Wie werden Dreiecksgeschäfte rechtskonform und transparent ausgestaltet?
Welche Nachweis- und Erklärungspflichten müssen im Zuge von Dreiecksgeschäften erbracht werden?
Welche Konsequenzen haben missglückte Dreiecksgeschäfte und wie können diese saniert werden?
Das Ziel dieser Bachelorarbeit soll es sein, einen kurzen Überblick über das Reihengeschäft zu präsentieren, sowie detaillierte Informationen über das Dreiecksgeschäft und dessen Einhaltung der geltenden Regelungen und Vorschriften zu geben. Um die Forschungsfragen beantworten zu können, soll im Speziellen auf die Nachweispflichten und auf die Konsequenzen von missglückten Dreiecksgeschäften bzw. deren Sanierung eingegangen werden.
Bei Dreiecksgeschäften gilt es eine Reihe von Regelungen und Nachweis- sowie Erklärungspflichten zu beachten, die in der Praxis jedoch häufig vergessen, ignoriert oder schlichtweg übersehen werden. Reihen- und Dreiecksgeschäfte zählen in der Praxis somit zu den fehleranfälligsten Tatbeständen in der Umsatzsteuer. Speziell Handelsbetriebe mit umsatzsteuerlichen Registrierungen in mehreren Ländern sind mit der Problematik der Reihen- und Dreiecksgeschäfte besonders konfrontiert. Im Zusammenhang damit, ist die Kritik gerechtfertigt, dass Unternehmen nur spärliche Informationen über eine rechtskonforme Ausgestaltung von Dreiecksgeschäften besitzen und hier daher dringend Aufklärungsbedarf herrscht.
In vielen Fällen kommt es aufgrund dieses unzureichenden Wissenstandes daher zu sogenannten „missglückten Dreiecksgeschäften“, deren Sanierung aktuell den Verwaltungsgerichtshof (VwGH), der hierbei eine liberale und tolerante Regelung anstrebt, beschäftigt. Durch eine bereits im Vorfeld korrekte Ausgestaltung könnte ein zusätzlicher Aufwand zur Sanierung eines missglückten Dreiecksgeschäfts vermieden beziehungsweise (bzw.) könnten diverse Schwierigkeiten im Falle eines nicht sanierbaren Dreiecksgeschäfts abgewendet werden.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsfragen und Ziele
1.3 Vorgehensweise
2 Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie
2.1 Sekundäres Unionsrecht
2.2 Unionsrechtliche Bestimmungen
2.2.1 Das Reihengeschäft
2.2.2 Das Dreiecksgeschäft
3 Das Reihengeschäft
3.1 Rechtliche und allgemeine Grundlagen und Definitionen
3.1.1 Beteiligte Unternehmen und Ablauf
3.1.2 Lieferung und Lieferort
3.2 Varianten
3.2.1 Transport durch Lieferer
3.2.2 Transport durch Erwerber
3.2.3 Transport durch Empfänger
3.3 Innergemeinschaftlicher Bezug von Reihengeschäften
3.4 Vereinfachung des Reihengeschäfts mit Drittlandbezug
4 Das Dreiecksgeschäft
4.1 Rechtliche und allgemeine Grundlagen und Definitionen
4.2 Beteiligte Personen
4.2.1 Lieferer
4.2.2 Erwerber
4.2.3 Empfänger
4.3 Voraussetzungen
4.4 Vereinfachungsregel
4.5 Effekte der Vereinfachungsregel
4.6 Reverse Charge
4.7 Steuerbefreiter innergemeinschaftlicher Erwerb
4.8 Umsatzsteuer und Vorsteuer
5 Steueroptimale Ausgestaltung von Dreiecksgeschäften
5.1 Allgemeine Aufzeichnungspflichten und Buchnachweise
5.1.1 Österreichischer Lieferer
5.1.2 Österreichische Erwerber
5.1.3 Österreichischer Empfänger
5.2 Umsatzsteueridentifikationsnummer und Bestätigungsverfahren
5.3 Zusammenfassende Meldung
5.3.1 Österreichischer Lieferer
5.3.2 Österreichischer Erwerber
5.3.3 Österreichischer Empfänger
5.4 Rechnungsausstellung
5.4.1 Österreichischer Lieferer
5.4.2 Österreichischer Erwerber
5.4.3 Österreichischer Empfänger
5.5 Elektronische Rechnung
5.6 Umsatzsteuervoranmeldung und Jahressteuerklärung
5.6.1 Österreichischer Lieferer
5.6.2 Österreichischer Erwerber
5.6.3 Österreichischer Empfänger
5.7 Fiskalvertreter
5.8 INTRASTAT-Meldung
6 Missglückte Dreiecksgeschäfte
6.1 Definition und Ursachen
6.2 Konsequenzen und Rechtsfolgen
6.3 Sanierungsmöglichkeiten
7 Kritische Reflexion und Zusammenfassung der Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsanweisungen
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Gendergerechte Sprache
Bei allen Bezeichnungen, die in dieser Bachelorarbeit auf Personen bezogen sind, betrifft die gewählte Formulierung sowohl das männliche als auch das weibliche Geschlecht – auch wenn aus Gründen der leichteren Lesbarkeit die männliche Form gewählt wurde.
