In dieser Bachelorarbeit geht um praktische Methoden der Antidiskriminierung in der Sozialen Arbeit, Intersektionalität und Diversity als Begriffe sowie die verschiedenen Formen der Diskriminierung.
Der Kern des Ziels der Sozialen Arbeit besteht in der gesellschaftlichen Teilhabe der Adressat:innen. Wir alle unterliegen Privileg und Benachteiligung - bewusst oder unbewusst. Manchmal unterliegen wir aufgrund unserer Identitätsmerkmale auch beiden gleichzeitig. Meine eigene Identität steckt schon immer in der Balance zwischen Privileg und Diskriminierung.
Ich habe mich immer gegen Diskriminierung engagiert. Ich traf jedoch auf sexistische Antirassist:innen, klassistische und ableistische Menschen in der Bildung, Homophobie im Kontext der religiösen Flüchtigenhilfe / Queerfeindlichkeit in der religiösen Sozialen Arbeit selbst oder rassistische Feminist:innen - Diskriminierung selbst in der Antidiskriminierung.
Sowohl meine eigenen Diskriminierungserfahrungen an meiner Identität, die ich lang als Zufall abtat, als auch meine Erfahrung mit Diskriminierung bei den verschiedenen Antidiskriminierungsbewegung motivierten mich für das Thema der Diversity-orientierten Sozialen Arbeit.
Diversity und Intersektionalität waren die beiden theoretische Konzepte, die mir endlich ein Modell und Zusammenhänge für alltäglich erlebte Diskriminierungsmuster gaben. Diese Konzepte wissenschaftlich aufzuarbeiten und für die Teilhabe von Menschen in der Sozialen Arbeit zu nutzen, soll darum die Essenz dieser Bachelor Arbeit sein.
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Abstract - Vorwort / persönliche Motivation
Einleitung
1. Fallbeispiel Schule „Kunterbunt“ – Diskriminierung hat viele Gesichter:
2. Theorethisches Wissen und Begriffe
2.1 Diversity, Begriff, Forschungsstand, Zugang
2.2 Schulsozialarbeit im Kontext von Diversity
2.3 „Social Justice“ und „Radical Diversity“ (Czollek/Perko et. al.)
2.4 Das Konzept der Intersektionalität, systemische Intersektionalität, Diskriminierungsmatrix - und Trias
2.4.1 Systemische Intersektionalität (Czollek/Perko et al.)
2.4.2 Diskriminierungsmatrix (Czollek/Perko et. al.)
2.5 Dimensionen von Diversity und Formen der Diskriminierung
2.5.1 Strukturelle Diskriminierung (Czollek/Perko et. al.)
2.5.2 Diskriminierungs-Trias (Viehmann)
3. Möglichkeiten zur Analyse von Diskriminierung –
3.1 Mehrebenenmodell (Winker/Degele)
3.2 Mehrperspektivenmodell (Czollek/Perko et. al.)
3.3 Abgrenzungen der Modelle
4. Antidiskriminierende Methoden und Strategien für die diversityorientierte Soziale Arbeit
4.1 Sichtbarmachung von Diskriminierung nach einer Kampagne des LADS
4.2 „Black is beautiful“ affirmativ rechtlicher Ansatz gegen Diskriminierung nach der US-amerikanischen Bürgerbewegung
4.3 Lesben und Schwule für Bergarbeiter – das Konzept des Verbündet seins.
4.4 Mit Kommunikation gegen Diskriminierung – Mahloquet (Czollek/Perko et. al.)
4.5 Diskriminierungsspezifische Module und Trainings im Rahmen von „Diversity“ und „Social Justice“ (Czollek/ Perko et. al.)
4.5.1 Strategien gegen Rassismus
4.5.2 Strategien gegen Lookismus
4.5.3 Strategien gegen Altersdiskriminierung
4.5.4 Strategien gegen Klassismus
4.5.5 Strategien gegen Ablesim/Behindertenfeindichkeit
4.5.6 Strategien gegen Sexismus/Heterosexismus
4.6 Gender Swap (Mahn-Gauseweg)
5. Exkurs: Macht, Herrschaft und die Bildung von Kategorien
5.1 Macht durch Diskurse (Butler)
5.2 Macht durch Sprache, Normierung und Naturalisierung (Butler)
5.3 Macht durch Kategorisierung – Genderparadoxie (Lorber)
6. Fazit für die Soziale Arbeit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Dimensionsebenen von Diversity
Abb. 2 Diskriminierungsmatrix
Abb. 3 Dimensionen von Diversity
Abb. 4 Ebenen struktureller Diskriminierung
Abb. 5 Mehrperspektivenmodell
Abstract - Vorwort / persönliche Motivation
Der Kern des Ziels der Sozialen Arbeit besteht in der gesellschaftlichen Teilhabe der AdressatInnen.
Wir alle unterliegen Privileg und Benachteiligung - bewusst oder unbewusst. Manchmal unterliegen wir aufgrund unserer Identitätsmerkmale auch beiden gleichzeitig. Meine eigene Identität steckt schon immer in der Balance zwischen Privileg und Diskriminierung.
Ich habe mich immer gegen Diskriminierung engagiert. Ich traf jedoch auf sexistische AntirassistInnen, klassistische und ableistische Menschen in der Bildung, Homophobie im Kontext der religiösen Flüchtigenhilfe / Queerfeindlichkeit in der religiösen Sozialen Arbeit selbst oder rassistische FeministInnen - Diskriminierung selbst in der Antidiskriminierung.
