Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht die Frage, welchen Beitrag die Profession der Sozialen Arbeit innerhalb des Schulkontextes leisten kann, um präventiv wie aktiv die Lebensrealität von queeren Schüler:innen zu verbessern. Dazu werden zunächst für diese Bachelorarbeit relevante Begrifflichkeiten definiert, bevor untersucht wird, inwiefern Jugendliche mit der Bewältigung von alterstypischen Entwicklungsaufgaben beschäftigt sind. Anschließend wird versucht, mithilfe unterschiedlicher Studien Daten zu gewinnen, inwiefern queere Menschen von Diskriminierung, Mobbing, Gewalt und psychischen Problemen betroffen sind. Im Anschluss erörtert diese Bachelorarbeit, wie die Institution Schule, Lehrerende und Schüler:innen mit queeren Themen umgehen. Danach schwenkt die Bachelorarbeit zur Sozialen Arbeit um und beschäftigt sich mit den Herausforderungen und Chancen von Schulsozialarbeit, bezogen auf queere Schüler:innen. Abschließend werden bereits existierende Projekte für einen toleranteren Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an Schulen vorgestellt. Im Fazit werden sowohl die in der Bachelorarbeit gewonnenen Erkenntnisse dargestellt als auch die aufgestellten Forschungsfragen noch einmal eingehend beantwortet.
Jugendliche unterliegen bereits wegen ihres Alters in einer prägenden Zeit, in welcher Identitätsfragen und Zukunftswünsche und -ziele verfestigt werden, sowie Wertevorstellungen und Charakterfragen ausgebildet werden. In dieser Zeit, die viele Jugendliche als Zeit voller Unsicherheiten wahrnehmen, bemerken viele queere Menschen, dass sie eine andere Sexualität oder Geschlechtsidentität angehörig sind, als von einem heteronormativen Umfeld als Normalität dargestellt wird. Reagieren Familie, Peer-Groups oder Freund:innen auf ein Outing negativ, können die Folgen prekär sein. Als wichtiger Bestandteil der Jugendhilfe ist Soziale Arbeit mit gelungenen wie misslungenen Outings von Schüler:innen und dessen Folgen konfrontiert.
Aus unterschiedlichen Perspektiven wird hier aufgezeigt, welche Herausforderungen sowie Chancen dies für Schulsozialarbeit bietet. Damit wird die Bandbreite an spärlich vorhandener Literatur zur Thematik Queer in Schulen erweitert. Besonderheit erfährt diese Bachelorarbeit dadurch, sich nicht nur mit dem Aspekt unterschiedlicher Sexualitäten zu befassen, sondern auch unterschiedliche Geschlechtsidentitäten einzubringen.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abstract (english version)
Danksagung
Abkürzungsverzeichnis
Darstellungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Persönliche Motivation und Herleitung des Themas
1.2 Vom Thema zur Fragestellung
1.3 Methodik
1.4 Relevanz für die Soziale Arbeit
1.5 Begriffsbestimmungen
1.5.1 Heterosexualität und Cis-Geschlechtlichkeit
1.5.2 LGBTQIA+
1.5.3 Nicht-Binarität und Geschlechtsdysphorie
1.5.4 Coming-out
1.5.5 Homosexualität und Homophobie
1.5.6 Heteronormativität und Heterosexismus
1.5.7 Schulsozialarbeit
2. Jugend und Adoleszenz
2.1 Psychosoziale Krisen nach Erikson
2.2 Entwicklungsaufgaben nach Havighurst
2.3 Vergleich mit heutigen Herausforderungen junger Menschen
2.4 Entwicklung unterschiedlicher Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten
2.5 Zwischenfazit
3. Risikofaktoren von queeren Jugendlichen
3.1 Diskriminierung von LGBTQIA+
3.2 Gewalterlebnisse
3.3 Mobbing
3.4 Psychische Risiken
3.5 Zwischenfazit
4 Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Schule
4.1 LGBTQIA+ im Lehrplan
4.1.1 Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation
4.1.2 Untersuchung des Kerncurriculums
4.1.2.1 Schulfach Werte und Normen
4.1.2.2 Schulfächer der Naturwissenschaften
4.1.2.3 Sachkundeunterricht (Grundschule)
4.2 Lehrende und sexuelle/geschlechtliche Vielfalt
4.2.1 Akzeptanz von LGBTQIA+
4.2.2 Darstellung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt im Unterricht
4.3 Schüler*innen und LGBTQIA+
4.4 Zwischenfazit
5. Schulsozialarbeit und LGBTQIA+
5.1 Berufsverständnis der Sozialen Arbeit
5.2 Herausforderungen und Chancen der Schulsozialarbeit
5.3 Zum Umgang sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in der Schulsozialarbeit
5.3.1 Schulsozialarbeit und Lehrende
5.3.2 Schulsozialarbeit und Schüler*innen
5.3.3 Schulsozialarbeit und Eltern
5.4 Projekte an Schulen gegen Homophobie*
5.5 Zwischenfazit
6. Schlussfolgerungen und Erkenntnisse
6.1 Erkenntnisse dieser Bachelorarbeit
6.2 Beantwortung der Thesis
7 Quellenverzeichnis
Abstract
Queere Jugendliche werden mit erschreckender Häufigkeit Opfer von Gewalt, körperlichen wie psychischen Angriffen, Belästigung oder Mobbing. Angesichts dieser Erfahrungen scheint es wenig überraschend, dass queere Menschen deutlich häufiger unter psychischen Problemen leiden oder gar Suizidversuche unternehmen.
Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht die Frage, welchen Beitrag die Profession der Sozialen Arbeit innerhalb des Schulkontextes leisten kann, um präventiv wie aktiv die Lebensrealität von queeren Schüler*innen zu verbessern. Dazu werden zunächst für diese Bachelorarbeit relevante Begrifflichkeiten definiert, bevor untersucht wird, inwiefern Jugendliche mit der Bewältigung von alterstypischen Entwicklungsaufgaben beschäftigt sind. Anschließend wird versucht, mithilfe unterschiedlicher Studien Daten zu gewinnen, inwiefern queere Menschen von Diskriminierung, Mobbing, Gewalt und psychischen Problemen betroffen sind. Im Anschluss erörtert diese Bachelorarbeit, wie die Institution Schule, Lehrerende und Schüler*innen mit queeren Themen umgehen. Im Folgenden schwenkt die Bachelorarbeit zur Sozialen Arbeit um und beschäftigt sich mit den Herausforderungen und Chancen von Schulsozialarbeit, bezogen auf queere Schüler*innen. Abschließend werden bereits existierende Projekte für einen toleranteren Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an Schulen vorgestellt. Im Fazit werden sowohl die in der Bachelorarbeit gewonnenen Erkenntnisse dargestellt als auch die aufgestellten Forschungsfragen noch einmal eingehend beantwortet.
Jugendliche unterliegen bereits wegen ihres Alters in einer prägenden Zeit, in welcher Identitätsfragen und Zukunftswünsche und -ziele verfestigt werden, sowie Wertevorstellungen und Charakterfragen ausgebildet werden. In dieser Zeit, die viele Jugendliche als Zeit voller Unsicherheiten wahrnehmen, bemerken viele queere Menschen, dass sie eine andere Sexualität oder Geschlechtsidentität angehörig sind, als von einem heteronormativen Umfeld als Normalität dargestellt wird. Reagieren Familie, Peer-Groups oder Freund*innen auf ein Outing negativ, können die Folgen prekär sein. Als wichtiger Bestandteil der Jugendhilfe ist Soziale Arbeit mit gelungenen wie misslungenen Outings von Schüler*innen und dessen Folgen konfrontiert. Aus unterschiedlichen Perspektiven wird hier aufgezeigt, welche Herausforderungen sowie Chancen dies für Schulsozialarbeit bietet. Damit wird die Bandbreite an spärlich vorhandener Literatur zur Thematik Queer in Schulen erweitert. Besonderheit erfährt diese Bachelorarbeit dadurch, sich nicht nur mit dem Aspekt unterschiedlicher Sexualitäten zu befassen, sondern auch unterschiedliche Geschlechtsidentitäten einzubringen.
