Die Arbeit beschäftigt sich mit folgender Fragestellung: Wie entstehen soziale Bildungsungleichheiten und welche Möglichkeiten hat die Schulsozialarbeit, an Grundschulen in Deutschland diesen entgegenzuwirken?
Es ist unstrittig, dass Bildungsbeteiligung und -möglichkeiten sehr eng an den sozioökonomischen Status geknüpft sind und diese Problematik, spätestens seit PISA, ein Kernthema in unserer Gesellschaft darstellt. Ebenfalls belegen die vorliegenden Quellen die für den restlichen Lebenslauf deterministische Wirkung der Institution Schule und weisen dieser somit eine sehr hohe Bedeutung zu.
Die Relevanz des Themas ist also nicht nur über die weiterhin anhaltend hohe Differenz zwischen bildungsnahen und -fernen Milieus begründet, sondern auch über die ansteigende Aktualität der Thematik Kinder- und Jugendhilfe an Schulen. Neben dem Rekordhoch von über 150.000 Angeboten in der Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2019 insgesamt, sind diese ebenfalls zu einem Allzeithoch mit 18 % im schulischen Kontext zu verorten. Infolge eines im SGB VIII gewährte Anspruchs auf ganztägige Förderung, entfallen 46 % dieser Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe auf offene Ganztagsschulen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ... 1
1.1 Klärung der Relevanz des Themas ... 1
1.2 Einordnung in den Forschungsstand ... 2
1.2.1 Forschungsstand um den Begriff der sozialen Ungleichheit ... 2
1.2.2 Forschungsstand um den Begriff der Schulsozialarbeit ... 4
1.3 Gliederung ... 5
2 Analyse ... 5
2.1 Zum Begriff der sozialen Ungleichheit ... 5
2.1.1 Entstehung sozialer Ungleichheit aus makrosoziologischer Perspektive nach Boudon ... 5
2.1.2 Zieldimension: Chancengleichheit ... 9
2.2 Zum Begriff der Schulsozialarbeit ... 10
2.2.1 Schulsozialarbeit und seine rechtliche Rahmung ... 10
2.2.2 Begründungsmuster und Ziel der Schulsozialarbeit ... 12
2.2.3 Handlungsprinzipien in der Schulsozialarbeit ... 13
2.3 Vorschläge zur Bearbeitung sozialer Ungleichheit nach Boudon durch Schulsozialarbeit ... 15
2.3.1 Zur Bearbeitung des primären Effekts durch Schulsozialarbeit ... 15
2.3.2 Zur Bearbeitung des sekundären Effekts durch Schulsozialarbeit ... 17
2.3.3 Zur Bearbeitung des tertiären Effekts durch Schulsozialarbeit ... 19
3 Zusammenfassung und offene Fragestellungen ... 21
1. Einleitung
1.1. Klärung der Relevanz des Themas
„Abbau sozialer Ungleichheiten in den Schullaufbahnen bleibt eine große Herausforderung: Schüler:innen aus sozial schwächeren Elternhäusern besuchen nach der Grundschule deutlich seltener höher qualifizierende Schularten und Bildungsgänge als Gleichaltrige mit hohem Sozialstatus“ (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2022, S. 10).
So heißt es eingehend in einer kurzen Zusammenfassung der zentralen Befunde des im Jahr 2022 veröffentlichten Nationalen Bildungsberichts. Statistische Belege hierzu lassen sich aus dem aktuellen Bildungsbericht, sowie anderen Quellen zahlreich gewinnen (vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2016, S. 174, 2022, S. 74; Nold Daniela, 2010; Solga Heike & Dombrowski Rosine, 2009, S. 17). Es ist unstrittig, dass Bildungsbeteiligung und -möglichkeiten sehr eng an den sozioökonomischen Status geknüpft sind und diese Problematik, spätestens seit PISA, ein Kernthema in unserer Gesellschaft darstellt. Ebenfalls belegen die vorliegenden Quellen die für den restlichen Lebenslauf deterministische Wirkung der Institution Schule und weisen dieser somit eine sehr hohe Bedeutung zu.
Aus dieser wegweisenden Funktion der Schule entsteht auch die Verbindung zum zweiten zentralen Themenbereich dieser Arbeit. Die Relevanz des Themas ist also nicht nur über die weiterhin anhaltend hohe Differenz zwischen bildungsnahen und -fernen Milieus begründet, sondern auch über die ansteigende Aktualität der Thematik Kinder- und Jugendhilfe an Schulen (vgl. Spies, 2018, S. 138). Neben dem Rekordhoch von über 150.000 Angeboten in der Kinder- und Jugendhilfe im Jahr 2019 insgesamt, sind diese ebenfalls zu einem Allzeithoch mit 18 % im schulischen Kontext zu verorten. Infolge eines im SGB VIII gewährte Anspruchs auf ganztägige Förderung, entfallen 46 % dieser Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe auf offene Ganztagsschulen (vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2022, 147f.). Die Verbindung dieser beiden Themenfelder zu der Forschungsfrage:
„Wie entstehen soziale Bildungsungleichheiten und welche Möglichkeiten hat die Schulsozialarbeit an Grundschulen in Deutschland diesen entgegenzuwirken?“,
stellt somit eine sehr aktuelle wie relevante Frage dar, welche der weiteren Erforschung bedarf.