Sowohl meine eigenen Diskriminierungserfahrungen an meiner Identität, die ich lang als Zufall abtat, als auch meine Erfahrung mit Diskriminierung bei den verschiedenen Antidiskriminierungsbewegungen motivierten mich für das Thema der diversityorientierten Sozialen Arbeit.
Diversity und Intersektionalität waren die beiden theoretische Konzepte, die mir endlich ein Modell und Zusammenhänge für alltäglich erlebte Diskriminierungsmuster gaben.
Diese Konzepte wissenschaftlich aufzuarbeiten und für die Teilhabe von Menschen in der Sozialen Arbeit zu nutzen, soll darum die Essenz dieser Bachelor Arbeit sein.
Einleitung
Mit der Frage, wie SozialarbeiterInnen Diskriminierung wirksam entgegentreten können, ohne dabei an anderer Stelle Diskriminierung zu installieren, beschäftigt sich diese Bachelor Arbeit.
Hierzu muss diskutiert werden, was unter diversityorientierter Arbeit zu verstehen ist, welche Formen der Diskriminierung existieren, mit welchen Instrumenten diese identifiziert werden können und wie Ausgrenzung auf vielfältiger Weise wirksam entgegengetreten werden kann.
Die Arbeit soll die Problemlage struktureller Diskriminierung erfassen, die sich insbesondere mit dem Aspekt der Intersektionalität für Methoden in der Jugend- und Schulsozialarbeit gegen Ausgrenzung auseinandersetzt.
Als Hauptliteratur fungiert das aktuell im Sommer 2019 erschienene „Praxishandbuch Social Justice und Diversity“ von L. C. Czollek/ G. Perko/ C. Kaszner/ M. Czollek. Dieses wird insbesondere Einblicke in Diversity und Social Justice ermöglichen, sowie Strategien gegen Diskriminierung zur Verfügung stellen.
Dabei wird die gesamte Zeit der Fokus darauf gelegt, Diversität im Handlungsfeld der Jugendarbeit / Schulsozialarbeit so herzustellen, dass alle von Diskriminierung betroffenen AdressatInnen zu mehr Teilhabe gelangen können, ohne das ein Ringen um die Wichtigkeit oder Höherwertigkeit einer Kategorie von Diskriminierung stattfindet.
Zuvor ist es jedoch notwendig, allgemein in das Thema Diversity einzuführen.
Der strukturelle Aufbau dieser Arbeit richtet sich nach den Untersuchungsobjekten.
Diversität weist auf die unterschiedlichen Dimensionen von Diskriminierung hin, wohingegen Intersektionalität eine Analysemethode/ein Analysemodell ist, um die Verschränkungen und Wirkungsweisen dieser Dimensionen darzustellen. (Vgl. Bilge Patricia und Collins 2016: S. 1 ff.) Aus diesem Grund wird nach der Einführung in das Thema Diversity allgemein, das Konzept der Intersektionalität und anschließend zwei Analysemodelle vorgestellt.
Diese Arbeit fokussiert sich hauptsächlich auf das Konzept von Diversity und Social Justice, wird jedoch immer wieder andere Modelle und Konzepte vorstellen, da diese unabdingbar scheinen, um Diversität im historischen und aktuellen Kontext zu verstehen.
Nach der Vorstellung der Begriffe und Analysemodelle wird das nächste Kapitel eine Auswahl der bereits erwähnten Strategien gegen Diskriminierung vorstellen.
Darunter findet sich die Handlungsoption des „Verbündet Sein“ nach Czollek et. al. für das beispielhaft vergangene historische Erfolge gegen Diskriminierung aufgeführt werden. Am Beispiel „Lesben und Schwule für Bergarbeiter“, eine britische Allianz queerer Menschen, die sich zur wirtschaftlichen und symbolischen Solidarität streikender BergarbeiterInnen inklusive ihrer Familien während des einjährigen Bergarbeiterstreiks von 1984/1985 gegründet hatte, soll das Konzept der Installation intersektionaler Allianzen marginalisierter Menschen für die Soziale Arbeit praktisch anwendbar gemacht werden. In Bezug auf den neuen Rechtsruck, können hier konkrete historische Beispiel-Modelle gegen Diskriminierung unterschiedlicher Gruppen liefern.
Anschließend wird eine Auswahl anderer Methoden gegen Diskriminierung vorgestellt. Darunter die Trainingsmodule aus der Literatur Czollek et. al. oder die Aktion „Diskriminierung hat viele Gesichter“, eine Aktion des LADS.
Um Diskriminierung entgegentreten zu können muss sie nicht nur analysiert und sichtbar gemacht werden, sondern auch an den Ursprung der Konstruktion zurückverfolgt werden.
Aus diesem Grund beschäftigt sich das letzte Kapitel mit den Ursprüngen von Diskriminierung: Macht - und Herrschaftsverhältnisse.
Hierzu wird Anhand Judith Butlers und der Diversity Dimension Gender die Rolle von Macht in Bezug auf strukturelle Unterwerfung beleuchtet.
Abschließend soll diskutiert werden, inwiefern Kategorien Gegenstände von Macht in der diversityorientierten Sozialen Arbeit werden können. Hierzu wird am Beispiel der „Gender Paradoxie“ ein Einblick darüber gegeben, ob mit der Kategorisierung innerhalb der Diversität Diskriminierung nicht nur analysiert, sondern gar erschaffen werden kann.
Die Bilanz eignet sich für die fortführende Analyse und Begegnung allgemeiner gesellschaftlicher Marginalisierungsprozesse und leistet einen wissenschaftlichen Beitrag zu der Diskussion um die Relevanz von Diversität in der Sozialen Arbeit.