Abstract (english version)
Queer youth are victims of violence, physical and psychological attacks, harassment or bullying with alarming frequency. In view of these experiences, it seems unsurprising that queer people suffer significantly more often from psychological problems or even attempt suicide.
This bachelor thesis examines the question of what contribution the profession of social work can make within the school context in order to preventively and actively improve the reality of life for queer students. To this end, the relevant terms for this Bachelor's thesis are first defined before examining the extent to which young people are occupied with coping with developmental tasks typical of their age. Then, with the help of different studies, an attempt is made to obtain data on the extent to which queer people are affected by discrimination, bullying, violence and psychological problems. Subsequently, this Bachelor's thesis discusses how the institution of school, teachers and students deal with queer issues. In the following, the bachelor thesis turns to social work and deals with the challenges and opportunities of school social work in relation to queer students. Finally, existing projects for a more tolerant approach to sexual and gender diversity in schools are presented. In the conclusion, the findings of the Bachelor's thesis are presented and the research questions are answered in detail.
Because of their age, adolescents are already subject to a formative period in which identity questions and future desires and goals are solidified, and value concepts and character questions are formed. During this time, which many young people perceive as a time full of insecurities, many queer people notice that they belong to a different sexuality or gender identity than is presented as normality by a heteronormative environment. If family, peer groups or friends react negatively to an outing, the consequences can be precarious. As an important part of youth welfare, social work is confronted with successful and unsuccessful outings of pupils and their consequences. From different perspectives, the challenges and opportunities this offers for school social work are shown here. This expands the range of sparsely available literature on the topic of queer in schools. This bachelor thesis is special in that it not only deals with the aspect of different sexualities, but also includes different gender identities.
Danksagung
Zuallererst möchte ich meiner Erstbetreuerin Dipl.-Kffr. Muriel J. J. Pöhler sowie meinem Zweitbetreuer Dipl.-Soz.-Päd. Dirk Hubrich für die Betreuung, zahlreiche Anregungen im Schreibprozess und der Verfügbarkeit für Rückfragen danken.
Ein weiterer großer Dank geht an meine Familie, die mich während des gesamten Studiums finanziell wie emotional unterstützen. Ohne diese Unterstützung wäre ein Studium nicht störungsfrei möglich gewesen. Für die Ermöglichung eines akademischen Abschlusstitels und die damit verbundenen möglichen beruflichen Perspektiven bin ich überaus dankbar.
Der letzte Dank richtet sich an die Inhaber*innen des Podcasts „Ach Papperlapapp“, sowie den Inhaber*innen des Podcasts „Auf Toast“. Beide stellten mir ihre sehr persönlichen Outinggeschichten zur Verwendung in dieser Bachelorarbeit zur Verfügung, wodurch eine praxisnahe Hervorhebung der in dieser Bachelorarbeit gewonnenen Erkenntnisse auf besondere Art möglich war. Zusätzlich fand ich als aktive Hörerin beider Podcasts die Motivation, mich auch aus fachlicher Perspektive mit queeren Themen befassen zu wollen.
Abkürzungsverzeichnis
BZgA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
DBSH Deutscher Berufsverband Soziale Arbeit
LGBTQIA+ Akronym der Wörter Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual, Queer, Intersexual, Asexual, wobei das + für alle weiteren, nicht aufgeführten Sexualitäten/Geschlechtsidentitäten steht
NDS Niedersachsen
NRW Nordrhein-Westfalen
RKI Robert-Koch-Institut
WGE-Studie Wie geht’s euch? – Studie von Timmermanns et. all. (2022)
WHO Weltgesundheitsorganisation
Darstellungsverzeichnis
Abbildung 1: Vergleich der Opfer von Belästigung im Vergleich EU-weit und Innerhalb Deutschlands. Spezifiziert nach Sexualitäten und Geschlechtern
Abbildung 2: Vergleich der Opfer von Gewalt im Vergleich EU-weit und innerhalb Deutschlands. Spezifiziert nach Sexualitäten und Geschlechtern
Abbildung 3: Vergleich der Opfer von Übergriffen in der Schule von LGTBI- Personen im Vergleich EU-weit und innerhalb Deutschlands. Spezifiziert nach Sexualitäten und Geschlechtern
Tabelle 1: Affektive Einstellungen zu LGBTQIA+ von Schüler*innen
Tabelle 2: Kognitive Einstellungen zu LGBTQIA+ von Schüler*innen
1 Einleitung
„Es ging dann halt soweit, dass dann irgendwann ich durch irgendeinen Gang gelaufen bin irgendwelche wildfremden Schüler mit denen ich nie was zu tun hatte, halt so beim vorbeigehen mich Schwuchtel genannt haben oder mir irgendwie eine Ohrfeige gegeben haben. Und ich hab’s dann halt extrem abgestritten, weil ich dann gemerkt habe, das ist uncool. …. Es war dann für mich irgendwann so schlimm, weil ich gemerkt habe, die Gesellschaft wird mich eh nicht akzeptieren. … Sobald ich aus der Haustür rausgehe, werde ich geschlagen, von irgendwelchen Wildfremden. Ja jedenfalls habe ich dann äh festgestellt, egal was ich mache, ich kann nichts dagegen tun und die einzige Lösung, die ich sehe, ist es halt zu beenden. Und ich hab dann ähm wir haben halt zwei Badezimmer gehabt und im kleinen Badezimmer waren die Medikamente. …. Ich habe dann nach irgendwas gesucht, wat vielleicht et beenden könnte, und ich hab halt Schlaftabletten gefunden. Und ich wusste zu dem Zeitpunkt, wenn man zu viele Schlaftabletten nimmt, dass man vielleicht einfach nicht mehr aufwacht. Ich habe dann die ganze Packung geschluckt. … Also ich hatte Angst davor, aber ich hatte noch mehr Angst zur Schule zu gehen. … Keiner hat was geahnt, ich hab’s auch niemandem gesagt, ich hab halt alles mit mir selber ausgemacht.“ (Behmer & Anonym, 2020, 43:24-51:28)
Diese Worte stammen von Justin Behmer aus dem queeren Podcast „Auf Toast“ und beziehen sich auf seine Lebensrealität, als er in der 7. Klasse war. Justin überlebt, da sich die Schlaftabletten im Nachhinein als Baldriantabletten herausstellen.