Abkürzungsverzeichnis
AbgÄG Abgabenänderungsgesetz
Abs. Absatz
AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AG Aktiengesellschaft/en
Art. Artikel
BAO Bundesabgabenordnung
BFG Bundesfinanzgericht
BGBl. Bundesgesetzblatt
BMF Bundesministerium für Finanzen
BudBG Budgetbegleitgesetz
bzgl. bezüglich
bzw. beziehungsweise
EU Europäische Union
EuGH Europäischer Gerichtshof
EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
f. folgende
ff. fortfolgende
gem. gemäß
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Hrsg. Herausgeber
idF in der Fassung
iVm in Verbindung mit
lit. littera
max. maximal
MwStSystRL Mehrwertsteuersystemrichtlinie
Nr. Nummer
o. J. ohne Jahresangabe
RZ Randziffer
S. Seite
S.r.l. Società a responsabilità limitata
SigG Signaturgesetz
SWK Steuer und WirtschaftsKartei (Zeitschrift)
u. Ä. und Ähnliches
u. a. und andere
UID Umsatzsteueridentifikationsnummer
UStG Umsatzsteuergesetz
UStR Umsatzsteuerrichtlinien
UVA Umsatzsteuervoranmeldung
Vgl. vergleiche
VO Verordnung
VwGH Verwaltungsgerichtshof
Z Ziffer
z. B. zum Beispiel
ZM Zusammenfassende Meldung
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Im Rahmen eines Reihengeschäfts wird von mindestens drei oder mehr Unternehmern ein Vertrag über ein und denselben Gegenstand abgeschlossen, wobei der Gegenstand direkt vom ersten Unternehmer in dieser Reihe an den letzten Unternehmer gelangt. Dabei sind jede Lieferung und jedes Geschäft chronologisch und bezüglich (bzgl.) Ort geschlossen für sich zu betrachten. Wichtig hierbei zu beachten ist, dass es nur einen Ort der Lieferung geben kann.1 Der Ursprungslandkommission zufolge werden bei vielen österreichischen Unternehmen bis zu 20 % der innergemeinschaftlichen Warenbewegungen in Form von Reihengeschäften abgewickelt. Das entspricht einem Jahresumsatz in Milliardenhöhe.2
Einfach ausgedrückt schließen bei einem Dreiecksgeschäft gemäß (gem.) Artikel (Art.) 25 Umsatzsteuergesetz (UStG) 1994 drei Unternehmer aus drei unterschiedlichen Ländern ein Geschäft über denselben Vertragsgegenstand ab. Dabei wird die Ware unmittelbar vom ersten Unternehmer, der die Position des Lieferers einnimmt, an den letzten Unternehmer im Dreieck, den Empfänger, geliefert. Der Erwerber, so wird der zweite Unternehmer im Dreieck genannt, befindet sich folglich in der Mitte dieser Dreieckskonstellation, also zwischen dem Lieferanten und dem Empfänger.3
Die Vereinfachung des Reihengeschäfts in Form des Dreiecksgeschäfts liegt nun darin, dass die Umsatzsteuer gem. Art. 25 (5) UStG 1994 nur vom Empfänger, also dem letzten Unternehmer, geschuldet wird. Dazu müssen jedoch verschiedene Voraussetzungen, die in Art. 25 (3) - (6) UStG 1994 geregelt sind, erfüllt werden. Ein österreichischer Erwerber beispielsweise, der mittlere Unternehmer der Lieferkette, muss ein vorliegendes Dreiecksgeschäft nachweisen und einigen weiteren Verpflichtungen, die in Art. 25 (6) UStG 1994 geregelt sind, nachkommen. Weiters bedarf es auch einer speziellen Kennzeichnung des Dreiecksgeschäfts in der Rechnung.
Bei Dreiecksgeschäften gilt es also eine Reihe von Regelungen und Nachweis- sowie Erklärungspflichten zu beachten, die in der Praxis jedoch häufig vergessen, ignoriert oder schlichtweg übersehen werden.4 Reihen- und Dreiecksgeschäfte zählen in der Praxis somit zu den fehleranfälligsten Tatbeständen in der Umsatzsteuer.5 Speziell Handelsbetriebe mit umsatzsteuerlichen Registrierungen in mehreren Ländern sind mit der Problematik der Reihen- und Dreiecksgeschäfte besonders konfrontiert.6 Im Zusammenhang damit, ist die Kritik gerechtfertigt, dass Unternehmen nur spärliche Informationen über eine rechtskonforme Ausgestaltung von Dreiecksgeschäften besitzen und hier daher dringend Aufklärungsbedarf herrscht.7
In vielen Fällen kommt es aufgrund dieses unzureichenden Wissenstandes daher zu sogenannten „missglückten Dreiecksgeschäften“, deren Sanierung aktuell den Verwaltungsgerichtshof (VwGH), der hierbei eine liberale und tolerante Regelung anstrebt, beschäftigt.8 Durch eine bereits im Vorfeld korrekte Ausgestaltung könnte ein zusätzlicher Aufwand zur Sanierung eines missglückten Dreiecksgeschäfts vermieden beziehungsweise (bzw.) könnten diverse Schwierigkeiten im Falle eines nicht sanierbaren Dreiecksgeschäfts abgewendet werden.
1.2 Forschungsfragen und Ziele
Aufbauend auf der Problemstellung, lauten die Forschungsfragen daher wie folgt:
Wie werden Dreiecksgeschäfte rechtskonform und transparent ausgestaltet?
a. Welche Nachweis- und Erklärungspflichten müssen im Zuge von Dreiecksgeschäften erbracht werden?
b. Welche Konsequenzen haben missglückte Dreiecksgeschäfte und wie können diese saniert werden?
Das Ziel dieser Bachelorarbeit soll es sein, einen kurzen Überblick über das Reihengeschäft zu präsentieren, sowie detaillierte Informationen über das Dreiecksgeschäft und dessen Einhaltung der geltenden Regelungen und Vorschriften zu geben. Um die Forschungsfragen beantworten zu können, soll im Speziellen auf die Nachweispflichten und auf die Konsequenzen von missglückten Dreiecksgeschäften bzw. deren Sanierung eingegangen werden.
1.3 Vorgehensweise
Als Basis der Reihen- und Dreiecksgeschäftsthematik wird zuerst die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) kurz dargestellt werden. Dabei soll auf die unionsrechtlichen Bestimmungen zu Reihen- und Dreiecksgeschäften eingegangen werden. Weitere rechtliche Grundlagen, die zur Behandlung von Reihen- und Dreiecksgeschäften notwendig sind, werden ebenfalls Erwähnung finden.