1.2. Einordnung in den Forschungsstand
Die hohe gesamtgesellschaftliche Relevanz und Aktualität bringt auch ein sehr hohes Aufkommen an Forschungsarbeiten, Artikeln aus Fachzeitschriften, Sammelbänden und Monografien zu dem Thema mit sich. Auch im deutschsprachigen Raum sind zu den Thematiken viele Beiträge zu finden. Es dominiert jedoch eine getrennte Behandlung der beiden Themenblöcke Schulsozialarbeit und sozialer Ungleichheit. Dennoch lassen sich, wie die vorliegende Arbeit zeigen wird, auch Beiträge finden, welche bereits Zusammenhänge zwischen den beiden Themen herstellen. Jedoch soll, da auch der Beantwortung der Forschungsfrage im Hauptteil anfangs eine getrennte Betrachtung der Begrifflichkeiten in den beiden Fachgebiete vorausgeht, kurz der Forschungsstand getrennt geschildert werden. Vorerst wird sich der sozialen Ungleichheit gewidmet.
1.2.1. Forschungsstand um den Begriff der sozialen Ungleichheit
Auf genauere Betrachtung hin, stellt sich soziale Ungleichheit als ein Phänomen dar, das aus vielfältigen wissenschaftlichen Disziplinen heraus beleuchtet werden kann. Uns interessiert dabei zunächst der soziologische Blickwinkel, wobei die Teildisziplin der Bildungssoziologie besonders relevant ist. Eine sehr grundlegende Dimension in diesem Forschungsgebiet greifen Becker und Lauterbach oder Michael Vester auf. Sie bedienen sich älterer Ansätze, welche jedoch keineswegs an Aktualität verloren haben, und zeichnen durch diese ein großes Bild von Ursachen und Entstehungsprozesse von sozialer Ungleichheit (vgl. Lauterbach, 2010; Vester, 2006). Dies geschieht vor allem an den Ansätzen von Bourdieu und Boudon, welche in sehr vielen Ausführungen über die Thematik der sozialen Ungleichheit die Argumentationsgrundlage darstellen. Die beiden nebeneinanderstehenden Ansätze der französischen Klassiker verfolgen unterschiedliche Schwerpunkte, welche die Debatte im Falle von Boudon auf eine Mesoebene und bei Bourdieu auf eine Makroebene heben (vgl. Boudon, 1974; Bourdieu, 2021). Dieser Beitrag möchte vor allem von den Stärken Boudons profitieren, welcher es ermöglicht, durch die Betrachtung der einzelnen Institutionen das Fortbestehen von relativen Bildungsprivilegien zu erklären. Bourdieu im Gegensatz orientiert sich eher an den sozio-kulturellen Faktoren, was das Prognostizieren des Verlaufs von Bildungswegen ermöglicht (vgl. Vester, 2006, S. 21). Auch in dieser Arbeit sollen, mithilfe von Sekundärliteratur, diese bahnbrechenden Autoren die Grundlage für die Betrachtung von sozialer Ungleichheit im Schulkontext darstellen.
Bei vertiefter Betrachtung des Forschungsstands, drängt sich die Debatte um die Bedeutung von grundlegenden Begriffen wie der Differenz von Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit auf. Diese Thematik wird ebenfalls von unterschiedlichster Literatur behandelt und lässt sich durch die Lektüre von Becker oder Nikolai & Rothe vertiefen (vgl. Becker, 2011; Nikolai & Rothe, 2014). Diese Diskussion wird ebenfalls in diesem Bericht im Kapitel zu den Zieldimensionen einer chancengleichen Bildung noch einmal aufgegriffen und genauer erläutert.
Eine hoch aktuelle Diskussionsgrundlage, welche bereits die Themen soziale Ungleichheit und Schulsystem verbinden, liefern Georg Breidenstein und Marcel Helbig (vgl. Breidenstein, 2020; Helbig, 2020). Neben einigen zentralen Unstimmigkeiten, welche Helbig in seinem Beitrag als Reaktion auf den Bericht von Breidenstein anbringt, vertreten beide Autoren die gemeinsame These, dass der Primarbereich in Grundschulen ein treibender Faktor von sozialer Ungleichheit ist und der Übergang zur Sekundarstufe eine zentrale Problemdimension unserer Gesellschaft darstellt. Einen Zustand realer Chancengleichheit sehen beide Literaten in der Praxis als nicht gegeben an.