„Ey du Schwuchtel!“ „Bist du etwa ´ne Kampflesbe?“ „Verpiss dich, du Transe!“
Diese Worte vermögen zuerst innerhalb einer wissenschaftlichen Arbeit möglicherweise kontrovers zu sein, bildet jedoch den Alltag auf Schulhöfen ab. Wörter wie schwul oder lesbisch werden besonders von Jugendlichen noch wie selbstverständlich als Schimpfwörter missbraucht (Borchhardt & Reinhold, 2014; Klocke et. al., 2020). Auch Justin berichtet von vielzähligen Schimpfwörtern aufgrund seiner Sexualität (Behmer & Anonym, 2020, 43:24-51:28). In den Medien lassen sich immer häufiger Familienkonstrukte oder Liebespaarbeziehungen finden, die außerhalb der heterosexuellen Norm liegen. Sei es der aktuelle Werbespot der norwegischen Post, die einen gleichgeschlechtlich liebenden Weihnachtsmann zeigt, Imagekampangen der Deutschen Bahn anlässlich des Pride Month, oder Outings von in der Öffentlichkeit stehenden Personen, wie beispielsweise das des kanadischen Schauspielers Elliot Page, der als Frau zur Welt kam und 2020 öffentlich verkündete, sich als Mann zu fühlen und fortan auch öffentlich als Elliot Page als Mann zu leben. Sowohl sexuelle wie auch geschlechtliche Vielfalt findet in der Öffentlichkeit, wie auch in den Medien, also eine immer stärkere Repräsentation. Dennoch berichten queere (vgl. Kap. 1.5.2) Menschen nach wie vor von Diskriminierung, körperlichen Übergriffen, Gewalt, Ausgrenzung, Beschimpfungen oder psychischen Problemen aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität. In einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes berichteten 80,6% der befragten Menschen, dass ihnen Fälle von Diskriminierung von Menschen aufgrund der sexuellen Neigung bekannt sind (Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2017). Queere Menschen erleben auch ohne negative Erfahrungen im Coming-Out (vgl. Kap. 1.5.4) häufig Unsicherheiten und sehen sich vor großen Herausforderungen. Besonders betroffen erscheinen davon Jugendliche, da der Prozess der Bewusstseinswerdung, nicht heterosexuell oder nicht cis-geschlechtlich (vgl. Kap. 1.5.1) zu sein, meist im Jugendalter stattfindet. Dennoch existieren deutschlandweit nur wenige belastbare Aussagen zur Lebensrealität von queeren Jugendlichen, besonders, wenn nicht nur die Perspektive der unterschiedlichen Sexualitäten behandelt werden soll, sondern auch unterschiedliche Geschlechtsidentitäten Berücksichtigung finden sollen. Die hier vorliegende Bachelorarbeit versucht, diese Lücke zumindest in Teilen zu schließen und behandelt dabei die Soziale Arbeit. Der Titel dieser Arbeit lautet daher: „Queere Schule – Herausforderungen und Chancen von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt für die Schulsozialarbeit“.
1.1 Persönliche Motivation und Herleitung des Themas
Heteronormative Lebensweisen dominieren bis heute die Vorstellungen über „normal“ und „richtig“. Abweichende Sexualitäten oder Geschlechtsidentitäten sind nicht nur rechtlich in vielen Fällen nicht gleichgestellt (beispielsweise das Blutspendeverbot für Schwule, erschwertes Adoptionsverfahren für gleichgeschlechtliche Paare oder das Transsexuellen Gesetz), sondern sind auch gesellschaftlich immer noch nicht vollständig akzeptiert.
Mir selbst hat es in der Schulzeit an Vorstellungen, die über „Mann, Frau, Haus und Kind“ hinausgesehen, deutlich gefehlt. Die heteronormative Vorstellung erschien die einzige greifbare zu sein und alles, was sich nach etwas anderem gesehnt hat, stieß auf innerlichen Widerstand, da es falsch zu sein schien. Mehr als einmal bekam ich von einer Lehrerin auf eine gute Leistung eine schlechte Schulnote mit der Begründung, abnormale Kinder hätten kein Recht auf Gleichbehandlung. Dies stellte nicht nur eine Diskriminierungserfahrung dar, diese Erfahrungen bewirkten auch den eigenen inneren Widerstand, zuzugeben, was offensichtlich war und verhinderten, mich jemanden anzuvertrauen. Depressionen, sozialer Rückzug, Jahre der Identitätskrise und starke Selbstzweifel waren die Folge.
Auf der Suche nach einer geeigneten Thematik für eine Bachelorarbeit erinnerte ich mich an diese Zeit zurück, denn trotz eines nun beinahe abgeschlossenen Studiums der Sozialen Arbeit hatte ich nie die Gelegenheit gefunden, mich queeren Themen nicht nur aus der persönlichen Sicht zuzuwenden, sondern diesem ebenfalls wissenschaftlich Gehör zu verschaffen. Nach eingehender Recherche stelle ich fest, dass zu den Einflüssen von queeren Themen auf Jugendliche bislang nur wenig publiziert wurde. Aufgrund des eigenen Interesses, sowie der bislang nur dünnen Literaturlage möchte sich diese Bachelorarbeit mit dem Thema der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt als relevanter Aspekt für die Schulsozialarbeit auseinandersetzen.
1.2 Vom Thema zur Fragestellung
Konkret möchte sich die Autorin mit den Schwierigkeiten, Risiken und Chancen befassen, die queere Jugendliche im Kontext der Schule erwartet, und welche Kompetenzen innerhalb der Schulsozialarbeit hinsichtlich der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt von Schüler*innen gefordert werden. Schulsozialarbeit ist ein multiprofessionelles Berufsfeld, in der eine konstruktive Zusammenarbeit mit Lehrenden, Eltern, Schüler*innen und außerschulischer pädagogischer Arbeit unabdingbar ist. Queerfeindlichkeit kann in allen Bereichen ein Problem für erfolgreiche Schulsozialarbeit darstellen. Aus diesem Grund erscheint es besonders sinnvoll, die Thematik sexuelle und geschlechtliche Vielfalt an Schulen aus diesen verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Die ohnehin schon seltenen Studien wie Handreichungen zur Thematik LGBTQIA+ und Schule beziehen sich meist auf das Wechselspiel zwischen Schüler*innen und Lehrende. Diese Bachelorarbeit möchte darüber hinaus die Perspektive der Schulsozialarbeit einbinden. Dazu sollen die bereits gewonnenen Erkenntnisse zur Thematik LGBTQIA+ im Allgemeinen, sowie LGBTQIA+ in der Schule verwendet und auf die Schulsozialarbeit übertragen werden. Besonders ist hierbei, dass nicht nur auf die Perspektiven verschiedener Sexualitäten eingegangen wird, sondern ebenso auch verschiedene Geschlechtsidentitäten berücksichtigt werden. „Homosexualität ist ein privates Thema, welches niemanden etwas angeht“ ist ein Satz, der insbesondere häufig von Leuten genutzt wird, die sich gegen Aufklärung, die über die heteronormative Vorstellung hinausgeht., aussprechen. Diese Bachelorarbeit möchte darlegen, wieso ein toleranter Umgang mit sexueller wie geschlechtlicher Vielfalt, sowie eine umfassende Aufklärung bereits im Jugendalter förderlich sein kann. Daraus ergeben sich folgende Fragestellungen:
1. Ist die Aufklärung über sexuelle Vielfalt in der Schule gesellschaftspolitisch und entwicklungspsychologisch sinnvoll?
2. Wie tolerant und fachkundig wird an Schulen mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt von Schüler*innen umgegangen?
3. Unterliegen queere Jugendliche mehr Risiken in ihrer Entwicklung als nicht queere Jugendliche und wenn ja, welche?
4. Wie kann sich Schulsozialarbeit für mehr Akzeptanz von queeren Schüler*innen einsetzen?
1.3 Methodik
In der Einleitung dieser Bachelorarbeit werden diverse für in dieser Bachelorarbeit wichtigen Begrifflichkeiten erläutert. Dies dient insbesondere dazu, den Lesefluss im weiteren Verlauf nicht mehr als nötig zu behindern. Darüber hinaus findet hier eine Einordnung der Thematik in aktuelle gesellschaftspolitische Geschehen als auch die Begründung der Thematik für die Soziale Arbeit statt.
