Der gewohnheitsrechtlich anerkannte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie die sachfremde Differenzierung zwischen Gruppen von Arbeitnehmern. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also bei einer am Gleichheitsgedanken orientierten Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter Vorrang hat. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen aufgrund einer generellen Regelung gewährt, insbesondere wenn er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen. Zunächst ist der Zweck der in Betracht kommenden Maßnahme zu ermitteln und danach zu beurteilen, ob der von der begünstigenden Maßnahme ausgeschlossene Personenkreis berechtigterweise außerhalb der allgemeinen Zweckrichtung steht, BAG, Urteil vom 26. September 2007 - 5 AZR 808/06 - RN 24, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber in Bezug auf seine Arbeitnehmer. Jedenfalls dann, wenn eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers nicht auf einen einzelnen Betrieb beschränkt ist, sondern sich auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens bezieht, ist auch die Gleichbehandlung betriebsübergreifend zu gewährleisten.
Vertragsverlängerung - allgemeine Gleichbehandlung im Arbeitsrecht1 *
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz2 begründet keinen Anspruch eines Arbeitnehmers auf Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 2 TzBfG.
Die Klägerin war auf Grund eines Arbeitsvertrags vom 23. Januar 2006 befristet bis zum 30. September 2006 bei der Beklagten beschäftigt. Ausweislich eines Vermerks vom 23. Januar 2006 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die befristete Beschäftigung nach § 14 Abs. 2 TzBfG erfolgte. Die Klägerin wurde zusammen mit 18 weiteren Arbeitnehmern eingestellt, mit denen gleichlautende Verträge abgeschlossen wurden. Die Klägerin war als Fachassistentin im Außendienst des Betreuungsdienstes im Bereich SGB II in der Arbeitsgemeinschaft Hamburg zur Feststellung und Aufdeckung von Leistungsmissbrauch eingesetzt. Am 12. September 2006 bot die Beklagte den 18 zusammen mit der Klägerin eingestellten Arbeitnehmern eine Vertragsverlängerung bis zum 22. Januar 2008 an. Die Klägerin erhielt kein derartiges Angebot. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin über den 30. September 2006 hinaus erfolgte nicht.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung zum 30. September 2006 geendet hat, die Beklagte zu verurteilen, mit der Klägerin eine Änderungsvereinbarung dahingehend abzuschließen, dass die Klägerin von der Beklagten mit Wirkung ab 1. Oktober 2006 als „Vollbeschäftigte“ nach Maßgabe des Arbeitsvertrags vom 23. Januar 2006 bis zum 22. Januar 2008 weiterbeschäftigt wird,…
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer ist die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Diesen Anforderungen genügt die in dem Arbeitsvertrag vom 23. Januar 2006 vereinbarte Befristung. Es handelt sich um den ersten Arbeitsvertrag der Parteien. Die zulässige Befristungsdauer von zwei Jahren ist nicht überschritten.
Für die Wirksamkeit der Befristung kommt es nicht darauf an, ob die der Klägerin übertragenen Arbeitsaufgaben auch nach Ablauf der Vertragslaufzeit am 30. September 2006 weiterhin anfielen. § 14 Abs. 2 TzBfG erlaubt die befristete Beschäftigung unabhängig vom Vorliegen eines die Befristung rechtfertigenden sachlichen Grundes. Es spielt für die Wirksamkeit der Befristung auch keine Rolle, ob die Beklagte verpflichtet war, mit der Klägerin eine Vertragsverlängerung bis zum 22. Januar 2008 zu vereinbaren. Dies könnte lediglich einen Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines weiteren befristeten
Arbeitsvertrags begründen3, den sie mit dem Klageantrag zu 2 geltend macht. Die Wirksamkeit der Befristung hängt ausschließlich davon ab, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 TzBfG objektiv vorlagen. Dies ist hier der Fall. Die Beklagte ist nicht auf Grund eines von ihr während der Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrags vom 23. Januar 2006 bis zum 30. September 2006 gesetzten Vertrauenstatbestands zur Vereinbarung einer Vertragsverlängerung bis zum 22. Januar 2008 mit der Klägerin verpflichtet.
Das Bundesarbeitsgericht hat in früherer Rechtsprechung angenommen, ein Arbeitnehmer könne einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Anschluss an die Laufzeit eines wirksam befristeten Arbeitsvertrags erwerben, wenn der Arbeitgeber bei Vertragsschluss oder während der Vertragslaufzeit durch sein Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, auf Grund dessen der Arbeitnehmer berechtigterweise habe erwarten dürfen, nach Ablauf der Vertragslaufzeit weiterbeschäftigt zu werden. Dann sei der Arbeitgeber nach Maßgabe des Verschuldens bei Vertragsschluss zum Schadensersatz und damit zum Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags verpflichtet.4 Diese Rechtsprechung hat der Senat später dahingehend präzisiert, dass allein aus der Inanspruchnahme von Vertrauen kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung hergeleitet werden kann, da ein zu Unrecht enttäuschtes Vertrauen lediglich zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet, aber keinen Erfüllungsanspruch gewährt.5 Allerdings besteht ein vertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss eines weiteren Arbeitsvertrags, wenn die Erklärungen oder Verhaltensweisen des Arbeitgebers als Zusage auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auszulegen sind. Danach kann die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf Vereinbarung einer Vertragsverlängerung nicht allein auf einen von der Beklagten geschaffenen Vertrauenstatbestand stützen. Im Übrigen liegen auch die nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erforderlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht vor. Die Klägerin konnte auf Grund des Verhaltens der Beklagten ihr gegenüber nicht auf eine Weiterbeschäftigung über den 30. September 2006 hinaus vertrauen. Die Unterbreitung von Verlängerungsangeboten an andere Arbeitnehmer war hierzu nicht geeignet.