Als Grundlage für Dreiecksgeschäfte gelten Reihengeschäfte, weshalb diese im nächstfolgenden Kapitel auf Basis der gesetzlichen Regelungen beschrieben werden. Die beteiligten Unternehmen bzw. Begriffe wie „Lieferung“, „Lieferort“ sowie „ruhende“ und „bewegte“ Lieferung werden ebenfalls definiert. Außerdem soll dargestellt werden, welche verschiedenen Transportvarianten im Rahmen des Reihengeschäfts existieren. Weiters sollen auch Reihengeschäfte mit innergemeinschaftlichen Bezug sowie Drittlandbezug erläutert werden. Beispiele sollen die verschiedenen Varianten des Reihengeschäfts aus österreichischer Sicht veranschaulichen.
Hinsichtlich Dreiecksgeschäfte werden rechtliche Grundlagen, Definitionen sowie die beteiligten Unternehmen, Voraussetzungen und Vereinfachungen, unter anderem anhand einschlägiger Gesetze, definiert und erläutert. Essenziell in diesem Kapitel ist die Darstellung der verschiedenen Varianten, die wiederum durch Beispiele aus österreichischer Sicht verdeutlicht werden. Im Zusammenhang mit Dreiecksgeschäften wird hier noch die Thematik des Reverse Charge sowie des steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Erwerbes integriert. Es folgt eine Darstellung der Bestimmungen zum Thema Umsatzsteuer und Vorsteuer, wobei es hier in erster Linie um den Abzug und die Abfuhr der Steuer geht.
Das nächste Kapital beschäftigt sich mit der steueroptimalen Ausgestaltung von und der transparenten Vorgehensweise bei Dreiecksgeschäften. Um den ersten Teil der Forschungsfrage zu beantworten soll auf sämtliche Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten der Beteiligten eines Dreiecksgeschäfts eingegangen werden. In diesem Abschnitt werden daher allgemeine Aufzeichnungspflichten, Buchnachweise, Umsatzsteueridentifikationsnummern (UID-Nummern) sowie das dazugehörige Bestätigungsverfahren, die Zusammenfassende Meldung (ZM), die (elektronische) Rechnung, die Umsatzsteuervoranmeldung (UVA) und Jahressteuererklärung und sonstige Pflichten dargestellt.
Da Dreiecksgeschäfte neben den Reihengeschäften zu den in der Praxis am fehleranfälligsten Themen der Umsatzsteuer zählen9, sollen im darauffolgenden Kapitel missglückte Dreiecksgeschäfte, deren Ursachen, Konsequenzen, Rechtsfolgen sowie Sanierungsmöglichkeiten thematisiert werden. Damit wird der zweite Teil der Forschungsfrage, welche Konsequenzen missglückte Dreiecksgeschäfte haben und wie diese saniert werden können, beantwortet. Schlussendlich wird das Thema der Dreiecksgeschäfte kritisch beleuchtet, wobei Vorteile und Problembereiche analysiert werden. Mit einer kurzen Zusammenfassung der wichtigsten Informationen und einem Fazit wird die Bachelorarbeit abgeschlossen.
2 Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie
Das Unionsrecht kann in ein primäres und in ein sekundäres Unionsrecht unterteilt werden. Primäres Unionsrecht umfasst sämtliche Verträge einschließlich der Grundrechtecharta und allgemeine Grundsätze des Unionsrechts. Das sekundäre Unionsrecht hingegen leitet sich von den Verträgen ab.10
2.1 Sekundäres Unionsrecht
Richtlinien gehören zum sekundären Unionsrecht und dienen neben Verordnungen, Beschlüssen oder Empfehlungen den Organen der Europäischen Union (EU) zur Ausübung ihrer Kompetenzen. Dabei haben Richtlinien eine verbindliche Wirkung in jedem Mitgliedstaat der EU, allerdings obliegt es den einzelnen Staaten in welcher Form, Gestalt und mit welchen Mitteln sie diese durchsetzen.11 Innerhalb eines gewissen Zeitrahmens müssen Richtlinien jedoch durch die EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgewandelt werden.12 Dadurch kommt es unter den Beteiligten eines Dreiecksgeschäfts oftmals auch zu Verwirrungen und Unsicherheiten bzgl. der nationalen Auslegung. Von Berger13 wird in der Literatur daher gefordert, dass eine Vereinfachungsregel, die ein anderes am Dreiecksgeschäft beteiligtes Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat anwenden kann, auch für alle anderen Beteiligten im Dreieck und somit auch für das österreichische Unternehmen gelten soll.
In Österreich wird die MwStSystRL durch das UStG 1994 umgesetzt. Widersprechen Bestimmungen des österreichischen UStG 1994 den Regelungen der MwStSystRL oder stehen diesen entgegen, so hat die MwStSystRL eine vorrangige Wirkung und ersetzt die Regelungen des UStG 1994.14 Weiters sind auch Verordnungen „allgemein verbindliche Normen“ und demnach verpflichtend anzuwenden.15 In Österreich dienen zusätzlich die Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) der praktischen Auslegung des UStG 1994.16
2.2 Unionsrechtliche Bestimmungen
Mit der MwStSystRL hat der Europäische Rat eine große Anzahl von Regelungen zur Umsatzsteuer ausgearbeitet, die verbindlich für die Mitgliedstaaten gelten. Einerseits ergibt sich durch diese Richtlinie eine einheitlichere Ausübung des Umsatzsteuergesetzes auf nationaler Ebene, andererseits schränkt sie die Unternehmer in ihren Handlungen jedoch auch sehr ein. Bei unklaren nationalen Regelungen ist auf die MwStSystRL zurückzugreifen.17 Das Ziel der MwStSystRL ist es also, Regelungen bzgl. der Umsatzsteuer innerhalb der EU aufeinander abzustimmen und somit eine Harmonisierung zu erzielen. Nach einigen wesentlichen Änderungen der MwStSystRL 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 wurde mit 26. November 2006 eine Neufassung der Richtlinie (2006/112/EG) veröffentlicht,18 welche mit 1. Jänner 2007 gesetzlich in Kraft getreten ist.19.
