Deskriptive und normative Aspekte von Medienkompetenz
Der Terminus ‚Medienkompetenz’ wird seit den achtziger Jahren verstärkt verwendet, das theoretische Fundament des Begriffs wurde aber bereits von Baacke 1973 geschaffen. Es war von Anfang an die Medienpädagogik, die das Konzept Medienkompetenz systematisch auszuarbeiten versuchte. Die Schule, als gesellschaftlich zuständiger Ort für die Weitergabe von Grundkompetenzen, sollte hierbei auch die Vermittlung von Medienkompetenz übernehmen. Die Elaborierung des Konzepts ist in der Wissenschaft vor allem im Sinne einer Zielperspektive vorgenommen worden, wobei verschiedene normative Vorstellungen geäußert wurden (und werden), zur Erläuterung was genau Medienkompetenz bedeutet, welche Teildimensionen auszumachen sind, und wie Medienkompetenz erworben werden kann1. Neben diesen präskriptiven Zielimplikationen ist Medienkompetenz aber auch empirisch operationalisierbar. Empirische Studien über Mediennutzung können Auskunft über die Art und den Grad der erworbenen Medienkompetenz der Nutzer geben, wenn genau bestimmt wurde, was unter dem Konzept zu verstehen ist. Die Konzeptexplikation von Medienkompetenz medienpädagogischer Provenienz enthält aber immer auch die oben erwähnten normativen Elemente, was sich wissenschaftstheoretisch als problematisch erweist, wenn präskriptiv geprägte Modelle die Grundlage für deskriptiv orientierte Forschung sein sollen (vgl. Werturteilsfreiheits-Postulat). Ein völliger Verzicht auf Wertimplikationen bei der empirischen Untersuchung von Medienkompetenz führe aber, laut Groeben, zu theoretischer Inkohärenz. Als geeignetes Modell, den Gegensatz zu überwinden, bietet sich die sog. Ziel-Mittel-Analyse an3, die eine präskriptive Oberprämisse zulässt. Ein solches Werturteil als Prämisse kann dann normativ gerechtfertigt werden, indem man die präskriptive und die deskriptive Prämisse kombiniert: die (normative) Positiv-Bewertung einer bestimmten Dimension von Medienkompetenz, die empirisch als entwickelt/ nicht entwickelt festgestellt werden kann, führt dann zur Übertragung der Positiv-Bewertung im deskriptiven Bereich (auf die Eigenschaft ‚entwickelt’).
Inhalt
1. Deskriptive und normative Aspekte von Medienkompetenz
2. Das Konzept der Medienkompetenz auf mittlerem Abstraktionsniveau
3. Dimensionale Binnenstrukturierung des Konzepts Medienkompetenz (nach N. Groeben)
3.1 Grundlagen
3.2 Die Teilaspekte von Medienkompetenz im Einzelnen
3.2.1 Medienwissen/Medialitätsbewusstsein
3.2.2 Medienspezifische Rezeptionsmuster
3.2.3 Medienbezogene Genussfähigkeit
3.2.4 Medienbezogene Kritikfähigkeit
3.2.5 Selektion/Kombination von Mediennutzung
3.2.6 (Produktive) Partizipationsmuster
3.2.7 Anschlusskommunikationen
Quellen
1. Deskriptive und normative Aspekte von Medienkompetenz
Der Terminus ‚Medienkompetenz’ wird seit den achtziger Jahren verstärkt verwendet, das theoretische Fundament des Begriffs wurde aber bereits von Baacke 1973 geschaffen. Es war von Anfang an die Medienpädagogik, die das Konzept Medienkompetenz systematisch auszuarbeiten versuchte. Die Schule, als gesellschaftlich zuständiger Ort für die Weitergabe von Grundkompetenzen, sollte hierbei auch die Vermittlung von Medienkompetenz übernehmen. Die Elaborierung des Konzepts ist in der Wissenschaft vor allem im Sinne einer Zielperspektive vorgenommen worden, wobei verschiedene normative Vorstellungen geäußert wurden (und werden), zur Erläuterung was genau Medienkompetenz bedeutet, welche Teildimensionen auszumachen sind, und wie Medienkompetenz erworben werden kann[1]. Neben diesen präskriptiven Zielimplikationen ist Medienkompetenz aber auch empirisch operationalisierbar. Empirische Studien über Mediennutzung können Auskunft über die Art und den Grad der erworbenen Medienkompetenz der Nutzer geben, wenn genau bestimmt wurde, was unter dem Konzept zu verstehen ist. Die Konzeptexplikation von Medienkompetenz medienpädagogischer Provenienz enthält aber immer auch die oben erwähnten normativen Elemente, was sich wissenschaftstheoretisch als problematisch erweist, wenn präskriptiv geprägte Modelle die Grundlage für deskriptiv orientierte Forschung sein sollen (vgl. Werturteilsfreiheits-Postulat[2] ). Ein völliger Verzicht auf Wertimplikationen bei der empirischen Untersuchung von Medienkompetenz führe aber, laut Groeben, zu theoretischer Inkohärenz. Als geeignetes Modell, den Gegensatz zu überwinden, bietet sich die sog. Ziel-Mittel-Analyse an[3], die eine präskriptive Oberprämisse zulässt. Ein solches Werturteil als Prämisse kann dann normativ gerechtfertigt werden, indem man die präskriptive und die deskriptive Prämisse kombiniert: die (normative) Positiv-Bewertung einer bestimmten Dimension von Medienkompetenz, die empirisch als entwickelt/ nicht entwickelt festgestellt werden kann, führt dann zur Übertragung der Positiv-Bewertung im deskriptiven Bereich (auf die Eigenschaft ‚entwickelt’). Unter diesem Gesichtspunkt können also auch deskriptive, auf empirisch ermittelte Daten beruhende Aspekte von Medienkompetenz, normative Elemente enthalten (wie z.B. die Positiv-Bewertung von kreativen Produktionsmustern oder die Negativ-Bewertung von extrem parasozialen Verhaltensweisen), ohne dass ihre empiriewissenschaftliche Aussagekraft damit in Frage gestellt wird. Groeben stellt zusammenfassend fest, „dass der Kompetenz-Begriff unvermeidbar und unverzichtbar normative Bedeutungsteilmengen enthält, die einer empirischen Validierung nicht prinzipiell entgegenstehen, sondern lediglich neue Formen der Ausarbeitung und Überprüfung gemischt deskriptiv-präskriptiver Satzsysteme erfordern“[4].
