehörigen können dafür ausschlaggebend sein (ebd., www).
Durch die Inanspruchnahme der Urlaubspflege können die pflegenden Angehörigen eine Pause vom Pflegealltag einlegen und neue Energie tanken. Dadurch können betreuungsbedürftige Personen einem Alten- und Pflegeheim anvertraut werden (ebd., www).
Einen bedeutsamen Meilenstein erzielt der Bundesverband der Alten- und Pflegeheime Österreichs, das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, die Länder, der Seniorenrat mit der Einbeziehung von Expert*innen. Gemeinsam wurde das „Nationale Qualitätszertifikat für Alten- und Pflegeheim in Österreich“ (NQZ) entwickelt. Alten- und Pflegewohnheime können mit diesem Zertifikat ausgezeichnet werden. Im Vordergrund steht, eine hohe individuelle Lebensqualität der Bewohner*innen zu erstreben. Mit einem bereits eingeführten Qualitätsmanagementsystem wird eine objektive Bewertung der Qualität sichtbar gemacht. Diese geben Impulse und Anreize zur Weiterentwicklung (BMSGPK, 2019, www; Das Nationale Qualitätszertifikat, 2022, www).
Im Fokus stehen die Lebens- und Arbeitsbedingungen des Zertifizierungsprozesses. Die Abläufe an den Bedürfnissen der Bewohner*innen, oder welche Maßnahmen bezüglich der Bewohner*innenzufriedenheit und Mitarbeiter*innenzufriedenheit getroffen worden sind, wird durch das Zertifizierungsteam überprüft (ebd., www; ebd., www).
Anschließend werden Handlungsempfehlungen gegeben, die als Grundlage für die Qualitätsentwicklung dienen. Ziele und Maßnahmen können danach individuell von den Pflegeeinrichtungen abgeleitet werden und sind für die Lebensqualität der Bewohner*innen von großer Bedeutung. Kommt es zu einer Rezertifizierung, werden die Umsetzungen der Empfehlungen überprüft (ebd., www; ebd., www).
2.4 Integrierte Versorgung
Integrierte Versorgung wird oft im Gegensatz zu fragmentierter und episodischer Versorgung verwendet und synonym zu Begriffen wie koordinierte Versorgung und nahtlose Versorgung verwendet. Allerdings gibt es keine einheitliche Definition oder ein gemeinsames konzeptionelles Verständnis der integrierten Versorgung, was wahrscheinlich auf die „polymorphe Natur der integrierten Versorgung“ zurückzuführen ist (World Health Organization, 2016, S. 3). In der Tat sind die Perspektiven, aus denen sich das Konzept zusammensetzt, wahrscheinlich von den Ansichten und Erwartungen der verschiedenen Akteure des Gesundheitssystems geprägt (ebd., S. 3).
Im § 3 Z 24-26 des Vereinbarungsumsetzungsgesetzes 2017 (VUG 2017) wird der Begriff integrierte Versorgung wie folgt beschrieben „…eine patientenorientierte, kontinuierliche, sektorenübergreifende, interdisziplinäre und/oder multiprofessionelle und nach standardisierten Versorgungskonzepten ausgerichtete Versorgung…“.
Gemäß § 6 Abs. 2 Z 13-15 des VUG 2017 werden Ziele und Handlungsfelder vereinbart, in dem die Verbesserung der integrierten Versorgung angestrebt wird. Folgendes Ziel wurde definiert: „Die Verbesserung der integrierten Versorgung, insbesondere bei chronischen Erkrankungen, sind interdisziplinäre und multiprofessionelle sowie intersektorale Zusammenarbeitsformen auszubauen sowie Behandlungsprozesse und Versorgungsstandards zu definieren.“
Der österreichische Strukturplan 2017 definiert integrierte Versorgung als eine nach standardisierten Versorgungskonzepten ausgelegte Form der Versorgung, welche sich an spezifische Krankheitsbilder und/oder Bevölkerungsgruppen orientiert (BMASGK, 2017, S. 192-193).
In der folgenden Abbildung werden die Perspektiven für die Gestaltung der integrierten Versorgung detailliert dargestellt (s. Tabelle 2).