2.2.1 Das Reihengeschäft
Die MwStSystRL definiert das Reihengeschäft nicht ausdrücklich und sieht für diese auch sonst keine speziellen Regelungen vor. Einzig die ruhende und bewegte Lieferung werden in Art. 31 und 32 MwStSystRL beschrieben, wobei das Unionsrecht auch nicht festlegt, welche Lieferung in einem Reihengeschäft der bewegten bzw. ruhenden Lieferung zuzuweisen ist.20 Art. 31 der MwStSystRL regelt die Lieferung von Gegenständen ohne Beförderung und schreibt vor, dass wenn ein Gegenstand nicht versendet oder befördert wird, jener Ort als Lieferort gilt, an welchem sich der jeweilige Gegenstand im Zeitpunkt der Lieferung befindet. Art. 32 der MwStSystRL regelt wiederum die Lieferung von Gegenständen mit Beförderung. Dieser sieht vor, dass im Falle einer Versendung oder Beförderung eines Gegenstandes durch den Lieferer, den Erwerber oder einer dritten Person, jener Ort als Lieferort gilt, an welchem sich der Gegenstand zu Beginn der Beförderung bzw. Versendung an den Erwerber befindet. Wird der Gegenstand aus einem Drittstaat befördert oder versendet, liegt der Lieferort in jenem Land, in welches die Waren eingeführt werden.
2.2.2 Das Dreiecksgeschäft
Das Dreiecksgeschäft basiert auf Art. 141 der MwStSystRL,21 der auf Art. 40 MwStSystRL verweist. Dieser definiert den Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs eines Gegenstandes als jenen Ort, an welchem sich dieser Gegenstand am Ende der Beförderung bzw. Versendung an den Erwerber befindet, es sei denn, der Erwerber hat von einem anderen EU-Mitgliedstaat eine UID-Nummer erteilt bekommen und weist nicht nach, dass sich der eigentliche Lieferort nach Art. 40 MwStSystRL bestimmt.22 Als Nachweispflichten über die Fiktion der Besteuerung gelten der Nachweis über den Erwerb mit nachfolgender Lieferung im Lieferort des Art. 40 MwStSystRL, der Nachweis über den Steuerschuldübergang auf den Empfänger gem. Art. 197 MwStSystRL, sowie die Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung gem. Art. 265 MwStSystRL.23
Art. 141 MwStSystRL sieht jedenfalls vor, dass ein innergemeinschaftlicher Erwerb in einem Mitgliedstaat als umsatzsteuerbefreit gilt, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Der steuerpflichtige Erwerber ist nicht im Empfangsstaat, sondern in einem anderen Mitgliedstaat umsatzsteuerlich erfasst.
b) Der Erwerber liefert den Gegenstand anschließend weiter, welchen er aufgrund dieser anschließenden Weiterlieferung überhaupt erworben hat.
c) Der Gegenstand wird nicht von jenem Mitgliedstaat, in welchem der Erwerber umsatzsteuerlich erfasst ist, sondern von einem anderen Mitgliedstaat aus, direkt an den Empfänger versendet bzw. befördert.
d) Den Gegenstand empfängt ein anderer Steuerpflichtiger bzw. eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, die im Empfangsstaat umsatzsteuerlich erfasst ist.
e) Dieser Empfänger wird zum Schuldner der Umsatzsteuer, sofern gem. Art. 197 MwStSystRL eben ein steuerpflichtiger Umsatz lt. Art. 141 vorliegt, der Empfänger der Ware im Empfangsstaat umsatzsteuerlich erfasst ist und die Rechnung rechtskonform ausgestellt wurde.
Da die MwStSystRL hier nur grobe Rahmenbedingungen vorgibt, obliegt es, wie bereits erwähnt, den einzelnen Mitgliedstaaten, nationale Regelungen und Bestimmungen festzulegen. Folglich ergeben sich auch unterschiedliche nationale Gesetzgebungen, die Reihengeschäfte regeln. Ein vorliegendes Dreiecksgeschäft muss daher stets sämtlichen nationalen Vorschriften der beteiligten Unternehmen unterworfen werden.24
3 Das Reihengeschäft
3.1 Rechtliche und allgemeine Grundlagen und Definitionen
3.1.1 Beteiligte Unternehmen und Ablauf
Bei einem Reihengeschäft schließen mindestens drei bzw. mehrere25 (die Anzahl der Beteiligten ist unbegrenzt26 ) Unternehmer einen Vertrag über denselben Inhalt, also dieselbe Ware, ab. Dabei ist jedoch zu beachten, dass im Zuge der Lieferung bzw. der Versendung die Ware vom ersten Unternehmen unmittelbar zum letzten Unternehmen in der Reihe gelangt. Das bedeutet, dass der Empfänger direkt27 die Verfügungsmacht an der Ware erhält. Die Bestimmungen zum Lieferort gem. § 3 (8) UStG 1994 können daher nur von einem Ort erfüllt werden. De facto findet also nur eine physische Lieferung statt, die Geschäfte zwischen den einzelnen Unternehmen untereinander werden nacheinander abgeschlossen und den Regeln des UStG 1994 separat unterworfen.28
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: In Anlehnung an: BERGER, W./FREITAG, E. (2011), S. 411; KETTISCH, R. (2015), S. 19.