1. Fallbeispiel Schule „Kunterbunt“ – Diskriminierung hat viele Gesichter:
Die Schulsozialarbeiterin der Förderschule für Lernbehinderung „Kunterbunt“ machte die letzten Wochen einige Feldbeobachtungen während ihres Arbeitsalltages.
Nicht nur, dass es die SchülerInnen der Förderschule sowieso schon schwer hätten, weil sie eben FörderschülerInnen sind. SchülerInnen der anderen Schulformen nennen sie auch oftmals „die von der „Kloppi-Schule“.
Immer wieder fällt ihr auf, dass Kinder aufgrund unterschiedlicher Merkmale gemobbt und von ihrer Klasse ausgeschlossen werden. Da ist zum Beispiel Tom aus der 6 b. Ein eloquenter höflicher junger Mann der es allein aufgrund seiner „nicht weißen Hautfarbe“ nicht schafft, in den Klassenverband aufgenommen zu werden. Oder Vivien: Seitdem ihre MitschülerInnen wissen, dass die 7. Klässlerin eine LGBT Identität besitzt, finden sie alle komisch. Dann ist da auch noch Susi. Susi trifft es besonders hart, denn sie ist nicht nur in der Förderschule für Lernbehinderung in einem Rollstuhl unterwegs, sie trägt auch noch ein Kopftuch und ihre Familie hat wenig Geld.
Als die Sozialarbeiterin diese und weitere „Fälle“ im LehrerInnenkollegium ansprechen möchte, beobachtet sie weitere Aussagen gegen Vielfalt aller Art.
Hast du das von Martin gehört? Ich verstehe nicht, was seine Eltern gegen das Jugendangebot haben, was wir ihm ins Hausaufgabenheft gelegt haben. Ich meine, nur weil die dort auch beten. Er muss ja nicht mitmachen, aber die spielen auch Fußball da. Was Jungs eben so machen. Das täte ihm sicher gut.
Tom aus Klasse 8 - hast du gesehen, was der in Sport für eine Leistung gebracht hat? Ich habe ihm schon fast ein rosa Kleidchen anziehen wollen.
Oh, man Moritz, alles bekommt die Familie vom Amt in den Po geschoben, dabei müsste der Vater sich nur mal waschen und rasieren, dann hätte er in 3 Wochen einen Job.
Aber auch untereinander weht wenig vielfaltsbejahender Wind.
Hast du die neue Kollegin gesehen? Wie soll so eine junge Chici-Micky-Maus gegenüber „unseren Kindern“ bestehen? Und was die immer trägt!
Na besser als Frau Müller, die spricht ja nicht mal richtig deutsch. Da brauchen wir uns nicht wundern, wenn uns die Flüchtlingskinder und halbstarken Jungs auf der Nase rumtanzen, wenn die Kollegen auch alle untereinander polnisch reden.
Interessant scheint Klasse 9 zu sein. Zwei lesbische Schülerinnen mobben derzeit in den Sozialen Medien ihre Mitschülerin, weil sie „nur“ Bi ist und gar keine richtige Lesbe. Die anderen KollegInnen tun sich mit dem Aufgreifen dieses Themas schwer. Sie stammen aus einem freien Träger der religiösen Sozialen Arbeit, der an die Schule angebunden ist. Für LGBT Arbeit ist hier das Verständnis ebenso gering, wie für die zahlreichen atheistischen SchülerInnen der Schule, die die Angebote der KollegInnen, auch wenn sie cool sind, nicht besuchen wollen, weil sie danach immer zum Beten eingeladen werden. Es fällt aus diesem Grund schwer, die SchülerInnen hier in externe Angebote einzubetten.
Die Sozialarbeiterin an der Förderschule „Kunterbunt“ beschließt aufgrund ihrer zahlreichen Beobachtungen keine Einzelfallarbeit anzubieten.
Sie überlegt inwiefern sie der Diversität in der Förderschule gerecht werden kann und sowohl bei KollegInnen als auch SchülerInnen antidiskriminierende Arbeit leisten kann, ohne jemanden dabei zu bevorzugen oder zu benachteiligen.
Aufgrund ihrer Kontakte aus diversen Netzwerktreffen zu einer qualifizierten Sozialarbeiterin und Diversity-Trainerin möchte sie nunmehr ein antidiskriminierendes Projekt für die Schule ins Leben rufen, welches Vielfalt für LehrerInnen und SchülerInnen fördert und Ausgrenzung entgegen tritt. Dazu bedarf es theoretischer und methodischer Vorbereitung.
2.Theorethisches Wissen und Begriffe
2.1 Diversity, Begriff, Forschungsstand, Zugang
Zunächst kann das englische Wort „Diversity“ mit „Diversität“ in die deutsche Sprache übersetzt werden und ist gleichzusetzen mit „Vielfalt“ oder „Verschiedenheit“.
Gemeint ist mit dem englischen Begriff „Diversity“ ein komplexes Konzept der Entwicklung von Organisationen. Dieses beinhaltet die Anerkennung und Wertschätzung der Unterschiedlichkeit von Menschen gleichwohl auch Gemeinsamkeiten gestärkt und gefördert werden.
