Ludwig Wittgenstein gilt einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts und wichtiger Vertreter der Sprachphilosophie Seine bekanntesten Werke sind zum einen die Logisch-philosophische Abhandlung (Tractatus Logico-Philosophicus), die er 1921 veröffentlichte, und zum anderen die Philosophischen Untersuchungen, die mit der Veröffentlichung 1953 in großem zeitlichen und inhaltlichem Gegensatz zu seinem Frühwerk stehen. Einen Kerngedanken Wittgensteins Werk stellen die Sprachspiele dar, die vor allem in den Philosophischen Untersuchungen ausführlich behandelt werden und auch noch heute wichtig für die Sprachwissenschaft sind. Im Folgenden möchte ich mich daher mit dem Konzept der Sprachspiele bei Wittgenstein beschäftigen und deren Funktionsweise darstellen. Zuerst möchte ich dazu den Kontext bzw. das erste Vorkommen der Sprachspiele in den PU1 skizzieren. Anschließend werde ich zunächst zwei verschiedene Sprachspiele analysieren und danach auf die Voraussetzungen und Regeln des Sprachspiels eingehen. Dabei werde ich kurz auf eine Analogie eingehen, woraufhin ich dann meine Ergebnisse in einem kurzen Fazit zusammenfassen werde.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Kontext und Vorkommen der Sprachspiele
Analyse eines einfachen und eines erweiterten Sprachspiels
Voraussetzungen und Regeln des Sprachspiels
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Ludwig Wittgenstein gilt einer der bedeutendsten Philosophen des 20. Jahrhunderts und wichtiger Vertreter der Sprachphilosophie Seine bekanntesten Werke sind zum einen die Logisch-philosophische Abhandlung (Tractatus Logico-Philosophicus), die er 1921 veröffentlichte, und zum anderen die Philosophischen Untersuchungen, die mit der Veröffentlichung 1953 in großem zeitlichen und inhaltlichem Gegensatz zu seinem Frühwerk stehen. Einen Kerngedanken Wittgensteins Werk stellen die Sprachspiele dar, die vor allem in den Philosophischen Untersuchungen ausführlich behandelt werden und auch noch heute wichtig für die Sprachwissenschaft sind. Im Folgenden möchte ich mich daher mit dem Konzept der Sprachspiele bei Wittgenstein beschäftigen und deren Funktionsweise darstellen. Zuerst möchte ich dazu den Kontext bzw. das erste Vorkommen der Sprachspiele in den PU1 skizzieren. Anschließend werde ich zunächst zwei verschiedene Sprachspiele analysieren und danach auf die Voraussetzungen und Regeln des Sprachspiels eingehen. Dabei werde ich kurz auf eine Analogie eingehen, woraufhin ich dann meine Ergebnisse in einem kurzen Fazit zusammenfassen werde.
Kontext und Vorkommen der Sprachspiele
Die Sprachspiele werden zum ersten Mal in Punkt sieben der PU genannt: „Ich will diese „Sprachspiele“ nennen(...).“ (PU 7) Wittgenstein spricht dort zunächst von einer „primitiven“ Sprache. Als Beispiel (A) hierfür wird zum einen eine Situation von zwei Arbeitern geschaffen, die eine Sprache benutzen, die nur wenige Wörter beinhaltet. Auf die Analyse dieses Sprachspiels möchte ich allerdings erst ein wenig später zurückkommen. Zum anderen nennt Wittgenstein das Erlernen seiner Sprache von einem Kind als primitive Sprache, da dieser Vorgang hauptsächlich aus Nachsagen einzelner Wörter besteht: „Wir können uns auch denken, daß [sic!] der ganze Vorgang des Gebrauchs der Worte in (2) eines jener Spiele ist, mittels welcher Kinder ihre Muttersprache erlernen. Ich will diese Spiele Sprachspiele nennen und von einer primitiven Sprache manchmal als einem Sprachspiel reden.“ (PU7) Es gibt viele verschiedene Arten dieser Sprachspiele, beispielsweise die kindlichen Sprachspiele und pädagogischen Sprachspiele worauf in dieser Hausarbeit aber nicht näher drauf eingegangen wird, die Wittgenstein so vorläufig verallgemeinert: „Es gibt unzählige solcher Arten: unzählige Arten der Verwendung alles dessen, was wir „Zeichen“, „Worte“, „Sätze“ nennen.“ (PU23)