Tabelle 2 : Perspektiven der integrierten Versorgung, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an World Health Organization (2016, S. 3)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Greiling & Dudek (2009, S. 46) sehen integrierte Versorgung als „… die Qualität der Versorgung für den Patienten über alle beteiligten Leistungsbereiche hinweg zu verbessern und dabei möglichst den Ersatz der benötigten Ressourcen zu optimieren. Dieser Ansatz eint die unterschiedlichen Ziele und Nutzenaspekte der einzelnen Leistungserbringer.“
Die integrierte Versorgung kann auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Settings innerhalb des Gesundheitssektors stattfinden, beispielsweise zwischen Primärversorgung und Krankenhäusern oder als Integration von Gesundheits- und Sozialsektor, zum Beispiel: bei der Versorgung für Langzeitpatienten. In diesem Zusammenhang kann die Integration nach ihrer Intensität kategorisiert werden. Vollständige Integration bedeutet, dass der Gesundheits- und der Sozialsektor in ein neues Organisationsmodell integriert werden (World Health Organization, 2016, S. 6).
Der multidimensionale Charakter der Integrationsprozesse verweist auf die Komplexität, der Aufbau integrierter Versorgungsmodelle, sowie auf die Vielfalt der Möglichkeiten bei ihrer Gestaltung hin (ebd., S. 6).Damit integrierte Versorgung gut funktioniert, muss das Ziel sein, Gesundheitsleistungen optimal anbieten zu können, um die Lebenserwartung und die Lebensqualität zu steigern. Ein weiteres Ziel beinhaltet Kosten und Qualität der Gesundheitsversorgung (Greiling & Dudek, S. 2009, S. 55).
Es führen keine niedrigen, kostengünstigeren Versorgungsebenen zu Qualitätssteigerungen, sondern lassen sie oftmals sinken, beispielsweise die Verlagerung von der stationären Versorgung zum teilstationären oder ambulanten Bereich ist möglich, aber nicht immer notwendig und effektiv. Ein weiteres Bestreben betrifft die Kooperation und die Koordination aller Beteiligungsgruppen. Somit kann durch eine Schnittstellenoptimierung bessere Qualität und Wirtschaftlichkeit erlangt werden. Besonders essentiell ist der zeitnahe Informationsaustausch zwischen den Leistungserbringern unter Partizipation der Patient*innen und deren An- und Zugehörigen. Durch eine verbesserte Kommunikation kann gleichzeitig die Versorgungsqualität angestrebt werden (ebd., S. 55).
Mühlbacher (2002, S. 211) definiert allgemein eine Schnittstelle als ein „ Berührungspunkt zwischen verschiedenen Sachverhalten oder Objekten“.
Schnittstellenmanagement bedeutet somit eine Übergangs- bzw. Verbindungstelle zwischen im Prozess verbundenen organisatorischen Einheiten, Bereichen bzw. Mitarbeiter*innen, die unterschiedliche Handlungs-, Aufgaben-, Kompetenz-, und Verantwortungsbereichen aufweisen und durch die Wertschöpfungskette verbunden sind (ebd., S. 68).
2.5 Schnittstellenmanagement
Schnittstellenmanagement im Gesundheitswesen wird von Streissler (2004, S. 47) als „Unterbrechung des Behandlungsverlaufs durch den Wechsel von einer zu einer anderen Versorgungsebene“ definiert . Als eine Versorgungsebene werden Einrichtungen im ambulanten, stationären und teilstationären Sektor verstanden (Streissler, 2004, S. 47).
Um eine Schnittstelle genauer zu beleuchten, müssen mindestens zwei Leistungseinheiten erforderlich sein. Dadurch kann ein angefangener Prozess fortgesetzt und durch eine Teilleistung einen Beitrag zur Gesamtleistung erbracht werden. Zusätzlich lassen sich zwei differenzierte Schnittstellen abgrenzen (Mayr & Lehner, 2009, S. 10).
Zum einen eine unternehmensinterne Schnittstelle, diese stellt den Übergang von einer Leistungsstelle innerhalb einer Organisation sicher und zum anderen eine unternehmensexterne Schnittstelle. Hierbei findet eine Beziehung außerhalb der Organisationen zur Unternehmensumwelt statt. Diese Schnittstellentypen haben Auswirkungen auf die Determinanten Kosten, Qualität und Zeit (ebd., S. 10).