Da es sich in der Bachelorarbeit besonders um Kinder und Jugendliche handelt, wird im Kapitel 2 zunächst dargestellt, welchen generellen Entwicklungsaufgaben Menschen dieses Alters unterliegen. Dabei berücksichtigt werden unteranderem der Psychoanalytiker Erik H. Erikson, als auch der Soziologe und Erziehungswissenschaftler Robert J. Havighurst. Ziel dieses Abschnitts ist es zu verdeutlichen, in welchem Maße Kinder und Jugendliche in der Pubertät und durch (neu entdeckte) Sexualität in ihrer Entwicklung beschäftigt sind. Anschließend werden diese mit der Shell-Jugendstudie verglichen, um darzulegen, ob die Konzepte der Entwicklungsaufgaben auch heutzutage noch auf Jugendliche und der aktuellen Lebensrealität vergleichbar sind.
Im Fokus dieser Bachelorarbeit stehen queere Jugendliche. Daher werden nachfolgend im dritten Kapitel diverse Situationen und erhöhte Risiken dargestellt, denen queere Jugendliche mehr/häufiger unterliegen als heterosexuelle/cis-geschlechtliche Jugendliche. Im Verlauf des dritten Kapitels werden die Faktoren Diskriminierung, Gewalt, Mobbing und psychische Risiken bis hin zum Suizid behandelt. Mit diesem Kapitel soll die Relevanz verdeutlicht werden, pädagogisch sichere Umfelder für queere Kinder und Jugendliche zu schaffen, und zu begründen, wieso Sexualität entgegen der beliebten Argumentation keine reine Privatsache darstellt.
Um darzulegen, dass im deutschen Bildungswesen die Schule (noch) nicht als sicheres Umfeld für queere Kinder und Jugendliche benannt werden kann, werden in Kapitel 4 mithilfe verschiedener Studien, beispielsweise die Studie „Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Studie“ aus 2012 von Dr. Ulrich Klocke, Sichtweisen und Einstellungen rund um das Thema LGBTQIA+ sowohl von Lehrenden als auch von Schüler*innen aufgezeigt. Zusätzlich wird untersucht, ob und inwiefern geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Lehrplan Berücksichtigung findet. Untersucht werden dabei unter anderem Vorgaben/Empfehlungen der WHO, als auch das Kerncurriculum.
Um den Sprung zur Schulsozialarbeit vorzunehmen, wird im folgenden fünften Kapitel zunächst die Schulsozialarbeit, Chancen und Risiken der Schulsozialarbeit als auch das Berufsverständnis von Sozialarbeiter*innen dargelegt. Darauf aufbauend folgt der Umgang mit geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in der Schulsozialarbeit. Dabei werden nicht nur Schüler*innen als Adressaten von Schulsozialarbeit berücksichtigt, sondern ebenfalls Eltern/Erziehungsberechtigte und Lehrende.
Im Anschluss werden im sechsten Kapitel einige bereits bestehende Projekte vorgestellt, die an Schulen durchgeführt werden und mehr Toleranz für Vielfalt zum Ziel haben. Dies dient als praxisnahe Darlegung, wie sich Schulsozialarbeit aktiv für Gleichberechtigung einsetzen kann.
Abschließend werden in der Schlussfolgerung die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst, bevor versucht wird, die zuvor benannten Fragestellungen noch einmal explizit zu beantworten. Darüber hinaus wird versucht, möglichst vielfältige Argumente zusammen zu tragen, ob Lebensweisen außerhalb der heteronormativen Vorstellung in der Schule repräsentiert und behandelt werden sollten.
Die Schreibweise „Sozialarbeiter*innen“, also die Verwendung des Gendersternchens, als auch die Verwendung eines möglichst neutralen Wortes („Sozialarbeitende) wird innerhalb dieser Bachelorarbeit als Gendersensible Schreibweise verwendet, um nicht nur Männer und Frauen gleichermaßen zu berücksichtigen, sondern um auch die Menschen anzusprechen, die sich weder als Mann noch als Frau oder als etwas dazwischen definieren.
1.4 Relevanz für die Soziale Arbeit
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter BAGLJÄ stufte bereits 2003 in einem Beschluss sexuelle Orientierung als „relevantes Thema der Jugendhilfe“ ein (Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, 2003). Dabei spricht sich die BAGLJÄ in ihrem Beschluss sowohl für Fortbildungen von Mitarbeiter*innen diverser Jugendhilfeangebote aus, als auch für eine Verstärkung von Beratungs- und Informationsangeboten für queere Jugendliche (Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, 2003). Laut BAGLJÄ ist dieser Anspruch allein aus §1 (3) SGB VIII abzuleiten:
„(3) Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere
1. junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen,
2. jungen Menschen ermöglichen oder erleichtern, entsprechend ihrem Alter und ihrer individuellen Fähigkeiten in allen sie betreffenden Lebensbereichen selbstbestimmt zu interagieren und damit gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können,
3. Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen,
4. Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen,
5. dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.“
Der Bedarf, dass auch Unterstützung hinsichtlich der Thematik der sexuellen Orientierung, als Aufgabenfeld der Jugendhilfe gemäß §1 (3) SGB VIII lässt sich dabei aus den Wahrscheinlichkeiten ableiten, dass ein Kind/Jugendliche*r sich selbst nicht als heterosexuell identifizieren kann oder in einer gleichgeschlechtlich lebenden Familie aufwächst (vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, 2003). Zusätzlich sei hier noch die Förderung von sozialer Kompetenz, sowie die Vermittlung von Fähigkeiten für ein gleichberechtigtes Leben aufzuführen, die ebenfalls auch für heterosexuelle Jugendliche wichtig sind. Auch heterosexuelle Jugendliche können also von Angeboten der Jugendhilfe zur sexuellen Vielfalt profitieren, beispielsweise durch eine verbesserte Sozialkompetenz im Umgang mit beispielsweise homosexuellen Jugendlichen. Sowohl aus dem Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter als auch aus der gesetzlichen Grundlage zur Jugendarbeit, lässt sich daher die Relevanz der Thematik der sexuellen Vielfalt für die Soziale Arbeit begründen. In dem Beschluss der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter findet geschlechtliche Vielfalt und Diversität keinen Platz, jedoch lässt sich der erhöhte Bedarf an Berücksichtigung und Beratungsmöglichkeiten für Jugendliche sowie Fortbildungsangebote für Mitarbeitende der Jugendhilfe mit denselben Argumenten begründen, wie für die Hilfestellung in der sexuellen Orientierung.
Laut Statistiken und Schätzungen diverser Autor*innen, sind zwischen fünf und 10 Prozent homosexuell. Auf eine Schulklasse übertragen würde dies bedeuten, dass im Durchschnitt zwischen ein und zwei Schüler*innen lesbisch oder schwul sind (Voß, 2015; Rauchfleisch, 2011). Dies macht die Thematik sexuelle Vielfalt nicht nur für die Sozialarbeit im Allgemeinen relevant, es lässt sich ebenso eine Relevanz für die Schulsozialarbeit ableiten, die im Verlauf dieser Arbeit noch verdeutlicht wird.
1.5 Begriffsbestimmungen
Um den Lesefluss so gut wie möglich aufrecht zu erhalten, werden unter diesem Unterkapitel häufig vorkommende Begrifflichkeiten im Voraus definiert. Selten vorkommende Begriffe werden bei Erstnutzung innerhalb des Fließtextes oder in der aktuellen Fußzeile definiert.
1.5.1 Heterosexualität und Cis-Geschlechtlichkeit
Heterosexuelle Menschen fühlen sich emotional und/oder sexuell zu Menschen hingezogen, die dem gegenteiligen Geschlecht zuzuordnen sind, als sie selbst (Krell, Oldenmeyer, 2018). Cis-Geschlechtlichkeit bedeutet, dass das biologische Geschlecht mit der sozial gelebten Geschlechtszugehörigkeit übereinstimmt (Preuss, 2019). Eine Cis-Frau wurde also als biologisch weiblich geboren, identifiziert sich selbst als Frau und verspürt keinen Wunsch, dies zu ändern.