In Abbildung 1 soll die Beziehungsstruktur der beteiligten Unternehmen dargestellt werden. Der erste Unternehmer in der Reihe ist der Lieferer, von dem aus die Ware direkt an den letzten Unternehmer, den Empfänger, gelangt. Der Unternehmer dazwischen, der zweite Unternehmer sozusagen, ist der Erwerber, wobei es bei Reihengeschäften mehrere Erwerber geben kann, da die Anzahl der beteiligten Unternehmen nicht im Vorhinein festgelegt ist. Um im Laufe der Arbeit Verwirrungen und Missverständnisse zu vermeiden, sollen diese Bezeichnungen beibehalten werden. Wichtig hierbei ist, dass der Empfänger nicht unbedingt Unternehmer sein muss, es kann sich auch um einen Letztverbraucher handeln.29
3.1.2 Lieferung und Lieferort
Eine Lieferung wird nun in jenem Fall der österreichischen Umsatzsteuer unterworfen, wenn sie einen Inlandsbezug, also hier einen Bezug zu Österreich, aufweist.30 Dabei wird eine Lieferung im Inland ausgeführt, es kommt zu einem inländischen Eigenverbrauch oder Waren werden ins Inland eingeführt.31 Dies wird auch als Territorialitätsprinzip bezeichnet.32
Die Lieferung eines Gegenstandes33 bedeutet, dem Empfänger der Ware die Verfügungsmacht über einen körperlichen Gegenstand34 zu übertragen. Dies kann durch den Unternehmer selbst oder durch eine dritte Partei erfolgen. Im Zusammenhang mit der Lieferung kennt das UStG 1994 die Begriffe „befördern“ und „versenden“. Mit „befördern“ wird die durch den liefernden Unternehmer persönliche Lieferung an den Abnehmer verstanden, während hingegen „versenden“ bedeutet, dass die Lieferung des Gegenstandes durch eine dritte Partei, also einen Frachtführer bzw. Spediteur ausgeführt wird. Hierbei beginnt die Versendung im Zeitpunkt der Übergabe der Waren an diesen Frachtführer oder Spediteur.35 Ein Gegenstand kann nicht nur eine körperliche Sache sein, sondern auch ein Wirtschaftsgut, das im Warenverkehr wie eine körperliche Sache behandelt wird, beispielsweise Gas, Strom, Wasserkraft oder auch Tiere.36 Für sonstige Leistungen kann kein Reihengeschäft abgeschlossen werden.37
Beim Reihengeschäft sind stets zwei Arten von Lieferungen zu bestimmen, nämlich die „ruhende“ und die „bewegte“ Lieferung. Die Regelungen in § 3 (7) UStG 1994 zur ruhenden Lieferung legen fest, dass der Ausführungsort einer Lieferung jener Ort ist, an dem sich im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht die Ware befindet.38 Die Verschaffung der Verfügungsmacht besteht darin, dass der „Lieferer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über den Gegenstand der Lieferung zu verfügen“.39 Dabei werden Substanz, Wert und wirtschaftlicher Nutzen der Ware übertragen.40 Wenn ein Unternehmer über einen Gegenstand verfügen kann, kann er ihn veräußern, verändern oder belasten.41 Hierbei ist die endgültige Zuwendung, nicht jedoch das zivilrechtliche Eigentum ausschlaggebend.42
Da es bei einem Reihengeschäft nur eine einzige bewegte Lieferung gibt, kann der Lieferort der ruhenden Lieferung nur jener Ort sein, von wo aus die Waren abgehen (Ort des Lieferers, wenn die bewegte Lieferung noch nicht stattfand) oder von wo sie der Empfänger aus empfängt (Ort des Empfängers, wenn die bewegte Lieferung schon stattfand).43 Bei physischer Übergabe bestimmt sich dieser Lieferort als jener Ort, an welchem die Ware tatsächlich greifbar übergeben wird.44 Wird die Verfügungsmacht über die Ware nicht körperlich, sondern durch einen Lagerschein, einen Ladeschein, ein Konnossement et cetera übertragen, so bestimmt sich der Lieferort als jener Ort, an welchem sich die Ware im Zeitpunkt der Übertragung des Lagerscheins oder Ähnlichem befindet. Der Ort, an dem die Papiere selbst übergeben werden, spielt dabei keine Rolle.45 Wenn beispielsweise ein Ladeschein in Österreich übergeben wird, sich die Ware selbst jedoch noch im Ausland befindet, ist diese Lieferung im Inland nicht steuerbar.46
Beispiel 1 – Lieferort 47
Am 17. April 2017 wird dem Unternehmen B vom Unternehmen A in München der Lagerschein für eine Tonne Stahl übergeben, die sich zu diesem Zeitpunkt in Linz befindet.
Der Lieferort ist daher in Österreich und nicht in Deutschland, da sich die Ware zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht (Übergabe des Lagerscheins) in Linz befindet.
Die Regelungen zur bewegten Lieferung befinden sich in § 3 (8) UStG 1994. Geben der Lieferer oder der Empfänger die Beförderung bzw. Versendung der Waren, also der Gegenstände des Vertrages der am Reihengeschäft beteiligten Personen, in Auftrag, dann ergibt sich der Lieferort als derjenige Ort, an welchem sich die Waren zu Beginn der Beförderung bzw. Versendung befinden. Eine Versendung beginnt, wenn die Ware beispielsweise an den Spediteur übergeben wird, der dann anschließend die eigentliche Versendung durchführt. Die bewegte Lieferung stellt somit die Lieferung an jenen Unternehmer dar, der die Waren befördert bzw. versendet.48 Wie bereits erwähnt, kann es nur eine bewegte Lieferung nach § 3 (8) UStG 1994 – und damit nur eine steuerfreie Ausfuhrlieferung bzw. eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung – geben.49 Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass es mehrere ruhende Lieferungen nach § 3 (7) UStG 1994 geben kann, da ein Reihengeschäft aus mindestens drei Unternehmern besteht.
Beispiel 2 - Reihengeschäft im Inland50
Der Hersteller A in Linz schließt einen Vertrag über eine Tonne Holz mit einem Großhändler B in Klagenfurt ab. B verkauft das Holz weiter an den Kunden C in Wien. B holt dabei die Waren von A ab und liefert sie direkt an C. Abbildung 2 veranschaulicht dazu den Sachverhalt dieses Beispiels.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Eigene Darstellung
Dieses Reihengeschäft besteht aus zwei zeitlich hintereinander stattfindenden Geschäften. Zum einen schließt A mit B und zum anderen B mit C ein Geschäft ab. Zunächst soll der Lieferort nach § 3 (8) UStG 1994 festgelegt werden, nämlich die bewegte Lieferung. Wie bereits beschrieben, bestimmt sich gem. § 3 (8) UStG 1994 der Lieferort als jener Ort, an dem die Beförderung bzw. Versendung beginnt. Da B das Holz von A abholt um es danach an C zu liefern, beginnt die Beförderung bei A in Linz. Damit ist das Geschäft zwischen A und B – die bewegte Lieferung – abgeschlossen. Der Lieferort nach § 3 (7) UStG 1994 ist jener Ort, an welchem dem Empfänger die Verfügungsmacht verschafft wird. Zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet sich die Ware bereits bei C. Daher ist der Lieferort in Wien und die ruhende Lieferung zwischen B und C erfolgreich ausgeführt.