Es gibt unterschiedliche Zugänge und Ansätze im Bereich Diversity. So findet sich der Begriff, außerhalb der Sozialen Arbeit, auch häufig in wirtschaftlichen Unternehmen wieder. Bei diesem sogenannten „unternehmerischen“ Ansatz zielt die Einbeziehung der Unterschiedlichkeit von MitarbeiterInnen aufgrund von Alter, Geschlecht, Herkunft, körperlicher und geistiger Fähigkeiten sowie sexueller Orientierung, auf die Optimierung von betriebswirtschaftlichen Prozessen ab. Es geht hierbei um die Optimierung der Ressource Mensch und seiner Arbeitskraft, aus dem das Unternehmen aufgrund von Unterschiedlichkeiten der MitarbeiterInnen kapitalistisch – ökonomischen Profit erfährt. (Vgl. genderinstitut-bremen o.J.a)
Um diesen Zugang geht es in dieser Arbeit nicht. Wenn folgend von diversityorientierter Sozialer Arbeit geschrieben wird, sind vorrangig der politisch-philosophische Diversity-Ansatz, Diversity nach „Social Justice“ und „Radical Diversity“ mit dem Ziel der Anerkennungsgerechtigkeit für alle Menschen und affirmativ rechtliche Ansätze gemeint, die vor allem bei der Vorstellung der Strategien gegen Diskriminierung eine tragende Rolle einnehmen. Den Hauptgang zu Diversity bildet in dieser Arbeit jedoch der Ansatz nach dem Konzept der „Social Justice“. Darauf basierend ist es von großer Bedeutung, von (struktureller) Diskriminierung betroffene Personen oder von Partizipation ausgeschlossene Gruppen sichtbar zu machen. Bei diesem Diversity-Ansatz geht es um die Bekämpfung von Ausgrenzung – und Diskriminierungsdynamiken - im konkreten Fall um strukturelle Diskriminierung im Setting der Schulsozialarbeit. Insofern werden folgend die Kategorien sozialer Ungleichheit definiert und identifiziert, um anschließend Methoden zur entschiedenen Begegnung gegen Ausgrenzung für SozialarbeiterInnen aufzuzeigen. (Vgl. genderinstitut-bremen o.J. o.S.)
Mit dem diversityorientierten Ansatz trägt die Soziale Arbeit einer gesellschaftlichen Entwicklung zu Komplexität und Heterogenität Rechnung. Schülerschaften, Kollegien, Elternschaften oder ganze Stadtbevölkerungen produzieren Uneindeutigkeiten und Ungleichheit. Der Diversity-Ansatz reagiert mit gezielten Methoden, Trainings und dem sensiblen Umgang auf Differenzen in Bezug auf Gender, Race, Class, Abilility und Age. Geleitet wird dieser Ansatz davon, Vielfalt wahrzunehmen und sie in Verbindung mit bestehenden gesellschaftlichen Machtverhältnissen zu bringen, aus denen sich strukturelle Benachteiligungs- und Diskriminierungsmuster bilden. Hierzu zählt die ständige Hinterfragung bestehender Normierungen. Diese Reflexion dient der diversityorientierten Sozialen Arbeit zur Sensibilisierung für Diskriminierungsmuster in Bezug auf marginalisierte Gesellschaftsgruppen. Neben dem Gedanken, Ausgrenzung entgegen zu treten, wird mit dem diversityorientierten Ansatz Vielfalt jedoch nicht nur als Analysefeld einer bestehenden Diskriminierungsmatrix verstanden, sondern auch als gesellschaftliche Ressource begriffen. So wird die pauschale Abwertung einer - aus der Norm ausbrechenden - Gruppe ersetzt durch differenzaffirmative Haltungen und Denkmuster. Die Merkmale fußen in ihren Differenzlinien (Vgl. Chung et al. o.J. : S. 6 ff.) auf der rechtlichen Grundlage des allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG): Hautfarbe, Ethnie, Alter, Fähigkeiten/Behinderung, Geschlechtlichkeit, Begehren sowie Weltanschauung bzw. Religion, aber auch anderen Merkmalen wie etwa Familienstand, Einkommen und Bildung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Abb. 1: Dimensionsebenen von Diversity; nach Chung et al. o.J.: o. S. zitiert nach Rosener "WorkforceAmerica" : 1991; Grafik: selbst erstellt;)
Grundlegend für diesen Ansatz ist die methodische Sichtbarmachung dieser Merkmale und Kategorien der Unterschiedlichkeit. Hierbei steht die Anerkennung der Unterschiedlichkeit, nicht aber die Toleranz, im Fokus der pädagogischen Arbeit. Für SozialarbeiterInnen selbst ist es hierfür von enormer Bedeutung, eigene Normvorstellungen reflektierend zu hinterfragen. An dem englischen Merksatz: „Diversity is not about the others – it is about you“: „Bei Diversity geht es nicht um die Anderen – es geht um Dich!“ (Chung et al. o.J. : S. 8) erkennt man die Wichtigkeit von eigenen Norm- und Identitätsbildern im Kopf beim Umgang mit Differenz und Vielfalt.
Speziell jedoch wird sich diese Arbeit mit dem „Radical Diversity“ und „Social Justice“ Ansatz beschäftigen, der im nächsten Abschnitt näher erläutert wird. Dieser Zugang zu Diversity ist jener, aus dem sich Theorien und Methoden für die Begegnung gegen Ausgrenzung im Handlungsfeld der Sozialen Arbeit ergeben wird. Zuvor soll allerdings das Handlungsfeld der Anwendung dieser Methoden näher erläutert werden.
Im Allgemeinen kann man sagen, dass sich Diveritätsmanagement und Diversity in der Forschung in vielen wissenschaftlichen Disziplinen etabliert haben. (Vgl. Abdul-Hussain und Hofmann 2013: o.S)
„Forschung zu Diversität und Diversitätsmanagement wird heute in vielen wissenschaftlichen Fächern multi-, inter- und transdisziplinär betrieben. So haben sich Forschungsfelder wie die Migrationsforschung, die Disability Studies, die Antisemitismusforschung, die Race-, Ethnic-, Black-, Postcolonial-, Gay-, Lesbian-, Queer- und Cultural Studies etabliert. Innerhalb dieser Forschungsbereiche wird auch intersektional, also Diversitätsdimensionen-übergreifend, geforscht.“ (Abdul-Hussain und Hofmann 2013: o.S.)