1.5.2 LGBTQIA+
Der Begriff LGBTQIA+ ist als Akronym zu verstehen, welches aus den zusammengesetzten Anfangsbuchstaben der englischen Wörter Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer/Questioning, Intersexual und Asexual besteht. In unterschiedlicher Literatur sind verschiedenste Akronyme zu finden, wie beispielsweise „LSBT*Q“ oder „LSBT*“ (Gaupp, 2018). Aufgrund der Vollständigkeit und im Sprachgebrauch der Autorin verfestigten Nutzung des Akronyms LGBTQIA+ wird dieses im Zuge dieser Bachelorarbeit genutzt. Das + steht dabei für alle weiteren Sexualitäten, die nicht als Heterosexualität zu verstehen sind, aber durch das Akronym nicht abgedeckt werden.
Als Lesbian, auf Deutsch lesbisch, werden Frauen verstanden, die gleichgeschlechtlich Frauen lieben. Gay, auf Deutsch schwul, ist das männliche Pendant dazu, also Männer, die Männer lieben. Bisexual (Bisexualität) begreift Menschen, die sich in andere Menschen unabhängig ihres Geschlechts, verlieben (Krell, Oldenmeyer, 2018).
Transsexual (Transsexualität/Transgeschlechtlichkeit) bezeichnet Männer wie Frauen, die sich nicht mit dem ihnen angeborenen Geschlechts identifizieren können, sondern sich dem jeweils anderen Geschlecht zugehörig fühlen (Krell, Oldenmeyer, 2018). Transgeschlechtliche Menschen verspüren im Verlauf ihres Lebens häufig den Wunsch, ihr Geschlecht medizinisch wie rechtlich anpassen zu lassen (Gaupp, 2018).
Queer/Questioning meint Menschen, die nicht dem heteronormativen Ideal entsprechen, die sich aber auch unter den gängigen Bezeichnungen (noch) nicht definieren können. Queer wird ebenfalls als Sammelbegriff diverser Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten genutzt, die nicht cis und heterosexuell sind (LSVD, o.J.).
Intersexual (Intersexualität/Intergeschlechtlichkeit) betitelt Menschen, die bei ihrer Geburt nicht klar anhand biologischer Merkmale eines Geschlechts zugewiesen werden können (Krell, Oldenmeyer, 2018). In einigen Fällen werden mithilfe operativer Maßnahmen bereits im Kindesalter ein Teil der biologischen Geschlechtsmerkmale entfernt, sodass eine klare Zuweisung anhand biologischer Merkmale wieder zweifelsfrei möglich ist (Krell, Oldenmeyer, 2018), in anderen Fällen werden operative Maßnahmen erst im Jugendalter oder später anhand der tatsächlich gefühlten Geschlechtsidentität durchgeführt, in anderen Fällen leben intersexuelle Menschen ein Leben lang mit Geschlechtskomponenten beider Geschlechter (Gaupp, 2018). Da es sich hierbei weniger um eine Sexualität, als um Geschlechtsidentitäten handelt, wird auch von „intergeschlechtlich“ oder „inter*“ gesprochen (LSVD, o.J.).
Unter Asexual (Asexualität) werden Menschen verstanden, die keine sexuellen Anziehungen verspüren (LSVD, o.J.). Unabhängig der fehlenden sexuellen Anziehung führen einige asexuelle Menschen Liebesbeziehungen. Asexuelle Menschen könnten demnach also zeitgleich auch als hetero, bisexuell, lesbisch, schwul, etc. beschrieben werden.
1.5.3 Nicht-Binarität und Geschlechtsdysphorie
Im Klassifikationssystem DSM-5 wird Geschlechtsdysphorie als eine starke nicht-Übereinstimmung mit den biologisch vorhandenen Geschlechtsmerkmalen und dem gelebten/gefühlten Geschlechts definiert (American Psychiatric Association, o.J.). Damit einher geht häufig ein großes Leiden, wenn Menschen verspüren, dass die biologischen Geschlechtsmerkmale nicht zur gefühlten Geschlechtsidentität passen, sodass auch von einem „geschlechtlichen Unbehagen“ gesprochen werden kann (Preuss, 2019).
Nicht-Binarität: nicht-binäre Menschen identifizieren sich selbst weder als Mann noch als Frau. Einige nicht-binäre Menschen (auch „Enbys“ genannt) sehen sich in einem Raum zwischen Mann und Frau, andere nicht-binäre Menschen vergleichen sich prinzipiell nicht mit dem Geschlechtssystem (LSVD, o.J.). Während in der deutschen Sprache einheitlich das Wort „Geschlecht“ benutzt wird, differenziert die englische Sprache zwischen dem biologischen Geschlecht (engl.; „sex“) und dem sozialen/gefühltem Geschlecht (engl.: „gender“) (Leicht, 2015).
1.5.4 Coming-out
Kurzgefasst, lässt sich ein Coming-out als das Bekenntnis, nicht heterosexuell zu sein, verstehen (Leufke, 2016). Umgangssprachlich wird das Coming-out mit einem öffentlichen Bekenntnis, z.B. gegenüber den Eltern, Freund*innen, Kolleg*innen oder der Presse bei bekannten Persönlichkeiten, gleichgesetzt. Laut Autorin Sarah Leufke ist das Coming-Out jedoch ein mehrstufiger Prozess, der beim sich darüber bewusstwerden, nicht heterosexuell zu sein und dieses Wissen später auch zu akzeptieren („inneres Coming-out) beginnt, bevor andere Menschen in dieses Wissen eingeweiht werden („äußeres Coming-out“) (Leufke, 2016). Jedoch ist dieser Prozess nie vollends abgeschlossen, da bei jedem neuen Kontakt nicht-Heterosexuelle erneut abwägen müssen, ob sie sich outen möchten/müssen oder nicht (Leufke, 2016). Ein Coming-out kann danach sowohl die sexuelle Orientierung, aber auch die geschlechtliche Identität betreffen. Sich „outen“ stellt dabei das Verb zum Coming-Out dar.
1.5.5 Homosexualität und Homophobie
Homosexualität beschreibt Menschen, die sich sexuell und emotional zu dem Geschlecht angezogen fühlen, dem sie auch selbst zugehörig sind (Krell, Oldenmeyer, 2018), also Männer, die sich zu Männern hingezogen fühlen und Frauen, die Frauen lieben.
Homophobie ist eine gruppenbezogene Feindlichkeit, die verschiedene Formen annehmen kann, z.B. verbale Aggression, soziale Diskriminierung oder verschiedene Arten der Gewalt. Homophobie kann als Konstrukt mit anderen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit verglichen werden, wie beispielsweise Rassismus (Krell, Oldenmeyer, 2018). Homophobie wird häufig als Sammelbegriff für Feindlichkeit und Diskriminierung von LGBTQIA+ verwendet, es kommt aber auch zu konkreteren Differenzierungen wie z.B. Transphobie (Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 2017). Innerhalb dieser Bachelorarbeit wird der Sammelbegriff Homophobie* benutzt, um von allgemeiner Feindlichkeit gegen LGBTQIA+ zu sprechen. Wenn eine Differenzierung einzelner Gruppierungen nötig erscheint, wird der Sammelbegriff gegen die jeweilige Begrifflichkeit der Untergruppierung ausgetauscht.