Doch schon wenig später wird das Sprachspiel erweitert: „Ich werde auch das Ganze: der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, das „Sprachspiel“ nennen.“(PU7) Daraus wird deutlich, dass sprachliche Vorgänge zwingend mit Handlungen zusammenhängen müssen. Auch können kleine Elemente wie Ton, Miene und Gestik Sprachspiele voneinander unterscheiden, beispielsweise ein Sprachspiel des Befehls von einem der Meldung.2 Somit gibt es, wie oben schon kurz erwähnt, eine große Anzahl verschiedener Sprachspiele. Gleichzeitig verschwinden auch kontinuierlich Sprachspiele, die wiederum durch neue Spiele ersetzt werden. Dieses Phänomen entsteht durch den Wandel der Sprachen: „Und diese Mannigfaltigkeit ist nichts Festes, ein für allemal Gegebenes; sondern neue Typen der Sprache, neue Sprachspiele, wie wir sagen können, entstehen und andre veralten und werden vergessen.“ (PU 23) Sprachspiele können also grundsätzlich verändert und/oder erweitert werden. Sprache ist somit „geschichtlich“ durch der dem Sprachspiel zugrundeliegenden wandelbaren Tätigkeit, Situation und Lebensform der Menschen.3
Für das Zusammenspiel von Sprachspiel und Handlungsmuster, das heißt also auch für die Sprache, nennt Wittgenstein den Begriff „Lebensform“ (PU19 und 23), der somit auch zum Schlüsselbegriff der PU wird. Als nächstes erweitert er das Beispiel A durch mehrere Wörter, wodurch das ganze Sprachspiel an Größe gewinnt. Trotz dieser Größe ist immer noch von einer „primitiven“ Sprache die Rede, weshalb auch die Alltags- und Umgangssprache hier als primitive Sprache gelten kann. Doch was ist eigentlich ein Sprachspiel? Ein Sprachspiel ist eine Situation, in der sich ein Sprecher mit etwas verständigt. Es ist nicht zwingend eine ganze Unterhaltung nötig, denn wie oben schon kurz erwähnt, gibt es auch Sprachspiele des Befehlens, bei dem das Sprachspiel einfach lauten könnte: Hole mir einen Stein.“ Trotzdem muss in diesem Fall eine Partei vorhanden sein, die diesen Befehl aufnehmen, verstehen und eventuell danach handeln kann. Die Voraussetzungen werden allerdings im übernächsten Kapitel noch ein wenig genauer erörtert. Sprachspiele können außerdem aus kleinsten sprachlichen Einheiten sowie aus komplexen Sprachsystemen bestehen.
Analyse eines einfachen und eines erweiterten Sprachspiels
Denken wir uns ein Sprachspiel, das so funktioniert:
„Die Sprache soll der Verständigung eines Bauenden A mit einem Gehilfen B dienen. A führt einen Bau auf aus Bausteinen, es sind Würfel, Säulen, Platten und Balken vorhanden. B hat ihm die Bausteine zuzureichen, und zwar nach der Reihe, wie A sie braucht. Zu dem Zweck bedienen sie sich einer Sprache, bestehend aus den Wörtern: ,Würfel', ,Säule', ,Platte', ,Balken'. A ruft sie aus; - B bringt den Stein, den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen.“ (PU 2)
Dieses wird hier als Sprachspiel A bezeichnet. In Sprachspiel A sind zwei Sprechpartner vorhanden, zum einen der Bauende A und zum anderen sein Gehilfe B. Die allgemeine Sprechsituation besteht aus einem Bauprojekt, bei welchem die beiden gemeinsam arbeiten.
Außerdem muss Gehilfe B dem Bauenden A verschiedene Bauutensilien auf dessen Wunsch hin reichen. Insgesamt gibt es hier nur vier Sprachelemente: „Würfel“, „Säule“, „Platte“ und „Balken“.