Um strategische Ziele zu erreichen, bedarf es einer zielgerichteten Planung im Rahmen des Innovationsmanagements. Deshalb erscheint es ohne eine Abstimmung der Entwicklungsprozesse, also der Ziele, der Strategien und der Maßnahmen aller betroffenen Unternehmensbereiche überhaupt nicht möglich, Schnittstellen optimal aufrechtzuerhalten (Lorenz, 2014, S. 529-537).
Der Erfolg des Schnittstellenmanagements wird zwischen den beteiligten Bereichen am Prozess gemessen und ist von einem verwendeten Koordinationskonzept abhängig. Um ein Koordinationskonzept zu gestalten, ist es sinnvoll, geeignete Instrumente auszuwählen. Die Literatur präsentiert eine Vielzahl verschiedenster Koordinationsinstrumente. Diese unterliegen unterschiedlichsten Abgrenzungen und Klassifikationen (Lorenz, 2014, S. 529-537).
Um Schnittstellen zu behandeln, spielen personale Koordinationsinstrumente eine besondere Bedeutung. Unter personalen Koordinationsinstrumenten lässt sich eine dezentrale Selbstkoordination oder eine zentrale Fremdkoordination gliedern (ebd., S. 529-537).
Eine dezentrale Selbstkoordination kann geleitet werden von einer Abteilung durch Gremien, Teams oder Projektmanager*innen. Hierarchische Unterweisungen gliedern sich in der Form der zentralen Fremdkoordination. Die Sinnhaftigkeit der Auswahl des einzusetzenden Koordinationsinstruments stellt einen möglichst effizienten Koordinationsmix zur Erreichung der Koordinationsstrategie dar. Fasst man den dezentralen Ansatz ins Auge, stellt dies eine Möglichkeit der Autonomie, selbst zu bestimmen dar, ohne Einfluss von hierarchischen Instanzen. Mit Hilfe von Grundtypen, beispielsweise von Gremien, Teams und Projektgruppen, kann ein autonomes gemeinschaftliches Verfolgen der Ziele möglich sein (ebd., S. 529-537).
3 Altenversorgung im Wandel
Der Wandel und die daraus resultierenden starken Veränderungen lassen die Altenversorgung auf den Kopf stellen. Aufgrund der steigenden Anzahl von Hochbetagten, verminderte Auswahl des Pflegeberufes und steigender Pflegebedarf haben Gesundheits- und Sozialeinrichtungen nicht die Möglichkeit, dies alles in einem zu kompensieren. Demotivation, Überforderung und Unzufriedenheit entwickeln sich betrachtend der Mitarbeiter*innenperspektive. Erfahrungswerte zeigen, dass Personen mit einer Pflegebedürftigkeit aufgrund dieser obliegenden genannten Faktoren nicht in der Langzeitpflege aufgenommen werden können. Frustration, Traurigkeit und das nicht wissen, was man machen soll, entstehen, beleuchtend aus der Sicht der An- und Zugehörigen als auch aus der Sicht der Pfleglinge.
In diesem Kapitel, Altenversorgung im Wandel, wird die Versorgungslandschaft näher thematisiert und einer genaueren Betrachtung unterzogen.
Des Weiteren werden die Herausforderungen in der Altenpflege und Versorgung detailliert untersucht. Im Unterkapitel wird die Altersstruktur in Österreich näher beleuchtet, sowie die Untergliederung, Veränderungen in der Pflegelandschaft und deren Schwachstellen finden in diesem Kapitel ihren Platz.
3.1 Versorgungslandschaft in Österreich
Österreichs Gesundheitssystem ist geprägt von den föderalistischen politischen Strukturen des Landes, der Delegation von Kompetenz an die selbstverwalteten Akteure des Sozialversicherungssystems sowie durch akteur- übergreifende Strukturen auf Bundes- und Landesebene. Die Verteilung der Kompetenzen zur kooperativen Planung, Koordinierung und Finanzierung ist in der Bundesverfassung klar geregelt (Hofmarcher-Holzhacker, 2013, S. VII-IX).
Das Ziel in der Vereinbarung gem. Artikel 15a B-VG zur Zielsteuerung Gesundheit wurde zwischen den Systempartnern Bund, Länder, Sozialversicherung festgehalten, und richtet sich an eine gemeinsame und sektorenübergreifende Steuerung (Hofmarcher-Holzhacker, 2013, S. VII-IX).