2.2 Schulsozialarbeit im Kontext von Diversity
Die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule Dortmund im Fachbereich für angewandte Sozialwissenschaften, Laura Holtbrink, publizierte im „Sozialmagazin“ über die besondere Rolle der Sozialen Arbeit an Schulen in Bezug auf Diversität. So schreibt sie, dass die Rolle der Schulsozialarbeit im Entwicklungsprozess der Inklusion und damit der Diversität an Schulen bisher wenig beleuchtet wurde. Ihrer Publikation liegen auch vorläufige Ergebnisse einer empirischen Studie zu Grunde. (Vgl. HOLTBRINK 2015: S. 30)
Zum aktuellen Forschungsstand greift sie auf Literatur von „Spies“ zurück und stellt fest, dass Hindernisse, die das Lernen betreffen, auch immer Benachteiligungen in Bezug auf Vielfalt und Marginalisierung auf den Differenzlinien von Diversity für Kinder und Jugendliche an Schulen bedeutet. (Vgl. HOLTBRINK 2015 : S. 32; Vgl. nach Spies 2015)
Der ursprüngliche Inklusionsdiskurs wurde hier zum Anlass genommen, Schulsozialarbeit im Hinblick ihres Auftrages gegen Diskriminierung an Schulen zu beleuchten. Kritisiert wird die oftmals einseitige Betrachtung des Begriffes der Inklusion. So bringen nicht nur viele LehrerInnen den Begriff ausschließlich mit der Differenzlinie „disability“ (Behinderung) in Verbindung. Dabei müsse der Begriff der Inklusion wesentlich weiter als über die Ungleichheitsdimension „Behinderung“ gedacht werden - hin zu einer antidiskriminierenden benachteiligungsabbauenden Konzeption für alle Kategorien von Vielfalt. Es geht hierbei vielmehr darum, Heterogenität und Unterschiedlichkeit aller SchülerInnen positiv und wertschätzend anzuerkennen. Dabei ist das Ziel Marginalisierung und Diskriminierung mithilfe der Sozialen Arbeit an Schulen abzubauen. Der Inklusionsdiskurs geht demnach in den Diskurs der diversityorientierten Sozialen Arbeit über. (Vgl. HOLTBRINK 2015 : S. 32)
Der durch Henry Maas bezeichnete Begriff „Schulsozialarbeit“ tauchte das erste Mal 1966, unter dem Begriff der Einzelfall Arbeit, in einer Arbeit über Methoden zu Grundbegriffen der sozialen Arbeit, auf. Im Laufe der Jahre wandelte sich jedoch das Verständnis des Begriffes der Schulsozialarbeit. 1970 wurde Schulsozialarbeit noch aus einem Fokus der Förderung der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Jugendhilfe verstanden. Heute wird unter der Schulsozialarbeit jedoch die engste Form der Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule definiert. (Vgl. Speck 2017: o. S.)
„In der Schulsozialarbeit:
1. findet die formalisierte und engste Form der Kooperation von Jugendhilfe und Schule, bzw. von sozialpädagogischen Fachkräften und Lehrkräften, statt (konzeptioneller Rahmen),
2. werden eigenständig und auf einer professionellen Basis sozialpädagogische Grundsätze, Ziele, Methoden und Kompetenzen in die Institution Schule eingebracht (sozialpädagogische Verortung),
3. werden grundständig qualifizierte, sozialpädagogische Fachkräfte eingesetzt, die ganztägig und kontinuierlich in der Schule präsent sind, d.h. es gibt eine Zuständigkeit für max. eine Schule (Profession und Arbeitsort),
4. werden die Angebote auf alle Kinder und Jugendlichen, besonders aber auf Bildungsbenachteiligte, sowie die Erziehungsberechtigten und Lehrkräfte als Sekundärzielgruppe ausgerichtet (Primär- und Sekundärzielgruppe),
5. wird
1) die Förderung der schulischen, personalen, sozialen und beruflichen Entwicklung und Lebensbewältigung der SchülerInnen,
2) die Verringerung von Problemlagen, Belastungen und Benachteiligungen der SchülerIn
3) die Beratung von Erziehungsberechtigten und Lehrkräften und
4) die Förderung einer schülerfreundlichen Umwelt anvisiert (Ziele),
6. wird eine breite Palette an präventiven und intervenierenden Angeboten vorgehalten und die Einzelfallhilfe, Gruppenarbeit und Gemeinwesenarbeit am Ort Schule miteinander verknüpft (Leistungen und Methoden),
7. wird mit Kinder und Jugendlichen, Erziehungsberechtigten, Lehrkräften sowie Beratungs- und Unterstützungsangeboten in den und im Umfeld der Schulen kooperiert (Vernetzung)“ (Speck 2017: o. S.)
Diese Arbeit wird ihre Analyse von sozialer Ungleichheit, mit intersektionalen Perspektiven nicht nur vorranging nach dem Konzept von Social Justice und Diversity untersuchen, sondern seine Handlungsbeispiele im Handlungsfeld der Schulsozialarbeit und Jugendhilfe denken. So ist es möglich, nach den theoretischen Inputs zu Diversity und Intersektionalität, die anschließend aufgezeigten Trainings- und Interventionsvorschläge direkt in ein Handlungsfeld der konstituierenden Sozialen Arbeit zu denken.
2.3 „Social Justice“ und „Radical Diversity“ (Czollek/Perko et. al.)