[...]
* Mit vertiefenden Anmerkungen von Prof. Dr. Dr. Siegfried Schwab, Mag. rer. publ. unter Mitarbeit von Diplom-Betriebswirtin (BA) Silke Schwab.
1 BAG, Urteil vom 13.8.2008 - 7 AZR 513/07
2 Der gewohnheitsrechtlich anerkannte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie die sachfremde Differenzierung zwischen Gruppen von Arbeitnehmern. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also bei einer am Gleichheitsgedanken orientierten Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter Vorrang hat. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen aufgrund einer generellen Regelung gewährt, insbesondere wenn er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen. Zunächst ist der Zweck der in Betracht kommenden Maßnahme zu ermitteln und danach zu beurteilen, ob der von der begünstigenden Maßnahme ausgeschlossene Personenkreis berechtigterweise außerhalb der allgemeinen Zweckrichtung steht, BAG, Urteil vom 26. September 2007 - 5 AZR 808/06 - RN 24, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet den Arbeitgeber in Bezug auf seine Arbeitnehmer. Jedenfalls dann, wenn eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers nicht auf einen einzelnen Betrieb beschränkt ist, sondern sich auf alle oder mehrere Betriebe des Unternehmens bezieht, ist auch die Gleichbehandlung betriebsübergreifend zu gewährleisten. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Betrieben ist nur zulässig, wenn es hierfür sachliche Gründe gibt, BAG, Urteil vom Senat 8. November 2006 - 5 AZR 5/06, BAGE 120, 97, 102; BAG 2. August 2006 - 10 AZR 572/05 - RN 34 ff., EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 3; BAG, E. vom 14. Juni 2006 - 5 AZR 584/05 - BAGE 118, 268, 272 ff.; wenn BAG 12. Oktober 2005 - 10 AZR 640/04 - BAGE 116, 136, 139 an den Betrieb anknüpft, stellt das keine Abweichung dar, da die dortige Beklagte nur einen Betrieb hatte und allein innerhalb des Betriebs differenzierte. Dabei sind die Besonderheiten des Unternehmens und der Betriebe zu berücksichtigen. Der Unternehmensbezug des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist mittlerweile auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum weitgehend anerkannt, Vgl. nur ErfK/Preis 9. Aufl. § 611 BGB RN 574 ff., 583 ff.; HWK/Thüsing 3. Aufl. § 611 BGB RN 199; Schaub/Linck Arbeitsrechts-Handbuch 12. Aufl. § 112 RN 15, 27; Joussen in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching Arbeitsrecht Kommentar § 611 BGB RN 267 ff., 273. Auch § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG als gesetzliche Ausprägung enthält keine Einschränkung, Vgl. BAG 27. Juni 2006 - 3 AZR 352/05 (A) - BAGE 118, 340, 342 f. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG wirkt für Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber ebenfalls überbetrieblich, Vgl. BAG, Urteil vom 18. September 2007 - 3 AZR 639/06 - Rn. 19 ff., AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 33 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 30. Steht eine Differenzierung nach Gruppen von Arbeitnehmern fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für die Differenzierung offenzulegen und so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Unterscheidung sachlichen Kriterien entspricht. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne weiteres erkennbar und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann die benachteiligte Arbeitnehmergruppe verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden, BAG, Urteil vom14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - BAGE 122, 1, 5; 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - BAGE 113, 55, 62. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Arbeitgeber eine Gruppenbildung zwischen den Betrieben vornimmt, also nach Betrieben differenziert, indem er etwa einzelne Betriebe von allgemeinen Leistungen ausnimmt.
3 Vgl. hierzu etwa BAG 25. April 2001 - 7 AZR 113/00 - EzA BGB § 620 Nr. 177; 20. Januar 1999 - 7 AZR 93/98 -; 26. April 1995 - 7 AZR 936/94 - AP AFG § 91 Nr. 4.
4 Vgl. etwa BAG, Urteil vom 20. Januar 1999 - 7 AZR 93/98; 26. April 1995 - 7 AZR 936/94 - AP AFG § 91 Nr. 4 = EzA BGB § 620 Nr. 144; 29. Januar 1987 - 2 AZR 109/86 - AP BGB § 620 Saisonarbeit Nr. 1 = EzA BGB § 620 Nr. 87; 15. März 1984 - 2 AZR 24/83 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 2 = EzA BGB § 611 Einstellungsanspruch Nr. 2.
5 BAG, Urteil vom 26. April 2006 - 7 AZR 190/05 - AP BGB § 611 Wiedereinstellung Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Einstellungsanspruch Nr. 2.
- Arbeit zitieren
- Prof. Dr. Dr. Assessor jur., Mag. rer. publ. Siegfried Schwab (Autor:in), 2009, Vertragsverlängerung – allgemeine Gleichbehandlung im Arbeitsrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130002
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