Für weitere operative Umsetzungen wurde eine Zielsteuerungsvereinbarung auf Bundesebene für die Jahre 2017 bis 2021 vereinbart. Zentrale Schwerpunkte beispielsweise Aktivitäten zur Stärkung der ambulanten Versorgung, effektive Umsetzung der neuen Primärversorgung oder Sicherstellung der Verfügbarkeit des erforderlichen Gesundheitspersonals werden darin explizit festgehalten (BMASGK, 2019, S. 10; Bachner, Bobek, Haindl, Rainer & Zuba, 2020, S. 1-5).
Die Vollziehung und die Zuständigkeit für Gesetzgebung im Gesundheitswesen obliegen somit beim Bund. Auf Basis bundesrechtlicher Rahmenbedingungen wird die Durchführung der Krankenversicherung von der Sozialversicherung in einem eigenen Wirkungsbereich wahrgenommen. Die Bereitstellung von Vertragsleistungen im extramuralen Setting, die Bereitstellung von Medikamenten und Heilbehelfen im stationären als auch in der ambulanten Rehabilitation lassen sich im Wirkungsbereich eingliedern (BMASGK, 2019, S. 10; Bachner, Bobek, Haindl, Rainer & Zuba, 2020, S. 1-5).
Die Bundesländer sind für die Erlassung von Ausführungsgesetzen und zur Vollziehung der Gesetzgebung zuständig, um eine ausreichende Versorgung mit Krankenhausleistungen gewähren zu können. Im Übrigen haben die Bundesländer die Verantwortung, präklinische Notfallversorgung sicherzustellen und für die soziale Versorgung (inklusive Pflege und Langzeitversorgung) zu garantieren. Zusätzlich wirken weitere wichtige Akteure wie zum Beispiel Patientenorganisationen, Selbsthilfegruppen, karitative Einrichtungen und Forschungs- und Planungseinrichtungen im Gesundheitssystem mit (BMASGK, 2019, S. 8-9). Die Gesundheit der österreichischen Bevölkerung ist eine öffentliche Aufgabe und beruht auf einem durch Pflichtversicherung gekennzeichneten Sozialversicherungsmodell (BMASGK, 2019, S. 6-7; Öffentliches Gesundheitsportal Österreich, 2022, www).
Alle versicherten Personen haben den Rechtsanspruch auf solidarisch finanzierte Leistungen. Aufgrund der Prinzipien der Solidarität und der Selbstverwaltung, welcher die österreichische Sozialversicherung folgt, werden diese hauptsächlich über Versicherungsbeiträge finanziert. Die Versicherung tritt mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ein. Selbstständige und freiwillig Versicherte beantragen die Aufnahme in die Versicherungsgemeinschaft selbst. Solidarität bedeutet, einen Ausgleich zwischen mehr und weniger schutzbedürftigen Personen- wie etwa zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Gruppen, zwischen Erwerbstätigen und Arbeitslosen zu schaffen (BMASGK, 2019, S. 6-7; Öffentliches Gesundheitsportal Österreich, 2022, www).
Durch die große Anzahl an Versicherten können breit gestreute Risiken abgefedert werden. In Österreich waren im Jahr 2017 rund 8,7 Millionen Menschen in der sozialen Krankenversicherung anspruchsberechtigt, davon waren knapp 6,7 Millionen Personen Beitragsleistende und der Rest Mitversicherte, insbesondere Kinder. Der Beitrag für die Mehrheit der Krankenversicherten beträgt 7,65 % des Bruttoeinkommens bis zu einer Höchstbeitragsgrundlage von 5.670 € (BMASGK, 2019, S. 6-7; Öffentliches Gesundheitsportal Österreich, 2022, www).
Je nach notwendigen Leistungen teilt sich das Gesundheits- und Sozialwesen die Befugnis für die medizinische, pflegerische und soziale Versorgung. Die Versorgung von älteren Personen in Österreich basiert auf drei wesentlichen Säulen: Betreuung durch Angehörige (informelle Pflege), stationäre und ambulante Versorgung. Die Säule der informellen Pflege überwiegt durch die Betreuung älterer Menschen von An- und Zugehörige, die etwa 80 % - 90 % der Hilfe leisten. Primär tragen Angebote, beispielsweise Hauskrankenpflege oder eine Unterstützungskraft durch Alten- und Pflegehelfer*innen bei, An- und Zugehörige zu entlasten, die Aufnahme in einer stationären Einrichtung zu vermeiden und durch das Verweilen in einer gewohnten Umgebung eine höhere Lebensqualität zu erzielen (Gatterer, 2007, S. 34-35).