1.5.6 Heteronormativität und Heterosexismus
Als Heteronormativität ist zu verstehen, dass heterosexuelle Lebensformen sowohl mehr Privilegien genießen als auch dass in der Gesellschaft Heterosexualität als Norm gilt (Leufke, 2016). So heißt es beispielsweise im Grundgesetz Art 6 (1):
„Ehe und Familie stehen unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung.“
Im Grundgesetzt wird der Begriff der Ehe und Familie nicht weiter definiert. Jedoch legte das Bundesverfassungsgericht 1993 fest, dass die Ehe als Vereinigung zwischen Mann und Frau zu verstehen sei (Deutscher Bundestag, 2017. S. 3). Zu diesem Zeitpunkt ist also das Konstrukt der Ehe als heteronormativ zu verstehen. Die Ehe wird nicht nur durch Heterosexualität definiert, heterosexuelle verheiratete Paare genießen durch die Ehe auch Privilegien, die anders lebendenden Paaren damit verwehrt bleiben, wie beispielsweise steuerliche Vorteile. Laut Prof. Dr. Hubertus Gersdorf änderte sich dies mit der Einführung der sogenannten „Ehe für alle“ des Deutschen Bundestags am 30.06.2017, in dessen Definition die Ehe nun zwischen zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts geschlossen werden kann (Gersdorf, 2017). Heteronormativität kann also als ein gesellschaftliches System definiert werden, in dem sowohl die Heterosexualität zwischen Mann und Frau als natürliche Normalität gilt, aber auch das biologische Geschlecht mit dem sozial gelebten Geschlecht übereinzustimmen hat (Leicht, 2015).
Heterosexismus meint, dass heterosexuelle Lebensweisen durch deren Normgeltung häufig alle anders Lebenden diskriminiert (Leufke, 2016). So war beispielswiese die veraltete Definition der Ehe diskriminierend für Homosexuelle, da diese von der Ehe ausgeschlossen wurden und ihnen ebenso steuerliche Vorteile verwehrt blieben. Heterosexismus lässt sich sowohl in personellen als auch in institutionellen Strukturen finden (Leufke, 2016).
1.5.7 Schulsozialarbeit
Schulsozialarbeit ist ein Teil der Jugendhilfe in der Sozialen Arbeit, wobei die Jugendhilfe nicht nur innerhalb der Institution Schule stattfindet, sondern mit dieser kooperiert (Just, 2020). Konkrete Definitionen für Schulsozialarbeit wurden von verschiedensten Autoren im Verlauf der Zeit häufiger aufgestellt, weit verbreitet scheint die Definition des Professors Karsten Speck zu sein: Demnach sei Schulsozialarbeit ein Angebot der Jugendhilfe, welches durch sozialpädagogische Mitarbeiter*innen konstant in der Schule durchgeführt wird. Sozialpädagogische Mitarbeiter*innen arbeiten dabei mit Lehrenden auf einer gemeinsamen, gleichberechtigten Basis zusammen, um junge Menschen auf verschiedenen Ebenen zu fördern und Bildungsbenachteiligungen abzubauen. Schulsozialarbeit berät Erziehungsberechtigte sowie Lehrende in Erziehungsfragen und in Angelegenheiten des Kinder- und Jugendschutzes (Speck, 2006.).
„Zu den sozialpädagogischen Angeboten und Hilfen der Schulsozialarbeit gehören insbesondere die Beratung (unter Berücksichtigung einschlägiger Beratungsgrundsätze) und Begleitung von einzelnen SchülerInnen, die sozialpädagogische Gruppenarbeit, offene Gesprächs-, Kontakt- und Freizeitangebote, die Mitwirkung in Unterrichtsprojekten und in schulischen Gremien sowie die Kooperation und Vernetzung mit dem Gemeinwesen“ (Speck, 2006. S.23).
2. Jugend und Adoleszenz
Der Begriff der Adoleszenz bezeichnet in der Entwicklungspsychologie das zweite Lebensjahrzent eines Menschen und wird weitergehend noch „in die frühe, mittlere und späte Adoleszenz unterteilt“. (Wicki, 2010, S. 101) In diversen Theorien zur Entwicklungspsychologie werden Menschen in der Adoleszenz diverse Bewältigungsaufgaben und Entwicklungsfortschritte zugeschrieben.
2.1 Psychosoziale Krisen nach Erikson
Der Psychoanalytiker Erik H. Erikson entwickelte das Modell „Die acht Phasen der Menschen, welches heute als „Psychosoziale Stufenmodell nach Erikson“ bekannt ist. Nach Erikson lässt sich das Leben in acht verschiedene Lebensphasen unterteilen, mit denen sich der Mensch aktiv auseinandersetzen muss. Jede dieser Phasen endet demnach in einer Krise, dessen erfolgreiche Bewältigung das Fundament für die Herausbildung einer gefestigten Persönlichkeit darstellt (Erikson, 2018). Im klassischen Schulalter sind erleben Schüler*innen zwei Phasen nach Erikson: Zwischen dem 6. Lebensjahr und dem Beginn der Pubertät sind Menschen in der Phase „Werksinn versus Minderwertigkeitsgefühl“, in der es darum geht, Selbstwert und Selbstvertrauen aufzubauen und zu festigen (Pinquart et. al., 2011, S. 253). Die zweite Phase, die Phase der „Identität vs. Identitätskonfusion“ findet in der Adoleszenz statt (Erikson, 2018, S. 72). Hier steht die Entwicklung einer eigenen Individualität und der Aufbau einer Vorstellung über den weiteren Verlauf seines Lebens im Vordergrund (Pinquart et. al., 2011).
2.2 Entwicklungsaufgaben nach Havighurst
Das Konzept der Entwicklungsaufgaben nach Havighurst gilt als Erweiterung der psychosozialen Krisen. Der Erziehungswissenschaftler und Soziologe Robert J. Havighurst ergänzte dabei das Konzept der psychosozialen Krisen, indem er zu jedem Lebensabschnitt spezifische Aufgaben lokalisierte, die der Mensch lösen muss (Wicki, 2010). Nach Havighurst obliegen alle Aufgaben des Jugendalters der Entwicklung von Unabhängigkeit vom Elternhaus in emotionaler wie materieller Sicht, sowie die Herausbildung einer eigenen Wertevorstellung und der Aufbau von ernsthafteren Beziehungen mit anderen Jugendlichen (Eschenbeck & Knauf, 2018). Weiterausgeführt, sind als Entwicklungsaufgaben die Erweiterung oder neuer Aufbau eines stabilen Freundeskreises und die Akzeptanz von körperlichen Veränderungen durch die Pubertät zu benennen. Auch die Auseinandersetzung und Übernahme von Geschlechterrollen, sowie die Entwicklung von Zukunftsvorstellungen gehören zu den Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz. Zur Entwicklung von Zukunftsvorstellungen gehören sowohl die Entwicklung von Lebenszielen als auch Entscheidungen zu einer Berufswahl und Vorstellungen über eine gewünschte Partnerschaft und Familienbild zu entwickeln (Quenzel, 2015).
2.3 Vergleich mit heutigen Herausforderungen junger Menschen
Auch wenn beide entwicklungspsychologische Theorien aus dem 20. Jahrhundert stammen, so scheinen sie im Vergleich mit den Herausforderungen junger Menschen im 21. Jahrhundert immer noch in vielerlei Hinsicht ähnlich: Die 17. Shell Jugendstudie aus dem Jahre 2015 erhob unter anderem die Herausforderungen junger Menschen. Diese lassen sich grob in vier verschiedene Bereiche gliedern:
1. Der Erwerb von Kompetenzen und Qualifikationen: Neues Wissen wird erworben und angewandt, soziale und intellektuelle Fähigkeiten werden erweitert, das Ziel, eine(n) Beruf(sbildung) zu finden, wird dringlicher, gesteuert von dem Wunsch der Unabhängigkeit vom Elternhaus.