Bei dem zweiten Sprachspiel, hier als Sprachspiel B bezeichnet, liegt dieser Sachverhalt vor:
„Sehen wir eine Erweiterung der Sprache (PU2) an. Außer den vier Wörtern, ,Würfel', ,Säule', etc. enthalten sie eine Wörterreihe, die verwendet wird, wie der Kaufmann in (1) die Zahlwörter verwendet (es kann die Reihe der Buchstaben des Alphabets sein); ferner, zwei Wörter, sie mögen, ,dorthin' und ,dieses' lauten (weil dies schon ungefähr ihren Zweck andeutet), sie werden in Verbindung mit einer zeigenden Handbewegung gebraucht; und endlich eine Anzahl von Farbmustern. A gibt einen Befehl von der Art: „d-Platte-dorthin“. Dabei läßt [sic!] er den Gehilfen ein Farbmuster sehen und beim Worte „dorthin“ zeigt er an die Stelle des Bauplatzes. B nimmt von dem Vorrat der Platten je eine von der Farbe des Musters für jeden Buchstaben des Alphabets bis zum „d“ und bringt sie an den Ort, den A bezeichnet.“ (PU8)
Die Sprechpartner in Sprachspiel B sind wieder der Bauende A und der Gehilfe B. Auch die Sprechsituation ist ähnlich wie in A: Der Bauende A und Gehilfe B befinden sich bei einem Bauprojekt, bei dem A B die Anweisungen gibt, bestimmte Bauutensilien an bestimme Plätze zu bringen. Die Sprachelemente bestehen aus „Würfel“, „Säulen“, „Balken“, „Platten“, Zahlwörtern, Farbwörtern, „dorthin“ und „dieses“.
An diesen beiden Beispielen kann lässt sich gut erkennen, wie schnell sich Sprachspiele verändern und erweitern lassen. Während Sprachspiel A noch sehr primitiv und kurz scheint, ist Sprachspiel B schon deutlich komplexer und erweitert. Dies ist generell mit jedem Sprachspiel möglich, da es keine festgesetzten Spiele gibt. Allerdings funktionierte Sprachspiel A auch unterwartet gut, trotz der sehr wenigen Sprachelemente.
Voraussetzungen und Regeln des Sprachspiels
Die Voraussetzungen eines Sprachspiels sind, wie oben angedeutet, eigentlich sehr simpel. Die erste Voraussetzung für ein Sprachspiel ist das Erlernen der jeweiligen Bausteine der Sprache: „(...) wir werden erzogen, abgerichtet dazu, zu fragen: ,,Wie heißt das?“- worauf dann das Benennen erfolgt.“ (PU27) Dieses allein stellt allerdings noch kein Sprachspiel dar, sondern ist lediglich eine „Vorbereitung zum Gebrauch im Spiel.“(PU 26) Fügt man zu diesem Benennen allerdings noch „Verwendungsregeln“4 hinzu, kann durchaus ein Sprachspiel entstehen, zum Beispiel bei einem Kind, das zuerst die Puppe benennt, danach jedoch Gespräche mit dieser führt. (PU27) Die jeweiligen Sprachelemente zu kennen ist also eine Voraussetzung.
Außerdem müssen für ein funktionierendes Sprachspiel natürlich Sprecher vorhanden sein, die sich in einer Sprechsituation befinden.
Während die Voraussetzungen eines Sprachspiels relativ unkompliziert zu erkennen sind, sind die Regeln des Sprachspiels schwer zu durchleuchten. Hier wird der Regelbegriff zusammen mit dem Begriff der „Familienähnlichkeiten“ (PU67) betrachtet.