Des Weiteren machen auch teilstationäre Maßnahmen wie Tageszentren (Tagesbetreuung inklusive Versorgung und Beschäftigung) und Tageskliniken (mit einer medizinischen Ausrichtung) den Verbleib in der gewohnten Umgebung möglich (Gatterer, 2007, S. 34-35).
Zusätzlich stellen sie mit dem extramuralen Bereich und dem intramuralen Bereich, eine Nahtstelle zur Prävention einer frühzeitigen vollstationären Langzeitbetreuung, sowie einer Unterversorgung dar. Aufgrund dessen rücken Nahtstellen mit einer spezifischen Funktion bei der Erfüllung der Aufgaben der Optimalversorgung von älteren Menschen mit verschiedensten Erkrankungen ins Tageslicht (ebd., S. 34-35).
In der folgenden Abbildung können die Versorgungsstrukturen für ältere Menschen in Österreich eingesehen werden (s. Abbildung 5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 : Versorgungsstrukturen für ältere Menschen, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Gatterer (2007, S. 34)
Zahlreiche Versorgungsstrukturen stehen für hilfsbedürftige Personen in Österreich zur Verfügung. Ein Blick auf zwei ausgewählte Systempartner wird geworfen.
Mobile Dienste
Knapp 23 % der über 80- Jährigen nahmen bereits vor einem Krankenhausaufenthalt mobile Dienste in Anspruch. Die restlichen 77 % wurden von keinem mobilen Dienst betreut.
Die professionellen ambulanten in Anspruch genommenen Dienste lassen sich folgend unterteilen:
- Betreuung durch Hauskrankenpflege
- Nutzung der Angebote von Vereinen, beispielsweise Essen auf Rädern
- Betreuungsdienste durch Altenfachbetreuer
- Dienste von Heimhilfen (Mayer & Lehner, 2009, S. 107).
Stationäre Versorgung
Oftmals reichen extramurale oder teilstationäre Betreuungsformen nicht aus, um Menschen mit beispielsweise einer fortschreitenden Demenz adäquat zu versorgen. Demzufolge werden Personen in eine stationäre Einrichtung aufgenommen und die Verlegung in ein Krankenhaus oder in eine Pflegeeinrichtung nimmt massive psychische Belastungen für die Betroffenen mit sich. Insbesondere in diesem Bereich werden innovative Ideen gefordert, um die Sicherheit und auch um die Freiheit der pflegebedürftigen Menschen zu berücksichtigen (Gatterer, 2007, S. 37).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 3 : Überblick der betreuten/gepflegten Personen in Osterreich, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2020, www)
Die obliegende Tabelle gibt einen guten Überblick, wie viele Personen einen Betreuungs- und Pflegedienst in Anspruch nahmen. Entnehmbar sind die einzelnen Betreuungsformen und je nach Bundesländern aufgelistet (s. Tabelle 3). Gut erkennbar ist, dass knapp 151. 600 hilfesuchende Personen, mobile Dienstleistungen in Anspruch nehmen.
Wie bereits in diesem Kapitel erwähnt, entlasten mobile Dienste An- und Zugehörige und ermöglichen ein längeres Verweilen in der persönlichen Umgebung. Auch widerspiegeln sich die stationären Dienste in der Säule der Altenversorgung. Etwa 95.000 Erdenbürger*innen wurden in einer stationären Einrichtung gepflegt und betreut. Am wenigsten wurden Alltagsbegleitungen oder Entlastungsdienste genutzt. Hier verzeichnet die Statistik Austria eine Inanspruchnahme von 2.199 Hilfesuchende.
Im kommenden Kapitel, Herausforderungen in der Altenpflege und Versorgung, wird dem/der Leser*in verdeutlicht, welche Herausforderungen in der Altenpflege auftreten, betrachtend der veränderten Altersstrukturen (s. Tabelle 3 und s. Abbildung 5) und der demografischen Mega- Trends.