Die, in dieser Arbeit im späteren Verlauf (in Kapitel 4), erläuterten spezifischen Methoden von Diversity Training, Strategien gegen Diskriminierung und diversityorientierter Sozialer Arbeit sind angelehnt an das Konzept der „Social Justice“. Hierbei geht es um ein spezielles Gerechtigkeitsdenken. Im Gegensatz zur deutschsprachigen Übersetzung „soziale Gerechtigkeit“, dessen allgemeiner Begriff auf verschiedene Gerechtigkeitstheorien fußen kann, ist „Social Justice“ als eigenes Gerechtigkeitsverständnis zu verstehen. Social Justice übersteigt den tradierten deutschen Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ insofern, da spezifisch Verteilungs-, Anerkennungs-, Befähigungs- und Verwirklichungsgerechtigkeit enthalten sind. Gegenüber des Begriffs der „Sozialen Gerechtigkeit“, dessen Verständnis sich im Laufe der Epochen, Kulturen oder politischen Haltungen (z.B. nach Neoliberalismus; Christentum oder Platon), meint „Social Justice“ entsprechend dieses spezifische Konzept und übersteigt in seiner Bedeutung damit die deutsche „Soziale Gerechtigkeit“. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 22)
Bei der Verteilungsgerechtigkeit geht es um die Verteilung materieller und immaterieller Güter wie Geld oder Aufmerksamkeit.
Die Anerkennungsgerechtigkeit als Säule von „Social Justice“ meint die Anerkennung von Menschen und ihren Belangen durch Teilhabe und Partizipation. Dabei geht es auch um „Macht“ in verschiedenen Kontexten, welche diese Anerkennung (z.B. Anweisungsmacht) unterdrückt, dafür jedoch asymmetrische Machtverhältnisse reproduziert. Zentral ist das Prinzip der Freiwilligkeit. Es geht darum, die Gesellschaft selbst aktiv mitgestalten zu können, nicht aber zu müssen. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 24) Bei der Befähigungsgerechtigkeit geht es um die Frage, Ressourcen nicht nur zu erhalten, sondern auch nutzen zu können. Menschen, die an einer Universität angenommen wurden, müssen auch Zeit und Geld erhalten, diese Bildung in Anspruch nehmen zu können. Kinder, die an einer Schule mit genügend PCs ausgestattet sind, müssen auch in Medienkompetenz geschult werden, um die Technik nutzen zu können. Die Verwirklichungsgerechtigkeit meint das Recht, die eigenen Befähigungen verwirklichen zu können und dabei sicher und gewaltfrei bleiben zu können. Hierzu zählt auch die politische Partizipation. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 25)
Das Konzept „Social Justice“ setzt eine Umsetzung aller dieser vier Aspekte von Gerechtigkeit voraus. Voraussetzung der Umsetzung dieser Gerechtigkeitsaspekte ist die Analyse und kritische Hinterfragung von Verhältnissen der Macht oder Herrschaft.
Insofern greift „Social Justice“ direkt mit Diversity ineinander, da die Dimensionen von Diversity Kategorien der Sozialen Ungleichheit und damit Resultat von bestehenden Macht - und Herrschaftsaspekten darstellen. Ist der Schüler aus dem Fallbeispiel also z.B. von strukturellem Rassismus betroffen, so ist dies ein Resultat bestehender Macht- und Unterwerfungsprozesse, das mit den verschiedenen Analysemodellen durch die Soziale Arbeit sichtbar gemacht werden kann. „Social Justice“ setzt dort an, wo die Analyse endet.
Egal ob der /die SchülerIn von Rassismus, Sexismus oder Klassismus betroffen ist. Ziel ist es, jedem dieser AdressatInnen diese Gerechtigkeitsaspekte zu ermöglichen. Die Aspekte können nicht getrennt voneinander betrachtet werden. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 26)
Werden all diese vier Gerechtigkeitsaspekte erfüllt, sind die Mechanismen von Macht und struktureller Diskriminierung ganzheitlich analysiert sowie aufgehoben worden und wird folgend in einer diskriminierungsfreien (und somit herrschaftsfreien) diversityorientierten, differenzbejahenden Gesellschaft gelebt - das heißt, eine Gesellschaft, die von Partizipation, Anerkennung und Inklusion in allen Dimensionen von Ungleichheit geprägt ist - dann würden wir den Zustand der radikalen Diversity erreichen. Eine Utopie einer offenen Gesellschaftsform, die frei von Macht und Herrschaftsverhältnissen ist. Insofern kann man „Radical Diversity“ als Ziel des Ansatzes „Social Justice“ und Diversity verstehen.
Diese Utopie ist eine Form der Gesellschaft, die für alle Menschen in ihrer radikalen Verschiedenheit gleich welcher Merkmale offen ist und nicht gesellschaftliche Pluralität, wie bisher durch bestehende Macht und Herrschaftsverhältnisse, unterdrückt. „Radical Diversity“ ist auf der einen Seite eine Utopie und auf der anderen Seite verweist sie auf die Realisierbarkeit einer diskriminierungsfreien Gesellschaft. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 18)
2.4 Das Konzept der Intersektionalität, systemische Intersektionalität, Diskriminierungsmatrix - und Trias
„Der Begriff „intersectionality“ (Intersektionalität) bzw. „intersectional oppression“ (sich überschneidende Unterdrückung) hat seine politischen und wissenschaftlichen Wurzeln im amerikanischen „Black Feminism“. „ (Czollek und Perko 2012: o.S.)