2. Soziale Beziehungen: Die Auseinandersetzung mit dem sich durch die Pubertät verändertem Körper, die Ablösung von den Eltern rückt in den Vordergrund, Freundschaften und Paarbeziehungen innerhalb der Peergroup werden wichtiger, die Entwicklung und Annahme der eigenen Geschlechtsidentität wird abgeschlossen.
3. Konsumverhalten: Das Erlernen von einem verantwortungsvollen Umgang mit diversen Medienangeboten und Möglichkeiten der Freizeitgestaltung wird zu einer wichtigen Herausforderung. Ebenfalls wird das eigene Ich-Gefühl durch das Erlernen von psychischer und körperlicher Regeneration erweitert.
4. Partizipation: Das individuelle Wertesystem entsteht, wodurch die Fähigkeit zur Mitgestaltung in politischen Themen wächst. Ein Verständnis von Ethik beeinflusst die weitere Lebensgestaltung (Shell Deutschland, 2015; Eschenbeck & Knauf, 2018).
2.4 Entwicklung unterschiedlicher Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten
In der Studie „Wie geht’s euch? (WGE)“ unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Timmermanns und Prof. Dr. Heino Stöver wurden 8.700 Personen der LGBTQIA+ Community zum physischen und psychosozialen Wohlbefinden befragt. Ein Durchschnittsalter des Alters Coming-Outs ist schwer zu bestimmen. In der WGE-Studie wurden die Teilnehmenden sowohl nach dem Alter des inneren Coming-Outs als auch des äußeren Coming-Outs befragt. Hier lässt sich festlegen, dass die Mehrheit bereits in einem Alter zwischen 11 bis 16 Jahren spürt, dass sie nicht-heterosexuelle Neigungen haben oder sich nicht als cis-geschlechtlich identifizieren. Ein bewusstes Gefühl/bewusste Neigungen benennen zu können erfolgt im inneren Coming-out in einem noch größeren Altersbereich, hier werden am meisten Angaben im Bereich zwischen 11 und 22 Jahren gemacht. Ein erstes äußeres Coming-Out erfolgt primär im Alter von 17 bis 22 Jahren (Timmermanns et al., 2022). Krell & Oldemeier befragten in ihrer Studie „Coming-out – und dann…?!“ über 5.000 queere Jugendliche und junge Erwachsene zu ihren Coming-out-Verläufen und Diskriminierungserfahrungen. Auch hier wurde versucht zu erheben, wann die Befragten ihr inneres sowie äußeres Coming-Out durchlebten. Insgesamt gaben die meisten Teilnehmer*innen an, sich zwischen dem 11. und dem 16. Lebensjahr über ihre sexuelle Orientierung bewusst geworden zu sein. Zusätzlich gaben 15,7% der Befragten an, es schon immer gewusst zu haben und 25,3% konnten den Zeitpunkt nicht mehr genau bestimmen. Über die Hälfte der Befragten gaben an, sich im Alter zwischen 15 und 18 Jahren zum ersten Mal äußerlich geoutet zu haben (Krell & Oldemeier, 2018). Es lässt sich folglich zusammenfassen, dass die Mehrheit der Befragten innerhalb des Schulalters erste Coming-Out Erfahrungen sammeln. Wieso es so viele verschiedene Formen von Sexualitäten gibt und ob es sichere Gründe dafür gibt, wieso jemand welche Form von Sexualität entwickelt, ist bis heute nicht nachgewiesen. Unteranderem kann aber laut Pinquart und Kolleg*innen die Produktion fehlerhafter Hormone die Sexualität beeinflussen: So lebt beispielsweise etwa jede dritte Frau mit einem androgenitalen Syndrom homosexuell. Das androgenitale Syndrom betitelt einen genetischen Enzymdefekt, durch den im Körper ein maskulinierendes Androgen produziert wird. Betroffene Frauen haben zwar innerlich weibliche Geschlechtsorgane, können jedoch auch teilweise äußerlich männliche Geschlechtsorgane haben, die je nach Frau mehr oder weniger stark sichtbar sind. Bei Jungen existiert im Pendant dazu die sogenannte androgene Intensivität. Bei dieser Hormonstörung erzeugen männliche Sexualhormone durch eine Rezeptorstörung keine Wirkung, sodass weibliche äußere Geschlechtshormone ausgebildet werden und betroffene Jungen bei der Geburt fälschlicherweise als Mädchen eingestuft werden. Von einer Stichprobe von betroffenen Jungen mit androgener Intensivität änderten nach der Diagnose knapp 10% ihr Geschlecht medizinisch wie rechtlich von weiblich zu männlich (Pinquart et. al., 2011). Hormonelle und genetische Faktoren können folglich in der Ausbildung verschiedener Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten eine Rolle spielen, jedoch sind viele weitere Gründe sowie wissenschaftlich belastbare Nachweise bislang an dieser Stelle (noch) unerforscht.
2.5 Zwischenfazit
Verglichen mit den bekannten Entwicklungstheorien der Wissenschaft und der Erhebung der Shell Jugendstudie lässt sich feststellen, dass viele Entwicklungsaufgaben auch heute noch genauso definierbar sind. Jugendliche sind in einem vielschichtigen Prozess, indem sowohl altes Wissen und Können gefestigt wird, aber auch viel neues erst erworben wird. Dabei legen sie den Grundstein für ihre spätere berufliche Karriere, aber auch für ihr späteres eventuelles Familienleben. Besonders die Identitätsfindung spielt im Jugendalter eine große Rolle, bei der nicht nur ein eigenes Verständnis von Ethik und Werten entsteht, sondern auch die Geschlechtsidentität eine besondere Wichtigkeit erfährt. Im Vergleich zu den „alten“ Entwicklungstheorien eine weitere relevante Herausforderung für Jugendliche dazugekommen. So stehen Jugendliche heutzutage vor der Aufgabe, ein gesundes, verantwortungsvolles Konsumverhalten zu diversen Medienangeboten aufzubauen (Shell, 2015; Eschenbeck & Knauf, 2018; Quenzel, 2015; Wicki, 2010; Pinquart et. al., 2011). Insgesamt lässt sich anhand dieser entwicklungspsychologischen Theorien festhalten, dass Jugendliche sich in einem Prozess befinden, der noch von vielen Unsicherheiten geprägt ist, jedoch entscheidend für die weitere Lebensgestaltung ist. Sicherlich ist Identitätsbildung aufgrund von der Sammlung von neuen Lebenserfahrungen und neuen Einflüssen auch in höheren Altersklassen nicht vollständig abgeschlossen, dennoch ist die Herausbildung eines Selbstkonzeptes und eines Identitätsverständnisses in der Jugend als besonders relevantes Entwicklungsziel anzusehen.
Zum heutigen Zeitpunkt ist nicht eingehend erforscht, ob es Ursachen gibt, wie es zu verschiedenen Sexualitäten oder Geschlechtsidentitäten kommt. Jedoch bieten zahlreiche Befragungen, wie beispielsweise die Studie „Coming-out – und dann…?! Coming-out-Verläufe und Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und queeren Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland“ von Claudia Krell und Kerstin Oldemeier oder die Studie „Wie geht’s euch? Psychosoziale Gesundheit und Wohlbefinden von LSBTIQ*“ von Prof. Dr. Stefan Timmermanns und Prof. Dr. Heino Stöver darüber Aufschluss, dass die Mehrheit der Menschen, die der LGBTQIA+ Community angehörig sind, bereits im Jugendalter ihr inneres Coming-Out durchlebten. Erste äußere Coming-Outs erleben ebenfalls die meisten queeren Menschen bereits im Jugendalter, wenn auch meist mit einigen Jahren Abstand zum inneren Coming-Out. Hieraus lässt sich eine weitere Relevanz für die Schulsozialarbeit ableiten, da Outingprozesse mehrheitlich in einem Alter ablaufen, die unter die Schulpflicht fallen.