3.2 Herausforderungen in der Altenpflege
Der demografische Wandel hat einen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung, Umsetzung und Evaluierung von Pflegeangeboten und der Bund, die Bundesländer und die Gemeinden stehen für eine gegenwärtige Konzeptionierung von Versorgungsangeboten vor großen Herausforderungen (Habermann & Stagge, 2015, S. 601).
Die Hauptdeterminanten der demografischen Entwicklung stehen mit folgenden Mega- Trends im Einklang:
- Niedrige Geburtenrate und wachsende Kinderlosigkeit
- Rückgang in der Gesamtbevölkerung
- Der Rückgang der Bevölkerung ist nicht gleichzusetzen mit dem Rückgang der Haushalte. Hier wird beobachtet, dass sich seit Jahren ein Trend zur Zunahme von kleineren, insbesondere von Ein-Personen-Haushalt, abzeichnet.
- Globale Trends zur Alterung der Gesellschaft
- Steigerung der Migrationspopulation (Heinze & Naegele, 2008, S. 12).
Die nachhaltigen Veränderungen in der Bevölkerungs-, Haushalts- und Familienstruktur in Bezug auf die Pflege und Betreuung von älteren Personen, rücken immer stärker ins öffentliche Bewusstsein. Zukünftig wird das Pflegepotenzial der An- und Zugehörigen deutlich absinken aber dennoch der Pflegebedarf generell steigen. Parallel zu den Familien- und Haushaltsstrukturen, ändern sich auch die Geburtenraten. Die Anzahl an Kindern pro Familie ist rückläufig geworden und geht mit einer steigenden Zahl an kinderlosen Personen einher (Mayr & Lehner, 2009, S.14).
Betrachtend der Haushaltsstrukturen dominieren in den nächsten Jahren Einpersonenhaushalte, wobei die Bevölkerungsgruppe der über 65- Jährigen von dieser Entwicklung betroffen ist und alleine sowie ohne Unterstützung oder Rückhalt den Alltag meistern und bewältigen muss. Der Bedarf an Unterstützung durch außerfamiliäre Netzwerke steigt (ebd., S.14).
Ältere, hochbetagte und chronisch kranke Personen bestimmen den Versorgungsalltag. Rund 70 % der in der Langzeitpflege betreuten alten Menschen weisen zusätzlich zu ihren somatischen Leiden, psychische Probleme auf. Damit stellen stationäre Einrichtungen vor neuen Herausforderungen. Außerdem zeigen Senior*innen im Alter von 65 bis 84 Jahren neue Bedürfnisse in vielfältigen Dienstleistungsbereichen auf, speziell in Bezug auf Gesundheit, Wohnen, Versorgung und Pflege (Gatterer, 2007, S. 34-35).
Die Zahl der Pflegebedürftigkeit nimmt in Österreich drastisch zu. Bereits im Jahr 2008 bezogen knapp 400.000 Menschen Pflegegeld. Das sind in etwa 5 % der österreichischen Gesamtbevölkerung. Bis ins Jahr 2030 wird ein deutlicher Anstieg erwartet (ebd., S.9).
Den Höhepunkt der gesundheitspolitischen Diskussionen hat die Multimorbidität im Zusammenhang mit den künftigen Altersgenerationen erreicht. Primär nehmen drei epidemiologische Typen, der Herz- Kreislauf- Erkrankungen inklusive des Diabetes mellitus, der Tumorerkrankungen und der Demenz im hohen Alter deutlich zu (Kolb, 2012, S. 932).
In der darauffolgenden Abbildung werden die drei Typen nach einer zeitlichen Abfolge gestaffelt und dargestellt. Sie werden als „die Rolle der Multimorbidität“ oder „als demografische Gebirge“ betitelt (s. Abbildung 6) (Kolb & Weißbach, 2015, S. 1701).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Das demografische Gebirge, Quelle: Kolb (2012, S. 932)
Die Wahrscheinlichkeit an einem Herzinfarkt oder an einem Schlaganfall zu erkranken, wächst mit steigender Lebenserwartung, insbesondere durch Diabete mellitus. Weiters kommt es zu einer Verschiebung der Ersterkrankungen im höheren Lebensalter als auch einer Morbiditätsverdichtung, ausschlaggebend durch eine wirksame Medikation, sowie allgemeiner Vorbeugungsmaßnahmen der Ernährung, der Bewegung und des Sportes (Kolb, 2012, S. 932).