Neben einem soziologischen Blick lässt sich die Thematik der Bildungsungleichheit auch in die pädagogische Psychologie und Neuropsychologie einordnen. Der Sammelband von Solzbacher et al. fängt hier den Forschungsstand sehr gut ein (vgl. Solzbacher et al., 2020). Hierbei bewegt sich die Forschungsfrage stark heruntergebrochen in der Abwägung zwischen Behaviorismus und Nativismus. Das heißt, inwiefern lässt sich die Leistung in der Schule einerseits auf die Sozialisation des Kindes und andererseits auf die angeborene biopsychische Grundstruktur zurückführen. Ganz zugespitzt lässt sich auch die Frage nach der „Erblichkeit von Intelligenz“ (Stadelmann, 2020, S. 115) stellen. Diese Dimension von Bildungsungleichheit würde den Rahmen der Arbeit sprengen. Es wird sich, daher im Folgenden lediglich auf die bildungssoziologische und erziehungswissenschaftliche Perspektive bezogen. Aus demselben Grund ebenfalls nur am Rande mit einbezogen werden bildungspolitische wie bildungsphilosophische Theorien.
Die aktuelle Bestandaufnahme findet sich im eingangs zitierten Nationale Bildungsbericht. Anhand von Zahlen und Daten der letzten Jahre werden die Ausmaße und Auswirkungen des Phänomens greifbar (vgl. Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung, 2022). Der Forschungsstand zum Themenbereich der sozialen Ungleichheit ist, wie sich somit bereits andeutet, sehr breit gefächert. Jedoch stellen die soeben genannten Werke eine Auswahl dar, mit welchen sich ein grober Umriss des so vielseitigen Phänomens und der aktuellen Diskussion skizzieren lässt.
1.2.2. Forschungsstand um den Begriff der Schulsozialarbeit
Etwas übersichtlicher gestaltet sich das Bild bei der Schulsozialarbeit. Die Dimensionen dieses Themengebiets lassen sich leichter voneinander abtrennen und sind somit auch durchschaubarer. Diese Aussage soll jedoch nicht suggerieren, dass die in der Schulsozialarbeit zu diskutierenden Problematiken und Themen einfach erklärt sind. Die primäre Diskussion ist hier im Feld der Erziehungs- und Bildungsforschung zu verorten. Neben der historischen Genese lässt sich der aktuelle Stand der Schulsozialarbeit diskutieren. Hierbei werden Methoden, Angebote und die Kooperation zwischen Schule und Sozialarbeit ausgehandelt. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Eine sehr aktuelle und kompakte Zusammenfassung des Forschungsstands und der Wirkmechanismen von Schulsozialarbeit gibt Speck in seiner Einführung zu dieser (vgl. Speck, 2022). Während die Betrachtung der historischen Dimension wiederum die inhaltlichen Grenzen überschreiten würde, kann vor allem die Diskussion um die Funktionsweise und Wirkung von Schulsozialarbeit bei der Beantwortung der Forschungsfrage dieses Beitrags sehr hilfreich sein. Ein weiterer Schwerpunkt im fachliterarischen Gebiet ist die politische Ebene der Schulsozialarbeit, wobei laut Speck, die hohe Relevanz des Themas unumstritten ist. Besonders Verbände und Kommissionen leisten dabei wichtige Dienste, indem sie die expandierende Entwicklung der Schulsozialarbeit fortlaufend vorantreiben (vgl. Speck, 2022, S. 16). Obwohl diese Dimension der politischen Einbindung der Schulsozialarbeit in diesem Text nicht behandelt werden kann, bleibt sie ein wichtiges Themenfeld.
Die Majorität der Fachliteratur konzentriert sich auf Schulsozialarbeit in Bezug auf Ganztagsbetreuung (vgl. Coelen & Otto, 2008). Diese Schwerpunktlegung ist mit den oben genannten Zahlen aus dem Bildungsbericht 2022 sehr gut zu begründen, weshalb auch die am Ende dieser Arbeit formulierten Vorschläge zur Verbesserung der Schulsozialarbeit zu einem großen Teil auf den Ganztag bezogen sein werden.
Die Schilderung des Forschungsstands abschließend soll jedoch noch klargestellt werden, dass die in diesem Text beforschte Frage keine gänzlich neue Betrachtung ist. Dem sozialpädagogischen Blick auf Bildungsungleichheiten, auch in Bezug auf Schulsozialarbeit, widmeten sich bereits Literaturschaffende wie Gunther Graßhoff oder Stefanie van Ophuysen (vgl. Graßhoff, 2015; Ophuysen et al., 2015). Vor allem Graßhoff stellt sich in seinem Beitrag im Sammelband „Zur Gerechtigkeit von Schule – Theorien, Konzepte, Analysen“ unter anderem eine ähnliche Frage wie der vorliegende Text: Wie lässt sich durch die Kinder- und Jugendhilfe (Schulsozialarbeit) Einfluss auf die (Schul-) Bildung nehmen, um somit soziale Bildungsungleichheiten abzubauen (vgl. Manitius et al., 2015)?
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- Quote paper
- Sebastian Baudrexl (Author), 2022, Bekämpfung sozialer Bildungsungleichheiten durch Schulsozialarbeit in Deutschland. Entstehung sowie Intervention an Grundschulen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1302014
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