3. Risikofaktoren von queeren Jugendlichen
Trotz der mittlerweile immer stärker werdenden Repräsentanz von Menschen in den Medien, die nicht cis-geschlechtlich oder nicht-heterosexuell sind, kämpfen Mitglieder der LGBTQIA+ Community in verschiedensten Formen mit Diskriminierung, Gewalterfahrungen etc. So zeigt beispielsweise die Erhebung des Eurobarometers von 2019 der Europäischen Kommission, dass Homosexuelle gesellschaftlich nicht vollständig akzeptiert sind: Bei der Frage, wie sich Außenstehende bei öffentlicher Zuneigung zweier anderer Personen fühlen, lag die Quote der negativen Angaben wie „unwohl“ bei einem heterosexuellen Pärchen am geringsten. Bei zwei Männern, die in der Öffentlichkeit Zuneigung zueinander zeigen, gaben 51% der befragten Europäer*innen an, sich damit nicht wohlzufühlen/etwas dagegen zu haben. Bei derselben Frage, nur mit zwei Frauen als Handelnde gaben 47% der Befragten an, etwas dagegen zu haben/sich damit nicht wohlzufühlen. Bei einem Pärchen bestehend aus einem Mann und einer Frau, die Zuneigung in der Öffentlichkeit austauschen, gaben lediglich 22% der befragten Personen an, sich damit nicht wohlzufühlen/etwas dagegen zu haben (vgl. European Commission, 2019, S. 5). Im Zuge dieses Kapitels werden unterschiedliche Faktoren behandelt, mit denen queere Menschen im Verlauf ihres Lebens zu kämpfen haben.
3.1 Diskriminierung von LGBTQIA+
Der Begriff Diskriminierung ist im rechtlichen Sinne von der sozialwissenschaftlichen Bedeutung in der Definition zu unterscheiden.
„Diskriminierung bedeutet im rechtlichen Sinne eine Ungleichbehandlung einer Person aufgrund einer oder mehrerer rechtlich geschützer D.Merkmale ohne einen sachlichen Rechtferti-gungsgrund. … Zu den rechtlich geschützten Diskriminierungs-merkmalen gehören -> Alter, Abstammung, Geschlecht, Hautfarbe, körperliche oder geistige Fähigkeiten, politische Überzeugung, soziale und ethnische Herkunft/Zugehörigkeit, Religion, sexuelle Orientierung.“ (Kroworsch, 2017, S. 196).
Im sozialwissenschaftlichen Sinne wird Diskriminierung als soziale Benachteiligung und/oder soziale Ausgrenzung aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit verstanden (Kroworsch, 2017). Diese Differenzierung der verschiedenen Formen von Diskriminierung kommt ebenfalls in der Studie „Coming-Out – und dann…?! Coming-Out-Verläufe und Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und queeren Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland.“ von Claudia Krell und Kerstin Oldemeier zur Geltung. Bei der Frage, wie die Befragten Diskriminierung erleben, wurde auf der einen Seite strukturelle Diskriminierung (z.B. erschwertes Adoptionsverfahren bei gleichgeschlechtlichen Paaren) angesprochen, aber auch von einer Person direkt ausgeübte Diskriminierung (z.B. Beschimpfungen oder Gewalt). Dabei wurde von den Befragten die personale Diskriminierung als belastender und auf das alltägliche Leben beeinflussender als die strukturelle Diskriminierung beschrieben. Auch heteronormative Lebensvorstellungen und Erwartungshaltungen anderer können dabei als diskriminierend empfunden werden (Krell & Oldemeier, 2018).
Im Mai 2020 wurde von der EU-Grundrechteagentur eine der größten online-Umfragen über Coming-Out-Erfahrungen und Diskriminierungserlebnisse von Angehörigen der LGBTQIA+ Community durchgeführt. Dabei beteiligten sich 137.508 Menschen aus der EU, darunter 16.119 Menschen aus Deutschland (vgl. FRA - European Union Agency for fundamental rights, 2020. S.58). Auch wurde erhoben, wie viele Menschen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Neigung bereits Opfer von Belästigung wurden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Eigene Darstellung. (Datennutzung: FRA - European Union Agency for fundamental rights, 2020)
Innerhalb der Europäischen Union gab mehr als jede*r Dritte (38%) der befragten queeren Community an, innerhalb des letzten Jahres Opfer von Belästigungen aufgrund ihrer Sexualität oder Geschlechtsidentität geworden zu sein. Belästigungen sind als Form der Diskriminierung zu verstehen, bei der durch Verhaltensweisen des Täters das Opfer in seiner/ihrer Würde verletzt wird. Dies kann beispielsweise verbal durch Einschüchterungen, Beleidigungen, Erniedrigungen oder Anfeindungen geschehen, aber auch sexuell durch beispielsweise aufdringliche Annäherungsversuche oder unerwünschte Berührungen. Von allen Teilnehmenden der Befragung aus der EU überwiegten bei der Frage nach Erfahrungen von Belästigung die Angaben der Transgeschlechtlichen. Hier gab fast jede*r zweite (48%) an, aufgrund der Geschlechtsidentität bereits Opfer von Belästigung geworden zu sein, dicht gefolgt von den intergeschlechtlichen Menschen mit 45%. Ebenfalls über dem Gesamtdurchschnitt von 38% liegen die Lesben mit einer Angabe von 41% (FRA, 2020).
Innerhalb Deutschlands ist der Durchschnittswert der Opfer von Belästigungen innerhalb der LGBTQIA-Community mit 36% leicht unter dem Durchschnittswert der EU mit 38%. Dennoch überwiegen auch in Deutschland die Angaben von transgeschlechtlichen und intergeschlechtlichen Menschen. So gaben auch in Deutschland fast jede*r zweite Transgeschlechtliche (49%) an, innerhalb des letzten Jahres Opfer von Belästigung geworden zu sein, und 46% der Intergeschlechtlichen. Die Werte unter den Geschlechtsidentitäten sind damit im EU-Vergleich sogar leicht erhöht. Wie auch in der gesamten EU folgen darauf auch innerhalb Deutschlands die lesbischen Frauen. So gaben 41% der Lesben an, innerhalb des letzten Jahres vor der Befragung Opfer von Belästigung geworden zu sein. Am geringsten scheinen bisexuelle Männer (24%) von Belästigung betroffen zu sein. Dennoch stellen diese mit 24% immer noch fast jeden Vierten als Opfer von Belästigung dar (FRA, 2020).
In der Studie „Wie geht’s euch? (WGE)“ wurden die teilnehmenden 8.700 Personen differenziert nach sexueller und geschlechtlicher Zugehörigkeit zu verschiedenen Lebensbereichen befragt. In dieser Studie gaben 48,5% aller Befragten an, innerhalb des Bildungswesen diskriminiert worden zu sein, 40,6% gaben zu dem an, dass dies mehr als einmal vorkam (vgl. Timmermanns et. All., 2022. S.91). 36,8% der Befragten gaben zudem an, auch innerhalb ihrer Familie Diskriminierungserfahrungen gemacht zu haben, 26,9% weisen auf eine mehrfache Diskriminierung hin. Von allen befragten Lebensbereichen stechen öffentliche Orte am stärksten hervor: Hier gab mit 54,2 mehr als jede*r zweite an, diskriminiert worden zu sein, 40% mehr als einmal (vgl. Timmermanns et. All., 2022. S.91).
3.2 Gewalterlebnisse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Eigene Darstellung. (Datennutzung: FRA - European Union Agency for fundamental rights, 2020)
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- Citar trabajo
- Johanna Rempfer (Autor), 2022, Queere Schule. Herausforderungen und Chancen von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt für die Schulsozialarbeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1302479
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