Bei dem Konzept der Intersektionalität wird die Überschneidung von verschiedenen Formen der Diskriminierung (Rassismus, Sexismus, Klassismus, Ageismus, Ableismus) beschrieben. Essenzieller Bestandteil dieses Konzeptes ist die Berücksichtigung dessen, dass es sich hierbei nicht um eine bloße Addition der verschiedenen Diskriminierungsformen handelt, sondern vielmehr eigene Diskriminierungsformen und Diskriminierungserfahrungen manifestiert werden. Insofern werden für die Soziale Arbeit durch die intersektionalen Perspektiven miteinander verwobene Unterdrückungsverhältnisse von AdressatInnen sowie Berührungspunkte und wechselseitige Verstärker sichtbar gemacht. (Vgl. genderinstitut-bremen o.J. o.S.)
2.4.1 Systemische Intersektionalität (Czollek/Perko et al.)
Czollek und Perko et. al. verwenden für das Zusammenwirken der unterschiedlichen Diskriminierungsformen den Begriff der systemischen Intersektionalität. Wichtig ist auch hier, dass Menschen, die von systemischen Intersektionalitäten auf verschiedenen Differenzlinien betroffen sind und nicht eine bloße Addition ihrer Diskriminierungserfahrungen erleben (zum Beispiel: nicht weiße, lesbische Frau mit Behinderung), sondern sich durch die Verschränkung der einzelnen Differenzlinien zusätzlich ganz eigene spezifische Diskriminierungsmuster offenbaren. Zentral ist an dieser Stelle die Gleichzeitigkeit. Damit grenzt sich die systemische Intersektionalität von der Mehrfachdiskriminierung ab. Als Beispiel dient das Phänomen der Altersarmut. Nach dem Konzept der Social Justice wird hier, im Gegensatz von der Mehrfachdiskriminierung nicht von doppelter Diskriminierung gesprochen. Zusätzlich erscheint wichtig, dass die Diskriminierungen miteinander nicht in Konkurrenz gesetzt werden. Eine Hierarchie der Wichtigkeit oder ein Ringen um die Hoheit einer Diskriminierung findet nicht statt. Der Fokus liegt auf den spezifischen Diskriminierungen der Personen (Gruppen), die auch im Phänomen „Altersarmut“ auf individueller, kultureller und institutioneller Ebene zu finden sind. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 32)
Im Kern geht es um das Erkennen, die Dekonstruktion und Analyse der Verschränkung von Diskriminierungen. Primär ist hier die Erkenntnis über ähnliche Mechanismen, die sich innerhalb, außerhalb und zwischen den Differenzlinien / Diskriminierungen manifestieren. Die systemische Intersektionalität lässt den Blick zudem für Personen oder Personengruppen offen, die zwar selbst von Diskriminierung betroffen sind, jedoch selbst als ReproduzentInnen und StabilisatorInnen für Formen der strukturellen Diskriminierung an anderer Stelle stehen können.
Im Konzept der „Social Justice“ werden Stereotype, also allgemeine Zuschreibungen von Eigenschaften/Fähigkeiten/Verhaltensweisen, grundsätzlich als negativ bewertet. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 33)
2.4.2 Diskriminierungsmatrix (Czollek/Perko et. al.)
Um in der Sozialen Arbeit die Verflochtenheit der verschiedenen Formen von Diskriminierungen besser verstehen zu können, denen mit antidiskriminierenden Methoden und Maßnahmen, beispielsweise durch den „Social Justice“ und Diversityansatz, begegnet wird, liefert die Literatur von Czollek/Perko et. al. den Begriff und das Bild der Diskriminierungsmatrix. Um sich systemischen Intersektionalitäten, wie im Fallbeispiel der Schule „Kunterbunt“ im Theorie-Praxis-Transfer zu nähern, erklärt dieser Begriff die Verwobenheit und gegenseitige Stabilisation der vielfältigen Diskriminierungsformen im gesellschaftlichen und beruflichen Alltag sehr anschaulich. Das Bild eines „Wollknäul“ oder einer verwobenen Matrix erklärt, dass keine Form der Diskriminierung für sich alleinsteht.
Bezogen auf die These der Arbeit findet sich so eine Antwort darauf, wieso in der sozialarbeiterischen Praxis (z.B. im Setting Schule) intersektionale Perspektiven unabdingbar beim professionellen agieren gegen Diskriminierung zu sein scheinen. Ein beispielsweise alleiniges Projekt gegen Rassismus an Schulen verkennt die Tatsache, dass sich die unterschiedlichen Diskriminierungsformen der Diskriminierungsmatrix gegenseitig stabilisieren. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 35)
In den Fokus wird hier die Wirkmächtigkeit von historischen und geschichtlichen Ereignissen genommen, die sich in der Gegenwart auf den Ebenen der strukturellen Gegenwart als Diskriminierungen implementieren und gegenseitig verflechten. Die Matrix der Diskriminierung bildet hierbei die Grundlage, auf der sich kollektive Vorstellungen von Normen und Haltungen in Institutionen wie Schule (aber auch Gerichte, Krankenhäuser etc.) verdichten. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 35)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Abb. 2: Diskriminierungsmatrix; nach Czollek et al. 2019: S. 35; Grafik: selbst erstellt)
2.5 Dimensionen von Diversity und Formen der Diskriminierung
Klassismus – „Class“
Die Ungleichheitdimension „Class“ beinhaltet die Diskriminierungsform des „Klassismus“. Klassismus ist eine Form der Benachteiligung, die strukturelle Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres sozioökonomischen Status oder auch ihrer „Klasse“/ ihres sozialen Status anführt. Gemeint sind hier sowohl ärmere Menschen, ArbeiterInnen oder TransferleistungsempfängerInnen aber auch interkulturelle Klassenzuschreibungen. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 232)