3.2 Varianten
3.2.1 Transport durch Lieferer
Organisiert die Beförderung bzw. die Versendung der Lieferer, so führt dieser gleichzeitig auch die bewegte Lieferung gem. § 3 (8) UStG 1994 im Ursprungsland aus.51 Alle anderen Lieferungen stellen ruhende Lieferungen gem. § 3 (7) UStG 1994 dar, da die Ware nicht mehr bewegt wird. Die ruhende Lieferung wird im Land des Lieferers (Ursprungsland), die bewegte Lieferung im Land des Empfängers (Bestimmungsland) besteuert. Wird die Ware von Österreich (Ursprungsland) an einen anderen EU-Mitgliedstaat geliefert, liegt eine innergemeinschaftliche Lieferung vor. Wird die Ware jedoch von einem anderen Mitgliedstaat nach Österreich befördert, liegt ein innergemeinschaftlicher Erwerb seitens des Erwerbers vor.52
3.2.2 Transport durch Erwerber
Ist der Erwerber an der Beförderung oder Versendung beteiligt, liegt die bewegte Lieferung gem. § 3 (8) UStG 1994 zwischen dem Erwerber und dem Unternehmer vor ihm, beispielsweise dem Lieferer, sofern es nur drei Beteiligte gibt. Die Ware wird im Ursprungsland besteuert. Gehen ruhende Lieferungen voran, kommt es im Ursprungsland ebenfalls zu einer Besteuerung, nachfolgende ruhende Lieferungen werden im Bestimmungsland besteuert.53 Zwischen dem Empfänger und dem Erwerber liegt somit die ruhende Lieferung gem. § 3 (7) UStG 1994. Der Erwerber führt bei Einfuhr aus einem anderen Mitgliedstaat zudem auch einen innergemeinschaftlichen Erwerb durch.54
3.2.3 Transport durch Empfänger
Ist der Empfänger für den Transport verantwortlich bzw. holt er die Ware selbst ab, dann gilt die bewegte Lieferung an jenem Ort als ausgeführt, an dem die Waren zum ersten Mal bewegt werden. Die bewegte Lieferung gem. § 3 (8) UStG 1994 liegt dann sozusagen zwischen dem letzten Erwerber und dem Empfänger.55 Die Lieferung wird daher auch im Ursprungsland besteuert. Die restlichen Lieferungen, bei einem Reihengeschäft bestehend aus drei Unternehmern zwischen dem Lieferer und dem Erwerber56, sind ruhende Lieferungen gem. § 3 (7) UStG 1994. Diese werden ebenfalls im Ursprungsland besteuert, da die Verfügungsmacht dort verschafft wird.57 Zusammengefasst kann gesagt werden, dass für den Lieferer eine ruhende Lieferung vorliegt, da er keine Beförderung durchführt. Für den Erwerber liegt die bewegte Lieferung vor, da ihm die Warenbewegung zuzurechnen ist. Für den Empfänger selbst liegen keine gesonderten umsatzsteuerlichen Konsequenzen vor.58 Grund dafür ist, dass der Empfänger bloß der Endkunde in dieser Reihe ist. Dieser kann sich die Vorsteuer aus der Rechnung des Erwerbers abziehen.59
3.3 Innergemeinschaftlicher Bezug von Reihengeschäften
Um Reihengeschäfte mit innergemeinschaftlichem Bezug bestimmen und besser erklären zu können, sollen zunächst Art. 7 UStG 1994, der innergemeinschaftliche Lieferungen und Art. 3 (8) UStG 1994, der den Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs bestimmt, näher beschrieben werden. Im Zusammenhang mit Lieferungen mit innergemeinschaftlichem Bezug sei noch erwähnt, dass das Inland gem. § 1 (2) UStG 1994 das Bundesgebiet (hier: Republik Österreich60 ) darstellt. Als Ausland hingegen werden sämtliche Staaten, die nicht Inland sind, verstanden. Zum Gemeinschaftsgebiet gehören gem. § 1 (3) UStG 1994 das Inland, die anderen Mitgliedsländer der EU sowie das Fürstentum Monaco (Gebiet der Französischen Republik) und die Insel Man (Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland). Sämtliche Länder, die nicht Gemeinschaftsgebiet sind, sind Teil des Drittlandgebiets.61
Von einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. Art. 7 (1) UStG 1994 kann gesprochen werden, wenn eine Ware vom Inland in einen anderen EU-Mitgliedstaat geliefert wird. Dabei ist der Abnehmer ein Unternehmer, der die Ware für sein Unternehmen erwirbt, eine nicht unternehmerische juristische Person, eine juristische Person, die die Ware nicht für ihr Unternehmen erwirbt oder ein anderer Typ von Erwerber, sofern es sich dabei um eine Fahrzeuglieferung handelt. Außerdem muss die innergemeinschaftliche Lieferung, die gleichzeitig beim Abnehmer einen innergemeinschaftlichen Erwerb darstellt, in diesem anderen EU-Mitgliedstaat steuerbar sein. Die Verbringung eines Gegenstandes stellt ebenfalls eine innergemeinschaftliche Lieferung dar.62 Für eine innergemeinschaftliche Lieferung ist ein buchmäßiger Nachweis vom Unternehmer zu erbringen,63 worauf im Rahmen der Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten noch detaillierter eingegangen wird. Innergemeinschaftliche Lieferungen nach Art. 7 UStG 1994 sind zudem gem. Art. 6 (1) UStG 1994 echt64 steuerbefreit, vorausgesetzt die innergemeinschaftliche Lieferung steht in keinem Zusammenhang mit der Hinterziehung von Umsatzsteuer oder sonstigen Vergehen aus finanzrechtlicher Hinsicht, von dem der Unternehmer wusste oder wissen hätte sollen.
Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt vor, wenn eine Ware von einem Unternehmen im Rahmen einer Lieferung an den Erwerber von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat gelangt. Ob diese Ware befördert, versendet oder abgeholt wird, spielt dabei keine Rolle.65 Der am innergemeinschaftlichen Erwerb beteiligte Erwerber ist entweder ein Unternehmer und beschafft die Ware für sein Unternehmen oder er ist eine juristische Person, welche nicht unternehmerisch tätig ist oder den Gegenstand nicht für das Unternehmen kauft. Außerdem muss die Lieferung des Gegenstandes von einem Unternehmer, auf den die Kleinunternehmerregelung jedoch nicht anzuwenden ist, gegen Entgelt durchgeführt werden.66 Verbringt der Unternehmer einen Gegenstand nicht nur zur vorübergehenden Verwendung in das Inland, liegt gem. Art. 1 (3) Z 1 UStG 1994 ebenso ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor.
Der innergemeinschaftliche Erwerb findet in jenem Land statt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Lieferung befindet. Wurde dem Erwerber, also dem zweiten Unternehmer in der Reihe, von einem anderen EU-Mitgliedstaat eine UID-Nummer erteilt, so gilt der innergemeinschaftliche Erwerb solange in diesem Mitgliedstaat als ausgeführt, bis er nachweist, dass der innergemeinschaftliche Erwerb eigentlich in jenem Land ausgeführt wurde, in dem sich, wie eingangs erwähnt, die Ware am Ende der Beförderung befindet.67 Die Vorsteuer kann nur in jenem Land geltend gemacht werden, in dem die Warenbewegung tatsächlich endet.68
Bei einem Reihengeschäft kann es vorkommen, dass die Lieferung auf dem Weg vom ersten an den dritten Mitgliedstaat im zweiten Mitgliedstaat unterbrochen (neutralisiert) wird. Dies ändert nichts an der Tatsache, dass eine einheitliche Lieferung vorliegt und der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs sich nach Art. 3 (8) UStG 1994 bestimmt.69 Im folgenden Beispiel sollen nun die Ausgestaltungsmöglichkeiten bei einem Reihengeschäft dargestellt werden, da entweder der Lieferer, der Erwerber oder der Empfänger die Lieferung durchführen kann.
Beispiel 3 - Reihengeschäft mit drei Liefervarianten70
Ein traditionelles Wiener Café bestellt fünf Kaffeemaschinen bei einem Linzer Großhändler, der wiederum diese Kaffeemaschinen bei seinem italienischen Produzenten aus Mailand anfordern muss.
1) Ein Spediteur liefert im Auftrag des italienischen Produzenten die Kaffeemaschinen von Mailand nach Wien. Hier liegt jeweils eine Lieferung zwischen dem Produzenten in Mailand und dem Großhändler in Linz und zwischen dem Großhändler in Linz und dem Wiener Café vor. Zwischen dem Mailänder Produzenten und dem Linzer Großhändler liegt eine nach § 3 (8) UStG 1994 bewegte Lieferung in Italien vor, die an und für sich in Österreich keine Steuerpflicht auslöst, da sich die Waren zu Beginn der Lieferung noch in Italien befinden. Jedoch befinden sich die Kaffeemaschinen am Ende der Lieferung in Österreich und damit bewirkt der Linzer Großhändler durch diese innergemeinschaftliche Lieferung des mailändischen Produzenten einen steuerpflichtigen Erwerb in Österreich. Die anschließende ruhende Lieferung zwischen dem Linzer Großhändler und dem Wiener Café liegt in Österreich und unterliegt auch hier der Besteuerung.
2) Der Linzer Großhändler beauftragt eine Spedition mit der Versendung der Waren an das Wiener Café. Hier ergeben sich, im Vergleich zu Fall 1), keine Änderungen.
3) Das Wiener Café lässt die Kaffeemaschinen durch eine Spedition abholen und direkt nach Wien liefern. Hier ergeben sich jedoch durch die vorliegende Situation Änderungen in der Lösung des Sachverhalts. Da das Wiener Café die Ware abholen lässt, befindet sich diese zu Beginn der Verschaffung der Verfügungsmacht gem. § 3 (7) UStG 1994 noch in Italien. Daher liegt zwischen dem italienischen Produzenten und dem Linzer Großhändler eine ruhende Lieferung vor, welche in Österreich keine Steuerpflicht auslöst. Der Mailänder Produzent hat die Umsatzsteuer in Italien abzuführen, welche sich der Salzburger Großhändler in Italien wieder rückerstatten lassen kann. Zu Beginn der Beförderung befinden sich die Waren noch in Italien, demzufolge liegt zwischen dem Linzer Großhändler und dem Wiener Café die bewegte Lieferung gem. § 3 (8) UStG 1994 ebenfalls in Italien vor.
Dieses Lösungsmuster ist prinzipiell für sämtliche Reihengeschäfte anwendbar, jedoch darf nicht vergessen werden, dass es in der EU keine einheitlichen Bestimmungen zu den Reihengeschäften gibt und es daher zu verschiedenen Auslegungen und Interpretationen kommen wird.71
Beispiel 4 - Innergemeinschaftliches Reihengeschäft72
Die Schokoladen GmbH aus Wien, die sich auf die Produktion von Schokolade spezialisiert hat, bestellt 500 kg Zucker bei der Zucker AG aus Salzburg. Diese ist momentan mit Engpässen konfrontiert und leitet diesen Auftrag an die Süß GmbH in München weiter. Die Süß GmbH liefert direkt an die Schokoladen GmbH und übernimmt das Beförderungsrisiko.
Mit der Lieferung der 500 kg Zucker direkt an die Schokoladen GmbH erfüllt die Süß GmbH ihre Vertragsverpflichtung. Zu Beginn der Beförderung befindet sich die Ware also in München und somit ist die bewegte Lieferung gem. § 3 (8) UStG 1994 dem Vertragsverhältnis zwischen der Süß GmbH und der Zucker AG zuzuordnen. Zusätzlich führt die Zucker AG einen innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich durch, hierfür kann sie die Vorsteuer geltend machen. Zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befinden sich die 500 kg Zucker bereits in Wien. Die ruhende Lieferung gem. § 3 (7) UStG 1994 ist dementsprechend dem Vertragsverhältnis zwischen der Zucker AG und der Schokoladen GmbH zuzuordnen. Diese Lieferung ist in Österreich sowohl steuerbar als auch steuerpflichtig.