Der Begriff der Regel in einem Sprachspiel ist deshalb so schwer zu betrachten, weil jedes Sprachspiel unterschiedlich ist. Wittgenstein vergleicht die Vielfalt an Sprachspielen mit denen der “normalen“ Spiele: „Ich meine Brettspiele, Kartenspiele, Ballspiel, Kampfspiele, usw. Was ist allen diesen gemeinsam? - Sag nicht: »Es muß [sic!] ihnen etwas gemeinsam sein, sonst hießen sie nicht >Spiele< « - sondern schau, ob ihnen allen etwas gemeinsam ist.“ (PU 66) Nun muss man sich fragen, welche Gemeinsamkeiten jedes der Spiele miteinander hat. Besitzt das Tennisspiel eine Gemeinsamkeit zum Brettspiel? Da es unmöglich ist, eine Gemeinsamkeit zu finden, die wirklich in jedem Spiel vorhanden ist, wird nun der Begriff der „Familienähnlichkeiten“ eingeführt. (PU67) Die Spiele werden als eine Familie betrachtet, bei der zwar nichts genau identisch ist, bei der aber ein „Netz von Ähnlichkeiten“ (PU66) existiert. Bei der Analogie der Spiele zu den Sprachspielen kann man nun erkennen, dass es fast unmöglich ist, einen allgemein gültigen Regelbegriff für die Sprachspiele zu finden. Festzuhalten ist allerdings, dass Sprachspiele durchaus Regeln bzw. Grenzen haben, nur sind diese eben unterschiedlich. Außerdem unterliegen die Regeln, genau wie die Sprache bzw. Sprachspiele, dem Wandel der Zeit. Ein Sprachspiel folgt nämlich gewissen Regeln, die die Menschen selbst in ihrer Gesellschaft etabliert und verfestigt haben. Außerdem gibt es zu dem nach Kurt Wuchterl auch verschiedene Funktionen des Sprachspielbegriffs, was die Sprachspielgrenzen noch undurchsichtiger macht: „1: als Modell einer primitiven Sprache, 2: als sprachliche Funktionseinheit, 3: als Gesamtheit der sprachlichen Tätigkeiten“.5 Der Sprachspielbegriff als sprachliche Funktionseinheit ist in den PU jedoch am häufigsten zu erkennen.
Fazit
Ausgangspunkt dieser Hausarbeit war der Versuch aufzuzeigen, wie die Sprachspiele bei Wittgenstein funktionieren und wodurch diese sich auszeichnen. Meine Auseinandersetzung mit Wittgensteins Konzept hat ergeben, dass Sprachspiele zunächst Situationen sind, die sowohl einfach, als auch komplex sein können, bei der die jeweilige erlernte Sprache verwendet wird und bei der ein bestimmtes Handlungsmuster mit in dieser Verwendung vorhanden sein muss. Bei Sprachspielen sind Regeln und Grenzen aufgrund ihrer verschiedenen Formen nur schemenhaft bestimmbar, was aber nicht heißt, dass innerhalb eines spezifischen Sprachspiels keine Systematik vorhanden ist. Eine gemeinsame Voraussetzung bei dem Bestreiten aller Sprachspiele ist lediglich, dass bestimmte Sprachelemente, die in diesem benutzt werden, vorher (durch Benennen) erlernt worden sind. Es gibt unzählige verschiedene Arten der Sprachspiele, wovon jedes veränderbar und erweiterbar ist, aber auch verschwinden kann.
Das Konzept des Sprachspieles kann somit als Analogie für einen allgemeinen Kommunikationsbegriff gesehen werden. Sowohl Sprachspiele, wie auch Kommunikation als Ganzes, sind vom Sprachwandel betroffen und abhängig. Dies findet nicht nur auf einer phonologischen Ebene statt, sondern auch auf der menschlichen Verhaltensebene. Die Untersuchung von Sprachspielen ist somit stets aktueller Forschungsgegenstand, der permanent von den aktuellen Entwicklungen in der Sprache beeinflusst wird. Insofern ist die Untersuchung von Sprachspielen immer wieder neu erforschbar.
[...]
1 Philosophische Untersuchungen werden in dieser Hausarbeit mit „PU“ abgekürzt.
2 Brose, Karl. Sprachspiel Und Kindersprache : Studien Zu Wittgensteins "Philosophischen Untersuchungen"., 1985, 336 S. Frankfurt/Main S.29
3 Vgl. ebd. S.31
4 Wuchterl, Kurt. Struktur Und Sprachspiel Bei Wittgenstein /Kurt Wuchterl. 1. - 3. Tsd. ed. Series 2. Frankfurt Am Main: Suhrkamp, 1969.S. 121
5 ebd. S.122
- Quote paper
- Louisa Eberhard (Author), 2017, Was meint das Sprachspielkonzept bei Witggenstein?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1302839
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