Rassismus – „Race“
Kurz definiert versteht man unter Rassismus die strukturelle Diskriminierung nicht weißer Menschen, allerdings existieren erweiterte Definitionsverständnisse. So kann der Begriff Rassismus durch Begriffe wie Antimuslimismus oder Migratismus erweitert werden, um auch als strukturelle Diskriminierung von Menschen mit Migrationsgeschichte oder geflüchteten Menschen verstanden zu werden. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 140)
Sexismus/ „Homophobie“ / „Gender“
Diese Diskriminierungsform ist eng verbunden mit Heteronormativität, die ein gesamtes normiertes Verhaltens- und Denksystem, und damit ein System der Macht, beschreibt. Es handelt sich um die Anerkennung eines binären Geschlechtersystems. Allein dieses System anzuerkennen, ist nach Judith Butler eine Form der Macht und Unterdrückung. (Vgl. Sagebiel, Juliane und Pankofer, Sabine 2015: S. 100 ff.) Hierbei geht es um das System der Zweigeschlechtlichkeit, welches nicht mehr als Mann und Frau anerkennt. Aus dieser Heteronorm ergeben sich wiederrum Rollenzuschreibungen, Sexualitätsnormen, Identitätszwänge oder Erwartungen an das Erscheinungsbild. Insofern ist Sexismus/Heterosexismus/Homo- und Transmiseoismus die strukturelle Diskriminierung aufgrund des (zugeschriebenen) Geschlechtes (Gender) oder des individuellen sexuellen Begehrens. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 147)
Ableismus / „Disability“
Der Begriff Ableismus umschreibt die strukturelle Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Dabei handelt es sich um nicht sichtbare oder sichtbare psychische oder physische Beeinträchtigungen. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 222)
Ageismus / Adultismus „Age“
Adultismus und Ageismus sind die zwei unterteilten Formen der sogenannten Altersdiskriminierung. Mit Ageismus bezeichnet man die strukturelle Diskriminierung älterer Menschen und den damit verbundenen zugeschriebenen Bildern im Kopf. Mit Adultismus wiederum wird die strukturelle Diskriminierung jüngerer Menschen, also Kinder und Jugendliche, in Bezug auf ihr jüngeres Alter beschrieben. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 222)
Diskriminierung säkularer Menschen
Hierbei handelt es sich um strukturelle Diskriminierungen von Menschen aufgrund ihrer Weltanschauung. Der „ Humanistische Verband Deutschland (HVD) “ verglich die Situation für nichtgläubige Menschen in Deutschland mit „Gläsernen Wänden“ und brachte eigens für dieses - eher weniger populäre - Thema eine Broschüre mit einem etwa 100 seitigen „Bericht zur Benachteiligung nichtreligiöser Menschen in Deutschland“ (Bauer und Platzek 2015: o. S.) heraus. (Vgl. Bauer und Platzek 2015: o. S.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Abb. 3: Dimensionen von Diversity; nach Charta der Vielfalt 2011: o. S. Grafik: selbst erstellt)
2.5.1 Strukturelle Diskriminierung (Czollek/Perko et. al.)
Herabsetzung durch Benachteiligung also Diskriminierung, im Sinn des „Benachteiligungsverbots“, ist gesetzmäßig illegal und wurde mittels des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz juristisch festgehalten.
Im Auszug des § 7 Abs. 1 AGG „Benachteiligungsverbot“ heißt es hierzu:
„(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.“ (Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz 2006: § 7 AGG)
Ziel dieser Norm nach § 1 des AGG ist:
„Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ (Bundesministerium für Justiz und für Verbraucherschutz 2006: § 1 AGG)
Damit werden die von der EU geforderten Gleichbehandlungsrichtlinien (EG) durch das AGG umgesetzt. Zwar gelten diese vier Richtlinien als Vorgabe, jedoch ist es den einzelnen Ländern auf nationaler Ebene überlassen, wie sie diese im Einzelnen umsetzen. Bislang gelten vier Richtlinien zur Gleichbehandlung.(Vgl. Europäische Union 2002: o. S.) Grundsätzlich bleibt jedoch festzuhalten, dass Diskriminierung gesetzlich untersagt ist.
Im Gegensatz zum reinen Begriff der Benachteiligung/Diskriminierung umfasst der Begriff der strukturellen Diskriminierung sowohl die unterschiedlichen Ebenen, auf denen diese stattfinden, als auch die Mechanismen, die diese Diskriminierung(en) reproduzieren und stabilisieren. (Vgl. Czollek et al. 2019: S. 26) 31,4% der Menschen geben in einer repräsentativen Befragung aus dem Jahr 2015 an, in den letzten zwei Jahren Diskriminierung in Diversitybereichen des Allgemeinen Gleichstellungsgesetz erfahren zu haben. Insofern können empirische Studien eine Einsicht davon verschaffen, wo Diskriminierung geschieht. Der Prozentsatz von 31.4% erhöht sich sogar auf 35.6%, wenn weitere - vom AGG nicht abgedeckte - Differenzlinien bei der Befragung mit einbezogen werden. Grundsätzlich wird jedoch deutlich, dass keine Ebene in unserer aktuellen Gesellschaft existiert, die frei von Diskriminierung(en) ist. (Vgl. Czollek et al. 2019: S.25)
Bei allen Diskriminierungsformen der Diversitykategorien handelt es sich um strukturell vorkommende Diskriminierungsmuster, entstanden aus strukturellen Macht - und Herrschaftsverhältnissen.
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- Citation du texte
- Cindy Rosenthal (Auteur), 2020, Diversity in der Sozialen Arbeit mit Blick auf intersektionale Perspektiven. Praktische Methoden der Antidiskriminierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1297731
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