Eine kontinuierliche Zunahme zeigen die Tumorerkrankungen hinsichtlich ihrer Inzidenz und Prävalenz mit dem wachsenden Lebensalter. Ein relatives Risiko besteht, bezugnehmend auf die Erkrankung eines Mammakarzinoms bei einer 40- Jährigen Frau 1:3000, während eine 80- Jährige Dame ein viel höheres Risikoverhältnis von 1:10 aufweist (Kolb & Weißenbach, 2015, S. 1701).
Ähnlich verhalten sich auch andere Tumorerkrankungen. Aus diesem Grund steht die Todesursache der Erkrankungen an Krebs an erster Stelle (Kolb & Weißenbach, 2015, S. 1701).
Die Häufigkeit an Demenz zu erkranken nimmt vor allem bei Hochbetagten rasant zu. Jeder dritte Mann und jede zweite Frau erlangen eine dementielle Erkrankung. Basierend der steigernden Lebenserwartung kann dies zu Problematiken führen. Im Jahr 2000 erkrankten in etwa 90.500 Personen in Österreich an einer dementiellen Erkrankung. Laut einer Studie von Wancata wird diese Zahl bis zum Jahr 2050 verdoppelt. In der Langzeitpflege werden 40 % - 70 % mit einer diagnostizierten Demenz betreut. Dies sind Gründe weshalb kurative Maßnahmen, Pflege und Betreuung im Kontext der Altenversorgung ausgebaut werden müssen (Kolb, 2012, S. 932; Mayer & Lehner, 2009, S. 10).
Die veränderbaren Strukturen einer Alten- und Pflegeeinrichtung sind in den kommenden Jahren nicht nur ausschließlich den Aspekten der demografischen Alterung oder epidemiologischen Entwicklungen geprägt, sondern auch durch politische Entscheidungsträger determiniert. Häufig wird die Pflege und Versorgung in Österreich ausgelagert und findet in Billiglohnländern statt, welche eine enorme Auswirkung auf die Globalisierung und der Ökonomie haben. Jedoch sollen künftig neue Strategien der Altenversorgung den Weg weisen. Mit „ambulant vor stationär“ sowie die Legalisierung der „24- Stunden- Betreuung“ lassen sich Bewohner*innenstrukturen in den Alten- und Pflegewohnheimen nachhaltig verändern (ebd., S. 932; ebd., S. 11).
3.3 Entwicklungen der Altersstruktur in Österreich
Die österreichische Bevölkerungsstruktur differenziert sich nach dem Alter, dem Geschlecht und der Staatsangehörigkeit. Die untenstehende Tabelle bezieht sich auf den Bevölkerungsstand und die -struktur (s. Tabelle 4). Der Zusammenhang mit der darauffolgenden Abbildung (s. Abbildung 7) findet in diesem Kapitel seinen Platz.
Tabelle 4 : Bevölkerungsstand- und struktur, Quelle: Eigene Erstellung in Anlehnung an Statistik Austria (2022, www)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Statistik Austria schätzte im Jahr 2018, dass im Kalenderjahr 2030, ein Anstieg der 65- jährigen Erdenbürger*innen, um 4,4 %, knapp 476.000 Österreicher*innen erwartet wird. Eine Stagnation, um 4,3 % findet bis zum Jahr 2030 bei den 20 bis 64 Haupterwerbsaltrigen statt. Diese Bevölkerungsgruppe verzeichnet eine starke Zuwachsrate aus dem In- und Ausland, primär in urbanen Gebieten unter dem beobachtbaren Rückgang in ruralen Regionen. Aus der letzten Kategorie, Null bis 19- jährige Kinder und Jugendliche, ist entnehmbar, dass eine nahezu Kontinuität zwischen den Jahren 2018 und 2030 besteht (Statistik Austria, 2022, www).
In der darauffolgenden Abbildung (s. Abbildung 7) wird der bevorstehende Anstieg der Bevölkerungsgruppen deutlich und steht mit der obenstehenden Tabelle im Einklang (s. Tabelle 4).
[...]
- Citation du texte
- Ulrike Koch (Auteur), 2022, Innovatives Ehrenamt in der Altenversorgung. Welchen Mehrwert bietet ein Ehrenamtskoordinator in einem Alten- und Pflegewohnheim?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1303756
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