2. Das Konzept der Medienkompetenz auf mittlerem Abstraktionsniveau
Um die Dimensionen von Medienkompetenz sinnvoll beschreiben zu können, muss der Untersuchungsgegenstand zunächst näher definiert werden. Groeben (2002) zieht hierzu einen Medien-Begriff mittlerer Reichweite als Grundlage heran, wobei unter Medien „vor allem technologische Kommunikationsmittel bzw. -instrumente verstanden werden [sollen]“[5]. Das Konzept der Medienkompetenz muss dann, bevor eine systematische Binnenstruktur entwickelt werden kann, noch ausreichend gegenüber anderen, insbesondere übergeordneten, Konzepten abgegrenzt werden, d.h. es muss eine adäquate Außendifferenzierung vorgenommen werden. Groeben verweist hierbei auf einen Medien-Begriff maximaler Reichweite, der sämtliche Symbolsysteme als Medium auffasst und somit „unter dem Aspekt der empirischen Operationalisierung auf Individualebene eine solche theoretische Überfrachtung und Begriffsüberziehung darstellt, dass jeglicher Operationalisierungsversuch von vorneherein zum Scheitern verurteilt wäre“[6]. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass eine zu differenzierte, ausschließlich auf die Bedingungen einzelner Medien maßgeschneiderte Spezifikation von Medienkompetenz ebenfalls wenig hilfreich ist um das Konzept empirisch operationalisierbar zu gestalten. Groeben führt als Beispiel die Strukturierung von Groebel[7] an, die er mit ihren duzenden Teilkomponenten als „überzogene Zergliederung“[8] erachtet. Medienkompetenz auf mittlerem Abstraktionsniveau muss einerseits möglichst präzise konzipiert sein, andererseits sollte es auch so flexibel sein, dass es auf den schnellen Wandel im Bereich der Medien reagieren kann, ohne ständig generalüberholt und neu definiert werden zu müssen. Die Konstrukt-Explikation sollte also idealerweise „eine Kombination von intensionaler Bestimmtheit und extensionaler Offenheit“[9] darstellen.
3. Dimensionale Binnenstrukturierung des Konzepts Medienkompetenz
3.1 Grundlagen
Groeben hat sieben empirisch nachweisbare Teildimensionen von Medienkompetenz elaboriert, wobei er, im Vergleich zu bereits vorliegenden Ausarbeitungen solcher Teildimensionen, ein teils generalisierenderer, teils detaillierterer Blickwinkel postuliert, also ein mittleres Abstraktionsniveau anstrebt (siehe oben).
Zur besseren theoretischen Integration der bisherigen Entwürfe und der empirischen Validierung bietet sich die Prozessperspektive medialer Verarbeitung an. Eine solche, an Verarbeitungsprozessen von der Rezeption bis zur Kommunikation ausgerichtete Sichtweise ist schon im Rahmen des „literacy-Konstrukts“ ausgearbeitet worden[10]. Während die verschiedenen Modelle von Medienkompetenz meist hierarchisch kategorisiert sind, wobei die jeweiligen Teilaspekte als Unterkategorien in unterschiedlicher Gewichtung teilweise unverbunden nebeneinander stehen, bietet die Prozessperspektive eine konsensfähige, integrativ wirkende und darüber hinaus empirisch validierbare Möglichkeit der Binnenstrukturierung von Medienkompetenz.
Die Medienpädagogik hat mit Baacke und Tulodziecki Modelle entwickelt, die hier als Referenz dienen können. Sie sind nach der Ansicht Groebens „die wichtigsten beiden medienpädagogischen Modelle“[11] und sollen bei der Konzeption von Medienkompetenz inhaltlich integrativ abgedeckt werden.
Tulodziecki bietet das differenzierteste Modell und unterscheidet fünf Konzepte der Medienerziehung, die in der historischen Entwicklung der Disziplin elaboriert wurden:
- behütend-pflegend
- ästhetisch-kulturorientiert
- funktional-systemorientiert
- kritisch-materialistisch
- handlungs- und interaktionsorientiert
[...]
[1] Vg., hierzu den Beitrag Rosebrock/Zitzelsberger in Groeben (2002): 148.
[2] Groeben (2000): 313ff.
[3] ebd. 314f..
[4] Groeben (2002): 185.
[5] ebd.: 160.
[6] ebd. 161.
[7] ebd. 156.
[8] ebd.: 162.
[9] Groeben (2002): 162.
[10] ebd. 163.
[11] ebd. 166.
- Arbeit zitieren
- Hagen Augustin (Autor:in), 2003, Dimensionen der Medienkompetenz: Deskriptive Apekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13028
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