Beispiel 4 – Variante73
Übernimmt die Schokoladen GmbH den Transport und holt beispielsweise die Ware selbst ab, ist die bewegte Lieferung dem Vertragsverhältnis zwischen der Zucker AG und der Schokoladen GmbH zuzuordnen. Zu Beginn der Lieferung befindet sich die Ware in München, darum führt die Süß GmbH eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung in Deutschland an die Zucker AG durch. Für die Zucker AG liegt wiederum eine innergemeinschaftliche Lieferung in Deutschland vor. Die Schokoladen GmbH hat selbst einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern, wofür sie die Vorsteuer in Abzug bringen kann.
[...]
1 Vgl. UStR 2000, RZ 450.
2 Vgl. BERGER, W./WAKOUNIG, M. (2014), RZ 20.
3 Vgl. BAUMANN-SÖLLNER, S./MELHARDT, S. (2016), S. 198.
4 Vgl. WKO (Hrsg.) (2017a).
5 Vgl. BERGER, W./WAKOUNIG, M. (2014), RZ 21; SPRINZL, G./NEMETZ, M. (2016b); WKO (Hrsg.) (2017a).
6 Vgl. OBERMAYR, A./HOFMANN, P. (2015), S. 55.
7 Vgl. BERGER, W./WAKOUNIG, M. (2014), RZ 21.
8 Vgl. AIGNER, D. u. a. (2017), S. 474; WKO (Hrsg.) (2017a).
9 Vgl. WKO (Hrsg.) (2017a).
10 Vgl. FRENZ, W. (2016), S. 1.
11 Vgl. AEUV Art. 288.
12 Vgl. ROSENBERGER, F. u. a. (2012), S. 809.
13 Vgl. BERGER, W. (2016), S. 13, RZ 5.
14 Vgl. AIGNER, D. u. a. (2016), S. 106.
15 Vgl. BERGER, W./WAKOUNIG, M. (2016), S. 4.
16 Vgl. AIGNER, D. u. a. (2016), S. 106.
17 Vgl. LANG, M. u. a. (2016), S. 64.
18 Vgl. MwStSystRL (2006), Abs. 1.
19 Vgl. MwStSystRL (2006), Art. 413.
20 Vgl. HARKSEN, N. (2017), S. 136-137; MAYR, M./WEINZIERL, C. (2017), S. 7.
21 Vgl. MELHARDT, S. (2015), RZ 1.
22 Vgl. MwStSystRL 2006, Art. 41.
23 Vgl. MwStSystRL 2006, Art. 42.
24 Vgl. FREITAG, E. (2016), S. 1138.
25 Vgl. HILBER, K. (2012), S. 234.
26 Vgl. MAYR, M./WEINZIERL, C. (2017), S. 36.
27 Vgl. HILBER, K. (2006), S. 39.
28 Vgl. UStR 2000, RZ 450.
29 Vgl. MAYR, M./WEINZIERL, C. (2017), S. 37.
30 Vgl. DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 321.
31 Vgl. KORNTNER, F. (1998), S. 83, 136.
32 Vgl. DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 321.
33 Vgl. UStG 1994 § 3 (1).
34 Vgl. UNGER, P./VOCK, M. (2015), S. 92.
35 Vgl. UNGER, P./VOCK, M. (2015), S. 94; UStG 1994 § 3 (8).
36 Vgl. DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 269; UStR 2000, RZ 342.
37 Vgl. HILBER, K. (2006), S. 39.
38 Vgl. UStR 2000, RZ 421.
39 UStR 2000, RZ 423.
40 Vgl. UStR 2000, RZ 423.
41 Vgl. UNGER, P./VOCK, M. (2015), S. 92.
42 Vgl. DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 271.
43 Vgl. BAUMANN-SÖLLNER, S./MELHARDT, S. (2016), S. 181-182.
44 Vgl. UStR 2000, RZ 421.
45 Vgl. UStR 2000, RZ 422.
46 Vgl. DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 322.
47 In Anlehnung an: UStR 2000, RZ 422.
48 Vgl. BAUMANN-SÖLLNER, S./MELHARDT, S. (2016), S. 182.
49 Vgl. BAUMANN-SÖLLNER, S./MELHARDT, S. (2016), S. 182.
50 In Anlehnung an: UStR 2000, RZ 450, Beispiel 1.
51 Vgl. HILBER, K. (2006), S. 41.
52 Vgl. JANKO, B. (2004), S. 171-173.
53 Vgl. HILBER, K. (2006), S. 41; JANKO, B. (2004), S. 173-174.
54 Vgl. HILBER, K. (2006), S. 41.
55 Vgl. HUBER, C./PICHLER, P. (2016), S. 316; JANKO, B. (2004), S. 174.
56 Vgl. HUBER, C./PICHLER, P. (2016), S. 316.
57 Vgl. JANKO, B. (2004), S. 174.
58 Vgl. HILBER, K. (2006), S. 42.
59 Vgl. HILBER, K. (2006), S. 41.
60 Vgl. UStR 2000, RZ 141.
61 Vgl. DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 259-260; UStR 2000, RZ 148.
62 Vgl. UStG 1994 Art. 7 (2).
63 Vgl. UStG 1994 Art. 7 (3).
64 Vgl. DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 355.
65 Vgl. DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 316; UStG 1994 Art. 1 (2).
66 Vgl. DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 316; UStG 1994 Art. 1 (2).
67 Vgl. UStG 1994 Art. 3 (8).
68 Vgl. DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 347; UStR 2000, RZ 3777.
69 Vgl. BFG (Hrsg.) (2017), RV/2101813/2014.
70 In Anlehnung an: BERGER, W./WAKOUNIG, M. (2016), S. 56-57.
71 Vgl. BERGER, W./WAKOUNIG, M. (2016), S. 58-59.
72 In Anlehnung an: DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 531.
73 In Anlehnung an: DORALT, W./RUPPE, H.-G. (2014), RZ 531.
- Citation du texte
- Elisabeth Klemens (Auteur), 2017, Dreiecksgeschäfte in der Umsatzsteuer, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1302703
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